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Lucky & Fred: Episode 14

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Hu! Da sind sie wieder: Lucky und Fred, die Fernfahrer der Ätherwellen, blicken zurück auf die letzten Wochen, in denen soooo viel jetzt gar nicht …

Okay, seien wir ehrlich: Die Welt steht am Abgrund, Odin hat die nächste Mannschaft einberufen und bald ist vermutlich alles vorbei. Vorher schauen wir aber noch nach Großbritannien (solange es noch da ist), in die USA und natürlich auf die Populisten dieser Welt. Ein paar gute Nachrichten haben wir dann aber doch noch gefunden und außerdem kommt in diesem Podcast zweimal das Wort “Fick” vor, weswegen wir davon abraten, ihn in der Nähe von Kindern zu hören. (Für die ist er aber eh langweilig.)

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Lucky & Fred: Episode 6

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Jetzt ist es soweit: Wir wollen Verfassungspatrioten werden und schauen mal, wie das geht. Vorher beschäftigen wir uns mit den Grundsätzen der “Bunten”, der kollektiven Gewissensprüfung fürs deutsche Volk und ergründen, was nackte Schauspielerinnen mit Hinrichtungen gemein haben.
Lucky wettert gegen Mitfahrgelegenheiten und Wohngemeinschaften, Fred findet, es ist höchste Zeit für eine schwere Pubertätskrise zwischen Deutschen und Amerikanern.
Zwischendurch wird viel gesungen und auf der Gitarre gespielt.

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Der blonde Teufel von Seite 1

Der Fußballweltverband FIFA steht nicht gerade in dem Verdacht, ein Ort zu sein, an dem logische und rationale Entscheidungen gefällt werden. Doch die FIFA hat ihren eigenen Fernsehleuten, die etwa die Liveübertragungen von Fußballweltmeisterschaften durchführen, die Anweisung gegeben, mögliche Störer im Stadion nicht im Bild zu zeigen. Was auf den ersten Blick nur wie die Wahrung einer Heile-Welt-Fassade aussieht, ist in Wahrheit viel logischer begründet: Störer wollen Öffentlichkeit, also gilt es, diese Öffentlichkeit zu vermeiden. Von dem (komplett bekleideten) “Flitzer” beim letztjährigen WM-Finale war also in der offiziellen FIFA-Übertragung fast nichts zu sehen — erst die Medien berichteten hinterher, dass es sich um jenen Spanier handelte, der schon beim Eurovision Song Contest in Oslo die Bühne gestürmt hatte, und boten dem Mann damit die Bühne, die er mit seinen Aktionen sucht.

Jedes Mal, wenn irgendwo in der Welt ein Schüler Amok läuft, überbieten sich die Medien darin, dem feigen, armseligen Täter das Denkmal zu errichten, das er mit seiner Tat errichten wollte. Wenn es Fotos gibt, die den späteren Täter mit Trenchcoat, Sonnenbrille und Pistole zeigen, dann kommt das auf die Titelseiten der Zeitungen. Und mithilfe möglicher Profilseiten in sozialen Netzwerken wird eine Exegese betrieben, die jeweils nur einen Schluss zulässt: Man hätte es kommen sehen müssen.

Jetzt also dieser Mann, der in Oslo eine Bombe gezündet und auf Utøya ein Blutbad angerichtet hat. Er hat – anders als die allermeisten Amokläufer – nach seiner Tat keinen Selbstmord begangen, sondern sich festnehmen lassen. Seine Verhaftung solle den Beginn einer “Propagandaphase” markieren, hat er geschrieben. Er hat nicht nur Videobotschaften oder wirre Artikel vorbereitet, er ist auch noch selbst da, um zu sprechen — und er will sprechen, das ist klar. Damit erinnert er ein wenig an John Wilkes Booth, der auf die Bühne sprang, nachdem er Abraham Lincoln in einem Theater erschossen hatte. Der Täter aus Norwegen sucht eine Bühne und die Medien stellen sie ihm zur Verfügung.

