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Film

Der Staat gegen Fritz Bauer

Ich habe mir ges­tern Abend „Der Staat gegen Fritz Bau­er“ ange­schaut über den Gene­ral­staats­an­walt Fritz Bau­er, der letzt­lich dafür ver­ant­wort­lich war, dass die Israe­lis Adolf Eich­mann vor Gericht stel­len konn­ten, und der die Ausch­witz-Pro­zes­se her­bei­ge­führt hat.

Ein guter bis sehr guter Film mit teils gran­dio­sen Dar­stel­lern (bei Burg­hart Klauß­ner dach­te ich zwi­schen­durch immer wie­der, er wür­de eigent­lich Hans-Jochen Vogel spie­len, Sebas­ti­an Blom­berg ist ein­fach unfass­bar wand­lungs­fä­hig und gut – ich erin­ne­re da nur dar­an, wie er im „Baa­der Mein­hof Kom­plex“ Rudi Dutsch­ke war), einem sehr soli­den Dreh­buch (eini­ge Dia­lo­ge waren sehr holz­schnitt­ar­tig, ande­re durch­aus fein gedrech­selt) und einer erstaun­li­chen Lie­be zum Detail in der Aus­stat­tung. Ein­zig die Dreh­or­te, die ich stän­dig wie­der­erkannt habe (die Schan­zen­stra­ße in Köln-Mül­heim, für ver­schie­de­ne Orte in Süd­deutsch­land; das Fei­er­abend­haus in Hürth, wo wir Pop­stars 2015​ gedreht haben, als Pari­ser Flug­ha­fen – auch schön im Trai­ler zu sehen), haben mich immer wie­der etwas raus­ge­holt.

Ganz so John-le-Car­ré-mäßig wie der Trai­ler tut, ist der Film auch nicht: zwar gibt es eini­ge durch­aus span­nen­de Stel­len, in denen mir zum ers­ten Mal rich­tig bewusst wur­de, wie Nazi-ver­seucht die­ser Behör­den­ap­pa­rat im Nach­kriegs­deutsch­land war, aber es ist dann doch eher Dra­ma als Thril­ler. Ein gro­ßer Neben­strang ist die Situa­ti­on, in der Homo­se­xu­el­le in Deutsch­land durch §175 kri­mi­na­li­siert wur­den – und was der Film da zeigt, ist aus heu­ti­ger Sicht fast eben­so empö­rend wie die Alt­na­zis in der Haupt­hand­lung.

Mir ist mal wie­der auf­ge­fal­len, dass ich über das Nach­kriegs­deutsch­land qua­si gar nichts weiß – mein Wis­sen endet mit Hit­lers Selbst­mord und setzt dann mit den Kauf­haus­brand­stif­tun­gen von Baa­der und Ens­slin lang­sam wie­der ein. Der All­tag, in dem mei­ne Groß­el­tern so alt waren wie ich heu­te, erscheint mir unge­fähr so weit weg wie Goe­the­zeit. Es hilft aber auch, sich die Situa­ti­on in die­sem Land von damals vor Augen zu füh­ren, um zu sehen, wie weit wir dann doch schon gekom­men sind. Es ist, was das Ver­schwin­den des Faschis­mus und die Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Homo­se­xu­el­len angeht, noch ein wei­ter Weg, aber, hey: Immer­hin gehen wir ihn inzwi­schen.

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Politik Gesellschaft

Dialektik der Nicht-Aufklärung

Waschen Sie sich den rech­ten Arm, piek­sen Sie klei­ne Reichs­kriegs­fähn­chen in den Käse und hän­gen Sie die Haken­kreuz­gir­lan­de auf: Wir haben einen neu­en Nazi-Ver­gleich!

Die katho­li­schen Tra­di­tio­na­lis­ten der Pries­ter­bru­der­schaft St. Pius X. hat sich im Vor­feld des Stutt­gar­ter Chris­to­pher Street Days zu einer bemer­kens­wer­ten Aus­sa­ge hin­rei­ßen las­sen, wie „Spie­gel Online“ berich­tet:

„Wie stolz sind wir, wenn wir in einem Geschichts­buch lesen, dass es im Drit­ten Reich muti­ge Katho­li­ken gab, die sag­ten: ‚Wir machen die­sen Wahn­sinn nicht mit!‘. Eben­so muss es heu­te wie­der muti­ge Katho­li­ken geben!“ heißt es in dem Text. Die Bru­der­schaft stellt den CSD als „eine Men­ge von sich wild und obs­zön gebär­den­den Men­schen“ dar, die durch die Stra­ßen Stutt­garts zie­hen und sug­ge­rie­ren woll­ten, „Homo­se­xua­li­tät ist das Nor­mals­te der Welt“.

