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Kostenfreiheit: 17,98 Euro

Ich hal­te offe­ne Brie­fe für weit­ge­hend albern. Aber mein Blut­druck war zu hoch, um die E‑Mail-Adres­se von Chris­ti­an Nien­haus zu erra­ten. Dann eben so:

Sehr geehr­ter Herr Nien­haus,

ich hät­te gern das Inter­view gele­sen, dass Sie der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung“ in Ihrer Eigen­schaft als Geschäfts­füh­rer der WAZ-Medi­en­grup­pe („Harz Kurier“, „Die Aktu­el­le“, „Echo der Frau“, „Der Wes­ten“) gege­ben haben. Ger­ne hät­te ich mich wei­ter über die dün­ne Argu­men­ta­ti­ons­ket­te der Ver­le­ger infor­miert, die gegen die soge­nann­te iPho­ne-App der „Tages­schau“ (ein Pro­gramm, das die Inhal­te von tagesschau.de für moder­ne Mobil­te­le­fo­ne auf­be­rei­tet) kla­gen. Doch es ging nicht.

Hän­gen geblie­ben (bzw. in die Luft gegan­gen) bin ich schon bei Ihrer ers­ten Ant­wort, genau­er bei einem kur­zen Satz:

Wir hal­ten zudem die Kos­ten­frei­heit der Apps für nicht kor­rekt.

Herr Nien­haus, ich weiß nicht, wie das bei Ihnen zuhau­se aus­sieht, aber ich habe für die Inhal­te der „Tages­schau“, ja: für alle Inhal­te der öffent­lich-recht­li­chen Sen­de­an­stal­ten, bereits bezahlt. 17,98 Euro jeden Monat, das ist mehr, als ich in mei­nem Leben für die lang­wei­li­gen Lokal­zei­tun­gen Ihres Ver­lags aus­ge­ge­ben habe. Des­we­gen fin­de ich es auch uner­träg­lich, dass die öffent­lich-recht­li­chen Anstal­ten die Inhal­te, die ich (mit-)bezahlt habe, wie­der aus dem Inter­net ent­fer­nen müs­sen, weil die Zei­tungs­ver­le­ger und Pri­vat­sen­der (was teil­wei­se aufs Sel­be raus­kommt) das so woll­ten.

Ich hät­te ger­ne die Empö­rung in Ihrer Rei­hen gese­hen, wenn die „Tagesschau“-App Geld kos­ten wür­de. Dann, da bin ich mir sicher, wür­den Sie sich näm­lich mei­ner Argu­men­ta­ti­on anschlie­ßen, dass die Inhal­te von den Zuschau­ern bereits bezahlt wor­den sind.

Ihr Inter­es­sen­ver­band eiert seit Jah­ren ziel­los umher und belei­digt jeden den­ken­den Men­schen mit sei­nem uner­träg­li­chen Gejam­mer. Sie haben den Wan­del vom Print- zum Inter­net­zeit­al­ter ver­pennt, jetzt sind Sie dabei, den Wan­del zum App-Zeit­al­ter eben­falls zu ver­pen­nen. Das allein ist tra­gisch genug. Tun Sie sich einen Gefal­len und erwä­gen Sie weni­ger durch­sich­ti­ge Argu­men­te!

Mit freund­li­chen Grü­ßen,
Lukas Hein­ser

Ste­fan Nig­ge­mei­er hat sei­nen Blut­druck schnel­ler unter Kon­trol­le gekriegt und zer­legt Nien­haus‘ wei­te­re „Argu­men­te“ bei sich im Blog.

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Digital Musik

und Sprite

Die Über­schrift des Tages (wenigs­tens, nach­dem Bild.de das syn­tak­tisch unglück­li­che „Geert Wil­ders – Hass-Pre­di­ger for­dert sei­ne Ent­haup­tung“ geän­dert hat), ent­neh­men wir heu­te der Web­site des Dort­mun­der Musik­ma­ga­zins „Visi­ons“:

Korn - eine Band im Kornfeld

Da kann man sich vor­stel­len, wie der Zet­tel aus­sah, auf dem die Alter­na­tiv­vor­schlä­ge stan­den:

  • Immer, wenn ich trau­rig bin
  • Das letz­te Ein­korn
  • Korn In The U.S.A.
  • Rock­korn
  • Kor­ned Beef
  • irgend­was mit blin­den Hüh­nern

Nach­trag, 16.40 Uhr: Tag, Abend, …

Schiller als Chiller

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Digital

Understanding In A Car Crash

War­nung!

In die­sem Ein­trag wer­den Sei­ten ver­linkt, auf denen bru­ta­le und ver­stö­ren­de Fotos bzw. Vide­os zu sehen sind. Wenn Sie emp­find­lich auf sol­che Dar­stel­lun­gen reagie­ren oder es Ihnen reicht, sich vor­zu­stel­len, wie die Opfer eines Ver­kehrs­un­falls aus­se­hen, dann kli­cken Sie bit­te auf kei­nen die­ser Links!

Da hat man sich den Mund fus­se­lig dis­ku­tiert nach dem Amok­lauf von Win­nen­den, hat an jour­na­lis­ti­sche Ethik oder ein­fach nur an den gesun­den Men­schen­ver­stand appel­liert, wenn es um Gewalt­dar­stel­lun­gen in den Medi­en ging. Gera­de letz­te Woche hat­te ich mich und mög­li­che mit­le­sen­de Jour­na­lis­ten mal wie­der gefragt (da dürf­ten Sie jetzt drauf kli­cken, das ist nur ein Cof­fee-And-TV-Arti­kel), ob man eigent­lich alle Quel­len nut­zen müss­te, die einem so zur Ver­fü­gung ste­hen, um ein schreck­li­ches Ereig­nis auf­zu­be­rei­ten.

Aber letzt­lich braucht es wohl ein­fach nur genug Blut und in den Gehir­nen der Online-Redak­teu­re rei­ßen die letz­ten Syn­ap­sen ab.

Im nie­der­län­di­schen Apel­doorn ist bei der Para­de zum heu­ti­gen Köni­gin­nen­tag gegen 12 Uhr Mit­tags ein Auto in die Men­schen­men­ge gefah­ren und erst vor einem Denk­mal zum Ste­hen gekom­men. Im Moment geht man von vier Toten und min­des­tens 20 Ver­letz­ten aus.

Weil sich zumin­dest Tei­le die­ses Unfalls in der direk­ten Nähe des könig­li­chen Bus­ses abspiel­ten, wur­den die­se Bil­der live im Fern­se­hen über­tra­gen. Dass grau­sa­me Din­ge on air pas­sie­ren, gehört zu den Risi­ken einer Live-Über­tra­gung. Die Fra­ge ist, wie man in den nächs­ten Momen­ten damit umgeht.

Die Sen­der des nie­der­län­di­schen RTL haben Vide­os ins Inter­net gestellt, auf denen Men­schen über die Stra­ße geschleu­dert wer­den. Zuschau­er schrei­en ent­setzt (und gut hör­bar) auf, spä­ter sieht man Poli­zis­ten bei ver­zwei­fel­ten Wie­der­be­le­bungs­ver­su­chen. Ich weiß nicht, was davon live über den Sen­der ging und was „nur“ auf­ge­nom­men wur­de – ich bin mir nur ziem­lich sicher, dass die Betrach­tung die­ser bru­ta­len Bil­der kei­ne zwin­gen­de Vor­aus­set­zung für ein Ver­ständ­nis des Vor­gangs „Auto rast in Men­schen­men­ge“ dar­stellt.

In den nie­der­län­di­schen Fern­seh­sen­dern sind die Bil­der des Vor­falls immer wie­der zu sehen – auf man­chen nur die letz­ten Meter, bevor das Auto in die Umzäu­nung des Denk­mals kracht, auf den Sen­dern der RTL-Grup­pe auch noch mal ein paar Men­schen, die getrof­fen wer­den. Repor­ter der Pri­vat­sen­der ste­hen vor dem Auto-Wrack, wäh­rend im Bild­hin­ter­grund die abge­deck­ten Lei­chen lie­gen, die Öffent­lich-Recht­li­chen haben ihre Repor­ter inzwi­schen vor dem Königs­pa­last abge­stellt.

Aber die nie­der­län­di­schen Medi­en, die eh sehr viel libe­ra­ler sind im Umgang mit expli­zi­ten Dar­stel­lun­gen, sol­len uns hier nur am Ran­de und unter exo­ti­schen Aspek­ten inter­es­sie­ren. Wir haben ja unse­re eige­nen Medi­en, allen vor­an die im Inter­net.

Trash-Por­ta­le wie „Spie­gel Online“, Bild.de, focus.de und stern.de, aber auch FAZ.net zei­gen Bil­der­ga­le­rien, in denen man sich unter ande­rem dar­über infor­mie­ren kann, wie eigent­lich schwe­re Kopf­ver­let­zun­gen oder Mund-zu-Mund-Beatmun­gen aus­se­hen.

tagesschau.de zeigt als Auf­ma­cher­bild eine Tota­le (wie man sie auch in der „Net­zei­tung“ und der Klick­stre­cke von „RP Online“ fin­det) mit meh­re­ren Ver­let­zen, wäh­rend im Fern­seh­bei­trag haupt­säch­lich ent­setz­te Augen­zeu­gen (dar­un­ter ein wei­nen­des Kind) zu sehen sind.

Spe­ku­la­tio­nen schie­ßen (natür­lich) ins Kraut und Bild.de brauch­te nur weni­ge Zen­ti­me­ter, um aus einer Fra­ge …

Schock für Beatrix am Königinnentag in Holland: War es ein Anschlag? Autofahrer raste in Menschenmenge - vier Tote und fünf Schwerverletzte

… eine Tat­sa­che zu machen:

Anschlag auf Königin Beatrix: Der Bus mit der königlichen Familie – nur wenige Meter trennen ihn von der Stelle, an der der Suzuki in das Denkmal gerast ist. In der Mitte zu erkennen...

Beim Wes­ten war ver­mut­lich eher sprach­li­ches Unver­mö­gen als Zynis­mus Schuld an einer Bild­un­ter­schrift wie die­ser:

Begeistert warten die Zuschauer im holländischen Apeldoorn auf den Besuch der Königsfamilie, als ein Auto in die Menschenmenge rast.