Keine deutsche Boulevardzeitung kam am Montag ohne ein Foto des Mannes aus, den sie wahlweise als “Mord-Maschine” (“Berliner Kurier”), “Bestie” (“Express”) oder “Teufel” (“tz”, “Bild”) bezeichneten. Blätter wie die “Hamburger Morgenpost” oder die “Abendzeitung” taten ihm den Gefallen und zeigten ihn in Kampfmontur, mit Waffe im Anschlag. Ein Bild wie aus einer Werbeanzeige für jene Computerspiele, die von den gleichen Medien dann gerne “Killerspiele” genannt werden.

Medien wie “Spiegel Online” griffen dankbar die Brocken auf, die ihnen der Täter bei Facebook, YouTube und in irgendwelchen zwielichtigen Webforen hingeworfen hatte, und bastelten sich aus diesen Informationen halbgare Psychogramme. Nicht einmal Lady Gaga schafft es, dass die Medien exakt so über sie berichten, wie sie sich das wünscht, doch dem Täter vom Freitag ist genau das gelungen. So wie Detective David Mills in “Sieben” am Ende den perfiden Plan des Killers vollendet, erweisen sich die Journalisten jetzt als willfährige Erfüllungsgehilfen einer Propaganda, die sie selbst als geisteskrank brandmarken.

Es muss schon einiges falsch gelaufen sein, wenn die Stimme der Vernunft ausgerechnet aus dem Körper von Franz Josef Wagner spricht:

Ich glaube, die höchste Strafe für den Attentäter wäre die Bedeutungslosigkeit. Nicht mehr über ihn zu berichten, seine Fotos nicht mehr zu zeigen, seine wirren Ideen nicht mehr im Internet zu lesen.

Dieser Typ will ja, dass alle Welt über seine Morde berichtet. Die Höchststrafe für diesen Psycho ist, dass er ein kleines Arschloch ist.

(Wagners Worte erschienen natürlich in einer Zeitung, die dieses “kleine Arschloch” heute vier Mal zeigt, davon einmal groß auf der Titelseite. Und einen Tag, nachdem Wagner seine “Post” an den Täter adressiert hatte.)

Der Täter hat darüber hinaus ein “Manifest” von 1.516 Seiten verfasst. Es dürfte (wie die meisten “Manifeste” dieser Art) eine eher freudlose Lektüre abgeben. Und es stellt die potentiellen Leser (also mutmaßlich vor allem Journalisten) vor die Frage, wie sie mit der Ideologie des Täters umgehen sollen.

Möglichkeit Eins ist der Klassiker, der bereits in vollem Gange ist: Die Dämonisierung. Menschen, die Jugendliche in einem Ferienlager erschießen, kleine Kinder missbrauchen oder die Eroberung Europas und die Auslöschung aller Juden planen, sind eine enorme Herausforderung für das menschliche Gehirn. Einfacher wird es, wenn die Tat von einer “Bestie” oder einer “Mord-Maschine” verübt wird — dann kann man sich im Lehnstuhl zurück lehnen und das Grauen beobachten wie eine Naturkatastrophe. Solange wir die Deutungshoheit darüber haben, wer Mensch ist und wer nicht, haben wir zumindest ein minimales Restgefühl von Kontrolle. Deswegen ist es so verlockend, Täter in außermenschliche Kategorien einzusortieren.

Möglichkeit Zwei wäre die inhaltliche Auseinandersetzung. Sie ist technisch (im Sinne von “in den meisten menschlichen Gehirnen”) unmöglich, weil sie von einer eingebauten Moralsperre blockiert wird. Das theoretische Gerede vom “Kulturmarxismus” (aktuell) oder der “Judenrasse” (historisch) taugt nicht mal als Arbeitshypothese, die man argumentativ widerlegen könnte, weil es praktisch zur Legitimation von Taten herangezogen wurde, die jeder Mensch, der noch alle Tassen im Schrank hat, verurteilen muss.