Die­ser Ver­gleich ist in zwei­er­lei Hin­sicht beein­dru­ckend: Ers­tens war der Wider­stand der Katho­li­ken im Drit­ten Reich, vor­sich­tig gesagt, nicht son­der­lich erfolg­reich. Es dürf­te also fest­ste­hen, dass nur noch eine Alli­anz aus den USA, Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich und der Sowjet­uni­on Deutsch­land von der Homo­se­xua­li­tät befrei­en könn­te. Und zwei­tens war der Natio­nal­so­zia­lis­mus laut Pius­bru­der­schaft ja gar nicht so schlimm.

Hier beru­fen sich also Leu­te stolz auf den erfolg­lo­sen Wider­stand gegen ein – ihrer Mei­nung nach – nur mit­tel­mä­ßi­ges Ver­bre­chen. Nor­ma­le mensch­li­che Gehir­ne wären wegen Über­hit­zung längst auf Not-Aus gegan­gen.

Auch „Bild“ berich­tet über die „Kampf­an­sa­ge“ der Pius­brü­der – natür­lich nicht, ohne vor­her noch ein biss­chen Papst-Klit­te­rung zu betrei­ben:

Nach­dem Anfang des Jah­res Pius-Bischof Wil­liam­sons den Holo­caust leug­ne­te und dar­aus ein Streit zwi­schen Pius-Bru­der­schaft und Vati­kan ent­brann­te, folgt nun der nächs­te Ham­mer.

(Für die Jün­ge­ren: Füh­ren­de Pius­brü­der hat­ten den Holo­caust schon öfter geleug­net. Die öffent­li­che Dis­kus­si­on ent­zün­de­te sich dar­an, dass Papst Bene­dikt XVI. die Exkom­mu­ni­ka­ti­on von vier Bischö­fen der Bru­der­schaft auf­ge­ho­ben hat­te.)

Jetzt schießt kreuz.net, das inof­fi­zi­el­le Zen­tral­or­gan der Pius­bru­der­schaft, zurück und beginnt sei­ne Hass­ti­ra­de völ­lig unver­blümt:

Spä­tes­tens jetzt wird die Ein­rich­tung von Gas­kam­mern unver­meid­lich – die­ses Mal nicht für die von den Deut­schen getö­te­ten reli­giö­sen Juden, wel­che die Homo-Per­ver­si­on genau­so ver­ab­scheu­ten wie es heu­te die Alt­gläu­bi­gen tun.

Immer wie­der über­ra­schend, wie vie­le Haken so ein Kreuz schla­gen kann.

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Gesellschaft

Weihnachtsgrüße aus Rom

Über­ra­schen­de Weih­nachts­grü­ße errei­chen uns von der Römisch-Katho­li­schen Kir­che.1

Bene­dikt XVI. hält an sei­nem Plan fest, zu jedem hohen Fei­er­ta­ge eine Bevöl­ke­rungs­grup­pe zu ver­grät­zen. Nach Juden und Mus­li­men hat er sich jetzt die Homo­se­xu­el­len vor­ge­nom­men:

Der Papst sag­te, die Mensch­heit müs­se auf „die Spra­che der Schöp­fung“ hören, um die von Gott vor­ge­se­hen Rol­len von Mann und Frau zu ver­ste­hen. Er bezeich­ne­te Ver­hält­nis­se jen­seits von tra­di­tio­nel­len hete­ro­se­xu­el­len Bezie­hun­gen als „Zer­stö­rung von Got­tes Werk“.

Einen Höchst­wert auf der Eva-Her­man-Ska­la für ver­schro­be­ne Gedan­ken­gän­ge sicher­te sich der Papst dann mit die­sem Satz:

„Die Regen­wäl­der haben ein Recht auf unse­ren Schutz“, zitiert die Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters das Ober­haupt der katho­li­schen Kir­che wei­ter, “ Aber der Mensch als Krea­tur hat nicht weni­ger ver­dient.“

Fas­zi­nie­ren­der­wei­se ver­hält es sich mit dem Papst da so ein biss­chen wie mit Bushi­do: Ihn allei­ne kann man mit der nöti­gen Distanz noch ertra­gen, aber schlimm wird es, wenn sei­ne Anhän­ger hin­zu­kom­men.