(Unnö­tig zu erwäh­nen, dass das Foto natür­lich kei­ne begeis­ter­ten War­ten­den zeigt, son­dern in Bewe­gung befind­li­che Unfall­op­fer. Der Bild­aus­schnitt wur­de übri­gens spä­ter noch ver­än­dert, so dass nun weni­ger von den Kör­pern und mehr vom Auto zu sehen ist.)

Von allen gro­ßen Por­ta­len, die mir spon­tan ein­fie­len, kommt nur sueddeutsche.de ohne all­zu bru­ta­le Fotos und/​oder Bil­der­ga­le­rien aus. Aller­dings erhielt mei­ne zag­haf­te Erleich­te­rung einen Dämp­fer, als ich in den Kom­men­ta­ren zum Arti­kel erst Kri­tik an (offen­bar vor­her dort gezeig­ten) Bil­dern fand und dann das hier las:

 30.04.2009  14:29:35 Moderator (sueddeutsche.de): Liebe user, obwohl das von uns zunächst gezeigte Bild aus dokumentarischen Gründen auch in anderen Publikationen zu sehen war, haben wir uns aus Pietätsgründen dazu entschieden ein anderes Bild zu verwenden. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Moderator

Die obli­ga­to­ri­sche Gegen­pro­be beim Online-Auf­tritt des „Guar­di­an“ ergab: Ein zer­trüm­mer­tes Auto sagt auch viel aus.

Mit beson­de­rem Dank an unse­re Nie­der­lan­de-Kor­re­spon­den­tin Leo­nie.

Nach­trag, 23:55 Uhr: Zu früh gelobt: Der „Guar­di­an“ hat mit einer Bil­der­ga­le­rie und einem Video nach­ge­legt, wo Bil­der zu sehen sind, die mei­nes Erach­tens auch nicht nötig wären.

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Rundfunk Politik

St. Louis Vice

Heu­te Nacht um drei Uhr unse­rer Zeit läuft in den USA das ein­zi­ge TV-Duell zwi­schen den bei­den Bewer­bern um das Amt des Vize­prä­si­den­ten. Das wird bestimmt lus­tig.

Aber wer tritt da noch mal gegen wen an?

Verblasster Glanz gegen beständige Blässe

TV-Duell der US-Vizekandidaten: Landpommeranze gegen altes Eisen

 TV-Debatte: Palin gegen Biden – Duell der Fettnäpfchentreter

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Rundfunk Gesellschaft Radio

Der Unratskübel auf dem anti-anglistischen Schutzwall

Das Schö­ne an getrof­fe­nen Hun­den ist ja, dass sie durch ihr Bel­len häu­fig schla­fen­de Hun­de wecken. Äh …

Die Wochen­zei­tung „Neue Soli­da­ri­tät“, Zen­tral­or­gan des „Schil­ler-Insti­tuts“ und der „Bür­ger­rechts­be­we­gung Soli­da­ri­tät“ (mit der wir uns schon das ein oder ande­re Mal beschäf­tigt haben), ließ sich in ihrer Aus­ga­be vom 30. Janu­ar in einem „Zwi­schen­ruf“ über den WDR und zwei sei­ner Mit­ar­bei­te­rin­nen aus:

Dort [in Köln, Anm. d. Blog­gers] befin­det sich näm­lich der WDR (West­deut­scher Rund­funk), der sich am 24. Janu­ar in sei­nem Radio­pro­gramm WDR5 bemü­ßigt fühl­te, zwan­zig Minu­ten lang einen Unrats­kü­bel über die BüSo, das Schil­ler-Insti­tut und vor allem natür­lich Lyn­don LaRou­che aus­zu­schüt­ten.

Ein Unrats­kü­bel, den man zwan­zig Minu­ten über zwei Orga­ni­sa­tio­nen und einen alten Mann aus­schüt­ten kann, muss natür­lich gewal­tig groß sein. Und was war drin?

Der betref­fen­de Bei­trag, der am 24. Janu­ar in der WDR-5-Sen­dung „Neu­gier genügt“ lief und den man hier nach­hö­ren kann, beschäf­tig­te sich mit dem bis heu­te unge­lös­ten Todes­fall Jere­mi­ah Dug­gan. Der 22-jäh­ri­ge Eng­län­der war in der Nacht zum 27. März 2003 in Wies­ba­den ums Leben gekom­men, nach­dem er kurz zuvor zwei tele­fo­ni­sche Hil­fe­ru­fe an sei­ne Mut­ter in Lon­don abge­setzt hat­te.

Jere­mi­ah hat­te in der Nähe von Wies­ba­den eine Tagung des „Schil­ler-Insti­tuts“ besucht und soll sich dann mit­ten in der Nacht auf einer Schnell­stra­ße vor ein Auto gewor­fen haben. Die deut­schen Behör­den haben den Fall trotz eini­ger Unge­reimt­hei­ten schnell als Selbst­mord abge­hakt und lie­ßen sich weder durch einen Auf­ruf des renom­mier­ten Simon-Wie­sen­thal-Zen­trums (Jere­mi­ah war Jude) noch durch einen Appell von 96 bri­ti­schen Abge­ord­ne­ten zu einer Wie­der­auf­nah­me bewe­gen. Genaue­res zum Fall Jere­mi­ah Dug­gan ent­neh­men Sie bit­te der „taz“, der „Ber­li­ner Zei­tung“, „Tele­po­lis“ oder dem „Dai­ly Tele­graph“, die­sem Bei­trag des Hes­si­schen Rund­funks (von dem ich lei­der nicht weiß, wann und in wel­cher Sen­dung er gelau­fen ist) und der Web­site „Jus­ti­ce For Jere­mi­ah“.

Und damit zurück zum WDR-Bas­hing der „Neu­en Soli­da­ri­tät“:

Allen Erklä­run­gen und Ent­schei­dun­gen der deut­schen Staats­an­walt­schaft, des Frank­fur­ter Ober­lan­des­ge­richts und den mitt­ler­wei­le frei­ge­ge­be­nen Akten der Lon­do­ner Metro­po­li­tan Poli­ce zuwi­der brach­te die Sen­dung, in rei­ße­ri­scher Manier und gegen bes­se­res Wis­sen, die BüSo und das Schil­ler-Insti­tut wie­der in Zusam­men­hang mit die­sem Selbst­mord.

Wer den Bei­trag gehört hat, wird wenig fin­den, was als „rei­ße­risch“ durch­ge­hen könn­te. Auch scheint mir das Haupt­in­ter­es­se der WDR-Autorin auf dem Ver­hal­ten der deut­schen Behör­den zu lie­gen:

Der zustän­di­ge Beam­te der Wies­ba­de­ner Poli­zei erklärt den Dug­gans,
man behand­le den Fall als Selbst­mord. Ein Fremd­ver­schul­den sei aus­zu­schlie­ßen. Eine Ver­si­on, die Hart­mut Fer­se, Pres­se­spre­cher der Wies­ba­de­ner Staats­an­walt­schaft auch mir gegen­über tele­fo­nisch bestä­tigt. Eine von der am Unfall­ort anwe­sen­den Not­ärz­tin emp­foh­le­ne Obduk­ti­on unter­blieb, wie aus den Unter­la­gen her­vor­geht.

Der deut­sche Poli­zei­be­am­te wuss­te offen­bar, dass Jere­mi­ah im Alter von sie­ben Jah­ren nach der Tren­nung sei­ner Eltern bei einer Fami­li­en­be­ra­tung in der Lon­do­ner
Tavi­stock-Kli­nik war, und schloss dar­aus, dass er auch mit 22 noch „Psych­ia­trie-
Pati­ent“ sei.

Im Bei­trag heißt es wei­ter:

O‑Ton Eri­ca Dug­gan: „And then the poli­ce offi­cer said: Lyn­don LaRou­che… And then we asked more ques­ti­ons and he said: No com­ment.“
Autorin: Lyn­don LaRou­che?
Spre­cher: Lyn­don LaRou­che, ame­ri­ka­ni­scher Polit-Akti­vist, der poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Orga­ni­sa­tio­nen in den USA und in Euro­pa, auch in Deutsch­land, auf­ge­baut
hat? Lyn­don LaRou­che, heu­te 85 Jah­re alt, in der Ver­gan­gen­heit mehr­mals selbst­er­nann­ter Kan­di­dat für das Amt des Prä­si­den­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten? Lyn­don LaRou­che, der von ame­ri­ka­ni­schen und deut­schen Jour­na­lis­ten und Sek­ten­ex­per­ten als „Extre­mist“ und „gefähr­li­cher Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker“ bezeich­net wird?
Autorin: Die Eltern Dug­gan for­schen nach und kom­men zu dem Schluß, dass ihr Sohn in die Fän­ge einer Orga­ni­sa­ti­on gera­ten sein muss­te, die etwa der „Spie­gel“ als eine der umstrit­tens­ten „Welt­ver­schwö­rungs­sek­ten“ bezeich­net: in die von Lyn­don LaRou­che. Klar wird ihnen, dass der Schlüs­sel zu all den Ereig­nis­sen dem Anschein nach bei den Orga­ni­sa­to­ren des von Jer­ry besuch­ten Semi­nars lie­gen muss­te.

Angeb­lich habe sogar ein Poli­zei­be­am­ter gesagt:

Wir wol­len kei­ne Ermitt­lun­gen gegen die LaRou­che-Orga­ni­sa­ti­on ein­lei­ten …

Inter­es­san­ter­wei­se wirft „BüSo“ der Autorin des WDR-Bei­trags eine Men­ge, nicht aber Ein­sei­tig­keit vor. Das wäre ja auch etwas lächer­lich, sagt sie doch selbst:

Alle Ver­su­che mei­ner­seits, Stel­lung­nah­men von LaRou­che-Orga­ni­sa­tio­nen zu bekom­men, ver­lau­fen im San­de. Ange­ge­be­ne Tele­fon­num­mern exis­tie­ren nicht oder nicht mehr. Bei einem kur­zen tele­fo­ni­schen Kon­takt mit der Pres­se­agen­tur der Orga­ni­sa­ti­on in Wies­ba­den, wird mir erklärt, mit dem Fall Dug­gan habe man „nichts zu tun.“

Wer sich den­noch für den Stand­punkt von „BüSo“, „Schil­ler-Insti­tut“ und/​oder LaRou­che inter­es­siert, bekommt auf deren Web­site ein paar Infor­ma­tio­nen und einen Auf­satz von Lyn­don LaRou­che aus dem Novem­ber 2006, in dem die­ser inter­es­san­te Schlüs­se zieht:

Lon­do­ner Quel­len, die eng mit US-Vize­prä­si­dent Dick Che­ney und des­sen Ehe­frau Lyn­ne Che­ney ver­bun­den sind, haben erneut eine Pres­se­kam­pa­gne in Gang gesetzt, um eine wie­der­holt dis­kre­di­tier­te Lügen­ge­schich­te hin­sicht­lich der Ursa­chen und Umstän­de des Selbst­mords eines emo­tio­nal gestör­ten jun­gen Bri­ten, Jere­my Dug­gan, wie­der auf­zu­wär­men, der sich, wie der offi­zi­el­le foren­si­sche Bericht zwei­fels­frei ergab, an einer Schnell­stra­ße bei Wies­ba­den mehr­fach gegen vor­bei­fah­ren­de Fahr­zeu­ge gewor­fen hat.

