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Es ist doch immer das Gleiche

Twit­ter ist ja nicht gera­de als das Medi­um bekannt, das den Sie­ges­zug der Auf­klä­rung end­lich abschlie­ßen könn­te: 140 Zei­chen kann man auch eben schnell tip­pen, ohne dass man das Gehirn zwi­schen Gal­le und Fin­ger schal­ten müss­te. Twit­tern ist oft genug der Sieg des Affekts über die Reflek­ti­on, Haupt­sa­che man ist der Schnells­te — beson­ders bei der Eska­la­ti­on.

Ent­schul­di­gung, was? Das hab ich schon mal geschrie­ben?! Oh ja, Ver­zei­hung!

Anders gesagt:

Es kann doch nicht sein, dass wir immer wie­der die Infor­ma­tio­nen loben, die im Inter­net für jeden über­all und frei ver­füg­bar sind, und dann nicht mal drei Minu­ten dar­auf ver­wen­den, bei einer sol­chen Geschich­te auch die Gegen­sei­te abzu­che­cken. Statt­des­sen wird der Link blind­lings bei Twit­ter wei­ter­ver­brei­tet.

Wie bit­te? Das hab ich auch schon geschrie­ben?! Ver­dammt, Sie haben Recht!

Was ich sagen will, ist Fol­gen­des:

Die Leu­te, die den Medi­en vor­wer­fen, unkri­tisch zu sein und nur auf­zu­schrei­ben, was ihnen in den Kram passt, waren unkri­tisch und schrie­ben genau das auf, was ihnen in den Kram pass­te: „fail“ eben.

Hä? Ach so.

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Der Klammeraffenbumerang

Über die Inter­net­kom­pe­tenz von Poli­ti­kern ist gera­de in den letz­ten Tagen viel gespot­tet wor­den und tat­säch­lich habe ich manch­mal den Ein­druck, dass mei­ne 76-jäh­ri­ge Groß­mutter bes­ser mit dem Com­pu­ter umzu­ge­hen weiß als so man­cher Bun­des­mi­nis­ter. (Ver­mut­lich auch bes­ser als eini­ge 25-Jäh­ri­ge, aber dar­um soll es nicht gehen.)

Manch­mal aller­dings ist es um die Inter­net­kom­pe­tenz von Poli­ti­kern (oder ihren Mit­ar­bei­tern) dann viel­leicht doch nicht so schlecht bestellt, wie man­cher Beob­ach­ter das ger­ne hät­te. Das sieht dann zum Bei­spiel so aus wie in der Kolum­ne „Unse­re Woche“ in der Jörg Wer­ner, der Dins­la­ke­ner Lokal­chef der „Rhei­ni­schen Post“, am ver­gan­ge­nen Sams­tag schrieb:

Und zum Schluss noch dies: Dinslakens SPD-Bürgermeisterkandidat Dr. Michael Heidinger hat das Wahlvolk in dieser Woche mit seinem Internet-Auftritt beglückt. Nun wollen wir gar nicht darüber rechten, wie altbacken das von ihm vorgestellte Wahllogo ist. Das ist schließlich Geschmackssache. Eines allerdings gibt uns zu denken. Wer dem Kandidaten eine Mail mailen möchte, sollte dies, so stand es jedenfalls noch gestern nachmittag im Impressum der Seite, unter buergermeister-fuer-dinslaken(ät)arcor.de tun. Mensch, lieber Dr. Heidinger, groß herausposaunen, dass man jetzt einen tollen Internet-Auftritt hat und dann das @-Zeichen nicht finden ... Ist das professionell? Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ich schrieb mei­nem frü­he­ren Chef am Sonn­tag­abend, dass Hei­din­ger die­se obsku­re Schreib­wei­se ver­mut­lich gewählt habe, damit die E‑Mail-Adres­se nicht so leicht von Spam­bots gefun­den wer­de, die das Inter­net durch­fors­ten. (Das dürf­te zwar heut­zu­ta­ge kaum noch wir­kungs­voll sein, aber die Web­site sieht ja auch nicht gera­de aus, als stam­me sie aus dem Jahr 2009.)

