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Hit me with your Spritzbesteck

Die Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät zu Mün­chen (LMU) hat an ihren Toi­let­ten­tü­ren einen „Nut­zungs­hin­weis“ auf­ge­hängt:

„Der Auf­ent­halt in den Toi­let­ten­an­la­gen ist nur zum Zwe­cke der Ver­rich­tung der Not­durft gestat­tet“, heißt es da. Und wei­ter: „Bei dar­über hin­aus gehen­dem unbe­fug­ten Ver­wei­len wird ab sofort, ohne Aus­nah­me, Straf­an­trag wegen Haus­frie­dens­bruch gestellt!“

Der Grund, so sueddeutsche.de:

Das Schrei­ben habe einen erns­ten Hin­ter­grund. „Bei der Ver­wal­tung sind Beschwer­den von Mit­ar­bei­tern und Stu­den­ten ein­ge­gan­gen, die sich bedroht fühl­ten, weil es auf den Toi­let­ten Dro­gen­miss­brauch gab.“ Benutz­te Sprit­zen und Blut­spu­ren sei­en ent­deckt wor­den.

Bebil­dert ist die­ser Arti­kel mit einem Foto, das mut­maß­lich nicht die Toi­let­te der LMU zeigt:

Mit in den Toiletten ausgehängten "Nutzungshinweisen" will die LMU Drogensüchtige abschrecken.

Die Bild­un­ter­schrift sah nicht immer so aus. Als der Arti­kel online ging stand dort:

Sollen sich gerne in den Toiletten der LMU treiben: Drogensüchtige mit ihrem Spritzbesteck.

[Ein­ge­sandt von Juli­us.]

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Offline-Dating

Das war ja zu Erwar­ten gewe­sen: Kaum hat Herr Nig­ge­mei­er frei, kommt ein Super-Sym­bol­bild daher.

Dann muss ich eben:

Zum Traumprinz via Internet: Auch immer mehr Frauen gehen im Netz auf Partnersuche - die anfängliche Geschlechter-Asymmetrie beim Online-Dating ist mittlerweile fast aufgehoben. (© dpa)
Mit die­sem dpa-Foto bebil­dert sueddeutsche.de einen Arti­kel über Online-Dating. Einem Foto, auf dem eine Frau gedan­ken­ver­sun­ken auf das Foto eines Man­nes schaut, das ihren Desk­top ziert (gut zu erken­nen an den dar­über lie­gen­den Pro­gramm­sym­bo­len unten rechts).

Wenn es danach gin­ge, wür­de ich Online-Dating mit Get­ter Jaa­ni betrei­ben.

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Hä? (2)

Hans Ley­en­de­cker hat für die gest­ri­ge Aus­ga­be der „Süd­deut­schen Zei­tung“ ein gro­ßes Por­trät über die Men­schen im Viel­völ­ker­bun­des­land Nord­rhein-West­fa­len geschrie­ben – natür­lich vor dem Hin­ter­grund der heu­ti­gen Land­tags­wahl:

In den Rau-Wahl­kämp­fen kleb­ten die Sozi­al­de­mo­kra­ten Pla­ka­te mit dem Spruch „Wir in Nord­rhein-West­fa­len und unser Minis­ter­prä­si­dent“. Rau gelang es, die Iden­ti­fi­ka­ti­on der Bür­ger mit dem künst­lich zustan­de gekom­me­nen Land zu stei­gern. Im Land­tags­wahl­kampf 2010 klebt die CDU Pla­ka­te mit dem Kon­ter­fei von Rütt­gers und dem Slo­gan „Wir in Nord­rhein-West­fa­len“. Manch­mal fin­det sich auch der Zusatz: „Unser Minis­ter­prä­si­dent“. Ledig­lich auf das „und“ hat die CDU bei der Kopie ver­zich­tet.

Das ist jetzt so ein Absatz, der für die meis­ten Men­schen, die nicht gera­de als Wahl­pla­ka­t­his­to­ri­ker arbei­ten, von eher min­de­rem Inter­es­se ist. Wen inter­es­siert schon, ob da jetzt ein „und“ mehr oder weni­ger auf dem Pla­kat ist?

Es wäre weit­ge­hend egal – wenn sueddeutsche.de die Onlin­ever­si­on des Arti­kels nicht aus­ge­rech­net mit die­sem Foto bebil­dert hät­te:

Wir in Nordrhein-Westfalen und unser Ministerpräsident

Mit Dank an Felix.

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Boulevardjournalismus-Mäander

Es gibt Tex­te, die neben ihrem eigent­li­chen Inhalt auch ihre eige­ne Ent­ste­hungs­ge­schich­te trans­por­tie­ren. In der heu­ti­gen „Bild am Sonn­tag“ gibt es min­des­tens zwei die­ser Sor­te:

Zehn Kol­le­gen haben Ste­fan Hauck (der als Exper­te auf dem Gebiet der Exis­tenz­ver­nich­tung zu gel­ten hat) bei sei­nem Ver­such unter­stützt, das Pri­vat­le­ben von Jörg Kachelm­ann aus­zu­lo­ten.

Sie haben dabei kei­ne gro­ßen Erkennt­nis­se gewon­nen und die Ent­täu­schung dar­über schwingt mit:

Viel genau­er geht es nicht, denn auch am Ende von lan­gen Gesprä­chen mit Weg­ge­fähr­ten, Freun­den, Gelieb­ten, Kol­le­gen und Fein­den des Beschul­dig­ten, hat zwar jeder über Jörg-Andre­as Kachelm­ann gespro­chen – aber immer einen ande­ren Men­schen geschil­dert.

Da betreibt man so einen Auf­wand und am Ende sitzt man vor einem Berg aus Puz­zle­tei­len, die alle nicht so recht­zu­sam­men­pas­sen wol­len. Aber wenn man sie doch gewalt­sam zusam­men­häm­mert, ent­steht da das Bild eines Men­schen – oder, wie Hauck schreibt, einer „wider­sprüch­li­chen Per­son“.

„Herz­li­chen Glück­wunsch!“, möch­te man fast aus­ru­fen, „Sie haben soeben begrif­fen, dass die wenigs­ten Men­schen zwei­di­men­sio­na­le Wesen sind!“ Aber das wäre Quatsch. Hauck hat nichts begrif­fen, wie er gleich zu Beginn sei­nes Tex­tes selbst her­aus­po­saunt:

Bis ver­gan­ge­nen Mon­tag hat sich kein Mensch ernst­haft dafür inter­es­siert, was der Fern­seh­star Jörg Kachelm­ann, 51, für eine Bezie­hung zu Frau­en hat. Und ob über­haupt. Kachelm­ann ist ein Star des Fern­se­hens, ist aber, was den „Glam-Fak­tor“ anbe­langt, also die Maß­ein­heit, in der man das Glit­zern­de eines Fern­seh-Men­schen misst, natür­lich kein Rober­to Blan­co, wer ist schon wie Rober­to Blan­co?

Wenn sich bis letz­te Woche „kein Mensch ernst­haft“ für das Intim­le­ben die­ses angeb­lich so ung­la­mou­rö­sen Fern­seh­stars inter­es­siert hat, war­um soll­te man es jetzt tun? Weil es hel­fen wür­de, als Außen­ste­hen­der zu beur­tei­len, ob Kachelm­ann die Tat, die ihm vor­ge­wor­fen wird, began­gen haben könn­te? (Und was hat das Wort „ernst­haft“ über­haupt in die­sem Satz zu suchen?)

Die Suche nach Erklä­rungs­mus­tern ist zutiefst mensch­lich, aber wäh­rend es bei Amok­läu­fern oder Ter­ro­ris­ten, ((Der Kaba­ret­tist Vol­ker Pis­pers sag­te ein­mal über die Repor­ter, die nach den Anschlä­gen des 11. Sep­tem­ber 2001 in Ham­burg das Umfeld des Anfüh­rers Moham­med Atta aus­ge­fragt hat­ten: „Sol­che Men­schen kön­nen Sie nur zufrie­den­stel­len, indem Sie sagen: ‚Ja, so ein biss­chen nach Schwe­fel gero­chen hat er schon ab und zu.‚“)) die ihre Taten in und an der Öffent­lich­keit began­gen haben, noch ein gerecht­fer­tig­tes Inter­es­se an ihrer Vor­ge­schich­te geben könn­te – um im Ide­al­fall in ähn­lich gela­ger­ten Fäl­len Taten zu ver­mei­den – geht es im „Fall Kachelm­ann“ um das exak­te Gegen­teil: Ein mög­li­ches Ver­bre­chen im denk­bar intims­ten Rah­men, in des­sen Fol­ge nicht nur der mut­maß­li­che Täter der Öffent­lich­keit prä­sen­tiert wird, son­dern auch das poten­ti­el­le Opfer, not­dürf­tig anony­mi­siert.

