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It’s Raining Stupid Men

I’ll tell you one thing: Men are bas­tards.
After about ten minu­tes I wan­ted to cut off my own penis with a kit­chen kni­fe.

(Nick Horn­by – About A Boy)

Okay, mal ehr­lich, Mädels: Wie vie­le von Euch haben damals geheult, als raus­kam, dass Ste­phen Gate­ly von Boy­zo­ne schwul ist? Und Eloy de Jong von Caught In The Act auch? Und die bei­den zusam­men waren?

Man muss schon etwas absei­ti­ge Ver­glei­che bemü­hen, um sich zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, was da gera­de mit den deut­schen Medi­en los ist: Anne Will hat sich geoutet hat­te ihr Coming-Out, sie hat eine Lebens­ge­fähr­tin, sie ist – huh­uhu – les­bisch.

Nun soll­te man mei­nen, dass das The­ma Homo­se­xua­li­tät im Jahr 2007 eigent­lich so all­täg­lich ist, dass nicht gleich sämt­li­che Jour­na­lis­ten des Lan­des hyper­ven­ti­lie­rend auf ihre Tas­ta­tu­ren sprin­gen. Dem ist offen­bar nicht so. Wenn Anne Will als erklär­te Sym­pa­thie­trä­ge­rin dazu bei­tra­gen kann, dass das The­ma all­täg­li­cher wird, ist das natür­lich zu begrü­ßen, so wie über­haupt grund­sätz­lich zu begrü­ßen ist, wenn Men­schen glück­lich sind.

Ich weiß nicht, was Anne Will und Miri­am Meckel dazu brach­te, aus­ge­rech­net jetzt der „Bild am Sonn­tag“ zu bestä­ti­gen, was eh jeder, der es wis­sen woll­te, schon län­ger wuss­te. Ich möch­te es eigent­lich auch gar nicht wis­sen, denn ich könn­te mir vor­stel­len, dass die „muti­ge Lie­bes-Beich­te“ nicht so hun­dert­pro­zen­tig eine freie Ent­schei­dung der bei­den war.

Die „Bild am Sonn­tag“ jeden­falls schrieb noch:

Anne Will und Miri­am Meckel – ein Power-Paar. Zwei erfolg­rei­che, klu­ge und schö­ne Frau­en, die viel Wert dar­auf legen, ihr Pri­vat­le­ben zu schüt­zen, auch wenn sie bei­de in der Öffent­lich­keit bekannt sind. Sie wol­len kein Getu­schel und kei­ne Auf­re­gung um ihre les­bi­sche Lie­be.

Dabei waren die „Los Les­bos Wochos“ längst eröff­net. Wie genau es „Bild“ mit dem schüt­zens­wer­ten Pri­vat­le­ben nimmt, haben wir im BILD­blog ges­tern schon nach­ge­zeich­net, und auch heu­te ver­brei­tet die Zei­tung jede Men­ge Getu­schel und Auf­re­gung. Was aber brach­te auch die ver­meint­lich seriö­sen Medi­en dazu, in einem Aus­maß über die „Lie­bes­sen­sa­ti­on“ zu berich­ten, das – zumin­dest gefühlt – alles in den Schat­ten stellt, was man dort nor­ma­ler­wei­se so an Klatsch fin­det?

Nun, ich glau­be, die Erklä­rung ist eben­so nahe­lie­gend wie beun­ru­hi­gend: In den meis­ten Redak­tio­nen sit­zen Män­ner und die füh­len sich in ihrer Männ­lich­keit gekränkt, wenn eine gut aus­se­hen­de Frau kei­ner­lei sexu­el­les Inter­es­se an ihnen hat. Nie­mand könn­te das bes­ser in Wor­te fas­sen als Franz Josef Wag­ner:

Lie­be Anne Will,

als Mann kom­men­tie­re ich Ihr Outing nicht spon­tan mit … „Das ist gut so!“

Als Ihr treu­er Bild­schirm-Flirter bin ich natür­lich nicht begeis­tert, dass Sie bezau­bern­de Frau eine Fata Mor­ga­na sind, eine Sin­nes­täu­schung.

Hun­der­te, Tau­sen­de Male stel­le ich mir ein Ren­dez­vous mit Ihnen vor. Und plötz­lich – bums bzw. BamS, Sie sind les­bisch.

Und dann ist da noch die­se Stra­ßen­um­fra­ge, die bild.de gemacht hat. Da gibt es dann wirk­lich Män­ner, die ent­we­der kei­ne Ahnung haben, dass sie sich gera­de gehö­rig zum Affen machen, oder es auch noch ernst mei­nen, wenn sie Sät­ze sagen wie:

„Scha­de eigent­lich, ich hät­te sie ger­ne auch genom­men.“

Ich kann und will mir nicht vor­stel­len, dass Män­ner sich tat­säch­lich die „Tages­the­men“ ange­se­hen haben, weil sie dar­über nach­dach­ten, wie die Frau, die da gera­de irgend­wel­che Hun­gers­nö­te und Ter­ror­an­schlä­ge anmo­de­rier­te, wohl so „im Bett“ sei. Ande­rer­seits ist das Medi­en­in­ter­es­se wohl wirk­lich kaum noch anders zu erklä­ren als mit gekränk­ter Eitel­keit.

Das aber wirft noch eine Fra­ge auf: Kann eine Frau, die dum­mer­wei­se gut aus­sieht und nicht les­bisch ist, einem offen­bar der­art schwanz­ge­steu­er­ten Mob über­haupt ent­kom­men?