Ste­fan Nig­ge­mei­er hat neu­lich in einem ande­ren Zusam­men­hang auf kreuz.net auf­merk­sam gemacht, ein „Nach­rich­ten­por­tal“, das jeden auf­ge­klär­ten Men­schen erst ein­mal stau­nen macht. Christ­li­cher Extre­mis­mus ist auch im 21. Jahr­hun­dert durch­aus vor­han­den – auch und gera­de im Inter­net. Als klei­ne, eini­ger­ma­ßen wahl­lo­se Kost­pro­be sei nur die­ser Arti­kel emp­foh­len, in dem es gleich um Schwu­len­hass, Jour­na­lis­ten­bas­hing und einen Nazi-Ver­gleich geht.

Aber ich möch­te mir mei­ne dann doch halb­wegs fest­li­che Stim­mung nicht von Hard­core-Exege­ten der christ­li­chen Heils­leh­re ver­der­ben las­sen und schwen­ke des­halb lie­ber um zu schö­ner Musik. Die groß­ar­ti­ge Band Niz­lo­pi hat ein Lied namens „Part Of Me“ geschrie­ben.

In dem Text heißt es unter ande­rem:

And Geor­ge Bush, Tony Blair, Emi­nem and Dr Dre
Putin, Sar­co­zy and Arnold Schwar­zen­eg­ger by the way
Amy Wine­house, Mar­ga­ret That­cher and the Pope would have to say
If they were all quite honest
That part of them is gay

[Direkt­link]

[via queer.de]

  1. Ich möch­te hier nicht das Ver­hält­nis zwi­schen mir und der katho­li­schen Kir­che the­ma­ti­sie­ren. Ich mag das pom­pö­se ihrer Got­tes­diens­te, ich mag den Peters­platz und ich weiß nur zu gut, wel­che rie­si­gen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten es zwi­schen Rom und den ein­zel­nen Gemein­den vor Ort gibt. Mei­ne Ver­su­che, ande­re Reli­gio­nen und Mei­nun­gen zu respek­tie­ren, schei­tern eben regel­mä­ßig am Papst. []
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Musik Gesellschaft

A Different Beat

Ich gebe zu, ich hat­te nicht mit­be­kom­men, dass sich Boy­zo­ne zu einer Reuni­on zusam­men­ge­fun­den hat­ten. East 17: klar, Take That: sowie­so, aber Boy­zo­ne, die immer­hin auf Platz 3 mei­ner ima­gi­nä­ren Lis­te der okay­en Boy­bands der Neun­zi­ger stan­den: nee, ver­passt.

Dabei hat die Band im Okto­ber mit „Back Again … No Mat­ter What“ ihre immer­hin sechs­te Grea­test-Hits-Com­pi­la­ti­on auf den Markt gebracht (zum Ver­gleich: in den Neun­zi­gern kamen drei regu­lä­re Alben raus). Am 8. Dezem­ber erscheint die Sin­gle „Bet­ter“, die reich­lich öde ist und des­halb bes­te Chan­cen hat, Christ­mas No. 1 in Groß­bri­tan­ni­en zu wer­den.

All das wäre nicht der Rede wert, wenn … ja, wenn das Video nicht eine klei­ne Sen­sa­ti­on dar­stell­te: wäh­rend sei­ne vier Band­kol­le­gen eine Frau zum Ansin­gen und ‑schmach­ten haben, kuschelt Ste­phen Gate­ly mit einem Mann.

"Better"-Video: Stephen Gately und ein anderer MannGenau genom­men ist das nur kon­se­quent, denn Gate­ly war 1999 auch das ers­te akti­ve Boy­band-Mit­glied, das sei­ne Homo­se­xua­li­tät öffent­lich mach­te. Aber wäh­rend t.A.T.u. und Katy Per­ry mit Les­ben-Chic koket­tie­ren und „Bild“ ernst­haft (also, so weit man bei „Bild“ von Ernst spre­chen kann) „War­um ist les­bi­sche Lie­be plötz­lich so schick?“ fragt, waren kuscheln­de Jungs und Män­ner im Main­stream der Pop­kul­tur bis­her nicht mal eine Aus­nah­me, son­dern schlicht nicht exis­tent.