* * *

Die ande­re Geschich­te hat nur eine Autoren­nennung, aber schon der ers­te Satz deu­tet an, dass auch Nico­la Pohl nicht allein war, als sie im pri­va­ten Umfeld der deut­schen Grand-Prix-Hoff­nung Lena Mey­er-Land­rut wühl­te:

Einen weh­mü­ti­gen Jun­gen mit dün­nem Bart. Eine Tanz­leh­re­rin, die abhebt. Einen Fri­seur, der der Neun­jäh­ri­gen die Spit­zen schnitt. Sie alle tra­fen wir, als wir zwei Tage durch Lena Mey­er-Land­ruts Leben spa­zier­ten und uns frag­ten: Wo lebt, lacht, liebt, lüm­melt Lena?

Die Recher­che muss noch ent­täu­schen­der ver­lau­fen sein als die bei Kachelm­ann: Aus der Über­schrift „Wie heil ist Lenas Welt?“ tropft förm­lich die Hoff­nung auf Fami­li­en­dra­men, Dro­gen, Sex und Schum­meln bei den Vor­abi­klau­su­ren, aber nichts davon hat die Autorin gefun­den. Jetzt muss sie unüber­prüf­ba­re und belang­lo­se Aus­sa­gen wie „Für 7,90 Euro ließ sie sich Spit­zen schnei­den“ als Sen­sa­ti­ons-Mel­dung ver­kau­fen. Wenn man schon sonst nichts gefun­den hat und extra hin­ge­fah­ren ist.

* * *

Mal davon ab, dass ein Fri­seur, der mit irgend­wel­chen wild­frem­den Men­schen über mich redet, mir die längs­te Zeit sei­nes Lebens die Haa­re geschnit­ten hät­te, habe ich nie ver­stan­den, was so inter­es­sant sein soll am Pri­vat­le­ben von Pro­mi­nen­ten. Ich bin mir sicher, wenn man die Nach­barn, Freun­de und Fami­li­en­mit­glie­der eines belie­bi­gen Men­schen befragt, wer­den die meis­ten nicht viel mehr als zwei, drei Sät­ze über die betref­fen­de Per­son berich­ten kön­nen – wohl aber erstaun­li­che Details aus dem Pri­vat­le­ben von Brad Pitt, Ange­li­na Jolie, San­dra Bul­lock und Tiger Woods.

Es ist mir egal, wie oft Ben Folds schon ver­hei­ra­tet war, wel­che Dro­gen Pete Doh­erty gera­de nimmt und wel­che Haar­far­be Lily Allen im Moment hat. Ich wün­sche die­sen Pro­mi­nen­ten wie allen ande­ren Men­schen auch, dass es ihnen gut geht. ((Auch wenn Musi­ker meist die bes­se­ren Songs schrei­ben, wenn es ihnen schlecht geht, aber so ego­is­tisch soll­te man als Hörer dann auch nicht sein.)) Mich inter­es­siert ja offen gestan­den schon nicht, was die meis­ten Men­schen so machen, mit denen ich zur Schu­le gegan­gen bin. ((Selbst eini­ge Sachen, die mir gute Freun­de über sich erzählt haben, hät­te ich am liebs­ten nie erfah­ren. Aber mit die­ser Last muss man in einer Freund­schaft irgend­wie klar­kom­men.))

* * *

Es sind Tex­te wie die­se zwei aus „Bild am Sonn­tag“, bei denen man hofft, bei der Aus­wahl der eige­nen Freun­de das rich­ti­ge Fin­ger­spit­zen­ge­fühl bewie­sen zu haben, auf dass die­se nicht mit irgend­wel­chen daher­ge­lau­fe­nen Jour­na­lis­ten plau­dern, wenn man selbst mal zufäl­li­ger­wei­se unter einen Tank­las­ter gera­ten soll­te. Gleich­zei­tig ahnt man natür­lich auch, dass die Men­schen, die reden wür­den, nur das Schlech­tes­te über einen zu berich­ten wüss­ten: Frü­he­re Mit­schü­ler, mit denen man nie etwas zu tun hat­te; Ex-Kol­le­gen, die man im Eifer des Gefechts mal eine Spur zu hart ange­gan­gen hat; Inter­net-Nut­zer, die glau­ben, auf­grund der Lek­tü­re ver­schie­de­ner Blog-Ein­trä­ge und ‑Kom­men­ta­re einen Ein­druck von der eige­nen Per­son zu haben.

* * *

Über­haupt soll­te man bei die­ser Gele­gen­heit und für alle Zei­ten noch mal auf den Rat­ge­ber „Hil­fe, ich bin in BILD!“ zu ver­wei­sen, den die Kol­le­gen vor mehr als drei Jah­ren zusam­men­ge­stellt haben, aber der natür­lich immer noch gül­tig ist, wenn „Bild“-Reporter, Men­schen, die sich als sol­che aus­ge­ben, oder ande­re Medi­en­ver­tre­ter bei einem anru­fen.

* * *

Wenn ein Ver­kehrs­mi­nis­ter sei­nen Füh­rer­schein wegen Geschwin­dig­keits­über­schrei­tung abge­ben muss, ist das eine inter­es­san­te Infor­ma­ti­on, weil sei­ne pri­va­te Ver­feh­lung mit sei­nem öffent­li­chen Amt kol­li­diert. Wenn dage­gen ein Land­wirt­schafts­mi­nis­ter beim Rasen erwischt wür­de, sähe ich kei­nen Zusam­men­hang zu sei­nem Amt und somit auch kei­nen Grund für öffent­li­che Ver­laut­ba­run­gen. ((Dass sich gene­rell jeder an die Ver­kehrs­re­geln hal­ten soll­te, steht dabei außer Fra­ge.))

Im Fal­le Kachelm­ann haben die Vor­wür­fe gegen ihn nichts mit sei­nem Beruf zu tun. Zwar ist es durch­aus denk­bar, dass ein öffent­lich-recht­li­cher Sen­der auf die Diens­te vor­be­straf­ter Mode­ra­to­ren ver­zich­ten wür­de (schon, um Schlag­zei­len wie „Unse­re Gebüh­ren für den Ver­ge­wal­ti­ger!“ zu ver­mei­den), aber dar­über kann die ARD ja immer noch ent­schei­den, wenn es ein rechts­kräf­ti­ges Urteil eines ordent­li­chen Gerichts gibt.

Allein über die irri­ge (und oft gefähr­li­che) Annah­me, man müs­se immer sofort los­be­rich­ten, wenn man von einer Sache Wind bekom­men hat, könn­te ich mich stun­den­lang aus­las­sen. Das Inter­net und der her­bei­phan­ta­sier­te Anspruch, man müs­se nicht der Bes­te, son­dern nur der Schnells­te sein, hat Jour­na­lis­mus zu etwas wer­den las­sen, was mit „work in pro­gress“ mit­un­ter noch schmei­chel­haft umschrie­ben wäre. „Work in pre­pa­ra­ti­on“ wäre mit­un­ter pas­sen­der.

* * *

Von der Arbeits­wei­se man­cher Medi­en­ver­tre­ter konn­te ich mich in den letz­ten Tagen selbst über­zeu­gen, als mich ein Mit­ar­bei­ter der Zeit­schrift „Der Jour­na­list“ anrief, die aus­ge­rech­net vom Deut­schen Jour­na­lis­ten-Ver­band her­aus­ge­ge­ben wird: Es ging um Vor­wür­fe, ein Kol­le­ge, der auch für BILD­blog schreibt, habe Zita­te erfun­den. Der Mann vom „Jour­na­lis­ten“ woll­te die Han­dy-Num­mer des Kol­le­gen, die ich ihm nicht geben konn­te, und erklär­te mir dann, er wol­le auf alle Fäl­le erst mal mit dem Betrof­fe­nen selbst spre­chen, bevor er etwas ver­öf­fent­li­che. Der Zeit­druck sei ja auch nicht sooo groß, zumal bei einer Monats­zeit­schrift.