Und ich hat­te mir schon Sor­gen gemacht, dass es irgend­wie kin­disch wäre, jedes Mal für fünf Minu­ten ent­täuscht zu sein, wenn Nata­lie Port­man mal wie­der einen neu­en Freund anschleppt …

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Nicht immer gut

Wer guckt sich eigent­lich die­se alber­nen Bil­der­ga­le­rien auf den Start­sei­ten diver­ser Web­mail-Diens­te an? Ich, zum Bei­spiel, wenn ich mich gera­de mal wie­der ver­klickt habe.

Und so stieß ich bei gmx.de auf eine Gale­rie, die wie folgt vor­ge­stellt wur­de:

GMX glaubt, dass manche Prominentenoutings der Karriere geschadet haben.
(Screen­shot: gmx.de)

Mal davon ab, dass auch hier mal wie­der mun­ter die Begrif­fe „Outing“ und „Coming-Out“ durch­ein­an­der gewor­fen wer­den, ist die Lis­te der Pro­mi­nen­ten (Hape Ker­ke­ling, Elton John, Pink, Peter Pla­te, Micha­el Sti­pe, Geor­ge Micha­el, Lilo Wan­ders, Tho­mas Her­manns, Klaus Wowe­reit, Melis­sa Ether­idge, Hel­la von Sin­nen, Jür­gen Domi­an, Dirk Bach, Vera Int-Veen und Ellen de Gene­res) unge­fähr so span­nend wie eine Fla­sche Pro­sec­co, die seit dem letzt­jäh­ri­gen Chris­to­pher Street Day offen rum­steht – man fragt sich eigent­lich nur, wer Georg Uecker und Maren Kroy­mann ver­ges­sen hat.

Natür­lich könn­te man sich jetzt fra­gen, bei wel­cher der genann­ten Per­so­nen sich das Coming-Out/Ou­ting denn als „nicht gut“ für die Kar­rie­re erwie­sen habe. „Na, für Ellen de Gene­res zum Bei­spiel“, ruft da gmx.de:

Als sie sich in einer Epi­so­de als lebisch outet, wird der Sen­der von Geld­ge­bern unter Druck gesetzt und setzt die Sen­dung ab.

Nein, ich weiß auch nicht, was „lebisch“ ist und ob sowas die Kar­rie­re zer­stö­ren kann. Aber wenn wir der Wiki­pe­dia trau­en kön­nen, schob man es bei ABC wohl auch eher auf die schwä­cheln­den Quo­ten und den Druck reli­giö­ser Orga­ni­sa­tio­nen nach de Gene­res‘ Coming-Out, als man „Ellen“ 1998 aus­lau­fen ließ.

Apro­pos Wiki­pe­dia: die scheint bei der Recher­che für den Arti­kel die Bild­be­gleit­tex­te eine wich­ti­ge Rol­le gespielt zu haben. So heißt es bei Ernie Rein­hardt (Lilo Wan­ders):

… im Zweifelsfall war’s die Wikipedia
(Screen­shot: gmx.de, Her­vor­her­bung: Cof­fee & TV)

Viel Arbeit war also offen­bar nicht von­nö­ten, um die Lis­te zu erstel­len und ein paar Fak­ten zusam­men­zu­tra­gen. Und trotz­dem kann man auch an so einer Auf­ga­be noch schei­tern:

Die meis­ten Men­schen ver­bin­den Elton John nur mit jener schwer ver­dau­li­chen Bal­la­de „Cand­le in the wind“, die 1997 zu Ehren der ver­stor­be­nen Lady Di in jedem Radio-Sen­der der Welt run­ter­ge­lei­ert wur­de. Trotz des Prä­di­kats „meist­ver­kauf­te Sin­gle aller Zei­ten“ muss sich der mitt­ler­wei­le geadel­te Sir Elton John für die­sen Schmacht­fet­zen auch heu­te noch Kri­tik gefal­len las­sen.

wird dem Leben ’n‘ Werk von Elton John jetzt viel­leicht nicht so ganz gerecht, ist aber harm­los ver­gli­chen mit dem, was bei Hape Ker­ke­ling steht:

Der 1964 gebo­re­ne Come­dy-Star oute­te sich Anfang der 90er-Jah­re als homo­se­xu­ell

Ist das jetzt nur unglück­lich for­mu­liert oder bewuss­tes Ver­schlei­ern der Tat­sa­che, dass Ker­ke­ling (wie auch Alfred Bio­lek) 1991 von Regis­seur Rosa von Praun­heim in der RTL-Sen­dung „Explo­siv – Der hei­ße Stuhl“ geoutet wur­de? Eine Pra­xis, die unter ande­rem der Bund les­bi­scher und schwu­ler Jour­na­lis­tIn­nen ver­ur­teilt.

Aber was soll so ein Para­dies­vo­gel-Sam­mel­al­bum unter dem Titel „Pro­mi­nen­te auf dem CSD? Die­se Stars könn­ten Sie dort tref­fen“ über­haupt? Und wer guckt sich die­se alber­nen Bil­der­ga­le­rien auf den Start­sei­ten diver­ser Web­mail-Diens­te eigent­lich an?

Gerüch­ten zufol­ge „könn­te“ man auf „dem CSD“ (gemeint ist ver­mut­lich der Chris­to­pher Street Day in Ber­lin am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de, Köln kommt aber z.B. auch noch) auch hete­ro­se­xu­el­le Pro­mi­nen­te tref­fen. Und homo- oder bise­xu­el­le Nicht-Pro­mi­nen­te. Und hete­ro­se­xu­el­le Nicht-Pro­mi­nen­te. Und und und …