Jörg Wer­ner reagier­te prompt und vor­bild­lich, indem er am Diens­tag auf der ers­ten Sei­te des Lokal­teils schrieb:

Professionelles (ät): Auf ein Wort in eigener Sache: Redaktionsleiter, wer hätte das gedacht, sind nicht unfehlbar. Sie sind, ich habe kein Problem, das zuzugeben, nicht allwissend. Aber sie lernen täglich dazu. Warum ich das erzähle? Na ganz einfach, ich hab was dazu gelernt. Da hab ich doch am Samstag die Frage gestellt, ob der Internetauftritt des SPD-Bürgermeisterkandidaten Dr. Michael Heidinger tatsächlich professionell ist, weil das gewohnte @-Zeichen dort durch ein (ät) ersetzt worden ist. Die Antwort auf diese Frage ist: Ja. Denn dieses (ät) gilt, wie ich mich inzwischen habe belehren lassen, als Mittel, sich vor automatischen Programmen auf der Suche nach Adressen für Spam-Mails zu schützen. Nun gut, das kannte ich bislang nur in der Version (at), ob's tatsächlich effektiv hilft, ist auch nicht unumstritten und über die Frage, ob der Trick nicht eher dazu dient, die Erreichbarkeit des Kandidaten für Otto-Normalcomputerbenutzer zu behindern, ließe sich auch philosophieren Aber hier ist nicht der Platz zum Haare spalten. Also, Asche auf mein Haupt, Herr Dr. Heidinger. Die nächste kritische Anmerkung, ich versprech's, trifft aber wieder mitten ins Schwarze. Jörg Werner.

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Klickbefehl (11)

Ich war vor­hin bei einer Dis­kus­si­ons­run­de über Daten­schutz und „Daten­ex­hi­bi­tio­nis­mus“ (der hoch­ver­ehr­te frü­he­re Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Ger­hart Baum). Sie bot wenig neu­es und die auch von mir immer wie­der ver­tre­te­nen The­sen, dass es doch irgend­wann egal sei, wenn erst mal alle alles online gesetzt hät­ten, woll­te so recht auch nie­mand gel­ten las­sen.

Schön, dass aus­ge­rech­net heu­te ein Arti­kel in der Net­zei­tung erscheint, in dem sich Mal­te Wel­ding mit dem The­ma befasst und so klu­ge Sät­ze schreibt wie

Die Alter­na­ti­ve dazu, vom Per­so­nal­chef gegoo­gelt zu wer­den, ist: Nicht im Netz zu erschei­nen. Wäre ich jedoch Per­so­nal­chef und wür­de einen Bewer­ber bei Goog­le nicht fin­den, wür­de ich mich fra­gen, ob der Betref­fen­de die letz­ten Jah­re tot war, Analpha­bet ist oder sich nur anonym im Netz rum­treibt auf Fetisch­sei­ten, deren The­ma dicke Frau­en, die viel zu schwe­re Ruck­sä­cke tra­gen, sind. Wie man es also macht, macht man es falsch.

oder

Ich kann es nicht nach­voll­zie­hen, war­um man auf Par­tys Fotos macht und sie im Dut­zend ins Inter­net stellt. Genau­so­we­nig, wie unse­re Groß­el­tern ver­ste­hen konn­ten, dass unse­re Eltern die Kör­per­pfle­ge ein­stell­ten und Fri­seur­be­su­che ver­wei­ger­ten oder unse­re Urgroß­el­tern, dass unse­re Groß­el­tern Jazz hör­ten.

Sie kön­nen den Arti­kel hier lesen und soll­ten es auch tun!

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Warum ich meine Brüste bei MySpace zeige

Man­che Din­ge sind nur schwer zu erklä­ren: die Abseits­re­gel angeb­lich, der Erfolg von Modern Tal­king oder alles, was mit dem soge­nann­ten Web 2.0 zu tun hat. Wer ein­mal ver­sucht hat, sei­nen Groß­el­tern das Kon­zept eines Blogs oder gar die Funk­ti­ons­wei­se von Twit­ter zu erklä­ren, kennt danach alle Meta­phern und Syn­ony­me der deut­schen Spra­che.