Es stimmt also durch­aus, wenn Caro­li­ne Sul­li­van im „Guar­di­an“ schreibt, das Boy­zo­ne-Video sei „rather ground­brea­king“. Aller­dings schränkt sie auch ein, man sol­le nicht zu vie­le Nach­ah­mer erwar­ten:

With less to lose than an ascen­dant new band, it was easy for Boy­zo­ne to do the right thing by Gate­ly. The few other estab­lished groups with open­ly gay mem­bers tend to tread light­ly around the sub­ject.

Das eigent­lich Erstaun­li­che an dem Video – neben der Fra­ge, war­um es zuerst schwu­le Bür­ger­meis­ter und Par­tei­vor­sit­zen­de gab und dann erst kuscheln­de Män­ner in Musik­vi­de­os – ist die fast schon neben­säch­li­che Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der zwi­schen den vier Man­n/­Frau-Paa­run­gen die­se zwei Män­ner ste­hen: kein Schock­ef­fekt, kein „Seht her, zwei Schwu­le!“ wie damals in der „Lin­den­stra­ße“. Es ist die­ses Plä­doy­er für Nor­ma­li­tät, die die­ses durch­schnitt­li­che Video für ein lang­wei­li­ges Lied zu etwas Außer­ge­wöhn­li­chem macht. Im Jahr 2008.

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Digital

Reisverdächtig

„RP Online“ hat das coming out1 der Fern­seh­mo­de­ra­to­rin Dun­ja Haya­li zum Anlass genom­men, eine neun­ein­halb­zei­li­ge Mel­dung zum The­ma und eine 12-teil­i­ge Bil­der­ga­le­rie mit den übli­chen Schwup­pen und Les­ben raus­zu­hau­en (man kennt das ja).

Einer der Leser kom­men­tier­te das wie folgt:

Reissack-Umfall-Zähler. Dieser wäre weitaus interessanter als solche Meldungen. Kann als Ticker auf Ihrer Startseite installiert werden. Gerne auch unterteilt nach Reisorten.....

Ich bin sicher, in der Redak­ti­on wird bereits fie­ber­haft an einer Umset­zung gear­bei­tet.

  1. Ver­zei­hen Sie mir hier die­se Sick-igkeit, aber es heißt „coming out“. Geoutet wird man von ande­ren und nicht von sich selbst! []
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Sport Gesellschaft

Christoph Daums Bedenken

Am Mitt­woch, 28. Mai 2008, wird das Deut­sche Sport­fern­se­hen (DSF) eine Doku­men­ta­ti­on aus­strah­len, die sich mit dem immer noch größ­ten Tabu im Fuß­ball beschäf­tigt: der Homo­se­xua­li­tät.

Wenn es stimmt, was die Deut­sche Aka­de­mie für Fuß­ball­kul­tur vor­ab ver­mel­det, wird Chris­toph Daum, Trai­ner der Fahr­stuhl­mann­schaft 1. FC Köln, in die­sem Film fol­gen­de Wor­te sagen:

Da wird es sehr deut­lich, wie sehr wir dort auf­ge­for­dert sind, gegen jeg­li­che Bestre­bun­gen, die da gleich­ge­schlecht­lich aus­ge­prägt ist, vor­zu­ge­hen. Gera­de den uns anver­trau­ten Jugend­li­chen müs­sen wir mit einem so gro­ßen Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein ent­ge­gen tre­ten, dass gera­de die, die sich um die­se Kin­der küm­mern, dass wir denen einen beson­de­ren Schutz zukom­men las­sen. Und ich hät­te da wirk­lich mei­ne Beden­ken, wenn dort von Theo Zwan­zi­ger irgend­wel­che Libe­ra­li­sie­rungs­ge­dan­ken ein­flie­ßen soll­ten. Ich wür­de den Schutz der Kin­der über jeg­li­che Libe­ra­li­sie­rung stel­len.

Das klingt erst ein­mal ziem­lich kon­fus, was sicher auch der frei­en Rede geschul­det ist. Aber es bedarf kei­ner beson­ders bös­wil­li­gen Inter­pre­ta­ti­on, um zu erah­nen, dass da wohl mal jemand Homo­se­xua­li­tät und Pädo­phi­lie durch­ein­an­der gebracht hat. Oder brin­gen woll­te.