Der Grund für die ursprüng­li­che und nun wie­der­hol­te Ver­brei­tung die­ses Pres­se­schwin­dels war und ist der per­sön­li­che Haß Che­neys und sei­ner Ehe­frau gegen eine Per­son – mich – , die sie wei­ter­hin als beun­ru­hi­gen­den poli­ti­schen Geg­ner betrach­ten, der mit einer füh­ren­den, hoch­ran­gi­gen Frak­ti­on in der Demo­kra­ti­schen Par­tei der USA ver­bun­den ist.

Die Vor­stel­lung, der US-Vize­prä­si­dent habe weni­ge Tage nach der ver­lo­re­nen mid­term elec­tion nichts bes­se­res zu tun, als einem als Witz­fi­gur gel­ten­den Greis schlech­te Schlag­zei­len anzu­hän­gen, ist irgend­wie rüh­rend. In Wahr­heit dürf­te die Geschich­te im Herbst 2006 noch ein­mal durch die Pres­se gegan­gen sein, weil Eri­ca Dug­gan zu die­ser Zeit vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt Beschwer­de ein­ge­reicht, um eine Wie­der­auf­nah­me der Unter­su­chun­gen zu erzwin­gen. Die Ent­schei­dung dazu steht bis heu­te aus.

Doch zurück zur „Neu­en Soli­da­ri­tät“:

War­um, so möch­te man erfah­ren, da es doch kei­ner­lei neue Erkennt­nis­se gibt? Die Ant­wort ist sim­pel, aber fun­da­men­tal, und sie liegt in der Geschich­te des WDR. Die­ser erhielt bekann­ter­ma­ßen sei­ne Lizenz durch die bri­ti­sche Besat­zungs­macht, wor­an er sich immer, wenn es dar­auf ankommt, treu­lich erin­nert hat.

Mit dem WDR hat sich die LaRou­che-Bewe­gung noch nie gut ver­stan­den, wie man z.B. in „Deck­na­me Schil­ler“, einem Buch von Hel­mut Lor­scheid und Leo A. Mül­ler aus dem Jahr 1986 nach­le­sen kann. Damals warf man dem Sen­der zwar noch „Goeb­bels-Metho­den“ vor, aber die Zei­ten ändern sich und so kann sich der West­deut­sche Rund­funk natür­lich auch in einen heim­li­chen Feind­funk ver­wan­delt haben. Dazu muss man wis­sen, dass Lyn­don LaRou­che und sei­ne Anhän­ger bei jeder sich bie­ten­den (also viel mehr: bei jeder) Gele­gen­heit eine bri­ti­sche Ver­schwö­rung ver­mu­ten: Der Bom­ben­an­schlag in Okla­ho­ma City 1995, die ver­such­te Amts­ent­he­bung von Bill Clin­ton, selbst Kom­men­ta­re in kana­di­schen Bou­le­vard­zei­tun­gen sol­len auf das Kon­to „der Bri­ten“ gehen – kein Wun­der, dass LaRou­che „die ame­ri­ka­ni­sche Repu­blik vor der Zer­stö­rung durch ihren Erz­feind, das bri­ti­sche Empire“ bewah­ren will.

Statt also Pro­pa­gan­da für die bösen, bösen Bri­ten zu betrei­ben, so der wei­te­re Tenor in der „Neu­en Soli­da­ri­tät“, hät­te der WDR mal lie­ber über die wirk­lich wich­ti­gen The­men spre­chen sol­len. Natür­lich mit jeman­dem, der sich damit aus­kennt:

Man fra­ge sich doch ein­mal ganz unvor­ein­ge­nom­men: Wäre es im gegen­wär­ti­gen finan­zi­el­len Zusam­men­bruchs­pro­zeß, der spä­tes­tens seit Mon­tag, dem 21. Janu­ar, jedem deut­lich gewor­den ist, nicht „nor­ma­ler“ gewe­sen, wenn der WDR Hel­ga Zepp-LaRou­che ange­ru­fen und sie zu ihren Lösungs­vor­schlä­gen für die Kri­se („Neu­es Bret­ton Woods“, Schutz­wall für das Gemein­wohl) und zu den Initia­ti­ven ihres Man­nes in Ame­ri­ka befragt und dar­über eine Sen­dung gemacht hät­te? Das sind die The­men, die gegen­wär­tig die Men­schen bren­nend inter­es­sie­ren, vor allem, weil die poli­ti­sche Füh­rung offen­bar bis­her kom­plett ver­sagt! Als öffent­lich-recht­li­cher Rund­funk wäre das die Auf­ga­be des WDR, statt die Gel­der der Bür­ger dazu zu ver­geu­den, die ein­zi­ge gegen­wär­tig in Deutsch­land sicht­ba­re Per­sön­lich­keit, die kom­pe­ten­te Initia­ti­ven zum Schutz des Gemein­wohls prä­sen­tiert, anzu­grei­fen. Es sei denn, man fühlt sich ande­rem ver­pflich­tet… und da liegt wohl „der Hase im Pfef­fer“, wie man so schön sagt.

Ein­mal in Rage geschrie­ben macht die stell­ver­tre­ten­de Bun­des­vor­sit­zen­de der „BüSo“, die die­sen „Zwi­schen­ruf“ ver­fasst hat, noch einen etwas wir­ren Schlen­ker zu dem Ver­lag, in dem die Autorin die­ser „Sen­dung“ (da steht wirk­lich Sen­dung in Anfüh­rungs­stri­chen) ihre Bücher ver­öf­fent­licht, und greift dann zum Schlimms­ten: Namens­wit­zen.

Die ver­ant­wort­li­che Redak­teu­rin heißt übri­gens Frau Dreck­mann – kein Kar­ne­vals­scherz.

Eben­falls kein Scherz: Die aus­gie­big zitier­te „Neue Soli­da­ri­tät“ wird bei „Goog­le News“ als Nach­rich­ten­quel­le geführt. Zwei Anfra­gen mei­ner­seits (eine im Janu­ar, eine letz­te Woche), ob man bei Goog­le eigent­lich wis­se, um was für eine Publi­ka­ti­on es sich bei der „Neu­en Soli­da­ri­tät“ han­de­le, sind bis heu­te unbe­ant­wor­tet geblie­ben.

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Literatur

Verschwör dich gegen dich

Kommt ein BILD­blog­ger in die Buch­hand­lung und stol­pert über ein Buch mit dem Unter­ti­tel „Was 2007 nicht in der Zei­tung stand“. Er blät­tert ein wenig dar­in, denkt „Das hört sich ja ganz inter­es­sant an“, fragt sich, woher ihm der Name Ger­hard Wis­new­s­ki bekannt vor­kommt und zahlt den sym­pa­thi­schen Preis von sechs Euro.

Und damit lag „Ver­heim­licht, ver­tuscht, ver­ges­sen“ (von nun an: „VVV“) vor mir. Im Vor­wort erklärt Wis­new­s­ki die Inten­ti­on sei­nes „kri­ti­schen Jahr­buchs“:

Mein Ziel war es, bekann­te The­men noch­mals unter die Lupe zu neh­men und unbe­kann­te The­men auf­zu­de­cken, um das Geschichts­bild die­ses Jah­res ein wenig zu kor­ri­gie­ren.

Ein heh­res Ziel, wenn­gleich er einen Absatz spä­ter immer­hin ein­räumt, nicht im Besitz der abso­lu­ten Wahr­heit zu sein. Gute 300 Sei­ten spä­ter weiß der Leser, wo Wis­new­s­ki Kor­rek­tur­be­darf sieht: Es gibt kei­ne vom Men­schen ver­ur­sach­te glo­ba­le Erwär­mung, kei­ne Vogel­grip­pe und kein Aids; die Anschlä­ge des 11. Sep­tem­bers 2001 wur­den von den Ame­ri­ka­nern selbst geplant (wobei eini­ge Medi­en im Vor­feld infor­miert waren) und mit Hil­fe von Al Gore soll eine „Kli­ma­plan­wirt­schaft“, eine „Dik­ta­tur mit lächeln­dem Gesicht, aber mit eiser­nen Fes­seln“ instal­liert wer­den um die Macht der USA in der Welt wei­ter aus­zu­bau­en.

Uff! Da soll­te man sich viel­leicht erst mal noch mal anschau­en, wer die­ser „bekann­te Erfolgs­au­tor und Ent­hül­lungs­jour­na­list“ (so der Ver­lag) Ger­hard Wis­new­s­ki eigent­lich ist. Er ist Jahr­gang 1959, hat Poli­tik­wis­sen­schaf­ten stu­diert, als Jour­na­list gear­bei­tet und meh­re­re Sach­bü­cher geschrie­ben. Zum Bei­spiel „Lügen im Welt­raum“ (die Mond­lan­dung hat es so nicht gege­ben), „Das RAF-Phan­tom“ (die drit­te Gene­ra­ti­on der RAF hat es so nicht gege­ben), „Mythos 9/​11“ und „Ope­ra­ti­on 9/​11“ (den 11. Sep­tem­ber hat es so nicht gege­ben). Über den 11. Sep­tem­ber hat Wis­new­s­ki sogar einen Doku­men­tar­film für den WDR gedreht: „Akten­zei­chen 11.9. unge­löst“ wur­de vom „Spie­gel“ der­art zer­pflückt, dass der WDR anschlie­ßend eine wei­te­re Zusam­men­ar­beit mit Wis­new­s­ki und sei­nem Co-Autor aus­schloss.