„Das ehrt Sie schon mal“, hat­te ich sagen wol­len, es dann aber doch nicht getan, weil es mir albern erschien, ver­meint­li­che Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten zu loben. Glück gehabt, denn ich hät­te mein Lob zurück­neh­men müs­sen, wie sich als­bald zeig­te.

* * *

Doch noch ein­mal zurück zu Jörg Kachelm­ann: Wenn sich die Redak­ti­on der „Tages­schau“ nach lan­gen Dis­kus­sio­nen ent­schei­det, nicht über die Vor­wür­fe gegen ihn und sei­ne Ver­haf­tung zu berich­ten, kriegt sie dafür einen auf den Deckel.

Die sel­ben Medi­en, die sich im Ver­gleich zum bösen, bösen Inter­net (das neben hun­dert ande­ren Gesich­tern natür­lich auch sei­ne häss­li­che Frat­ze zeigt) immer wie­der ihrer „Gatekeeper“-Funktion rüh­men (die also wich­ti­ge von unwich­ti­gen, rich­ti­ge von unrich­ti­gen Mel­dun­gen unter­schei­den zu kön­nen glau­ben), haben ihre eige­nen Scheu­nen­to­re sperr­an­gel­weit offen und lei­ten ihre Ver­pflich­tung (mit einer Berech­ti­gung ist es nicht getan) zur Bericht­erstat­tung dar­aus ab, dass auch die Jus­tiz aktiv gewor­den ist.

Franz Baden auf sueddeutsche.de:

Im Fall Kachelm­ann hat eine Frau Straf­an­zei­ge erstat­tet – und das Amts­ge­richt Mann­heim Haft­be­fehl erlas­sen, als sich der Tat­ver­dacht erhär­tet habe. Dar­über wird berich­tet wer­den müs­sen.

Wenn sich ein Jour­na­list hin­stellt und zu Beson­nen­heit auf­ruft, wie es Mich­a­lis Pan­te­lou­ris in sei­nem Blog „Print Würgt“ getan hat, kommt der Chef­re­dak­teur des Medi­en­diens­tes des Trash-Por­tals von Meedia.de vor­bei und wirft ihm in einem Kom­men­tar vor, sol­che Blog­ein­trä­ge sei­en „ruf­schä­di­gend für den Jour­na­lis­mus“.

Mir ist nach der letz­ten Woche ehr­lich gesagt nicht ganz klar, auf was für einen Ruf er sich da eigent­lich noch bezieht.

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Understanding In A Car Crash

War­nung!

In die­sem Ein­trag wer­den Sei­ten ver­linkt, auf denen bru­ta­le und ver­stö­ren­de Fotos bzw. Vide­os zu sehen sind. Wenn Sie emp­find­lich auf sol­che Dar­stel­lun­gen reagie­ren oder es Ihnen reicht, sich vor­zu­stel­len, wie die Opfer eines Ver­kehrs­un­falls aus­se­hen, dann kli­cken Sie bit­te auf kei­nen die­ser Links!

Da hat man sich den Mund fus­se­lig dis­ku­tiert nach dem Amok­lauf von Win­nen­den, hat an jour­na­lis­ti­sche Ethik oder ein­fach nur an den gesun­den Men­schen­ver­stand appel­liert, wenn es um Gewalt­dar­stel­lun­gen in den Medi­en ging. Gera­de letz­te Woche hat­te ich mich und mög­li­che mit­le­sen­de Jour­na­lis­ten mal wie­der gefragt (da dürf­ten Sie jetzt drauf kli­cken, das ist nur ein Cof­fee-And-TV-Arti­kel), ob man eigent­lich alle Quel­len nut­zen müss­te, die einem so zur Ver­fü­gung ste­hen, um ein schreck­li­ches Ereig­nis auf­zu­be­rei­ten.

Aber letzt­lich braucht es wohl ein­fach nur genug Blut und in den Gehir­nen der Online-Redak­teu­re rei­ßen die letz­ten Syn­ap­sen ab.

Im nie­der­län­di­schen Apel­doorn ist bei der Para­de zum heu­ti­gen Köni­gin­nen­tag gegen 12 Uhr Mit­tags ein Auto in die Men­schen­men­ge gefah­ren und erst vor einem Denk­mal zum Ste­hen gekom­men. Im Moment geht man von vier Toten und min­des­tens 20 Ver­letz­ten aus.

Weil sich zumin­dest Tei­le die­ses Unfalls in der direk­ten Nähe des könig­li­chen Bus­ses abspiel­ten, wur­den die­se Bil­der live im Fern­se­hen über­tra­gen. Dass grau­sa­me Din­ge on air pas­sie­ren, gehört zu den Risi­ken einer Live-Über­tra­gung. Die Fra­ge ist, wie man in den nächs­ten Momen­ten damit umgeht.

Die Sen­der des nie­der­län­di­schen RTL haben Vide­os ins Inter­net gestellt, auf denen Men­schen über die Stra­ße geschleu­dert wer­den. Zuschau­er schrei­en ent­setzt (und gut hör­bar) auf, spä­ter sieht man Poli­zis­ten bei ver­zwei­fel­ten Wie­der­be­le­bungs­ver­su­chen. Ich weiß nicht, was davon live über den Sen­der ging und was „nur“ auf­ge­nom­men wur­de – ich bin mir nur ziem­lich sicher, dass die Betrach­tung die­ser bru­ta­len Bil­der kei­ne zwin­gen­de Vor­aus­set­zung für ein Ver­ständ­nis des Vor­gangs „Auto rast in Men­schen­men­ge“ dar­stellt.

In den nie­der­län­di­schen Fern­seh­sen­dern sind die Bil­der des Vor­falls immer wie­der zu sehen – auf man­chen nur die letz­ten Meter, bevor das Auto in die Umzäu­nung des Denk­mals kracht, auf den Sen­dern der RTL-Grup­pe auch noch mal ein paar Men­schen, die getrof­fen wer­den. Repor­ter der Pri­vat­sen­der ste­hen vor dem Auto-Wrack, wäh­rend im Bild­hin­ter­grund die abge­deck­ten Lei­chen lie­gen, die Öffent­lich-Recht­li­chen haben ihre Repor­ter inzwi­schen vor dem Königs­pa­last abge­stellt.

Aber die nie­der­län­di­schen Medi­en, die eh sehr viel libe­ra­ler sind im Umgang mit expli­zi­ten Dar­stel­lun­gen, sol­len uns hier nur am Ran­de und unter exo­ti­schen Aspek­ten inter­es­sie­ren. Wir haben ja unse­re eige­nen Medi­en, allen vor­an die im Inter­net.

Trash-Por­ta­le wie „Spie­gel Online“, Bild.de, focus.de und stern.de, aber auch FAZ.net zei­gen Bil­der­ga­le­rien, in denen man sich unter ande­rem dar­über infor­mie­ren kann, wie eigent­lich schwe­re Kopf­ver­let­zun­gen oder Mund-zu-Mund-Beatmun­gen aus­se­hen.

tagesschau.de zeigt als Auf­ma­cher­bild eine Tota­le (wie man sie auch in der „Net­zei­tung“ und der Klick­stre­cke von „RP Online“ fin­det) mit meh­re­ren Ver­let­zen, wäh­rend im Fern­seh­bei­trag haupt­säch­lich ent­setz­te Augen­zeu­gen (dar­un­ter ein wei­nen­des Kind) zu sehen sind.

Spe­ku­la­tio­nen schie­ßen (natür­lich) ins Kraut und Bild.de brauch­te nur weni­ge Zen­ti­me­ter, um aus einer Fra­ge …

Schock für Beatrix am Königinnentag in Holland: War es ein Anschlag? Autofahrer raste in Menschenmenge - vier Tote und fünf Schwerverletzte

… eine Tat­sa­che zu machen:

Anschlag auf Königin Beatrix: Der Bus mit der königlichen Familie – nur wenige Meter trennen ihn von der Stelle, an der der Suzuki in das Denkmal gerast ist. In der Mitte zu erkennen...

