Kategorien
Musik Unterwegs

Oslog (6)

Gut, dass ich meinen Nachbericht zum by:Larm noch nicht angefangen hatte, denn Seth Werkheiser, mit dem ich während der Konferenz ein paar mal getwittert habe und an dem ich dann doch immer vorbeigelaufen bin, hat für Buzzgrinder sehr schön zusammengefasst, was dort alles passiert ist.

Besucher des by:Larm in Oslo

Na gut, ein paar Sachen will ich dann doch noch etwas ausführen: Der dort bereits erwähnte Vortrag “Things I Have Learned In My Life So Far” des Grafikdesigners Stefan Sagmeister war wirklich großartig und … ja, doch: inspirierend. Das dazugehörige Buch sei hier unbesehen empfohlen.

Ebenfalls sehr erhellend (und gleichzeitig unendlich deprimierend) war das Panel, auf dem Festival-Organisatoren aus Schottland erklärten, wie sie ihre Städte (teilweise gemeinsam) über die dortige Kultur vermarkten. Das Deprimierende daran war jeder einzelne Gedanke, der mich von Schottland weg und in meine Heimatregion Ruhrgebiet führte, wo jede Stadt mit viel Lust versucht, sich von ihren Nachbarstädten abzugrenzen — anstatt endlich zu erkennen, dass wir hier in einer der größten Metropolen Europas leben. Leben könnten, wenn wir nur alle wollten.

Konzertbesucher beim by:Larm

Überhaupt lautete eine der zentralen Erkenntnisse: Deutschland ist ein durch seine Durchbürokratisierung weitgehend entkulturalisiertes Land. Wenn man hört, wie gut die Kulturförderung (die explizit Rockmusik mit einbezieht) in Skandinavien organisiert ist, können einem nur die Tränen kommen. Ein Festival wie das by:Larm wäre hierzulande vermutlich undenkbar, auch wenn ich mir fast sicher bin, dass man in Deutschland (oder auch gerne im deutschsprachigen Raum) genug gute Künstler zusammentrommeln könnte. Und selbst, wenn es ein Jahr funktionierte und Musikindustrie, Regierung, Künstler und Sponsoren gemeinsam etwas auf die Beine stellten: Danach würden sich wieder alle hoffnungslos zerstreiten und dann käme Dieter Gorny vorbei, um nach dem Musikfernsehen, der Popkomm und dem Ruhrgebiet das nächste große Ding zu ruinieren.

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hatte, steht hier.

Kategorien
Musik Unterwegs

Oslog (2)

Nachdem auf der Konferenz Ian Gittins noch ein bisschen was über die Zukunft des Musikjournalismus erzählt hatte (die alten Musikmagazine sterben mit ihren Lesern, die Bruce Springsteen und die Rolling Stones hören aus; Blogs sind heute das, was früher Punk Fanzines waren), machte sich die kleine deutsche Delegation in Oslo auf den Weg, viel Geld für Pizzen auszugeben.

Und dann ging die Konzertrunde los: Erst in die Kongresshalle, in der gleich drei Bühnen standen, dann rüber in den nächsten Club mit ebenso vielen Bühnen. Halbe Stunde Auftritt, nächste Band. Es war ein bisschen wie früher die Abhörsitzungen beim Radio. Ich stellte alsbald fest, dass ich viel zu wenig Musik kenne, um sagen zu können, ob eine Band jetzt originell ist oder nur klingt wie zig andere, von denen ich nur nie etwas gehört habe.

Aber da wir hier im Dienstleistungsblog Coffee And TV sind, will ich hier mal zu jeder Band meine 20 Øre aufschreiben:

Choir Of Young Believers
Der Sänger sah mit seinem Hut und seinem Bart aus wie Drafi Deutscher (die Älteren werden sich – damm, damm – erinnern), der Indiepop klang mal ein bisschen nach Beirut (die Folklore), mal nach Aqualung (der Falsett-Gesang). Insgesamt kamen mir in den Liedtexten ein paar zu viele “Aaaaaaaah”-Passagen vor, um mich damit länger zu beschäftigen.