Vor­sich­tig aus­ge­drückt sind Wis­newskis Theo­rien also mit Vor­sicht zu genie­ßen. Und in der Tat sind man­che Beweis­füh­run­gen so kru­de, man­che Quel­len so dubi­os und man­che hand­werk­li­chen Feh­ler so offen­sicht­lich, dass es der Glaub­wür­dig­keit des Buches erheb­lich scha­det. Das ist tra­gisch, denn in „VVV“, das die Ereig­nis­se von Okto­ber 2006 bis Sep­tem­ber 2007 behan­delt, gibt es durch­aus Kapi­tel, die lesens­wert sind. So ist zum Bei­spiel eine kur­ze Rück­schau auf die ver­schie­de­nen Bun­des­mi­nis­ter des Inne­ren in den letz­ten Jahr­zehn­ten hoch­in­ter­es­sant, weil hier ein­drucks­voll auf­ge­lis­tet wird, wie es um die Ver­fas­sungs- und Geset­zes­treue der jewei­li­gen Her­ren so bestellt war. Auch Wis­newskis Kri­tik an Wahl­au­to­ma­ten, ePäs­sen und RFID-Chips ist wei­test­ge­hend fun­diert und sinn­voll, sei­ne sta­tis­ti­schen Ver­glei­che der Gefah­ren von Vogel­grip­pe und inter­na­tio­na­lem Ter­ro­ris­mus mit denen im Stra­ßen­ver­kehr sind ange­nehm Hys­te­rie-brem­send. Eini­ge der Kapi­tel über unge­lös­te Kri­mi­nal­fäl­le laden zumin­dest zu einer nähe­ren Beschäf­ti­gung mit den Quel­len ein, sorg­ten aber auch dafür, dass ich mich nach der Lek­tü­re fühl­te wie als Vier­zehn­jäh­ri­ger nach dem „Akte X“-Gucken, als ich bei ein­ge­schal­te­tem Licht ein­schla­fen muss­te.

Wis­new­s­ki ist davon über­zeugt, dass sich die Welt­wirt­schaft unter ame­ri­ka­ni­scher Füh­rung gera­de im Zusam­men­bruch befin­det (was ich als Wirt­schafts­laie nach den Ereig­nis­sen vom Mon­tag nicht mal aus­schlie­ßen kann), ver­mu­tet hin­ter den Vogel­grip­pe-Fäl­len in Deutsch­land eine Ver­schwö­rung von Phar­ma-Indus­trie, Geflü­gel­groß­be­trie­ben und dem Fried­rich-Loeff­ler-Insti­tut und wärmt die alte Ver­schwö­rungs­theo­rie um die BBC am 11. Sep­tem­ber 2001 wie­der auf. Ihn zu wider­le­gen erscheint in den meis­ten Fäl­len unmög­lich, da es ja zum Wesen jeder bes­se­ren Ver­schwö­rungs­theo­rie gehört, dass ihre Ver­brei­ter dem Rest der Welt unter­stel­len, selbst Ver­schwö­rer oder deren Opfer zu sein. Offi­zi­el­le Quel­len gel­ten eh nicht, unab­hän­gi­ge Sach­ver­stän­di­ge sind Teil der Ver­schwö­rung und wer die „Gegen­be­wei­se“ kri­ti­siert gehört zu denen. Unter die­ser Prä­mis­se kann natür­lich kei­ne Sei­te irgend­was bewei­sen – oder es haben ein­fach bei­de Recht.

Ich tue mich schwer damit, „VVV“ pau­schal als sub­stanz­lo­se Ver­schwö­rungs­theo­rie und alber­nes Gewäsch abzu­tun, weil in dem Buch eini­ge inter­es­san­te Denk­an­sät­ze auf­tau­chen. Auf der ande­ren Sei­te steht dar­in aber auch viel Quark, der bei mir teils für Geläch­ter, teils für Wut­an­fäl­le gesorgt hat:

  • Die alber­ne RTL-Come­dy „Frei­tag­nacht­news“ lobt Wis­new­s­ki gleich an zwei Stel­len als „Sati­re­sen­dung“ bzw. die „zusam­men mit Sie­ben Tage, sie­ben Köp­fe […] ein­zi­ge Sen­dung, die man sich im Deut­schen Fern­se­hen über­haupt anse­hen konn­te“.
  • Das Kapi­tel über den unter mys­te­riö­sen Umstän­den ver­stor­be­nen Felix von Quis­torp beginnt Wis­new­s­ki mit dem Hin­weis, dass in Deutsch­land jähr­lich etwa 50.000 Kin­der als ver­misst gemel­det wer­den – um ein paar Zei­len spä­ter auf Fäl­le von ver­wahr­los­ten und miss­han­del­ten Kin­dern zu spre­chen zu kom­men und zwi­schen­durch noch Made­lei­ne McCann zu erwäh­nen, die nun kaum zu den in Deutsch­land ver­miss­ten Kin­dern zäh­len dürf­te.
  • Wis­new­s­ki will Murat Kur­naz des­sen Fol­ter­be­schrei­bun­gen nicht glau­ben, weil die­sem „selbst die Beschrei­bung schlimms­ter Fol­ter­prak­ti­ken“ „kei­ne Gefühls­re­gun­gen“ ent­lo­cke. Eine etwas dün­ne Logik, wenn man sich vor­stellt, wel­che psy­chi­schen Fol­gen sol­che Fol­ter aus­lö­sen muss.
  • Im Fall des Amok­laufs von Blacksburg zwei­felt er die offi­zi­el­le Ver­si­on mit der Begrün­dung an, es habe ja gar kei­ne Ver­bin­dung zwi­schen dem ver­meint­li­chen Täter und sei­nen Opfern gege­ben. Dabei dach­te ich immer, die­se Will­kür gehö­re zum Kon­zept des Amok.
  • Das Kapi­tel über Mark Med­lock (bzw. die Prak­ti­ken von RTL bei der tele­fo­ni­schen Abstim­mung) beginnt er mit dem Kli­schee­satz jedes Kul­tur­pes­si­mis­ten

    Das deut­sche Show­ge­schäft erreicht einen neu­en künst­le­ri­schen und ästhe­ti­schen Tief­punkt.

    um hin­zu­zu­fü­gen, Med­lock sehe „schlecht“ aus, sin­ge „schlecht“ und spre­che „schlecht“:

    Dem Wah­ren, Schö­nen, Guten setzt DSDS das Unwah­re, Häss­li­che und Schlech­te ent­ge­gen.

  • Völ­lig unre­flek­tiert zitiert Wis­new­s­ki einen Wis­sen­schaft­ler, der das „befürch­te­te Über­grei­fen der Seu­che [Aids, Anm. des Blog­gers] auf die hete­ro­se­xu­el­le Bevöl­ke­rung“ in Abre­de stellt.
  • Den Sta­tus der „Bild“-Zeitung als Hof­be­richt­erstat­te­rin im „Arbei­ter- und Mer­kel­staat“ will Wis­new­s­ki allen Erns­tes mit einer Mel­dung über die Qua­li­tät von Bil­lig-Son­nen­cremes bele­gen.
  • Zu Eva Her­man fällt ihm ein, sie sei Opfer eines bös­wil­li­gen Kom­plotts gewor­den. Ihr viel geschol­te­nes Zitat sei doch „ein­deu­tig“ gewe­sen. Dabei hat­te ich gehofft, man könn­te sich inzwi­schen wenigs­tens dar­auf eini­gen, dass das gan­ze Elen­de die­ser unse­li­gen Debat­te nur ent­stan­den ist, weil sich Frau Her­man im frei­en Vor­trag in ihren Neben­sät­zen ver­hed­dert hat­te und sich hin­ter­her zu fein war, die­se Mög­lich­keit auch nur in Betracht zu zie­hen. Wir haben gese­hen, dass man Her­mans berühm­ten Satz in zwei­er­lei Rich­tun­gen aus­le­gen kann und genau das soll­te doch wohl ein Kri­te­ri­um für Unein­deu­tig­keit sein.
  • Wis­new­s­ki macht aber zwi­schen­durch auch noch mal selbst die Her­man, wenn er die „erheb­li­chen“ Unter­schie­de im Ver­hal­ten von Jun­gen und Mäd­chen am fol­gen­den Bei­spiel bewei­sen will:

    Wäh­rend Mäd­chen im Hand­ar­beits­un­ter­richt brav sti­cken, schwei­fen Jun­gen gedank­lich ab und gucken aus dem Fens­ter.

Sol­che Bücher machen mich ganz gaga, weil ich die meis­te Zeit damit beschäf­tigt bin, mich selbst zu fra­gen, ob ich dem Autor bei die­sem oder jenem The­ma über­haupt noch zustim­men kann, wenn ich an ande­ren Stel­len nicht nur nicht sei­ner Mei­nung bin, son­dern sein Vor­ge­hen mal für falsch, mal für gefähr­lich hal­te. Natür­lich kann ich das, denn letzt­lich muss ja sowie­so jeder für sich selbst ent­schei­den, was er glaubt und was nicht. Die Quint­essenz der Lek­tü­re kann also nur lau­ten, allen Quel­len mit einer gewis­sen Grund­skep­sis zu begeg­nen. Für die­se Erkennt­nis brau­che ich aber kei­ne 300 Sei­ten Text.

Der BILD­blog­ger fand dann übri­gens zumin­dest doch noch was: Im Kapi­tel über die Haft­ent­las­sung Bri­git­te Mon­haupts zitiert Wis­new­s­ki die „sehr emp­feh­lens­wer­te, Bild-kri­ti­sche Web­site www.bildblog.de“.

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Digital

Klickbefehl (7)

In Sachen Nokia läuft gera­de ein Fass über. Und die Ver­ant­wort­li­chen in der Poli­tik – allen vor­an der Minis­ter­prä­si­dent Rütt­gers – täten gut dar­an, jetzt kein Öl mehr ins Feu­er zu gie­ßen.

Nach der Ankün­di­gung von Nokia, das Werk in Bochum dicht zu machen, über­bie­ten sich die Poli­ti­ker in Popu­lis­mus. Dju­re von „blog.50hz.de“ tritt einen Schritt zurück und nennt das Ver­hal­ten von Nokia „kon­se­quent“.