Beim Wes­ten war ver­mut­lich eher sprach­li­ches Unver­mö­gen als Zynis­mus Schuld an einer Bild­un­ter­schrift wie die­ser:

Begeistert warten die Zuschauer im holländischen Apeldoorn auf den Besuch der Königsfamilie, als ein Auto in die Menschenmenge rast.

(Unnö­tig zu erwäh­nen, dass das Foto natür­lich kei­ne begeis­ter­ten War­ten­den zeigt, son­dern in Bewe­gung befind­li­che Unfall­op­fer. Der Bild­aus­schnitt wur­de übri­gens spä­ter noch ver­än­dert, so dass nun weni­ger von den Kör­pern und mehr vom Auto zu sehen ist.)

Von allen gro­ßen Por­ta­len, die mir spon­tan ein­fie­len, kommt nur sueddeutsche.de ohne all­zu bru­ta­le Fotos und/​oder Bil­der­ga­le­rien aus. Aller­dings erhielt mei­ne zag­haf­te Erleich­te­rung einen Dämp­fer, als ich in den Kom­men­ta­ren zum Arti­kel erst Kri­tik an (offen­bar vor­her dort gezeig­ten) Bil­dern fand und dann das hier las:

 30.04.2009  14:29:35 Moderator (sueddeutsche.de): Liebe user, obwohl das von uns zunächst gezeigte Bild aus dokumentarischen Gründen auch in anderen Publikationen zu sehen war, haben wir uns aus Pietätsgründen dazu entschieden ein anderes Bild zu verwenden. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Moderator

Die obli­ga­to­ri­sche Gegen­pro­be beim Online-Auf­tritt des „Guar­di­an“ ergab: Ein zer­trüm­mer­tes Auto sagt auch viel aus.

Mit beson­de­rem Dank an unse­re Nie­der­lan­de-Kor­re­spon­den­tin Leo­nie.

Nach­trag, 23:55 Uhr: Zu früh gelobt: Der „Guar­di­an“ hat mit einer Bil­der­ga­le­rie und einem Video nach­ge­legt, wo Bil­der zu sehen sind, die mei­nes Erach­tens auch nicht nötig wären.

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Print Politik

Was der „Süddeutschen Zeitung“ heilig ist (und was nicht)

Wenn ich das damals im Kin­der­got­tes­dienst rich­tig ver­stan­den habe, sieht der lie­be Gott alles, petzt aber nicht. Für ihn gilt das wohl umfas­sends­te Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht und was man ihm erzählt, geht nie­man­den sonst etwas an. Wenn man ihm einen Brief schreibt, ist des­sen Inhalt dar­über hin­aus noch von so etwas Welt­li­chem wie dem Brief­ge­heim­nis geschützt.

Barack Oba­ma, der sich gera­de an so eini­ges gewöh­nen muss, konn­te sich also eigent­lich auf der siche­ren Sei­te wäh­nen, als er ver­gan­ge­ne Woche in Jeru­sa­lem ein schrift­li­ches Gebet in eine Rit­ze der Kla­ge­mau­er schob. Immer­hin hat­ten das schon Mil­lio­nen von Men­schen gemacht, dar­un­ter Papst Johan­nes Paul II.

Barack Oba­ma muss­te nicht unbe­dingt damit rech­nen, dass ein Reli­gi­ons­stu­dent (aus­ge­rech­net!) sei­nen Zet­tel aus der Mau­er por­keln und an die Zei­tung Maa­riv wei­ter­ge­ben wür­de – und dass die die­sen Brief dann abdru­cken wür­de.

Nicht, dass Oba­ma Schlim­mes geschrie­ben hät­te, es geht viel mehr um Ver­trau­en und ein uraltes reli­giö­ses Sym­bol. Ent­spre­chend kann man auch den Auf­schrei ver­ste­hen, der nun durch die Medi­en geht und auch die „Süd­deut­sche Zei­tung“ erfass­te:

Der markt­schreie­ri­schen Zei­tung Maa­riv aller­dings sind offen­bar nicht alle Bot­schaf­ten hei­lig. Am Wochen­en­de ver­öf­fent­lich­te das Blatt auf sei­ner Titel­sei­te die von Oba­ma hand­schrift­lich ver­fass­te Note – und lös­te damit erheb­li­che Empö­rung aus, vor allem bei der Kla­ge­mau­er-Ver­wal­tung. Sie sieht nun ihre Glaub­wür­dig­keit in Gefahr, beson­ders bei den Beten­den, die ihre Bot­schaf­ten faxen oder mai­len.

Wie „hei­lig“ der „Süd­deut­schen Zei­tung“ Oba­mas Bot­schaft war, kön­nen Sie frei­lich dar­an able­sen, dass sie die­se gleich zwei­mal druck­te: ein­mal ins Deut­sche über­setzt und ein­mal als Foto des Ori­gi­nal­b­riefs.

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Digital Gesellschaft

Ein schöner Rücken kann auch ein Skandal sein

„Sag mir, wer Miley Cyrus ist!“, gehör­te bis vor­ges­tern nicht zu den Fra­gen, die ich sofort hät­te beant­wor­ten kön­nen, wenn man mich um halb sechs mor­gens wach­ge­schüt­telt hät­te. Ich bin ein­fach zu alt, um „Han­nah Mon­ta­na“, die über­aus erfolg­rei­che TV-Serie vom Dis­ney Chan­nel, je gese­hen zu haben. Heu­te weiß ich natür­lich, wer Miley Cyrus ist, und Sie alle wer­den es auch wis­sen: sie ist die Haupt­per­son des neu­es­ten „Nackt­skan­dals“ in den USA.

Was war dies­mal gesche­hen? Annie Lei­bo­vitz, die ver­mut­lich bekann­tes­te und renom­mier­tes­te leben­de Foto­gra­fin der Welt, hat­te die 15jährige Ms. Cyrus für „Vani­ty Fair“ foto­gra­fiert – „oben ohne“, wie die Agen­tu­ren ver­mel­den, oder ana­to­misch kor­rekt: mit ent­blöß­tem Rücken. Das Foto dürf­te maxi­mal aus­rei­chen, bei Män­nern Beschüt­zer­instink­te zu wecken und dem Kind die eige­ne Jacke umzu­le­gen, aber es ent­fach­te einen „Skan­dal“, der zumin­dest in die­sem Monat sei­nes­glei­chen sucht.

Denn kaum war das Foto im Wer­be­spot für die Juni-Aus­ga­be von „Vani­ty Fair“ über die ame­ri­ka­ni­schen Bild­schir­me geflim­mert, empör­ten sich die ers­ten Eltern in Inter­net­fo­ren und Blogs:

It’s time that par­ents real­ly start thin­king serious­ly about the Sexua­liza­ti­on of Child­ren, and how mar­ket­ers are tar­ge­ting very young child­ren, caus­ing young girls and boys to grow up way too fast. The only way mar­ket­ers are going to be forced to stop sexua­li­zing child­ren is when par­ents final­ly stand up and say, “We’re not going to take it any­mo­re!”, and boy­cott stores that mar­ket this sort of smut to kids.

Für Dis­ney, wo man mit Miley Cyrus/​Hannah Mon­ta­na unfass­bar viel Geld ver­dient, war schnell klar, dass man reagie­ren muss­te. Man ent­schied sich des­halb zum Angriff auf „Vani­ty Fair“ und Annie Lei­bo­vitz:

A Dis­ney spo­kes­wo­man, Pat­ti McTeague, faul­ted Vani­ty Fair for the pho­to. “Unfort­u­na­te­ly, as the artic­le sug­gests, a situa­ti­on was crea­ted to deli­bera­te­ly mani­pu­la­te a 15-year-old in order to sell maga­zi­nes,” she said.

[New York Times]

Und Miley Cyrus, deren Eltern ((Ihr Vater Bil­ly Ray Cyrus ist als Coun­try­ro­cker durch­aus Show­biz-erfah­ren.)) beim Foto­shoot anwe­send waren, fühl­te sich plötz­lich ver­ra­ten und bereu­te alles:

“I took part in a pho­to shoot that was sup­po­sed to be ‘artis­tic’ and now, see­ing the pho­to­graphs and rea­ding the sto­ry, I feel so embar­ras­sed. I never inten­ded for any of this to hap­pen and I apo­lo­gi­ze to my fans who I care so deep­ly about.”