Muss man das “Manifest” also lesen und besprechen? Dafür spräche, dass der Täter darin recht weit verbreitete Ängste aufgreift, etwa vor einer “Überfremdung” und einem “Identitätsverlust”. Es sind die gleichen Ängste, die auch von islamophoben Hassblogs bedient werden, die mit Stimmungen und falschen Fakten hantieren, oder von Politikern verschiedener Parteien. Deswegen werden jetzt Logikketten geknüpft, die Thilo Sarrazin, Henryk M. Broder und andere Lautsprecher in einen direkten oder indirekten Zusammenhang mit dem norwegischen Massenmörder setzen. Das ist ungefähr so billig wie die Argumentationsweise der Gegenseite, die eine direkte Linie vom Koran zum islamistischen Terror ziehen will. Dabei ist Broder nur ein Borderline-Komiker, der sich auch die rechte Hand abhacken würde für eine billige Pointe, ein bisschen Applaus und viel Aufruhr.

Gegen die ausführliche Exegese des Manifests spricht, dass es nie jemand gelesen hätte, wenn sein Autor nicht durch ein die Vorstellungskraft herausforderndes Verbrechen darauf aufmerksam gemacht hätte. Es ist ein perverser PR-Plan eines offensichtlich kranken Mannes und die Medien tun alles, um diesen Plan aufgehen zu lassen.

Die Medienberichterstattung, die sich nach Verbrechen so häufig auf die Täter konzentriert, mag eine kathartische Wirkung haben. Wir fühlen uns besser, wenn wir den immer freundlichen Nachbarn und Sachbearbeiter, der einen kleinen Jungen missbraucht und getötet hat, anschließend als “Schwein” bezeichnen, und vielleicht glauben Journalisten tatsächlich, dass es irgendetwas ändern oder irgendwie helfen kann, ihn in einem unscharfen Foto für jeden erkennbar auf der Titelseite zu zeigen. Doch es ist vor allem ein Ausdruck von Hilflosigkeit (die völlig okay ist, sich nur vielleicht nicht unbedingt in Zeitungstitelseiten niederschlagen sollte) — und im Fall von wahnhaften Massenmördern ist es sogar eine Form von Mittäterschaft.

Ich glaube, heute muss ich Franz Josef Wagner einfach mal vollumfänglich zustimmen.

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Adam and Steve

Heute wird die Firma “Apple” (die meinen defekten iPod übrigens nach nur zwei Monaten ausgetauscht bekommen hat) offensichtlich ein Gerät vorstellen, das – wenn ich das richtig verstanden habe – über einen Flux-Kompensator, einen Warp-Antrieb und ein Autoradio verfügen wird, das ausschließlich gute Musik spielt. (Okay: Letzteres wird vermutlich technisch unmöglich sein.)

Bevor es aber so weit ist, möchte ich Ihnen zwei Texte zum Thema empfehlen.

Der eine beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Journalisten und Apple:

Der Jubel von heute abend ist seit Tagen bereits zu hören – er hat in den Blättern und Sendern längst begonnen. Und wenn auch das in den Fanblogs und Magazinen für Videogamer nichts Neues ist: In der Tages- und Wochenpresse ist es zumindest in den aktuellen Ausmaßen ungewohnt, um nicht zu sagen verantwortungslos.

“Steve Jobs als Messias einer Branche” von Peter Sennhauser

Der andere stammt von einem Mann, der nicht gerade oft durch eine besonnene und vernünftige Kommentierung der Welt auffällt. Aber er sorgt mit seiner verzerrten Wahrnehmung der Welt durchaus für einen Moment des Innehaltens:

Ich liebe es, wenn der Postbote bei mir läutet, meine Abo-Hörzu auf dem Fernseher liegt, mein Nachbar mich fragt, wie es mir geht und ich die alte Dame im dritten Stock über den eisglatten Gehweg zum Gemüsetürken begleite

“Lieber Steve Jobs (Mr. Apple)” von Franz Josef Wagner

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Unterwegs Gesellschaft

Being Franz Josef Wagner

Liebe BVGler,

jetzt habt Ihr Euch also überraschend entschieden, heute doch nicht zu streiken. Ihr werdet also Euren Job tun, für den Ihr bezahlt werdet. Und das sollen wir jetzt als große Geste Eurer Gutmütigkeit feiern.

Einem Kind, das nicht zur Schule gehen will, gibt man Einen hinter die Löffel und bietet ihm nicht noch mehr Süßigkeiten an. Ihr geht jetzt weiter zur Schule, wollt aber noch mehr von dem Kuchen, der schon zu vielen kleinen Krumen zerfallen ist. Natürlich habt Ihr einen Teil dieser Krumen verdient, so wie jeder Mensch, der Teil unserer Gesellschaft ist, und so wie ich.