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Wäh­rend hier­zu­lan­de Niko­tin­freun­de unter dem Knei­pen-Rauch­ver­bot äch­zen, grei­fen kali­for­ni­sche Behör­den rich­tig hart durch. Die Klein­stadt Cala­ba­sas sol­len in Zukunft qualm­frei sein – auch in den eige­nen vier Wän­den.

„Spie­gel Online“ berich­tet über das geplan­te Rauch­ver­bot in Miet­woh­nun­gen in Cala­ba­sas, CA („LA Dai­ly News“ zum sel­ben The­ma).

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Heu­te ban­ge ich um das Leben jedes Opas, der in der Tram die Augen rollt, wenn eine Cli­que 15-Jäh­ri­ger die Belast­bar­keit der Schei­ben mit Schlag­rin­gen tes­tet. Das Ent­rüs­tungs­po­ten­ti­al älte­rer Men­schen wird ja immer mehr zum Sicher­heits­ri­si­ko im öffent­li­chen Raum. Ich grei­fe dann sofort ein und ver­wick­le den sich in Rage den­ken­den Mitt­sieb­zi­ger in ein Gespräch über Stauf­fen­berg, die Wehr­macht oder die Seg­nun­gen von Essen auf Rädern.

Dani­el Haas hat bei „Spie­gel Online“ eine wun­der­ba­re … ja, was eigent­lich: Pole­mik, Sati­re? Er hat jeden­falls einen wun­der­ba­ren Text über die aktu­ell her­auf­be­schwo­re­nen Gefah­ren in U‑Bahnen ver­fasst.

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„Rie­chen Sie die U‑Bahn?“, fra­ge ich. Wir stei­gen ein, fah­ren durch die Pro­blem­vier­tel Ber­lins. Drei Betrun­ke­ne stei­gen zu, sie haben Bier­fla­schen in den Hän­den. Ich habe kei­nen Augen­kon­takt mit den Bier­trin­kern. Frau Zypries auch nicht. Wir spre­chen über die Archi­tek­tur der Groß­städ­te, die auch Gewalt aus­löst, über Hoch­häu­ser.

Gon­zo-Jour­na­lis­mus bei „Bild.de“: Franz Josef Wag­ner und Bri­git­te Zypries fah­ren U‑Bahn. Mit Video!

Pas­send dazu: „In zehn ein­fa­chen Schrit­ten: Schrei­ben wie Franz Josef Wag­ner“ bei medienlese.com

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When histo­ry was writ­ten, the final page will say …

Auch deut­sche Poli­ti­ker sagen mit­un­ter merk­wür­di­ge Din­ge. Aber nie­mand ist so merk­wür­dig wie Geor­ge W. Bush – und nie­mand nimmt das bes­ser aus­ein­an­der als die eine „Dai­ly Show“.

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„Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ wirkt eigent­lich ver­gleichs­wei­se unge­fähr­lich gegen­über „Big Brot­her“ oder vie­len Talk­shows und Doku-Soaps, weil die Teil­neh­mer kei­ne nai­ven Lai­en sind, son­dern Pro­fis, die wis­sen könn­ten, wor­auf sie sich ein­las­sen, und Bera­ter an ihrer Sei­te haben. Doch mit Blick auf Tei­le des Per­so­nals und ihr Ver­hal­ten im Dschun­gel muss man dar­an zwei­feln, ob die Teil­nah­me für alle rein sub­jek­tiv wirk­lich so frei­wil­lig ist.

Ste­fan Nig­ge­mei­er macht sich in der „FAZ“ Gedan­ken dar­über, was die Kan­di­da­ten zu ihrer Teil­nah­me bei „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ getrie­ben haben könn­te.

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The epi­so­de is the latest in which blog­gers and others have used the Inter­net to force Chi­ne­se aut­ho­ri­ties to inves­ti­ga­te bea­tings and other abu­ses by govern­ment offi­ci­als.

Die Online-Aus­ga­be der „New York Times“ berich­tet dar­über, wie Blog­ger in Chi­na die genaue­re Unter­su­chung eines mys­te­riö­sen Todes­falls ansto­ßen konn­ten.

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Digital Gesellschaft

Warum ich meine Brüste bei MySpace zeige

Man­che Din­ge sind nur schwer zu erklä­ren: die Abseits­re­gel angeb­lich, der Erfolg von Modern Tal­king oder alles, was mit dem soge­nann­ten Web 2.0 zu tun hat. Wer ein­mal ver­sucht hat, sei­nen Groß­el­tern das Kon­zept eines Blogs oder gar die Funk­ti­ons­wei­se von Twit­ter zu erklä­ren, kennt danach alle Meta­phern und Syn­ony­me der deut­schen Spra­che.

Zu den Din­gen, die für Außen­ste­hen­de (aber nicht nur für die) unver­ständ­lich erschei­nen, gehört die Bereit­schaft jun­ger Men­schen, pri­va­tes­te Din­ge im World Wide Web preis­zu­ge­ben. Bei MySpace, Face­book, Live­Jour­nal, Stu­diVZ und ähn­li­chen Klo­nen tei­len sie theo­re­tisch der gan­zen Welt ihr Geburts­da­tum, ihre Schu­le und ihre sexu­el­le Ori­en­tie­rung mit und bebil­dern das Gan­ze mit jeder Men­ge Fotos, auf denen sie – wenn man der Pres­se glau­ben schen­ken darf – min­des­tens betrun­ken oder halb­nackt sind, meis­tens sogar bei­des.

In der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ von ges­tern war ein gro­ßer Arti­kel von Patrick Ber­nau zu dem The­ma – inter­es­san­ter­wei­se im Wirt­schafts­teil. Dort geht es haupt­säch­lich um die per­so­na­li­sier­ten Wer­be­an­zei­gen, die Stu­diVZ, Face­book und die „Hal­lo Boss, ich suche einen bes­se­ren Job!“-Plattform Xing zum Teil ange­kün­digt, zum Teil ein­ge­führt und zum Teil schon wie­der zurück­ge­nom­men haben. Ber­nau mon­tiert die Aus­kunfts­freu­dig­keit der User gegen die Pro­tes­te gegen die Volks­zäh­lung vor zwan­zig Jah­ren, er hät­te aber ein noch grö­ße­res schein­ba­res Para­do­xon fin­den kön­nen: die Pro­tes­te gegen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung.

Gele­gent­lich fra­ge ich mich selbst, war­um ich einer­seits so ent­schie­den dage­gen bin, dass Poli­zei und Staats­an­walt­schaft im Juli nach­gu­cken könn­ten, wen ich ges­tern ange­ru­fen habe (sie brau­chen nicht nach­zu­gu­cken: nie­man­den), ich aber ande­rer­seits bei diver­sen Platt­for­men und natür­lich auch hier im Blog in Form von Urlaubs­fo­tos (also Land­schafts­auf­nah­men), Anek­do­ten und Mei­nun­gen einen Teil mei­nes Lebens und mei­ner Per­sön­lich­keit einem nicht näher defi­nier­ten Publi­kum anbie­te. Aber ers­tens hal­te ich Aus­künf­te über mei­ne Lieb­lings­bands und ‑fil­me oder die Tat­sa­che, dass ich Fan von Borus­sia Mön­chen­glad­bach bin, für rela­tiv unspek­ta­ku­lär (ich drü­cke die­se Prä­fe­ren­zen ja auch durch das Tra­gen von ent­spre­chen­den T‑Shirts öffent­lich aus), und zwei­tens gebe ich die­se Aus­künf­te frei­wil­lig, ich mache von mei­nem Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung Gebrauch.

Wenn also bei­spiels­wei­se die Juso-Hoch­schul­grup­pe Bochum auf einem Flug­blatt ange­sichts der per­so­na­li­sier­ten Wer­bung im Web 2.0 fragt:

Muss der Staat ein­grei­fen? Wie weit darf die „Markt­wirt­schaft 2.0“ gehen?

und dann auch noch „Schnüf­felVZ“ und Vor­rats­da­ten­spei­che­rung bei einer Podi­ums­dis­kus­si­on gemein­sam behan­deln will, weiß ich schon mal, wel­cher Lis­te ich bei der Wahl zum „Stu­die­ren­den­par­la­ment“ nächs­te Woche mei­ne Stim­me nicht gebe. ((Nicht, dass nach der gro­ßen Geld­ver­bren­nungs­ak­ti­on des Juso-AStAs noch die Gefahr bestan­den hät­te, die­sem Hau­fen mein Ver­trau­en aus­zu­spre­chen, aber dop­pelt hält bes­ser.))

Ich habe ein wenig Angst, wie die FDP zu klin­gen, aber: Die Mit­glied­schaft in der Gru­schel­höl­le oder beim Frei­be­ruf­ler-Swin­ger­club Xing ist frei­wil­lig, nie­mand muss dort mit­ma­chen, nie­mand muss dort sei­ne Daten ange­ben. Sie ist dar­über­hin­aus aber auch kos­ten­los (Xing gibt’s gegen Bares auch als Pre­mi­um-Ver­si­on, aber das soll uns hier nicht stö­ren) und wird dies auf lan­ge Sicht nur blei­ben kön­nen, wenn die Unter­neh­men über die Wer­bung Geld ver­die­nen. Und war­um per­so­na­li­sier­te Wer­bung effek­ti­ver (und damit für den Wer­be­flä­chen­ver­mie­ter ertrag­rei­cher) ist, erklärt der „FAS“-Artikel in zwei Sät­zen:

Wenn zum Bei­spiel nur die ange­hen­den Inge­nieu­re die Stel­len­an­zei­gen für Inge­nieu­re bekom­men, blei­ben die Juris­ten von den Anzei­gen ver­schont. Wenn ein bewor­be­nes Rasier­was­ser schon zur Alters­grup­pe passt, ist die Wahr­schein­lich­keit höher, dass es dem Nut­zer tat­säch­lich gefällt.

Ob ich nun nach der ein­ma­li­gen pos­ta­li­schen Bestel­lung bei einem Musik­in­stru­men­ten­ver­sand unauf­ge­for­dert die Pro­be­aus­ga­be einer Musik­erzeit­schrift im Brief­kas­ten habe, oder ein wenig auto­ma­tisch erzeug­te Digi­tal­wer­bung auf mei­nem Moni­tor, macht qua­li­ta­tiv kaum einen Unter­schied. Wenn mich das nervt oder mir mei­ne hin­ter­leg­ten Daten zu unge­schützt erschei­nen, kann ich mich ja bequem zurück­zie­hen – dann aller­dings soll­te ich auch die Mög­lich­keit haben, mei­ne Daten Rück­stands­los ent­fer­nen zu las­sen, die­se Min­des­ter­war­tung habe ich an den Platt­form-Anbie­ter.