[eben­da]

Man hät­te ahnen kön­nen, dass zumin­dest ein Teil der ame­ri­ka­ni­schen Eltern­schaft den Welt­un­ter­gang her­auf­zie­hen sieht, wenn ein Vor­bild ((Und genau das dürf­te die­ses komi­sche Miley­/H­an­nah-Kon­strukt für vie­le sein.)) ihrer Kin­der plötz­lich mit rot­be­mal­tem Mund und blo­ßem Rücken zu sehen ist. Inso­fern hat Jac Che­ba­to­ris nicht Unrecht, wenn er im Inter­net­auf­tritt von „News­week“ schreibt:

But her par­ents atten­ded and moni­to­red the shoot. And Miley hers­elf is by now well stee­ped in the maneu­verings of cele­bri­ty. Wit­ting or unwit­ting, she should have known bet­ter. And she plain­ly did not see the back­lash coming until too late.

Schon letz­te Woche hat­te es einen mit­tel­schwe­ren „Skan­dal“ gege­ben, als im Inter­net pri­va­te Fotos auf­tauch­ten, auf denen Miley Cyrus ihren BH und ihren nack­ten Bauch zeigt. (Hin­weis, 6. August 2008: Die­se Behaup­tung ist offen­bar völ­li­ger Unfug: In der „Huf­fing­ton Post“ war von einem „Cyrus look-ali­ke“ die Rede. Vie­len Dank an Jen für den Hin­weis.) Wie schon im ver­gan­ge­nen Jahr bei Vanes­sa Hud­gens (Star des ande­ren gro­ßen Dis­ney fran­chise „High School Musi­cal“) taten sich als­bald zwei Lager auf: der Piet­cong, der Image und Kar­rie­re sofort rui­niert sah, und das Blog­ger- und Kom­men­ta­to­ren­pack, das ange­sichts von Teen­agern, die auf pri­va­ten Fotos ihre Unter­wä­sche zei­gen, sofort von Por­no­kar­rie­ren zu sab­bern beginnt.

Bei­de Sei­ten ver­ken­nen: In Zei­ten von Digi­tal­ka­me­ras sind Teen­ager, die sich und ihren Kör­per foto­gra­fie­ren, unge­fähr so all­täg­lich wie Kat­zen­bil­der. Sind die­se Teen­ager dann auch noch pro­mi­nent, ist die Chan­ce, dass die Bil­der bin­nen Wochen­frist im Inter­net lan­den, immens hoch. Ver­mut­lich wird man zukünf­tig kei­nen ein­zi­gen Tee­nie-Star fin­den, von dem es kei­ne sol­chen Bil­der gibt. Die­ser Tat­sa­che müs­sen Eltern genau­so ins Auge bli­cken wie der Tat­sa­che, dass ihre eige­nen Kin­der dem ver­mut­lich in nichts nach­ste­hen wer­den. ((Gucken Sie jetzt bit­te nicht auf dem Com­pu­ter Ihres Kin­des nach.))

Natür­lich ist die gan­ze Geschich­te von so immensem Nach­rich­ten­wert, dass sie auch im deut­schen Online­jour­na­lis­mus aus­führ­lich gewür­digt wer­den muss. Und zwar in der Net­zei­tung, bei bild.de, stern.de, welt.de, n‑tv.de, „Spie­gel Online“ und im News-Ticker von sueddeutsche.de.

Und bevor Sie sich jetzt wie­der über die „prü­den Amis“ aus­las­sen: der nächs­te „Nazi­skan­dal“ kommt bestimmt!

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Digital Gesellschaft

Scheiß auf Freunde bleiben

Kürz­lich frag­te ich in die Run­de der Dins­la­ke­ner Schul- und Jugend­freun­de, ob und wie sie eigent­lich online zu errei­chen wären. MySpace, Face­book, Live­Jour­nal, Twit­ter, last.fm, … – es gäbe da ja zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten. Eine der Ant­wor­ten lau­te­te sinn­ge­mäß, der­ar­ti­ge Platt­for­men sei­en Zeit­ver­schwen­dung und dien­ten nur der Aus­brei­tung des Pri­vat­le­bens vor den Augen der Welt­öf­fent­lich­keit, per­sön­li­che Gesprä­che sei­en doch viel bes­ser.

Nun kann man natür­lich dar­über strei­ten, ob eine sol­che Aus­sa­ge nicht eher zu grei­sen Redak­teu­ren Lesern der „Süd­deut­schen Zei­tung“ pas­se als zu auf­ge­schlos­se­nen Mitt­zwan­zi­gern – noch dazu, wenn die­se schon aus beruf­li­chen Grün­den am Erhalt und Aus­bau von Netz­wer­ken inter­es­siert sein soll­ten. Ich will aber gar nicht dar­über urtei­len, jeder Mensch soll bit­te genau so leben und kom­mu­ni­zie­ren, wie er es für rich­tig hält. Ich will auf etwas völ­lig ande­res hin­aus: Die Gesell­schaft wird sich über kurz oder lang nicht mehr (nur) in alt und jung, arm und reich, oder nach Wohn­or­ten auf­tei­len, die Gren­ze wird ent­lang von „online“ und „off­line“ ver­lau­fen.

Natür­lich: Ich ver­wei­ge­re mich ja auch vehe­ment der Nut­zung von Stu­diVZ (seit dem Ein­trag sind bei denen noch mal etwa drei Dut­zend neue Sün­den­fäl­le hin­zu­ge­kom­men). Wer das tut, ver­schließt sich auto­ma­tisch einem brei­ten Teil sei­ner Alters­ge­nos­sen, denn wenn jemand von denen online ist, dann bei Stu­diVZ. Ande­rer­seits stellt sich sowie­so die Fra­ge, ob man Leu­te, denen man in der Uni oder gar in der Schu­le ab und zu „Hal­lo“ gesagt hat, in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den „Wie geht’s?“ fra­gen und ihnen zum Geburts­tag gra­tu­lie­ren soll­te, wenn einen die ent­spre­chen­de Web­site dar­auf hin­weist. Ich habe Schul­freun­de, die nicht bei Goog­le zu fin­den sind, und zu denen ich seit Jah­ren kei­nen Kon­takt mehr habe, was ich immer­hin auf­rich­ti­ger fin­de, als wenn sie Kar­tei­lei­chen in mei­nem Face­book-Account wären.

Die meis­ten Leu­te, die davon spre­chen „im Inter­net“ zu sein, mei­nen damit ihre E‑Mail-Adres­se für die gan­ze Fami­lie bei T‑Online, bei der sie ein­mal in der Woche nach elek­tro­ni­scher Post gucken. Das ist völ­lig in Ord­nung und wer sei­ne Eltern oder gar Groß­el­tern ein­mal so weit gebracht hat, will ihnen nicht auch noch Use­net, IRC, Instant Mes­sen­ger und VoIP-Diens­te erklä­ren. Als mei­ne Groß­mutter mir ein­mal in einem Neben­satz mit­teil­te, dass sie die­ses Blog hier lese, hät­te ich fast mei­nen Kaf­fee gegen den Fern­se­her über den Tisch geprus­tet.

Außen­ste­hen­den zu erklä­ren, wor­um es sich beim Bar­camp Ruhr oder der re:publica han­del­te, wird schwie­ri­ger, je tie­fer man in der Mate­rie drin ist. Zwar konn­te ich gera­de noch so erklä­ren, was ein Start­up ist („ein jun­ges Unter­neh­men im Inter­net“), aber die Fra­ge nach Twit­ter hät­te ich nicht beant­wor­ten wol­len – geschwei­ge denn die Fra­ge, was man denn davon über­haupt habe.

Wäh­rend die gro­ße Mehr­heit an Leu­ten im Inter­net höchs­tens Nach­rich­ten „Spie­gel Online“ liest, befasst sich ein klei­ner Kreis von Leu­ten mit immer schnel­ler wech­seln­den Spiel­zeu­gen. Aus der Mode gekom­me­ne Sachen sind heu­te nicht mehr „so 2000“, son­dern „so März 2008“. Das, was ich mitt­ler­wei­le doch ganz ger­ne „Web 2.0“ nen­ne, ist selbst für vie­le Leu­te, die in Web­fo­ren und ähn­li­chen 1.0‑Gebilden aktiv sind, oft genug noch ter­ra inco­gni­ta.