Retro Stefson

Retro Stefson
Island, das Land am Rande des Abgrunds, hofft auf diese Schülerband, die die heimische Wirtschaft nur mithilfe ihrer Plattenverkäufe aus der Krise führen soll. Dafür wird munter Reggae mit Polka und Ska mit Disco vermischt, bis eine sympathisch-krude Mischung entsteht, die so gar nichts mit den anderen großen isländischen Künstlern (Björk und Sigur Rós) gemeinsam hat. Eigentlich fand ich das Ergebnis gar nicht schlecht, aber in der Summe war es dann doch etwas zu gewollt eklektisch.

Merlin
Also, für Hardcore bin ich beim besten Willen kein Experte. Aber es hat schon ordentlich gerummst, so viel ist klar.

Underwater Sleeping Society

Underwater Sleeping Society
In meinem schlauen Notizbuch steht “Mischung aus Kashmir & Kilians, Radiohead & Sigur Rós (inkl. Klarinette) => sehr gut”. Das dürfte der endgültige Beweis sein, dass ich zu wenige Bands kenne. Diese hier ist aber sicher eine, die es sich kennenzulernen lohnt.

Harrys Gym
Den Preis für den blödesten Bandnamen bei gleichzeitig guter Musik haben ja eigentlich Schrottgrenze auf Lebenszeit bekommen, aber “Haralds Turnhalle” ist auch nicht schlecht gut. Diesmal klingt die Sängerin nach Björk, der Rest der Musik hat was von The Notwist und Portishead. Leider bin ich zu diesen Klängen in den sehr bequemen Sesseln (das Konzert fand in einer Art Theatersaal mit bestuhlter Empore statt) mehrfach in beunruhigende Traumwelten verschwunden, aber ich bin mir sicher, dass diese Musik sehr real und sehr, sehr gut war. Schade, dass das, was ich gerade auf der MySpace-Seite der Band höre, nicht ganz so gut ist wie die Live-Show.

Annie

Annie
Und hier der erste Künstler des heutigen Tages, den ich vorher kannte und von dem ich sogar eine CD besitze. Annie galt bei Erscheinen ihres Debütalbums “Anniemal” vor dreieinhalb Jahren als “neue Madonna” und “bessere Kylie Minogue”. Zumindest letzteres stimmt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals bei einem Konzert eine erste Reihe gesehen zu haben, die ausschließlich aus Männern bestand. Und Anne Lilia Berge Strand flirtete mit ihnen, was das Zeug hielt. Der Bubblegum-Sound, der das Album mitunter etwas schwer hörbar machte, wurde von der Liveband weitgehend weggebügelt, bis nur noch knochentrockenes Disco-Gestampfe übrig war.

Und damit möchte ich den ersten Tag hier in Oslo beschließen. Ich bin bald 24 Stunden wach, habe ein paar hundert Kilometer in so ziemlich jedem Verkehrsmittel außer Schiff hinter mir, und muss morgen wieder an einer Konferenz teilnehmen …

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hat, steht hier.

Kategorien
Musik Digital

Programmhinweis: by:Larm 2009

Auf Einladung des by:Larm-Festivals und der norwegischen Botschaft werde ich morgen nach Oslo reisen, um mir das by:Larm vor Ort anzusehen.

Dabei handelt es sich um eine Konferenz zum Thema Musik (also primär Musikindustrie und deren Zukunft), sowie um zahlreiche Konzerte in so ziemlich allen Clubs der Stadt. Wenn man so will, ist es also das skandinavische Gegenstück zum South By Southwest — nur, dass nicht gleich ein paar Tausend Bands auftreten, sondern nur ein paar Hundert.

Ich werde mich bemühen, jeden Tag ein bisschen was über das by:Larm und Oslo zu schreiben. Alle Einträge zum Thema werden mit dem Tag “bylarm” versehen, damit Sie diese entweder schnell finden oder ignorieren können.