Wir brau­chen also viel weni­ger einen staat­li­chen Ein­griff (obwohl die Vor­stel­lung, dass Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Bri­git­te Zypries im Fern­se­hen erklä­ren soll, was denn so ein „social net­work“ ist, durch­aus einen erheb­li­chen Trash-Charme hat) und viel mehr Medi­en­kom­pe­tenz. Die kommt frei­lich nicht von selbst, wie man auch am Super-RTL-Kri­ti­ker Gün­ther „Scheiß Pri­vat­fern­se­hen!“ Oet­tin­ger sehen kann. Medi­en­kom­pe­tenz könn­te auch nicht ver­hin­dern, dass von ein paar Mil­lio­nen Com­pu­ter­spie­lern und Hor­ror­film-Zuschau­ern zwei, drei Gestör­te auf die Idee kom­men, das Gese­he­ne nach­zu­ah­men, aber sie könn­te Jugend­li­che wenigs­tens so weit brin­gen, dass die­se das Für und Wider von Betrun­ken-in-Unter­wä­sche-im-Inter­net-Fotos abwä­gen könn­ten.

Aber auch bei dem The­ma sehe ich noch Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten: Wenn Mäd­chen und jun­ge Frau­en in ihren Foto­ga­le­rien bei MySpace oder Face­book Biki­ni- oder Unter­wä­sche­bil­der von sich rein­stel­len, heißt das ja noch lan­ge nicht, dass sie von einer Kar­rie­re im Por­no­ge­schäft träu­men, wie es für man­che Beob­ach­ter aus­se­hen mag. Zwar lässt sich bei ein paar Mil­lio­nen Mit­glie­dern nicht aus­schlie­ßen, dass dar­un­ter auch ein paar Per­ver­se sind, aber die Bil­der die­nen ja ganz ande­ren Zwe­cken: sich selbst zu zei­gen ((Und ich höre mich mit beben­der Stim­me rufen: „Wir soll­ten in Zei­ten von Mager­wahn froh sein, wenn unse­re Töch­ter so zufrie­den mit ihrem Kör­per sind, dass sie ihn im Inter­net zei­gen!“)) und den Her­ren in der peer group gefal­len.

Nackt­fo­tos von sich selbst hat bestimmt jede zwei­te Frau, die heu­te zwi­schen 18 und 30 ist, schon mal gemacht – min­des­tens, denn die Digi­tal­tech­nik ver­ein­facht auch hier eine Men­ge. Ob sie die ins Inter­net stellt und viel­leicht sogar bei Sui­ci­de­Girls oder ähn­li­chen Sei­ten Kar­rie­re macht ((Ich fin­de Sui­ci­de­Girls ziem­lich span­nend und sehe dar­in eine gera­de­zu his­to­ri­sche Mög­lich­keit weib­li­cher Selbst­be­stim­mung, doch das ver­tie­fen wir ein ander­mal.)), soll­te sie natür­lich auch vor dem Hin­ter­grund der ange­streb­ten Berufs­lauf­bahn („Froll­ein Mei­er, mein gro­ßer Bru­der hat sie nackt im Inter­net gese­hen!“), ihres Selbst­ver­ständ­nis­ses und des Risi­kos der Beläs­ti­gung gut abwä­gen. In jeder Klein­stadt gibt es ein Foto­stu­dio, das im Schau­fens­ter mit schwarz-wei­ßen Akt­fo­tos irgend­ei­ner Dorf­schön­heit wirbt – die­se Bil­der sind oft von gerin­ger künst­le­ri­scher Qua­li­tät und sind Leh­rern, Nach­barn und gehäs­si­gen Mit­schü­lern oft viel leich­ter zugäng­lich als MySpace-Fotos.

Auch Bil­der von Alko­hol­ge­la­gen gibt es, seit die ers­te Klein­bild­ka­me­ra auf eine Ober­stu­fen­fahrt mit­ge­nom­men wur­de. Ob Kin­der ihren betrun­ke­nen Vater mit Papier­korb auf dem Kopf im Wand­schrank einer Mün­che­ner Jugend­her­ber­ge ((Ich habe eine blü­hen­de Phan­ta­sie, müs­sen Sie wis­sen.)) nun zum ers­ten Mal sehen, wenn er zum fünf­zigs­ten Geburts­tag von sei­nen Alten Schul­freun­den ein gro­ßes Foto­al­bum bekommt ((Alles aus­ge­dacht!)), oder sie die Fotos jeder­zeit im Inter­net betrach­ten kön­nen, ist eigent­lich egal. Nicht egal ist es natür­lich, wenn die Abge­bil­de­ten ohne ihre Ein­wil­li­gung im Inter­net lan­den oder die Bil­der jeman­dem zum Nach­teil gerei­chen könn­ten.

Doch auch das wird auf lan­ge Sicht egal wer­den, wie Kolum­nist Mark Mor­ford letz­tes Jahr im „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ schrieb:

For one thing, if ever­yo­ne in Gene­ra­ti­on Next even­tual­ly has their tell-all MySpace jour­nals that only 10 fri­ends and their the­ra­pist are forced to read, then soon enough the who­le cul­tu­re, the enti­re work­force will muta­te and absorb the phe­no­me­non, and it will beco­me exact­ly no big deal at all that you once reve­a­led your cra­zy love of pet rats and tequi­la shoo­ters and boys‘ butts online, becau­se hell, ever­yo­ne reve­a­led simi­lar sil­li­ne­ss and ever­yo­ne saw ever­yo­ne else’s drun­ken under­wear and ever­yo­ne stop­ped giving much of a damn about 10 years ago.

Es wird zukünf­ti­gen Poli­ti­kern ver­mut­lich nicht mehr so gehen wie Bill Clin­ton, der irgend­wann mit nicht-inha­lier­ten Joints kon­fron­tiert war, oder Josch­ka Fischer, des­sen Stein­wurf-Fotos nach über drei­ßig Jah­ren auf­tauch­ten: Über wen schon alles bekannt (oder zumin­dest theo­re­tisch zu ergoo­geln) ist, der muss kei­ne Ent­hül­lun­gen oder Erpres­sun­gen fürch­ten. Auch die Bigot­te­rie, mit der Men­schen, die ihre eige­nen Ver­feh­lun­gen geheim­hal­ten konn­ten, ande­ren die­sel­ben vor­hal­ten, könn­te ein Ende haben. Und das Inter­net könn­te über Umwe­ge tat­säch­lich zur Gleich­ma­chung der Gesell­schaft bei­tra­gen.

Nach­trag 16. Janu­ar: Wie es der Zufall so will, hat sich „Fron­tal 21“ dem The­ma ges­tern ange­nom­men. Wenn man die übli­che Welt­un­ter­gangs­stim­mung und die Ein­sei­tig­keit der Exper­ten­mei­nun­gen aus­klam­mert, ist es ein recht inter­es­san­ter Bei­trag, den man sich hier anse­hen kann.

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Gesellschaft

Schutzbehauptungen

Rauch (Symbolbild)

In der mor­gi­gen „FAZ“ fin­det sich eine Repor­ta­ge von Judith Lembke, die sich drei Mona­te nach der Ein­füh­rung des Rauch­ver­bots in Hes­sen in Frank­fur­ter Knei­pen umge­se­hen hat.

Auch wenn ich – wie bereits beschrie­ben – Nicht­rau­cher bin und sehr ent­schie­den etwas dage­gen habe, wenn frem­de Leu­te mei­ne Kla­mot­ten und mei­ne Gesund­heit rui­nie­ren wol­len, muss ich doch fest­stel­len, dass das Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz offen­bar wie­der sämt­li­che Qua­li­tä­ten der gro­ßen Koali­ti­on ver­eint: Am Leben vor­bei, übers Ziel hin­aus­schie­ßend, allen­falls zur Hälf­te durch­dacht und (wie so oft) nicht so ganz mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar:

Die Loka­le, die nur aus einem Schank­raum bestehen und kei­ne Mög­lich­keit haben, beson­de­re Rau­cher­zo­nen aus­zu­wei­sen, sind beson­ders stark vom Gäs­te­schwund betrof­fen. Da dort ein gene­rel­les Rauch­ver­bot herrscht, wei­chen die rau­chen­den Gäs­te auf Knei­pen aus, wo sie sich auch wei­ter­hin die Ziga­ret­te zum Fei­er­abend­bier geneh­mi­gen kön­nen. Und der Rau­cher, der sei­nem Stamm­lo­kal die Treue hält, trinkt weni­ger, weil er zum Rau­chen nicht in die Käl­te, son­dern lie­ber wie­der nach Hau­se geht.

Es sieht also so aus, dass die Wir­te klei­ner Eck­knei­pen, die in eini­gen Fäl­len sogar Besit­zer der Immo­bi­lie sein mögen, ihren Kun­den in ihren eige­nen vier Wän­den das Rau­chen ver­bie­ten müs­sen, wenn sie kei­nen abtrenn­ba­ren Neben­raum haben. Und das wol­len sich die meis­ten rau­chen­den Kun­den natür­lich nicht antun.

Sicher: Ich wür­de kei­ne Rau­cher­knei­pe auf­su­chen, aber das müss­te ich ja auch nicht, solan­ge es für mich Nicht­rau­cher­knei­pen gäbe. Die aller­dings hät­te es auf frei­wil­li­ger Basis schon lan­ge geben kön­nen und ich ken­ne bis heu­te kei­ne ein­zi­ge. Und damit befin­den wir uns mit­ten drin in einem Dilem­ma, das so undurch­schau­bar scheint, dass ich die Erstel­lung einer Pro- und Con­tra-Lis­te für ein pro­ba­tes Mit­tel erach­te:

Pro Rauch­ver­bot in Knei­pen

  • Rau­chen ist unge­sund. Wenn nur ein Mensch mit dem Rau­chen auf­hört, weil er sich den Gang vor die Tür nicht mehr antun will, ist das ein Gewinn. Auch für die Kran­ken­kas­sen, deren Finan­zie­rung immer­hin auch durch Nicht­rau­cher erfolgt.
  • Die Mit­ar­bei­ter müs­sen geschützt wer­den. In Deutsch­land gibt es Vor­schrif­ten zur Grö­ße von Schreib­ti­schen und der Beleuch­tung in Büros, da erscheint es drin­gend ange­zeigt, Ange­stell­te end­lich vor den Gefah­ren des Pas­siv­rau­chens zu schüt­zen.
  • Wo geraucht wird, muss häu­fi­ger reno­viert wer­den. In Extrem­fäl­len kann auch der Wert der Immo­bi­lie sin­ken. Rau­chen ist also eigent­lich unver­ant­wort­lich, wenn es nicht in den (im juris­ti­schen Sin­ne) eige­nen vier Wän­den pas­siert. Rauch­ver­bo­te wären dem­nach auch in Miet­woh­nun­gen und Rau­cher­zim­mern in gemie­te­ten Gast­stät­ten erfor­der­lich.
  • Es hat bis­her kaum Nicht­rau­cher­knei­pen auf frei­wil­li­ger Basis gege­ben – und das, obwohl der Markt mit Sicher­heit da wäre. Wenn sich der Markt nicht mehr selbst regu­lie­ren kann, soll­te der Staat über eine Inter­ven­ti­on nach­den­ken.