Ich war selbst lan­ge Zeit skep­tisch, was vie­le die­ser Din­ge angeht, habe aber mit der Zeit gemerkt, dass es gar nicht weh­tut, Social Net­works zu nut­zen, zu twit­tern oder zu Tref­fen (pl0gbar, Bar­camp, re:publica) hin­zu­ge­hen. So habe ich über das Web 2.0 neue Leu­te ken­nen­ge­lernt und sogar neue Freun­de gefun­den. Mein Bekann­ten­kreis glie­dert sich zuneh­mend in On- und Off­li­ner, wobei ich mit ers­te­ren fast täg­lich in Kon­takt ste­he, mit letz­te­ren meist nur noch zu Weih­nach­ten.

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Digital

Die mittischen Krassen

Es ist immer ein schö­nes Gefühl, wenn man von einer Rei­se wie­der­kommt und dann „Mein Gott, ist das schön hier“ denkt. So ging es mir, als ich ges­tern unweit unse­res Wohn­heims aus dem Bus stieg und von der Bochu­mer Stil­le fast erschla­gen wur­de. Die re:publica und Ber­lin waren schön und gut, aber dort leben: Nein, Dan­ke!

Zwi­schen den Pro­gramm­punk­ten „End­lich mal wie­der Aus­schla­fen“ und „Wäsche waschen“ will ich aber nun doch noch ein paar Wor­te über die re:publica ver­lie­ren. Und weil schon alle (inter­es­san­ter­wei­se auch Leu­te, die nicht vor Ort waren oder sein woll­ten) dar­über geschrie­ben haben, will ich nur ein paar unge­fil­ter­te Gedan­ken­gän­ge nie­der­pin­nen:

  • Ich habe bei der gan­zen re:publica genau fünf Minu­ten gefilmt, danach dach­te ich mir, dass da schon genug Leu­te fil­men, wie genug Leu­te ande­re fil­men­de Leu­te beim Fil­men fil­men. Die­se fünf Minu­ten hat der „Tages­spie­gel“ genutzt, um mich zu foto­gra­fie­ren.
  • Die Dis­kus­si­on „Blog­ger vs. Jour­na­lis­ten“ ist laut John­ny Haeus­ler jetzt end­gül­tig abge­schlos­sen. Lei­der habe ich ver­ges­sen, mit wel­chem Ergeb­nis. (Wahr­schein­lich mit kei­nem.)
  • Die mit­un­ter gehör­te Bezeich­nung „Blog­ger-Kon­fe­renz“ ist eini­ger­ma­ßen absurd, weil es um eine gan­ze Men­ge The­men ging und längst nicht jeder Teil­neh­mer auch ein Blog betrieb.
  • Die Dis­kus­si­ons­run­de „Musik im Netz“ war in etwa so uner­gie­big, wie man es erwar­ten durf­te. Zumin­dest war sie zu kurz, denn sie muss­te in dem Moment been­det wer­den, als Tim Ren­ner mit Aus­füh­run­gen anfing, nach denen ich ihm die Ret­tung der Musik­in­dus­trie im Allein­gang zutrau­en wür­de.
  • Lei­der habe ich zu wenig von der Dis­kus­si­ons­run­de über „Citi­zen Jour­na­lism“ im Aus­land mit­be­kom­men (was ich und jeder ande­re aber online nach­ho­len kann), aber was ich über „Ali­ve In Bagh­dad“ gehört habe, hat mich tief beein­druckt. Ver­gli­chen mit dem (Über-)Leben in Bag­dad und dem Dar­über-Berich­ten ist wohl alles, was wir in Deutsch­land so ins Inter­net stel­len, pil­le­pal­le.
  • Wenn ich mich ein biss­chen kon­zen­trie­re, kann ich mir auch Vor­trä­ge anhö­ren, mit denen ich inhalt­lich null über­ein­stim­me. So weiß ich wenigs­tens, was am ande­ren Ende des Spek­trums vor sich geht.
  • Schö­ner als die vie­len Vor­trä­ge und Dis­kus­si­ons­run­den ist es eigent­lich, am Ran­de Leu­te ken­nen zu ler­nen, deren Tex­te man teil­wei­se schon seit lan­gem liest und schätzt. Bei ande­ren wuss­te ich anschlie­ßend wenigs­tens, war­um ich ihre Tex­te nicht lese.
  • Den bes­ten Namen von allen Refe­ren­ten hat­te sicher Bert­ram Gugel, des­sen Nach­na­men man wirk­lich wie „Goog­le“ aus­spricht.
  • Der Kaf­fee (ein in die­sem Blog viel zu sel­ten gewür­dig­tes The­ma) in der Kalk­scheu­ne war beein­dru­ckend schlecht. Das war Kon­sens, aber auch der ein­zi­ge ech­te Nach­teil der Ört­lich­kei­ten.
  • Weit­aus schlech­ter als der Kaf­fee aber war das, was die „Süd­deut­sche Zei­tung“ über die re:publica geschrie­ben hat – gar­niert mit einem ca. 10 Jah­re alten Sym­bol­bild.
  • Trotz des Mot­tos „Die kri­ti­sche Mas­se“ fra­ge ich mich, wie viel von dem, was auf der re:publica bespro­chen wur­de, für Leu­te außer­halb des Fach­pu­bli­kums, das wir nun mal irgend­wie alle waren, rele­vant ist. Mit­un­ter hat­te ich schon das Gefühl, dass die Gegen­stän­de von Vor­trä­gen und Dis­kus­sio­nen mit dem Leben von wei­ten Tei­len der Bevöl­ke­rung gar nichts zu tun haben.
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Gesellschaft

Wie schon St. Peter Lustig immer sagte

Ich hof­fe, Sie hat­ten ein schö­nes Oster­fest!

Die Kar­wo­che ist immer die Zeit des Jah­res, zu der ich katho­lisch wer­de. Sonst bin ich nie katho­lisch, schon gar nicht so getauft, und den Papst und das alles fin­de ich natür­lich sowie­so nicht gut. Aber ich mag die Show­ele­men­te, die die katho­li­sche Kir­che dem Pro­tes­tan­tis­mus vor­aus­hat ((Streng genom­men gibt es den Pro­tes­tan­tis­mus ja unter ande­rem genau des­halb, weil die­se Show­ele­men­te wenig mit dem Glau­ben an sich zu tun haben, aber ich möch­te hier weder Mar­tin Luther erklä­ren, noch in län­ge­re Reli­gi­ons­phi­lo­so­phien abdrif­ten.)) – ich gehe ja auch auf Rob­bie-Wil­liams- und Kil­lers-Kon­zer­te – und Show gibt es eben an Palm­sonn­tag und in der Oster­nacht.

Kar­frei­tag ver­zich­te ich aus mir selbst nicht nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den ((I guess that’s why they call it reli­gi­on.)) auf Fleisch und Alko­hol. Gleich­wohl hät­te ich kein Pro­blem damit, wenn jemand vor mei­nen Augen ein hal­bes Schwein ver­spei­sen oder ein Fass Wein lee­ren wür­de. Ich wür­de auch am Kar­frei­tag „weg gehen“, ger­ne auch auf Kon­zer­te. Zuhau­se wäre dies kein Pro­blem: Außer­halb Bay­erns kön­nen die Kom­mu­nen selbst ent­schei­den, ob sie das „Tanz­ver­bot“, das an den soge­nann­ten „Stil­len Tagen“ gilt, auf­he­ben wol­len. In Bochum will man das offen­bar seit län­ge­rem und die reich­lich besuch­ten Gothic- und Metal­par­ties spre­chen für eine gro­ße Nach­fra­ge. ((„Vier Tage Fami­li­en­fei­er ohne zwi­schen­zeit­li­chen Aus­gang“ ste­hen auf Geor­ge W. Bushs „Lis­te mit den Nicht-Fol­ter-Metho­den, die wir erpro­ben soll­ten, falls wir Water­boar­ding jemals ver­bie­ten soll­ten“ ziem­lich weit oben.)) In Dins­la­ken gin­ge es nicht: Als regie­re im Kreis Wesel der Piet­cong, sind öffent­li­che Tanz­ver­an­stal­tun­gen, der Betrieb von Spiel­hal­len, Märk­te, Sport­ver­an­stal­tun­gen und die Vor­füh­rung nicht „fei­er­tags­frei­er“ Kino­fil­me dort ver­bo­ten – und zwar schon ab Grün­don­ners­tag, 18 Uhr. Da kann man als Mensch, der an die Tren­nung von Staat und Kir­che glaubt, schon mal ner­vö­se Zuckun­gen im Gesicht krie­gen.