Zu den Din­gen, die für Außen­ste­hen­de (aber nicht nur für die) unver­ständ­lich erschei­nen, gehört die Bereit­schaft jun­ger Men­schen, pri­va­tes­te Din­ge im World Wide Web preis­zu­ge­ben. Bei MySpace, Face­book, Live­Jour­nal, Stu­diVZ und ähn­li­chen Klo­nen tei­len sie theo­re­tisch der gan­zen Welt ihr Geburts­da­tum, ihre Schu­le und ihre sexu­el­le Ori­en­tie­rung mit und bebil­dern das Gan­ze mit jeder Men­ge Fotos, auf denen sie – wenn man der Pres­se glau­ben schen­ken darf – min­des­tens betrun­ken oder halb­nackt sind, meis­tens sogar bei­des.

In der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ von ges­tern war ein gro­ßer Arti­kel von Patrick Ber­nau zu dem The­ma – inter­es­san­ter­wei­se im Wirt­schafts­teil. Dort geht es haupt­säch­lich um die per­so­na­li­sier­ten Wer­be­an­zei­gen, die Stu­diVZ, Face­book und die „Hal­lo Boss, ich suche einen bes­se­ren Job!“-Plattform Xing zum Teil ange­kün­digt, zum Teil ein­ge­führt und zum Teil schon wie­der zurück­ge­nom­men haben. Ber­nau mon­tiert die Aus­kunfts­freu­dig­keit der User gegen die Pro­tes­te gegen die Volks­zäh­lung vor zwan­zig Jah­ren, er hät­te aber ein noch grö­ße­res schein­ba­res Para­do­xon fin­den kön­nen: die Pro­tes­te gegen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung.

Gele­gent­lich fra­ge ich mich selbst, war­um ich einer­seits so ent­schie­den dage­gen bin, dass Poli­zei und Staats­an­walt­schaft im Juli nach­gu­cken könn­ten, wen ich ges­tern ange­ru­fen habe (sie brau­chen nicht nach­zu­gu­cken: nie­man­den), ich aber ande­rer­seits bei diver­sen Platt­for­men und natür­lich auch hier im Blog in Form von Urlaubs­fo­tos (also Land­schafts­auf­nah­men), Anek­do­ten und Mei­nun­gen einen Teil mei­nes Lebens und mei­ner Per­sön­lich­keit einem nicht näher defi­nier­ten Publi­kum anbie­te. Aber ers­tens hal­te ich Aus­künf­te über mei­ne Lieb­lings­bands und ‑fil­me oder die Tat­sa­che, dass ich Fan von Borus­sia Mön­chen­glad­bach bin, für rela­tiv unspek­ta­ku­lär (ich drü­cke die­se Prä­fe­ren­zen ja auch durch das Tra­gen von ent­spre­chen­den T‑Shirts öffent­lich aus), und zwei­tens gebe ich die­se Aus­künf­te frei­wil­lig, ich mache von mei­nem Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung Gebrauch.

Wenn also bei­spiels­wei­se die Juso-Hoch­schul­grup­pe Bochum auf einem Flug­blatt ange­sichts der per­so­na­li­sier­ten Wer­bung im Web 2.0 fragt:

Muss der Staat ein­grei­fen? Wie weit darf die „Markt­wirt­schaft 2.0“ gehen?

und dann auch noch „Schnüf­felVZ“ und Vor­rats­da­ten­spei­che­rung bei einer Podi­ums­dis­kus­si­on gemein­sam behan­deln will, weiß ich schon mal, wel­cher Lis­te ich bei der Wahl zum „Stu­die­ren­den­par­la­ment“ nächs­te Woche mei­ne Stim­me nicht gebe. ((Nicht, dass nach der gro­ßen Geld­ver­bren­nungs­ak­ti­on des Juso-AStAs noch die Gefahr bestan­den hät­te, die­sem Hau­fen mein Ver­trau­en aus­zu­spre­chen, aber dop­pelt hält bes­ser.))

Ich habe ein wenig Angst, wie die FDP zu klin­gen, aber: Die Mit­glied­schaft in der Gru­schel­höl­le oder beim Frei­be­ruf­ler-Swin­ger­club Xing ist frei­wil­lig, nie­mand muss dort mit­ma­chen, nie­mand muss dort sei­ne Daten ange­ben. Sie ist dar­über­hin­aus aber auch kos­ten­los (Xing gibt’s gegen Bares auch als Pre­mi­um-Ver­si­on, aber das soll uns hier nicht stö­ren) und wird dies auf lan­ge Sicht nur blei­ben kön­nen, wenn die Unter­neh­men über die Wer­bung Geld ver­die­nen. Und war­um per­so­na­li­sier­te Wer­bung effek­ti­ver (und damit für den Wer­be­flä­chen­ver­mie­ter ertrag­rei­cher) ist, erklärt der „FAS“-Artikel in zwei Sät­zen:

Wenn zum Bei­spiel nur die ange­hen­den Inge­nieu­re die Stel­len­an­zei­gen für Inge­nieu­re bekom­men, blei­ben die Juris­ten von den Anzei­gen ver­schont. Wenn ein bewor­be­nes Rasier­was­ser schon zur Alters­grup­pe passt, ist die Wahr­schein­lich­keit höher, dass es dem Nut­zer tat­säch­lich gefällt.

Ob ich nun nach der ein­ma­li­gen pos­ta­li­schen Bestel­lung bei einem Musik­in­stru­men­ten­ver­sand unauf­ge­for­dert die Pro­be­aus­ga­be einer Musik­erzeit­schrift im Brief­kas­ten habe, oder ein wenig auto­ma­tisch erzeug­te Digi­tal­wer­bung auf mei­nem Moni­tor, macht qua­li­ta­tiv kaum einen Unter­schied. Wenn mich das nervt oder mir mei­ne hin­ter­leg­ten Daten zu unge­schützt erschei­nen, kann ich mich ja bequem zurück­zie­hen – dann aller­dings soll­te ich auch die Mög­lich­keit haben, mei­ne Daten Rück­stands­los ent­fer­nen zu las­sen, die­se Min­des­ter­war­tung habe ich an den Platt­form-Anbie­ter.

Wir brau­chen also viel weni­ger einen staat­li­chen Ein­griff (obwohl die Vor­stel­lung, dass Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Bri­git­te Zypries im Fern­se­hen erklä­ren soll, was denn so ein „social net­work“ ist, durch­aus einen erheb­li­chen Trash-Charme hat) und viel mehr Medi­en­kom­pe­tenz. Die kommt frei­lich nicht von selbst, wie man auch am Super-RTL-Kri­ti­ker Gün­ther „Scheiß Pri­vat­fern­se­hen!“ Oet­tin­ger sehen kann. Medi­en­kom­pe­tenz könn­te auch nicht ver­hin­dern, dass von ein paar Mil­lio­nen Com­pu­ter­spie­lern und Hor­ror­film-Zuschau­ern zwei, drei Gestör­te auf die Idee kom­men, das Gese­he­ne nach­zu­ah­men, aber sie könn­te Jugend­li­che wenigs­tens so weit brin­gen, dass die­se das Für und Wider von Betrun­ken-in-Unter­wä­sche-im-Inter­net-Fotos abwä­gen könn­ten.

Aber auch bei dem The­ma sehe ich noch Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten: Wenn Mäd­chen und jun­ge Frau­en in ihren Foto­ga­le­rien bei MySpace oder Face­book Biki­ni- oder Unter­wä­sche­bil­der von sich rein­stel­len, heißt das ja noch lan­ge nicht, dass sie von einer Kar­rie­re im Por­no­ge­schäft träu­men, wie es für man­che Beob­ach­ter aus­se­hen mag. Zwar lässt sich bei ein paar Mil­lio­nen Mit­glie­dern nicht aus­schlie­ßen, dass dar­un­ter auch ein paar Per­ver­se sind, aber die Bil­der die­nen ja ganz ande­ren Zwe­cken: sich selbst zu zei­gen ((Und ich höre mich mit beben­der Stim­me rufen: „Wir soll­ten in Zei­ten von Mager­wahn froh sein, wenn unse­re Töch­ter so zufrie­den mit ihrem Kör­per sind, dass sie ihn im Inter­net zei­gen!“)) und den Her­ren in der peer group gefal­len.