Nun hal­te ich nor­ma­ler­wei­se nicht viel davon, Men­schen mög­li­che Ver­feh­lun­gen aus ihrer eige­nen Ver­gan­gen­heit immer wie­der vor­zu­hal­ten, aber an die­ser Stel­le soll­te nicht uner­wähnt blei­ben, dass sich da ein Mann um Jugend­li­che und „Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein“ sorgt, der vor acht Jah­ren nicht Fuß­ball­bun­des­trai­ner wur­de, weil ihm schwe­rer Koka­in­kon­sum nach­ge­wie­sen wer­den konn­te. (Mei­net­we­gen kann jeder mit sei­ner Gesund­heit machen, was er will, aber hier geht es ja um die mora­li­sche Kom­po­nen­te der Geschich­te.) Dass Daum aus­ge­rech­net Trai­ner in der „schwuls­ten Stadt Deutsch­lands“ ist, ist da das Tüp­fel­chen auf dem i.

Ich bin gespannt, wie die Doku­men­ta­ti­on letzt­lich aus­se­hen wird, und ob Daums homo­pho­ber Aus­fall von der Öffent­lich­keit über­haupt wahr­ge­nom­men wird. Der Pro­fi­fuß­ball wird immer wie­der mit der katho­li­schen Kir­che in einem Atem­zug genannt, wenn es um die letz­ten Bas­tio­nen offe­ner Schwu­len­feind­lich­keit gilt. Das Fuß­ball­ma­ga­zin „Rund“ hat die­sem The­ma schon meh­re­re gro­ße Arti­kel gewid­met, die man hier und hier bei „Spie­gel Online“ nach­le­sen kann.

DFB-Chef Theo Zwan­zi­ger will jetzt „ein Kli­ma schaf­fen“ in dem auch offen homo­se­xu­el­le Fuß­bal­ler ent­spannt im Sta­di­on auf­lau­fen kön­nen. Das ist ihm hoch anzu­rech­nen, aber es wird ein schwe­rer Weg in einem Umfeld, in dem Fans geg­ne­ri­sche Spie­ler oder den Schieds­rich­ter immer noch als „schwul“ bezeich­nen und das durch­aus als Belei­di­gung mei­nen. Wie bei sei­nem Enga­ge­ment gegen Ras­sis­mus wird der DFB einen lan­gen Atem brau­chen und auch sei­ne eige­nen Ent­schei­dun­gen anpas­sen. So wur­de der Dort­mun­der Tor­wart Roman Wei­den­fel­ler im ver­gan­ge­nen Jahr für drei Spie­le gesperrt und muss­te 10.000 Euro Stra­fe zah­len, weil er sei­nen Gegen­spie­ler Gerald Asa­mo­ah belei­digt hat­te: angeb­lich wur­de Wei­den­fel­ler für die Wor­te „Du schwu­le Sau“ ver­ur­teilt – wenn er den dun­kel­häu­ti­gen Asa­mo­ah (wie zunächst behaup­tet wur­de) als „schwar­zes Schwein“ beschimpft hät­te, wäre die Stra­fe noch erheb­lich schwe­rer aus­ge­fal­len.

Zum aktu­el­len Fall Daum hat sich Moritz von hel­lo­jed. im offi­zi­el­len Web­fo­rum des 1. FC Köln umge­se­hen und prä­sen­tiert die schlimms­ten Kom­men­ta­re.

[via queer.de]

Nach­trag, 18:40 Uhr: Wie Moritz in einem wei­te­ren Ein­trag schreibt, hat sich Daum inzwi­schen gegen­über dem Köl­ner „Express“ erklärt – und dabei ein­drucks­voll unter Beweis gestellt, dass er den Unter­schied zwi­schen Homo­se­xua­li­tät und Pädo­phi­lie wirk­lich nicht kennt:

Grund­sätz­lich bin ich ein tole­ran­ter und libe­ra­ler Mensch. Ich habe kei­ner­lei Berüh­rungs­ängs­te zu homo­se­xu­el­len Men­schen. Auch in mei­nem Bekann­ten­kreis gibt es Eini­ge, die gleich­ge­schlecht­li­che Bezie­hun­gen leben.
Kin­der­schutz geht mir aber über alles. Kin­der müs­sen vor Gewalt und sexu­el­len Über­grif­fen, ganz gleich ob homo- oder hete­ro­se­xu­el­len Men­schen, geschützt wer­den. Des­we­gen arbei­te ich auch aktiv bei der Orga­ni­sa­ti­on Power-Child.