Wenn der Staat Tanz­ver­an­stal­tun­gen ver­bie­tet und gleich­zei­tig im Fern­se­hen Mord und Tot­schlag statt­fin­den, kann der Bür­ger die Plau­si­bi­li­tät von staat­li­chen Rege­lun­gen nicht mehr nach­voll­zie­hen

sag­te des­halb Bischof Geb­hard Fürst, mein­te das nur völ­lig anders als ich. Im katho­li­schen Fest­t­tags­ka­len­der fest ver­an­kert ist näm­lich seit eini­ger Zeit die Medi­en­schel­te zum Fei­er­tags­pro­gramm: „Zu bru­tal, zu lus­tig, zu wenig fami­li­en­taug­lich“, rufen dann der Vor­sit­zen­de der Publi­zis­ti­schen Kom­mis­si­on der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz oder der Vor­sit­zen­de des medi­en­po­li­ti­schen Exper­ten­krei­ses der CDU ((Was lus­ti­ger­wei­se aus­ge­rech­net Gün­ther Oet­tin­ger ist.)) erschüt­tert aus und wer­fen die Hän­de zum Him­mel, so wie Pfar­rer das in Fünf­zi­ger-Jah­re-Schwarz­weiß-Fil­men immer machen, wenn der Satan in Form von Peter Kraus und sei­ner Rock’n’Roll-Kapel­le ins Dorf kommt.

Wäh­rend der Papst – über den Bern­ward Lohei­de von dpa übri­gens letz­te Woche einen sehr lesens­wer­ten Bericht geschrie­ben hat – zum Oster­fest 2008 so eini­ges unter­nahm, um sowohl Juden als auch Mos­lems vor den Kopf zu sto­ßen, soll also das deut­sche Fern­se­hen unver­fäng­li­che Fami­li­en­un­ter­hal­tung sen­den für eine Zuschau­er­schaft, die Ostern sicher nicht vor dem Fern­se­her, son­dern mit der Fami­lie beim Essen oder in der Kir­che ver­brin­gen woll­ten? Aha. ((Nicke­lig­kei­ten wie die Behaup­tung, die zwan­zigs­te Wie­der­ho­lung von „Stirb Lang­sam“ habe mehr Zuschau­er gehabt als die Kir­chen an Ostern Got­tes­dienst­be­su­cher, spa­re ich mir schon aus Faul­heit, die tat­säch­li­chen Zah­len her­aus­zu­su­chen. Außer­dem liegt es mir fern, mich über Leu­te lus­tig zu machen, die in die Kir­che gehen. Ich wäre näm­lich auch in der (natür­lich katho­li­schen) Kir­che gewe­sen, war aber im Urlaub.))

Reflek­tier­ter klang da der Vor­sit­zen­de der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, Robert Zol­lit­sch, der in sei­ner Oster­pre­digt Medi­en­kom­pe­tenz ein­for­der­te, aber gleich­zei­tig klar­stell­te, dass jeder die Frei­heit habe, sich bestimm­te Din­ge nicht anzu­schau­en und abzu­schal­ten. Und das ist ein so wei­ser Gedan­ke, dass er auch Cars­ten Mat­thä­us als Schluss­satz sei­nes sehr lesens­wer­ten Kom­men­tars bei sueddeutsche.de dien­te. Eben „Abschal­ten“, wie schon St. Peter Lus­tig immer sag­te.

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Rundfunk Digital

Bundesblinden Song Contest

Eigent­lich woll­te ich gar nichts über den „Bun­des­vi­si­on Song Con­test“ schrei­ben. Der Pop­kul­tur­jun­kie hat ein ganz wun­der­ba­res Live­blog geführt, in dem er unter ande­rem die bes­te und wahrs­te Ein­schät­zung zu den Sport­freun­den Stil­ler ablie­fer­te, die ich seit lan­gem gele­sen habe:

Es ist ja ein biss­chen scha­de, aber ich fin­de, die Sport­freun­de soll­ten sich auf­lö­sen. Oder nur noch live spie­len ohne neue Songs auf­zu­neh­men. Die Band dreht sich seit Jah­ren im Kreis, kei­ne ein­zi­ge neue Idee. Auch wenn sie sym­pa­thisch sind und eine groß­ar­ti­ge Live­band und über­haupt. Aber das hier ist ja wohl unglaub­lich mit­tel­mä­ßig.

Aber dar­um soll es gar nicht gehen: Der Pop­kul­tur­jun­kie ist auch ein Sta­tis­tik­freak und hat des­halb gleich ges­tern noch ein wenig rum­ge­rech­net:

Platz 1: Bran­den­burg, Platz 2: Thü­rin­gen, Platz 3: Sach­sen-Anhalt, Platz 5: Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Aber um die even­tu­el­len Ost-Ver­schwö­rungs­theo­rien gleich mal zu ent­kräf­ten: Ohne die fünf spä­ter hin­zu­ge­kom­me­nen Län­der hät­te die Rei­hen­fol­ge auf Platz 1 und 2 genau­so aus­ge­se­hen, nur Platz 3 wäre an Nie­der­sach­sen gegan­gen.

Das darf man natür­lich nicht ganz wört­lich neh­men, denn ohne die „neu­en Bun­des­län­der“ wäre ja weder Bran­den­burg noch Thü­rin­gen dabei dabei­ge­we­sen. Aber das ist Haar­spal­te­rei, denn auf die Punk­te aus den neu­en Bun­des­län­dern kam es bei den bei­den Erst­plat­zier­ten nicht an, wie er heu­te in einem wei­te­ren Bei­trag vor­rech­net:

Tat­säch­li­ches Ergeb­nis:

01 Bran­den­burg: Sub­way to Sal­ly – “auf kiel” (147 Punk­te)
02 Thü­rin­gen: Clue­so – “kei­nen zen­ti­me­ter” (146)
03 Sach­sen-Anhalt: Down Below – “sand in mei­ner hand” (96)
04 Nie­der­sach­sen: Madsen – “nacht­ba­den” (94)
05 Meck­len­berg-Vorp.: Jen­ni­fer Ros­tock – “kopf oder zahl” (79)
06 Schles­wig Hol­stein: Panik – “was wür­dest du tun?” (75)

Ergeb­nis ohne Wer­tun­gen aus den “neu­en Bun­des­län­dern”:

01 Bran­den­burg: Sub­way to Sal­ly – “auf kiel” (99 Punk­te)
02 Thü­rin­gen: Clue­so – “kei­nen zen­ti­me­ter” (96)
03 Nie­der­sach­sen: Madsen – “nacht­ba­den” (67)
04 Sach­sen-Anhalt: Down Below – “sand in mei­ner hand” (56)
05 Schles­wig Hol­stein: Panik – “was wür­dest du tun?” (54)

09 Meck­len­berg-Vorp.: Jen­ni­fer Ros­tock – “kopf oder zahl” (41)

„Wo kämen wir hin, wenn wir uns von Fak­ten eine schö­ne, vor­ein­ge­nom­me­ne Bericht­erstat­tung kaputt machen lie­ßen?“, wird sich Sebas­ti­an Wie­schow­ski gedacht haben, als er sei­nen lau­ni­gen schlecht gelaun­ten Arti­kel für „Spie­gel Online“ schrieb:

In die­ser Nacht war Deutsch­land kei­ne Bun­des­re­pu­blik – son­dern ein irr­wit­zi­ger Hau­fen aus 16 Klein­staa­ten, die sich bekämp­fen, pein­li­che Alli­an­zen gegen­ein­an­der schmie­den. Ergeb­nis: Der Osten putscht sich zum Sieg bei Ste­fan Raabs „Bun­des­vi­si­on Song Con­test“.

heißt es schon im Vor­spann und eigent­lich hat man da ja schon kei­nen Bock mehr zu lesen. „16 Klein­staa­ten“, wo erlebt man sowas schon – außer im Bun­des­rat, der Schul­po­li­tik oder der Radio­land­schaft?