Nackt­fo­tos von sich selbst hat bestimmt jede zwei­te Frau, die heu­te zwi­schen 18 und 30 ist, schon mal gemacht – min­des­tens, denn die Digi­tal­tech­nik ver­ein­facht auch hier eine Men­ge. Ob sie die ins Inter­net stellt und viel­leicht sogar bei Sui­ci­de­Girls oder ähn­li­chen Sei­ten Kar­rie­re macht ((Ich fin­de Sui­ci­de­Girls ziem­lich span­nend und sehe dar­in eine gera­de­zu his­to­ri­sche Mög­lich­keit weib­li­cher Selbst­be­stim­mung, doch das ver­tie­fen wir ein ander­mal.)), soll­te sie natür­lich auch vor dem Hin­ter­grund der ange­streb­ten Berufs­lauf­bahn („Froll­ein Mei­er, mein gro­ßer Bru­der hat sie nackt im Inter­net gese­hen!“), ihres Selbst­ver­ständ­nis­ses und des Risi­kos der Beläs­ti­gung gut abwä­gen. In jeder Klein­stadt gibt es ein Foto­stu­dio, das im Schau­fens­ter mit schwarz-wei­ßen Akt­fo­tos irgend­ei­ner Dorf­schön­heit wirbt – die­se Bil­der sind oft von gerin­ger künst­le­ri­scher Qua­li­tät und sind Leh­rern, Nach­barn und gehäs­si­gen Mit­schü­lern oft viel leich­ter zugäng­lich als MySpace-Fotos.

Auch Bil­der von Alko­hol­ge­la­gen gibt es, seit die ers­te Klein­bild­ka­me­ra auf eine Ober­stu­fen­fahrt mit­ge­nom­men wur­de. Ob Kin­der ihren betrun­ke­nen Vater mit Papier­korb auf dem Kopf im Wand­schrank einer Mün­che­ner Jugend­her­ber­ge ((Ich habe eine blü­hen­de Phan­ta­sie, müs­sen Sie wis­sen.)) nun zum ers­ten Mal sehen, wenn er zum fünf­zigs­ten Geburts­tag von sei­nen Alten Schul­freun­den ein gro­ßes Foto­al­bum bekommt ((Alles aus­ge­dacht!)), oder sie die Fotos jeder­zeit im Inter­net betrach­ten kön­nen, ist eigent­lich egal. Nicht egal ist es natür­lich, wenn die Abge­bil­de­ten ohne ihre Ein­wil­li­gung im Inter­net lan­den oder die Bil­der jeman­dem zum Nach­teil gerei­chen könn­ten.

Doch auch das wird auf lan­ge Sicht egal wer­den, wie Kolum­nist Mark Mor­ford letz­tes Jahr im „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ schrieb:

For one thing, if ever­yo­ne in Gene­ra­ti­on Next even­tual­ly has their tell-all MySpace jour­nals that only 10 fri­ends and their the­ra­pist are forced to read, then soon enough the who­le cul­tu­re, the enti­re work­force will muta­te and absorb the phe­no­me­non, and it will beco­me exact­ly no big deal at all that you once reve­a­led your cra­zy love of pet rats and tequi­la shoo­ters and boys‘ butts online, becau­se hell, ever­yo­ne reve­a­led simi­lar sil­li­ne­ss and ever­yo­ne saw ever­yo­ne else’s drun­ken under­wear and ever­yo­ne stop­ped giving much of a damn about 10 years ago.

Es wird zukünf­ti­gen Poli­ti­kern ver­mut­lich nicht mehr so gehen wie Bill Clin­ton, der irgend­wann mit nicht-inha­lier­ten Joints kon­fron­tiert war, oder Josch­ka Fischer, des­sen Stein­wurf-Fotos nach über drei­ßig Jah­ren auf­tauch­ten: Über wen schon alles bekannt (oder zumin­dest theo­re­tisch zu ergoo­geln) ist, der muss kei­ne Ent­hül­lun­gen oder Erpres­sun­gen fürch­ten. Auch die Bigot­te­rie, mit der Men­schen, die ihre eige­nen Ver­feh­lun­gen geheim­hal­ten konn­ten, ande­ren die­sel­ben vor­hal­ten, könn­te ein Ende haben. Und das Inter­net könn­te über Umwe­ge tat­säch­lich zur Gleich­ma­chung der Gesell­schaft bei­tra­gen.

Nach­trag 16. Janu­ar: Wie es der Zufall so will, hat sich „Fron­tal 21“ dem The­ma ges­tern ange­nom­men. Wenn man die übli­che Welt­un­ter­gangs­stim­mung und die Ein­sei­tig­keit der Exper­ten­mei­nun­gen aus­klam­mert, ist es ein recht inter­es­san­ter Bei­trag, den man sich hier anse­hen kann.