Von meinen Krumen muss ich zum Beispiel den Fahrschein bezahlen, der heute mal wieder teurer wird. In Euren U-Bahnen muss man Angst haben, selbst zu Krumen zerschlagen zu werden. Aber Ihr fahrt mich heute in meinem geliebten Berlin überall hin: ins Büro, zum Friseur und in die Kneipe. Ihr macht Euren Job, für den Ihr bezahlt werdet. Ich finde, dafür sollte man Euch auch mal danken.

Herzlichst …

Mit anderen Worten: Ich bin die nächsten Tage in Berlin.

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Digital

Klickbefehl (7)

In Sachen Nokia läuft gerade ein Fass über. Und die Verantwortlichen in der Politik – allen voran der Ministerpräsident Rüttgers – täten gut daran, jetzt kein Öl mehr ins Feuer zu gießen.

Nach der Ankündigung von Nokia, das Werk in Bochum dicht zu machen, überbieten sich die Politiker in Populismus. Djure von “blog.50hz.de” tritt einen Schritt zurück und nennt das Verhalten von Nokia “konsequent”.

* * *

Während hierzulande Nikotinfreunde unter dem Kneipen-Rauchverbot ächzen, greifen kalifornische Behörden richtig hart durch. Die Kleinstadt Calabasas sollen in Zukunft qualmfrei sein – auch in den eigenen vier Wänden.

“Spiegel Online” berichtet über das geplante Rauchverbot in Mietwohnungen in Calabasas, CA (“LA Daily News” zum selben Thema).

* * *

Heute bange ich um das Leben jedes Opas, der in der Tram die Augen rollt, wenn eine Clique 15-Jähriger die Belastbarkeit der Scheiben mit Schlagringen testet. Das Entrüstungspotential älterer Menschen wird ja immer mehr zum Sicherheitsrisiko im öffentlichen Raum. Ich greife dann sofort ein und verwickle den sich in Rage denkenden Mittsiebziger in ein Gespräch über Stauffenberg, die Wehrmacht oder die Segnungen von Essen auf Rädern.

Daniel Haas hat bei “Spiegel Online” eine wunderbare … ja, was eigentlich: Polemik, Satire? Er hat jedenfalls einen wunderbaren Text über die aktuell heraufbeschworenen Gefahren in U-Bahnen verfasst.

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„Riechen Sie die U-Bahn?“, frage ich. Wir steigen ein, fahren durch die Problemviertel Berlins. Drei Betrunkene steigen zu, sie haben Bierflaschen in den Händen. Ich habe keinen Augenkontakt mit den Biertrinkern. Frau Zypries auch nicht. Wir sprechen über die Architektur der Großstädte, die auch Gewalt auslöst, über Hochhäuser.

Gonzo-Journalismus bei “Bild.de”: Franz Josef Wagner und Brigitte Zypries fahren U-Bahn. Mit Video!

Passend dazu: “In zehn einfachen Schritten: Schreiben wie Franz Josef Wagner” bei medienlese.com

* * *

When history was written, the final page will say …

Auch deutsche Politiker sagen mitunter merkwürdige Dinge. Aber niemand ist so merkwürdig wie George W. Bush – und niemand nimmt das besser auseinander als die eine “Daily Show”.

* * *

„Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ wirkt eigentlich vergleichsweise ungefährlich gegenüber „Big Brother“ oder vielen Talkshows und Doku-Soaps, weil die Teilnehmer keine naiven Laien sind, sondern Profis, die wissen könnten, worauf sie sich einlassen, und Berater an ihrer Seite haben. Doch mit Blick auf Teile des Personals und ihr Verhalten im Dschungel muss man daran zweifeln, ob die Teilnahme für alle rein subjektiv wirklich so freiwillig ist.

Stefan Niggemeier macht sich in der “FAZ” Gedanken darüber, was die Kandidaten zu ihrer Teilnahme bei “Ich bin ein Star, holt mich hier raus” getrieben haben könnte.

* * *

The episode is the latest in which bloggers and others have used the Internet to force Chinese authorities to investigate beatings and other abuses by government officials.