Wer beim Wort „schwul“ gleich an ekli­ge Män­ner denkt, die klei­nen Jungs an die Sport­ho­se wol­len, soll­te zumin­dest kurz über­le­gen, ob er die­ses ver­que­re Welt­bild auch noch der Öffent­lich­keit mit­tei­len muss.

Und wäh­rend der „Express“ noch recht neu­tral „Wir­bel um Daum-Aus­sa­ge“ titelt, gehen bild.de („Daum belei­digt Schwu­le“) und stern.de („Daum macht gegen Schwu­le mobil“) gleich in die Vol­len. Das muss ja auch nicht sein …

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Gesellschaft

Lesen Sie nicht diesen Artikel bei Coffee And TV!

Die schwei­zer Bank Juli­us Bär ist gericht­lich gegen die Inter­net-Platt­form Wiki­leaks vor­ge­gan­gen, weil auf die­ser Kun­den­da­ten auf­ge­taucht waren, die Geld­wä­sche und Steu­er­hin­ter­zie­hung auf den Cayman Islands bele­gen sol­len. Inzwi­schen ist Wiki­leaks wie­der online.

Da mein Inter­es­se am Finanz­ge­sche­hen eher gering ist, kann­te ich die Bank Juli­us Bär vor­her gar nicht – genau­so wenig wie Wiki­leaks. Eben­so war mir der Begriff für der­art unfrei­wil­li­ge PR bis­her unbe­kannt, aber Dank NPR weiß ich nun, dass man in sol­chen Fäl­len vom „Strei­sand effect“ spricht. Die­ser ist benannt nach der Schau­spie­le­rin Bar­bra Strei­sand, die einen Foto­gra­fen ver­klagt hat­te, dem beim Foto­gra­fie­ren der kali­for­ni­schen Küs­te auch das Haus der Schau­spie­le­rin vor die Lin­se gera­ten war. Bis zu ihrer Kla­ge war das nie­man­dem auf­ge­fal­len, danach war das Foto auf Inter­net­sei­ten und in Zei­tun­gen zu sehen.

Auch in Deutsch­land kennt man Fäl­le, in denen die (ver­such­te) Ver­hin­de­rung von Bericht­erstat­tung sehr viel mehr Auf­merk­sam­keit erzeugt hat als die ursprüng­li­che Bericht­erstat­tung selbst. Aller­dings unter etwas ande­ren Vor­zei­chen:

Da wäre der Nach­rich­ten­spre­cher, der 1998 gericht­lich gegen die Behaup­tung vor­ging, er sei homo­se­xu­ell, und mit die­sem Schritt eine grö­ße­re media­le Auf­merk­sam­keit erreg­te, als es die Nischen-Medi­en, die die Behaup­tung auf­ge­stellt hat­ten, je gekonnt hät­ten.

Oder der dama­li­ge Bun­des­kanz­ler, der vor Gericht zog, weil eine Nach­rich­ten­agen­tur in einem Neben­satz die Behaup­tung einer Image-Bera­te­rin zitiert hat­te, der Poli­ti­ker fär­be sein dunk­les Haupt­haar.

Nun ver­hält es sich in die­sen Fäl­len etwas anders als bei Juli­us Bär und Bar­bra Strei­sand: Gericht­lich bestä­tigt müs­sen wir davon aus­ge­hen, dass der Nach­rich­ten­spre­cher wirk­lich nicht homo­se­xu­ell ist, der Kanz­ler wirk­lich nicht gefärbt hat.

Allein: Das Unter­be­wusst­sein kennt ja angeb­lich kei­ne Ver­nei­nung und spei­chert des­halb den Begriff „schwul“ unter dem Foto des Nach­rich­ten­spre­chers ab und addiert beim (inzwi­schen Alt-)Kanzler „Haa­re fär­ben“. Mal davon ab, dass man als Spit­zen­po­li­ti­ker mit einem klein­li­chen Pro­zess in der Regel mehr blei­ben­den Ein­druck hin­ter­lässt, als eine unbe­kann­te Image-Bera­te­rin mit einem dahin­ge­sag­ten Halb­satz über die Haa­re des Kanz­lers.

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Print Gesellschaft

It’s Raining Stupid Men

I’ll tell you one thing: Men are bas­tards.
After about ten minu­tes I wan­ted to cut off my own penis with a kit­chen kni­fe.