Wenn Sie sich jetzt bitte erheben würden für die Nationalhymne von Norwegen!

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Kategorien
Digital

Die mittischen Krassen

Es ist immer ein schönes Gefühl, wenn man von einer Reise wiederkommt und dann “Mein Gott, ist das schön hier” denkt. So ging es mir, als ich gestern unweit unseres Wohnheims aus dem Bus stieg und von der Bochumer Stille fast erschlagen wurde. Die re:publica und Berlin waren schön und gut, aber dort leben: Nein, Danke!

Zwischen den Programmpunkten “Endlich mal wieder Ausschlafen” und “Wäsche waschen” will ich aber nun doch noch ein paar Worte über die re:publica verlieren. Und weil schon alle (interessanterweise auch Leute, die nicht vor Ort waren oder sein wollten) darüber geschrieben haben, will ich nur ein paar ungefilterte Gedankengänge niederpinnen:

  • Ich habe bei der ganzen re:publica genau fünf Minuten gefilmt, danach dachte ich mir, dass da schon genug Leute filmen, wie genug Leute andere filmende Leute beim Filmen filmen. Diese fünf Minuten hat der “Tagesspiegel” genutzt, um mich zu fotografieren.
  • Die Diskussion “Blogger vs. Journalisten” ist laut Johnny Haeusler jetzt endgültig abgeschlossen. Leider habe ich vergessen, mit welchem Ergebnis. (Wahrscheinlich mit keinem.)
  • Die mitunter gehörte Bezeichnung “Blogger-Konferenz” ist einigermaßen absurd, weil es um eine ganze Menge Themen ging und längst nicht jeder Teilnehmer auch ein Blog betrieb.
  • Die Diskussionsrunde “Musik im Netz” war in etwa so unergiebig, wie man es erwarten durfte. Zumindest war sie zu kurz, denn sie musste in dem Moment beendet werden, als Tim Renner mit Ausführungen anfing, nach denen ich ihm die Rettung der Musikindustrie im Alleingang zutrauen würde.
  • Leider habe ich zu wenig von der Diskussionsrunde über “Citizen Journalism” im Ausland mitbekommen (was ich und jeder andere aber online nachholen kann), aber was ich über “Alive In Baghdad” gehört habe, hat mich tief beeindruckt. Verglichen mit dem (Über-)Leben in Bagdad und dem Darüber-Berichten ist wohl alles, was wir in Deutschland so ins Internet stellen, pillepalle.
  • Wenn ich mich ein bisschen konzentriere, kann ich mir auch Vorträge anhören, mit denen ich inhaltlich null übereinstimme. So weiß ich wenigstens, was am anderen Ende des Spektrums vor sich geht.
  • Schöner als die vielen Vorträge und Diskussionsrunden ist es eigentlich, am Rande Leute kennen zu lernen, deren Texte man teilweise schon seit langem liest und schätzt. Bei anderen wusste ich anschließend wenigstens, warum ich ihre Texte nicht lese.
  • Den besten Namen von allen Referenten hatte sicher Bertram Gugel, dessen Nachnamen man wirklich wie “Google” ausspricht.
  • Der Kaffee (ein in diesem Blog viel zu selten gewürdigtes Thema) in der Kalkscheune war beeindruckend schlecht. Das war Konsens, aber auch der einzige echte Nachteil der Örtlichkeiten.
  • Weitaus schlechter als der Kaffee aber war das, was die “Süddeutsche Zeitung” über die re:publica geschrieben hat – garniert mit einem ca. 10 Jahre alten Symbolbild.
  • Trotz des Mottos “Die kritische Masse” frage ich mich, wie viel von dem, was auf der re:publica besprochen wurde, für Leute außerhalb des Fachpublikums, das wir nun mal irgendwie alle waren, relevant ist. Mitunter hatte ich schon das Gefühl, dass die Gegenstände von Vorträgen und Diskussionen mit dem Leben von weiten Teilen der Bevölkerung gar nichts zu tun haben.