Die Online-Ausgabe der “New York Times” berichtet darüber, wie Blogger in China die genauere Untersuchung eines mysteriösen Todesfalls anstoßen konnten.

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Gesellschaft Print

It’s Raining Stupid Men

I’ll tell you one thing: Men are bastards.
After about ten minutes I wanted to cut off my own penis with a kitchen knife.

(Nick Hornby – About A Boy)

Okay, mal ehrlich, Mädels: Wie viele von Euch haben damals geheult, als rauskam, dass Stephen Gately von Boyzone schwul ist? Und Eloy de Jong von Caught In The Act auch? Und die beiden zusammen waren?

Man muss schon etwas abseitige Vergleiche bemühen, um sich zu vergegenwärtigen, was da gerade mit den deutschen Medien los ist: Anne Will hat sich geoutet hatte ihr Coming-Out, sie hat eine Lebensgefährtin, sie ist – huhuhu – lesbisch.

Nun sollte man meinen, dass das Thema Homosexualität im Jahr 2007 eigentlich so alltäglich ist, dass nicht gleich sämtliche Journalisten des Landes hyperventilierend auf ihre Tastaturen springen. Dem ist offenbar nicht so. Wenn Anne Will als erklärte Sympathieträgerin dazu beitragen kann, dass das Thema alltäglicher wird, ist das natürlich zu begrüßen, so wie überhaupt grundsätzlich zu begrüßen ist, wenn Menschen glücklich sind.

Ich weiß nicht, was Anne Will und Miriam Meckel dazu brachte, ausgerechnet jetzt der “Bild am Sonntag” zu bestätigen, was eh jeder, der es wissen wollte, schon länger wusste. Ich möchte es eigentlich auch gar nicht wissen, denn ich könnte mir vorstellen, dass die “mutige Liebes-Beichte” nicht so hundertprozentig eine freie Entscheidung der beiden war.

Die “Bild am Sonntag” jedenfalls schrieb noch:

Anne Will und Miriam Meckel – ein Power-Paar. Zwei erfolgreiche, kluge und schöne Frauen, die viel Wert darauf legen, ihr Privatleben zu schützen, auch wenn sie beide in der Öffentlichkeit bekannt sind. Sie wollen kein Getuschel und keine Aufregung um ihre lesbische Liebe.

Dabei waren die “Los Lesbos Wochos” längst eröffnet. Wie genau es “Bild” mit dem schützenswerten Privatleben nimmt, haben wir im BILDblog gestern schon nachgezeichnet, und auch heute verbreitet die Zeitung jede Menge Getuschel und Aufregung. Was aber brachte auch die vermeintlich seriösen Medien dazu, in einem Ausmaß über die “Liebessensation” zu berichten, das – zumindest gefühlt – alles in den Schatten stellt, was man dort normalerweise so an Klatsch findet?

Nun, ich glaube, die Erklärung ist ebenso naheliegend wie beunruhigend: In den meisten Redaktionen sitzen Männer und die fühlen sich in ihrer Männlichkeit gekränkt, wenn eine gut aussehende Frau keinerlei sexuelles Interesse an ihnen hat. Niemand könnte das besser in Worte fassen als Franz Josef Wagner:

Liebe Anne Will,

als Mann kommentiere ich Ihr Outing nicht spontan mit … „Das ist gut so!“

Als Ihr treuer Bildschirm-Flirter bin ich natürlich nicht begeistert, dass Sie bezaubernde Frau eine Fata Morgana sind, eine Sinnestäuschung.

Hunderte, Tausende Male stelle ich mir ein Rendezvous mit Ihnen vor. Und plötzlich – bums bzw. BamS, Sie sind lesbisch.

Und dann ist da noch diese Straßenumfrage, die bild.de gemacht hat. Da gibt es dann wirklich Männer, die entweder keine Ahnung haben, dass sie sich gerade gehörig zum Affen machen, oder es auch noch ernst meinen, wenn sie Sätze sagen wie:

„Schade eigentlich, ich hätte sie gerne auch genommen.“

Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass Männer sich tatsächlich die “Tagesthemen” angesehen haben, weil sie darüber nachdachten, wie die Frau, die da gerade irgendwelche Hungersnöte und Terroranschläge anmoderierte, wohl so “im Bett” sei. Andererseits ist das Medieninteresse wohl wirklich kaum noch anders zu erklären als mit gekränkter Eitelkeit.