Con­tra gene­rel­les Rauch­ver­bot

  • Jeder erwach­se­ne Mensch soll­te selbst ent­schei­den kön­nen, was er mit sei­nem Kör­per macht: Mara­thon lau­fen, Puls­adern auf­schnei­den, Bart wach­sen las­sen, rau­chen, trin­ken, Dro­gen neh­men. Ich hiel­te eine unauf­ge­reg­te Grund­satz­dis­kus­si­on über die völ­li­ge Lega­li­sie­rung aller berau­schen­den Stof­fe für begrü­ßens­wert, bin mir aber sicher, sie zeit­le­bens und hier­zu­lan­de nicht mehr zu erle­ben.
  • In den meis­ten Eck­knei­pen bedie­nen ein Besit­zer und ein, zwei Ange­stell­te, die nicht sel­ten zur Fami­lie des Besit­zers gehö­ren. Einer per­sön­li­chen Erhe­bung nach wür­de ich sagen, dass sämt­li­che (dau­er­haf­ten) Bedie­nun­gen in sol­chen Knei­pen selbst rau­chen.
  • Es grenzt das Recht auf Berufs­frei­heit ein, wenn Gast­wir­te per Gesetz zu Nicht­rau­cher­gast­wir­ten gemacht wer­den. Mög­li­cher­wei­se ver­stößt es sogar wirk­lich gegen das Grund­ge­setz. Wer ent­schei­den darf, wie sei­ne Knei­pe aus­sieht, wel­ches Bier dort aus­ge­schenkt wird ((Für mich auch ein wich­ti­ges Aus­schluss­kri­te­ri­um. Beson­ders in Bochum.)) und wel­che Musik dort läuft, soll­te auch ent­schei­den dür­fen, was dar­in im Rah­men der gesetz­li­chen Gren­zen – wobei ich das Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz natür­lich aus­ge­klam­mert wis­sen will – erlaubt ist und was nicht. Hät­te ich eine Knei­pe, gäbe es dort kei­ne „Gold“-Biere und kei­ne Musik von Bryan Adams oder Revol­ver­held.
  • Wenn die Nicht­rau­cher nicht Wil­lens oder in der Lage waren, sämt­li­che Gast­stät­ten, in denen geraucht wur­de, zu boy­kot­tie­ren (und dem Wirt das auch mit­zu­tei­len), müs­sen sie sich die Fra­ge gefal­len las­sen, wie wich­tig ihnen ihr Anlie­gen war. Nur spre­chen­den Men­schen kann gehol­fen wer­den und man kann es nie allen recht machen, wie mei­ne Groß­mutter schon immer sag­te.
  • Im Gegen­satz zu Zügen, Behör­den, Kon­zert­hal­len und Kinos kann man sich sei­ne bevor­zug­te Gast­stät­te selbst aus­su­chen. Nichts und nie­mand zwingt einen ((„zwin­gen“ ist in die­sem Fall eher meta­pho­risch gemeint. Schon das Kon­zert einer bestimm­ten Band wäre dem­nach ein zwin­gen­der Grund, eine bestimm­te Kon­zert­hal­le auf­zu­su­chen, die dann auch bit­te rauch­frei sein soll­te.)), genau in eine Rau­cher­knei­pe zu gehen. 18 Jah­re nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung und in Zei­ten einer immer wei­ter aus­ein­an­der klaf­fen­den sozia­len Sche­re wäre eine Zwei-Klas­sen-Gesell­schaft im Nacht­le­ben nur kon­se­quent.
  • Rau­chen­de, laut schnat­tern­de Men­schen vor einer Knei­pe sind schlim­mer als rau­chen­de, laut schnat­tern­de Men­schen in der glei­chen Knei­pe – vor allem für die Anwoh­ner. Wer über dem Ein­gang einer Gast­stät­te wohnt, wird Dank des Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­zes sein Fens­ter in die­sem Som­mer nachts geschlos­sen hal­ten müs­sen.
  • Zahl­rei­che Wir­te wol­len ihre Knei­pen jetzt zu Ver­eins­hei­men umwid­men und grün­den eigens dafür Rau­cher­clubs. Das Letz­te, was Deutsch­land braucht, sind aber noch mehr Ver­eins­mei­er und orga­ni­sier­te Wich­tig­tu­er. Das wird Ihnen jeder Finanz­be­am­te, der die ver­damm­ten Jah­res­rech­nungs­be­rich­te kon­trol­lie­ren muss, bestä­ti­gen.

Die höhe­re Anzahl an Con­tra-Argu­men­ten legt mir die Ver­mu­tung nahe, ich sei eher gegen ein gene­rel­les Rauch­ver­bot. Ganz sicher bin ich mir da aber auch nicht. Dafür weiß ich, dass ich jeder­zeit einen eige­nen Debat­tier­club nur mit mir grün­den könn­te. Mein Club­haus wäre selbst­ver­ständ­lich rauch­frei.

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Aber dass Kas­set­ten ein­mal nicht nur, wie das Thea­ter vom Film oder das Pferd vom Auto, als Opfer eines opti­mier­ten Fol­ge­pro­dukts in eine Lieb­ha­ber­ecke zurück­ge­drängt wür­den, son­dern der­art gründ­lich ver­schwin­den könn­ten, dass man zum Bei­spiel in Frank­furt oder Ber­lin nach Kas­set­ten so inten­siv suchen muss wie nach Schreib­ma­schi­nen-Farb­bän­dern oder nach Aus­tausch­bir­nen für Dia­pro­jek­to­ren: Das hät­te man noch vor ein paar Jah­ren nicht gedacht.

Niklas Maak schreibt in der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ von mor­gen einen Nach­ruf auf die Audio­kas­set­te.

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Manch­mal scheint es, als sei den Jour­na­lis­ten, die gegen die­ses Mit­mach­netz anschrei­ben, schon die Moti­va­ti­on all die­ser neu­en Kon­kur­ren­ten um Auf­merk­sam­keit suspekt: ein­fach zu glau­ben, etwas zu sagen zu haben, und es nicht für Geld, Auf­la­ge, Kar­rie­re oder den Ver­kauf von Wer­be­plät­zen zu tun.

Ste­fan Nig­ge­mei­er schreibt in der „taz“ über den alten Kon­flikt zwi­schen Mit­mach­me­di­en und dem „eta­blier­ten“ Jour­na­lis­mus.

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Im Rat­ge­ber “Diä­ten-Test” wird aus­führ­lich über die “Diä­ter­fol­ge” des Unter­neh­mens berich­tet, “zuletzt aktua­li­siert: 09. Mai 2007 | 15:21″. Bereits am 21. Febru­ar 2005 hat­te die Redak­ti­on “Popu­lä­re Abnehm­kon­zep­te unter der Lupe”, allen vor­an Weight Wat­chers. Und schon in der Sen­dung vom 6. Sep­tem­ber 1999 mit dem The­ma “Wege zur Wunsch­fi­gur” war die WW-Metho­de für den MDR emp­feh­lens­wert.

Bei den Medi­en­pi­ra­ten wun­dert sich Peer dar­über, dass man Andrea Kie­wel beim MDR für ihre Weight-Wat­chers-Schleich­wer­bung gefeu­ert hat, wäh­rend der Sen­der die Abnehm­grup­pe seit Jah­ren ungwöhn­lich oft emp­fiehlt.

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More are expec­ted to shop online than attend Church of Eng­land ser­vices.

bbc.co.uk erzählt, wie Mil­lio­nen Bri­ten die Hei­li­ge Nacht ver­brin­gen wer­den: Vor dem Com­pu­ter auf Schnäpp­chen hof­fend.

Nach­trag 23. Dezem­ber: Zuga­be bei Tele­po­lis: Die GEZ for­dert Rund­funk­ge­büh­ren von einer fik­ti­ven Per­son. [via Law­blog-Kom­men­ta­re]

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Musik Gesellschaft

Die Vergangenheit der Musikindustrie

Die wenigs­ten Jugend­li­chen, die heu­te Musik hören (und das sind laut neu­es­ten Umfra­gen 98% der Euro­pä­er), wer­den wis­sen, wel­ches Jubi­lä­um die­ser Tage began­gen wird: Vor 25 Jah­ren schloss Sony­Uni­ver­sal, die letz­te Plat­ten­fir­ma der Welt, ihre Pfor­ten. Ein Rück­blick.

Es war ein wich­ti­ger Tag für Deutsch­land, als der Bun­des­tag der Musik­in­dus­trie im Jahr 2009 das Recht ein­räum­te, soge­nann­te „Ter­ror­ko­pie­rer“ (die Älte­ren wer­den sich viel­leicht auch noch an den archai­schen Begriff „Raub­ko­pie­rer“ erin­nern) selbst zu ver­fol­gen und bestra­fen. Als unmit­tel­ba­re Fol­ge muss­ten neue Gefäng­nis­se gebaut wer­den, da die alten staat­li­chen Zucht­häu­ser dem Ansturm neu­er Insas­sen nicht Herr wer­den konn­ten. Dies war die Geburts­stun­de der Pri­so­nia AG, dem Kon­sor­ti­um von Bau- und Musik­in­dus­trie und heu­te wich­tigs­tem Unter­neh­men im EuAX. Die Wie­der­ein­füh­rung der Todes­stra­fe schei­ter­te im Jahr dar­auf nur am Veto von Bun­des­prä­si­dent Fischer – die gro­ße Koali­ti­on aus FDP, Links­par­tei und Grü­nen hat­te das Gesetz gegen die Stim­men der Pira­ten­par­tei, damals ein­zi­ge Oppo­si­ti­ons­par­tei im Bun­des­tag, ver­ab­schie­det.