Und als wäre das Gere­de von der „Ost­block-Mafia“ beim Grand Prix nicht hin­rei­chend wider­legt, pol­tert Wie­schow­ski wei­ter:

Und was ehe­ma­li­ge Ost­block­re­pu­bli­ken beim ech­ten Grand Prix schaf­fen, ist für die neu­en Bun­des­län­der eine leich­te Übung – die stat­ten näm­lich mit Lie­be ihre Nach­barn punk­te­mä­ßig aus. Bran­den­burg schiebt sie­ben Punk­te nach Meck­len­burg-Vor­pom­mern, acht nach Ber­lin, zehn nach Thü­rin­gen und zwölf in die eige­ne Tasche.

Auf die Idee, dass die Leu­te Clue­so (Thü­rin­gen) und Sub­way To Sal­ly (Bran­den­burg) ein­fach gut fan­den, und die bei­den Acts des­halb auch nahe­zu durch­ge­hend 8 bzw. 10 Punk­te aus allen Bun­des­län­dern beka­men, ist der Autor offen­bar gar nicht erst gekom­men. Auch nicht dar­auf, dass es in der Sum­me exakt kei­ne Aus­wir­kun­gen hat, wenn sich jeder sei­ne zwölf Punk­te selbst zuschiebt. Ein­zig NRW hat es mal wie­der nicht geschafft, sich selbst die zwölf Punk­te zu geben, was zwar dafür gesorgt hat, dass Clue­so am Ende nur einen Punkt Rück­stand auf Sub­way To Sal­ly hat­te, aber letzt­lich weder ent­schei­dend war, was zwar letzt­lich ent­schei­dend war (Kor­rek­tur von 19:30 Uhr), aber kaum als „Ost­kun­ge­lei“ ange­se­hen wer­den kann.

Aber man kann das natür­lich auch dra­ma­ti­scher for­mu­lie­ren:

Die deutsch­land­weit gül­ti­ge Faust­re­gel lau­tet: In ers­ter Linie liebt man sich selbst.

Kein Wort zum gran­dio­sen Schei­tern der Top-Favo­ri­ten Sport­freun­de Stil­ler (Bay­ern) und Cul­cha Can­de­la (Ber­lin), nichts dar­über, dass der „Bun­des­vi­si­on Song Con­test“ und „TV Total“ so ziem­lich die letz­ten Sen­dun­gen im deut­schen Fern­se­hen sind, an denen man sol­che Bands über­haupt noch sehen und live hören kann, seit Sarah Kutt­ners Sen­dung vor andert­halb Jah­ren ein­ge­stellt wur­de.

Statt­des­sen gerüt­tel­ter Unfug wie:

Deutsch­land, einig Vater­land, das war ges­tern – es lebe die wie­der­ge­bo­re­ne Klein­staa­te­rei. Und schuld ist Ste­fan Raab.

Ach, und der Euro­vi­si­ons-Wett­be­werb ist dann ein Angriff auf das ver­ein­te Euro­pa oder was will uns der Autor damit sagen?

Schön natür­lich auch, dass selbst so ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ge Ereig­nis­se wie so ein „Song Con­test“ für „Spie­gel Online“ immer noch gut genug sind, mit klick-gene­rie­ren­den Bil­der­ga­le­rien gewür­digt zu wer­den.

Die Begleit­tex­te dazu sind mal sinn­los

Sie­ger beim vier­ten Bun­des­vi­si­on Song Con­test – obwohl sie schon seit 15 Jah­ren Musik machen: Mit­tel­al­ter-Folk­ro­cker Sub­way to Sal­ly aus Bran­den­burg

mal falsch

Ber­li­ner Buben: Cul­cha Can­de­la woll­ten den letzt­jäh­ri­gen Erfolg von See­ed wie­der­ho­len – und schei­ter­ten am Mit­tel­al­ter-Folk ihrer Nach­barn.

Ja, Leu­te, wenn See­ed letz­tes Jahr gewon­nen hät­ten, war­um fand der Wett­be­werb die­ses Jahr dann in Nie­der­sach­sen statt? Viel­leicht, weil die Vor­jah­res­sie­ger Oomph! hie­ßen?

Ich soll­te „Spie­gel Online“ end­lich mal aus dem Feed­rea­der schmei­ßen …

Nach­trag 13:29 Uhr: … und sueddeutsche.de gleich mit:

Einen gut vor­be­rei­te­ten Ein­druck mach­ten die Nie­der­sach­sen, bestehend aus der drei­köp­fi­gen Rock-Band Madsen, […] Auch dem Bei­trag von Rhein­land Pfalz – dar­ge­bo­ten von der Gir­lie-Grup­pe Sis­ters – fehl­te es an effekt­vol­len Ein­fäl­len oder stimm­li­cher Qua­li­tät.

(Madsen sind zu fünft, Sis­ters für Nord­rhein-West­fa­len.)

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Das Inter­net, das ist für die „Süd­deut­sche Zei­tung“ das, wo Kin­der­schän­der mit ille­ga­len MP3s das Ende des Qua­li­täts­jour­na­lis­mus hin­auf­be­schwö­ren. Für die Macher von „sueddeutsche.de“ hin­ge­gen ist das Inter­net das, wo man ein biss­chen Text und ein paar Dut­zend Bil­der zu soge­nann­ten Inhal­ten zusam­men­grup­pie­ren kann.

Für jetzt.de, das tra­gi­sche Über­bleib­sel des einst außer­or­dent­lich guten, ja: min­des­tens eine Gene­ra­ti­on prä­gen­den „jetzt!“-Magazins, ist das Inter­net das mit den ner­vi­gen Blogs und den arro­gan­ten Blog­gern. Oder das, wo „alle“ „schein­bar von nichts ande­rem“ reden als von:

jetzt.de beim SEO

Ste­fan Win­ter schreibt in einem lau­ni­gen Arti­kel:

„Nata­lie Port­man nackt!“ lau­tet eine belieb­te Goog­le-Such­an­fra­ge, die in der Tat nicht auf schmie­ri­ge Por­no-Sei­ten, son­dern auf Film-Blogs, Vani­ty Fair oder Bun­te.

Auf die Idee, die „Beliebt­heit“ einer Such­an­fra­ge mit einem Link auf die Goog­le-Suche bele­gen zu wol­len, muss man erst mal kom­men. 9.630 Ergeb­nis­se sind auch nicht so spek­ta­ku­lär wie … sagen wir: jetzt doof (613.000), aber egal. Nata­lie Port­man ist nackt in einem Film zu sehen, das muss man zum Auf­hän­ger machen, das muss man mit Screen­shots aus dem Film bele­gen.

Sicher: Auch ich habe, als ich vor drei Mona­ten über „Hotel Che­va­lier“ schrieb („Alle ande­ren reden spä­tes­tens seit Beginn des Jah­res schein­bar von nichts ande­rem mehr“), nicht uner­wähnt gelas­sen, dass vie­le nicht uner­wähnt las­sen konn­ten, dass Nata­lie Port­man in dem Film nackt zu sehen sei.

Bei jetzt.de sieht die Meta-Ebe­ne so aus:

In jedem Fall wird über den kur­zen Film berich­tet.

[…]

Und ja, auch wir berich­ten über den Vor­film, der sich neben der Nackt­heit durch die Musik (Peter Sar­stedt „Whe­re Do You Go To (My Love­ly)“) und durch die Tat­sa­che aus­zeich­net, dass Schwartzman ali­as Jack hier einen Ein­blick in die Vor­ge­schich­te sei­ner Rei­se gibt, die im Haupt­film erzählt wird.

jetzt.de „berich­tet“ in fünf Absät­zen, von denen sich fünf mit einer nack­ten Schau­spie­le­rin beschäf­ti­gen (soll vor­kom­men), bebil­dert das gan­ze mit vier Screen­shots, von denen zwei Nata­lie Port­man beim Ent­klei­den und Nackt­sein zei­gen (noch mal: man sieht nichts im Film, was über nack­te Haut hin­aus­gin­ge), packt die Kern­aus­sa­ge auch noch in die Über­schrift (Such­ma­schi­nen­op­ti­mie­rung für Anfän­ger) und mokiert sich über den „Auf­merk­sam­keits-Fokus für eine bestimm­te Zuschau­er­schaft“.

Was, bit­te, soll denn das sein, wenn nicht bil­li­ges Auf­merk­sam­keits­hei­schen für eine bestimm­te Leser­schaft?