Das aber wirft noch eine Frage auf: Kann eine Frau, die dummerweise gut aussieht und nicht lesbisch ist, einem offenbar derart schwanzgesteuerten Mob überhaupt entkommen?

Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass es irgendwie kindisch wäre, jedes Mal für fünf Minuten enttäuscht zu sein, wenn Natalie Portman mal wieder einen neuen Freund anschleppt …

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Im Stechschritt in den Fettnapf

Ich wollte nichts mehr über Eva Herman schreiben, wirklich nicht. Die Frau war für mich unter DBDDHKPUAKKU1 einsortiert und ich wollte zum Tagesgeschäft übergehen. Doch dann stolperte ich bei den Osthessen News über einen Tonmitschnitt ihrer Rede beim Forum Deutscher Katholiken, die ja auch schon für etwas Wirbel gesorgt hatte.

Um nicht als böswillig, sinnentstellend und gleichgeschaltet zu gelten, habe ich mir mit den Zähnen in der Tischplatte die ganze Rede angehört. Danach wusste ich zumindest, warum sie bei Kerner nicht auf die Argumente der anderen Gesprächspartner einzugehen vermochte: Sie wollte gerade ihre Rede vom Wochenende auswendig aufsagen und war nicht auf Improvisationen eingestellt.

Aus der Rede wird eines deutlich, noch deutlicher als aus ihrem Auftritt bei Kerner: Eva Herman wird nie als große Rhetorikerin in die Geschichte eingehen. Da beschwert sie sich erst, ein Halbsatz von ihr sei falsch und sinnentstellend zitiert worden und sie würde ja eh immer schnell in die rechte Ecke gerückt, und dann sagt sie allen Ernstes Sätze wie diese:

“Wir marschieren im Stechschritt durch einen anstrengenden Alltag voller Widersprüche. Wir sehnen uns verzweifelt nach Geborgenheit, Heim und Familie, und kämpfen täglich unser einsames Gefecht in der männlich geprägten Arbeitswelt.”

“Marschieren”! “Im Stechschritt”! “Einsames Gefecht”! Wer auch immer der Frau seinen Metaphern-Duden geliehen hat: Er sollte ihn schnellstens zurückfordern.

Keine zwei Minuten später:

“Sofern jemand das Wort erhebt und sich für diese Werte einsetzt, wird er bombardiert, es wird Nazilob in ihn projeziert und gleichzeitig wird er als Sympathisant dieser Ideologie öffentlich verurteilt.”

Er wird “bombadiert”? Ja hallo, geht’s denn noch? Muss sich eine Frau, der die braune Kacke nur so am Schuh klebt, denn auch noch hinstellen und aus dem riesigen Strauß sprachlicher Bilder ausgerechnet diejenigen herauspicken, auf denen “Explosive devices, do not touch” steht?

Alice Schwarzer bezeichnet sie als “Chef-Feministin”, die mitverantwortlich sei für eine der “beispiellosesten Abtreibungskampagnen auf dieser Erde” und man freut sich, dass man sich an dem Superlativ der Beispiellosigkeit festbeißen kann und gar nicht erst auf die inhaltliche Ebene hinunterklettern muss.

Frau Herman fürchtet allen Ernstes, dass “wir” aussterben und angesichts der immer schneller wachsenden Weltbevölkerung müsste sie sich eigentlich fragen lassen, wer zum Henker denn da aussterben soll. Sie kann von Glück reden, dass gerade kein böser, gleichgeschalteter Journalist vorbeikam, der ihr zynischerweise “das deutsche Volk” unterstellen wollte.

Bald sieht sie sich und die Ihrigen gar verfolgt und spätestens in diesem Moment wäre ich wohl aufgesprungen und hätte sie losgeschickt, mal fünf Minuten mit jemandem zu reden, der wirklich verfolgt wurde oder wird. Egal ob im Dritten Reich, in der DDR oder in China.