Im Jahr 2011 fuhr der frisch fusio­nier­te Major War­ne­rE­MI den höchs­ten Gewinn ein, den je ein Unter­hal­tungs­kon­zern erwirt­schaf­tet hat­te. Kri­ti­ker wie­sen schon damals dar­auf hin, dass dies vor allem auf die völ­li­ge Abschaf­fung von Steu­ern für die Musik­in­dus­trie und die Tat­sa­che zurück­zu­füh­ren sei, dass die soge­nann­ten „Klin­gel­tö­ne“, klei­ne Musik­frag­men­te auf den damals so belieb­ten „Mobil­te­le­fo­nen“, für jede Wie­der­ga­be extra bezahlt wer­den muss­ten – eine Pra­xis, die War­ne­rE­MI zwei Jah­re spä­ter auch für sei­ne MP5-Datei­en ein­führ­te.

Die Anzei­chen für einen Stim­mungs­um­schwung ver­dich­te­ten sich, wur­den aber von den Unter­neh­men igno­riert: Der erfolg­reichs­te Solo-Künst­ler jener Tage, Jus­tin Tim­ber­la­ke, ver­öf­fent­lich­te sei­ne Alben ab 2010 aus­schließ­lich als kos­ten­lo­se Down­loads im Inter­net und als Delu­xe-Vinyl-Ver­sio­nen im „Apple Retro Store“. Heu­te fast ver­ges­se­ne Musi­ker wie Madon­na, Rob­bie Wil­liams oder die Band Cold­play folg­ten sei­nem Vor­bild. Hohn und Spott gab es in allen Medi­en für den dama­li­gen CEO von War­ne­rE­MI, als der in einem Inter­view mit dem Blog „FAZ.net“ hat­te zuge­ben müs­sen, die Beat­les nicht zu ken­nen.

Die­se öffent­li­che Häme führ­te zu einem umfas­sen­den Pres­se­boy­kott der Musik­kon­zer­ne. Renom­mier­te Musik­ma­ga­zi­ne in Deutsch­land und der gan­zen Welt muss­ten schlie­ßen, Musik­jour­na­lis­ten, die nicht wie die Redak­teu­re des deut­schen „Rol­ling Stone“ direkt in Ren­te – wie man es damals nann­te – gehen konn­ten, grün­de­ten eine Bür­ger­rechts­be­we­gung, die schnell ver­bo­ten wur­de. Die Lun­te aber war ent­facht.

Im Herbst 2012 kün­dig­te Prof. Die­ter Gor­ny, damals Vor­sit­zen­der der „Kon­sum-Agen­tur für Run­de Ton­trä­ger, Elek­tri­sche Lie­der und Licht­spie­le“ (K.A.R.T.E.L.L.), sei­ne Kanz­ler­kan­di­da­tur an, wor­über der dama­li­ge Bun­des­kanz­ler Gui­do Wes­ter­wel­le alles ande­re als erfreut war. Er setz­te neue Kom­mis­sio­nen für Medi­en- und Kul­tur­in­dus­trie ein und kün­dig­te eine mög­li­che Zer­schla­gung der Musik­kon­zer­ne an. Die­se fusio­nier­ten dar­auf­hin in einer „freund­li­chen feind­li­chen Über­nah­me“ am Euro­päi­schen Kar­tell­amt vor­bei zum Kon­zern Sony­Uni­ver­sal­EMI und droh­ten mit einer Abwan­de­rung in die Mon­go­lei und damit dem Ver­lust der rest­li­chen 300 Arbeits­plät­ze.

Aber weder Kanz­ler Wes­ter­wel­le noch das deut­sche Volk lie­ßen sich erpres­sen: Zum 1. Janu­ar 2013 muss­te MTVi­va den Sen­de­be­trieb ein­stel­len. Die neu­ge­grün­de­te Bun­des­me­di­en­auf­sicht unter Füh­rung des par­tei­lo­sen Ste­fan Nig­ge­mei­er hat­te dem Fern­seh­sen­der, der als soge­nann­ter Musik­ka­nal galt, die Sen­de­li­zenz ent­zo­gen, da die­ser weni­ger als die gesetz­lich gefor­der­ten drei Musik­vi­de­os täg­lich gespielt hat­te. Die Cas­ting­show „Euro­pa sucht den Super­star“ erwies sich für Sony­Uni­ver­sal­EMI als über­ra­schen­der Mega-Flop, der Wert des Unter­neh­mens brach um ein Drit­tel ein, das „EMI“ ver­schwand aus dem Namen.

Im Ber­li­ner Unter­grund grün­de­te sich die Deut­sche (heu­te: Euro­päi­sche) Musi­can­ten­gil­de. Deren heu­ti­ger Ehren­vor­sit­zen­de Thees Uhl­mann erin­nert sich: „Es war ja damals schon so, dass die klei­nen Bands ihr Geld aus­schließ­lich über Kon­zer­te machen konn­ten, die ja dann auch noch ver­bo­ten wer­den soll­ten. Erst haben wir unse­re CDs ja selbst raus­ge­bracht, aber als die Musik­kon­zer­ne dann die Her­stel­lung von CDs außer­halb ihrer Fabri­ken unter Stra­fe stel­len lie­ßen, muss­ten wir auf Kas­set­ten aus­wei­chen.“ Heu­te kaum vor­stell­bar: Das Magnet­band galt damals als so gut wie aus­ge­stor­ben, nur die klei­ne Manu­fak­tur „Tele­fun­ken“ pro­du­zier­te über­haupt noch Abspiel­ge­rä­te, die ent­spre­chend heiß begehrt waren.

Am 29. Novem­ber 2013, heu­te vor 25 Jah­ren, war es dann soweit: Der Volks­zorn ent­lud sich vor der Sony­Uni­ver­sal-Zen­tra­le am Ber­li­ner Reichs­tags­ufer. Das Medi­en­ma­ga­zin „Cof­fee & TV“ hat­te kurz zuvor auf­ge­deckt, dass die Musik­in­dus­trie jah­re­lang hoch­ran­gi­ge Mit­ar­bei­ter gedeckt hat­te, die durch „Ter­ror­ko­pie­ren“ auf­ge­fal­len waren. Wäh­rend der nor­ma­le Bür­ger für sol­che Ver­bre­chen bis zu sechs Jah­re ins Gefäng­nis muss­te, waren die Mana­ger und Pro­mo­ter straf­frei aus­ge­gan­gen. Als nun die Mut­ter des drei­jäh­ri­gen Tim­mie zu einem hal­ben Jahr Arbeits­dienst ver­ur­teilt wer­den soll­te, weil sie ihrem Sohn ein Schlaf­lied vor­ge­sun­gen hat­te, ohne die dafür fäl­li­gen Lizenz­ge­büh­ren von 1.800 Euro zah­len zu kön­nen, zogen die Bür­ger mit Fackeln und selbst gebas­tel­ten Gal­gen zum „Die­ter-Boh­len-Haus“ am Spree­bo­gen.

Das Gebäu­de brann­te bis auf die Grund­mau­ern nie­der, dann zog der Mob unter den Augen von Feu­er­wehr und Poli­zei wei­ter zur Zen­tra­le der „GEMA“ am Kur­fürs­ten­damm (der heu­ti­gen Toyo­ta-Allee). Wie durch ein Wun­der wur­de an die­sem Tag nie­mand ernst­lich ver­letzt. Die meis­ten Füh­rer der Musik­in­dus­trie konn­ten ins nord­ko­rea­ni­sche Exil flie­hen, den „klei­nen Fischen“ wur­de Straf­frei­heit zuge­si­chert, wenn sie ein Berufs­ver­bot akzep­tier­ten und einer drei­jäh­ri­gen The­ra­pie zustimm­ten.

Drei Tage spä­ter fand im Ber­li­ner Tier­gar­ten ein gro­ßes Kon­zert statt, die ers­te öffent­li­che Musik­auf­füh­rung in Euro­pa seit vier Jah­ren. Die Kili­ans, heu­te Rock­le­gen­den, damals noch jun­ge Män­ner, spiel­ten vor zwei Mil­lio­nen Zuhö­rern, wäh­rend die Bil­der von gestürz­ten Die­ter-Gor­ny-Sta­tu­en um die Welt gin­gen.

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„Meis­ner-Äuße­run­gen“ wider­le­gen den Irr­glau­ben, dass die katho­li­sche Kir­che eine Art tibe­tisch-kali­for­ni­scher Medi­ta­ti­ons­club sein könn­te, unter des­sen Regen­bo­gen­zelt Pau­lo Coel­ho, Oprah Win­frey und der Dalai Lama bar­fuß zum Tam­bu­rin tan­zen.

Nils Mink­mar fin­det in der „Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Sonn­tags­zei­tung“ eine über­ra­schen­de Begrün­dung, war­um Kar­di­nal Meis­ner nicht mehr „trag­bar“ ist.

Bei Hoo­ters tra­gen die durch­weg weib­li­chen Bedie­nun­gen enge Hot Pants und tief aus­ge­schnit­te­ne wei­ße Hem­den. Außer­dem geben die “Hoo­ter Girls”, wenn es die Zeit her­gibt, auch Tanz­ein­la­gen im Lokal.

Frag­lich ob so etwas ins Ber­mu­da­drei­eck passt und noch frag­li­cher wie ein sol­ches Restau­rant­kon­zept mit dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) in Ver­bin­dung zu brin­gen ist…

Das Pott­blog ver­mel­det die Sen­sa­ti­on der Woche: In Bochum eröff­net eine Hoo­ters-Filia­le.

Wenn ich man­che Web­fo­ren lese, da könn­te ich mich genau­so­gut an den Alt­her­ren­stamm­tisch set­zen und die über Krieg, Poli­tik und Fuß­ball reden las­sen.

Aus­nahms­wei­se stel­le ich mal nicht die Fra­gen, son­dern bemü­he mich um halb­wegs klu­ge Ant­wor­ten. Im ers­ten Teil der neu­en Serie „Geschich­te wird gemacht“ bei gulli.com.