Noch was richtig unglücklich Formuliertes? Bitteschön:

“Die Statistiken, die ernüchternd sind, die Diskussion, die Ursachen und die Folgen der heutigen Kinderlosigkeit werden mich auch weiterhin dazu bewegen, diese Diskussion zu führen – da hilft auch kein Berufsverbot.”

“Berufsverbot”?! Nee, sicher: Gab’s auch alles schon vor den Nazis und hinterher natürlich auch. Zum Beispiel für die vielgescholtenen Achtundsechziger.

In den USA würde man spätestens hier den Umstand betonen, wie toll es doch sei, in einem freien Land leben zu können, wo jeder frei sprechen könne – auch Eva Herman. Und vielleicht sollte man wirklich mal die Goldwaage wegpacken, die sprachliche Ebene auf der eh nichts mehr zu holen ist, verlassen und sich dem Inhaltlichen zuwenden.

So erzählt Eva Herman die Geschichte, wie sehr die Geburt ihres Kindes ihr Leben verändert habe, und wie unvereinbar Familie für sie plötzlich mit einem Beruf schien. Man glaubt ihr das ja, man ahnt, dass man hier ganz nah dran ist an dem Knacks, den diese Frau irgendwann mal erlitten haben muss. Nur schließt sie dabei wie so oft von ihrer persönlichen Erfahrung auf andere und selbst, wenn ihr statt 700 Katholiken 700.000 zugejubelt hätten, würden mir immer noch genug Frauen einfallen, die Beruf und Familie unter einen Hut bekommen haben – offenbar ohne daran zu zerbrechen.

Man sollte ihre Meinung und vor allem ihren Glauben respektieren, sollte sie bemitleiden für die Karriere, die sie tragischerweise gemacht hat, und sie beglückwünschen dafür, dass sie für sich die “Wahrheit” entdeckt hat – so, wie man jedem Menschen wünscht, dass er nach seiner Fasson glücklich werde. Aber sie macht es einem so schwer, indem sie ihre Ansichten als unumstößliche Fakten darstellt, das Singledasein als unvollendeten Schöpfungswillen betrachtet und in einer Tour von einem “Wir” spricht, ohne je zu sagen, wer das sein soll: Alle Frauen, alle konservativen Frauen, alle paranoiden Ex-Fernsehmoderatorinnen?

Eva Hermans Weltsicht ist eine derart verquastete Melange aus Kapitalismuskritik, Schöpfungslehre und Fortschrittsfeindlichkeit, dass ich mir dagegen wie ein neoliberaler Atheist vorkomme – und so will ich mich nie wieder fühlen. Fast wäre man geneigt zu sagen, sie habe einen Urknall, wenn man sich nicht sicher sein könnte, dass sie genau den nicht hat.

1 Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen und auch keine kalten Umschläge.

Nachtrag 13:14 Uhr: Irgendwie scheint der ganze Themenkomplex verunglückte Metaphern regelrecht anzuziehen. Diesmal ist es Franz Josef Wagner, der Kerner vorwirft, mit Herman überhaupt über das Thema Nationalsozialismus gesprochen zu haben.

Mit diesen Worten:

Das Monster Hitler sprengt unsere Tafelrunde.

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Franz Josef Wagner schaut in den Abgrund

Franz Josef Wagner ist ja dafür bekannt, dass er mitunter recht interessante Gedankengänge hat und sich nicht scheut, diese den Millionen Lesern der “Bild”-Zeitung auch mitzuteilen. Man kann ihn wegen seiner Briefe für völlig durchgeknallt halten oder für brillant. Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, was ich von ihm halten soll und lese seine Kolumnen auch zu selten, um mir ein finales Urteil zu erlauben. Deswegen habe ich auch erst gerade via Spiegelfechter mitbekommen, was Wagner gestern für einen Brief an die Bundeskanzlerin geschrieben hat, der in den folgenden Sätzen … äh: gipfelt.

Liebe Angela Merkel, schreibt die Weltpresse Sie so hoch oder sind Sie wirklich so hoch auf dem Gipfel Ihres Lebens?

Mir würde schwindelig werden auf diesem Gipfel. Wenn ich in den Abgrund schaue.

Die ganze Prosa in 116 Wörtern gibt’s hier – und nächstes Jahr vermutlich im Deutsch-Zentralabitur.