(Nick Horn­by – About A Boy)

Okay, mal ehr­lich, Mädels: Wie vie­le von Euch haben damals geheult, als raus­kam, dass Ste­phen Gate­ly von Boy­zo­ne schwul ist? Und Eloy de Jong von Caught In The Act auch? Und die bei­den zusam­men waren?

Man muss schon etwas absei­ti­ge Ver­glei­che bemü­hen, um sich zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, was da gera­de mit den deut­schen Medi­en los ist: Anne Will hat sich geoutet hat­te ihr Coming-Out, sie hat eine Lebens­ge­fähr­tin, sie ist – huh­uhu – les­bisch.

Nun soll­te man mei­nen, dass das The­ma Homo­se­xua­li­tät im Jahr 2007 eigent­lich so all­täg­lich ist, dass nicht gleich sämt­li­che Jour­na­lis­ten des Lan­des hyper­ven­ti­lie­rend auf ihre Tas­ta­tu­ren sprin­gen. Dem ist offen­bar nicht so. Wenn Anne Will als erklär­te Sym­pa­thie­trä­ge­rin dazu bei­tra­gen kann, dass das The­ma all­täg­li­cher wird, ist das natür­lich zu begrü­ßen, so wie über­haupt grund­sätz­lich zu begrü­ßen ist, wenn Men­schen glück­lich sind.

Ich weiß nicht, was Anne Will und Miri­am Meckel dazu brach­te, aus­ge­rech­net jetzt der „Bild am Sonn­tag“ zu bestä­ti­gen, was eh jeder, der es wis­sen woll­te, schon län­ger wuss­te. Ich möch­te es eigent­lich auch gar nicht wis­sen, denn ich könn­te mir vor­stel­len, dass die „muti­ge Lie­bes-Beich­te“ nicht so hun­dert­pro­zen­tig eine freie Ent­schei­dung der bei­den war.

Die „Bild am Sonn­tag“ jeden­falls schrieb noch:

Anne Will und Miri­am Meckel – ein Power-Paar. Zwei erfolg­rei­che, klu­ge und schö­ne Frau­en, die viel Wert dar­auf legen, ihr Pri­vat­le­ben zu schüt­zen, auch wenn sie bei­de in der Öffent­lich­keit bekannt sind. Sie wol­len kein Getu­schel und kei­ne Auf­re­gung um ihre les­bi­sche Lie­be.

Dabei waren die „Los Les­bos Wochos“ längst eröff­net. Wie genau es „Bild“ mit dem schüt­zens­wer­ten Pri­vat­le­ben nimmt, haben wir im BILD­blog ges­tern schon nach­ge­zeich­net, und auch heu­te ver­brei­tet die Zei­tung jede Men­ge Getu­schel und Auf­re­gung. Was aber brach­te auch die ver­meint­lich seriö­sen Medi­en dazu, in einem Aus­maß über die „Lie­bes­sen­sa­ti­on“ zu berich­ten, das – zumin­dest gefühlt – alles in den Schat­ten stellt, was man dort nor­ma­ler­wei­se so an Klatsch fin­det?

Nun, ich glau­be, die Erklä­rung ist eben­so nahe­lie­gend wie beun­ru­hi­gend: In den meis­ten Redak­tio­nen sit­zen Män­ner und die füh­len sich in ihrer Männ­lich­keit gekränkt, wenn eine gut aus­se­hen­de Frau kei­ner­lei sexu­el­les Inter­es­se an ihnen hat. Nie­mand könn­te das bes­ser in Wor­te fas­sen als Franz Josef Wag­ner:

Lie­be Anne Will,

als Mann kom­men­tie­re ich Ihr Outing nicht spon­tan mit … „Das ist gut so!“

Als Ihr treu­er Bild­schirm-Flirter bin ich natür­lich nicht begeis­tert, dass Sie bezau­bern­de Frau eine Fata Mor­ga­na sind, eine Sin­nes­täu­schung.

Hun­der­te, Tau­sen­de Male stel­le ich mir ein Ren­dez­vous mit Ihnen vor. Und plötz­lich – bums bzw. BamS, Sie sind les­bisch.

Und dann ist da noch die­se Stra­ßen­um­fra­ge, die bild.de gemacht hat. Da gibt es dann wirk­lich Män­ner, die ent­we­der kei­ne Ahnung haben, dass sie sich gera­de gehö­rig zum Affen machen, oder es auch noch ernst mei­nen, wenn sie Sät­ze sagen wie:

„Scha­de eigent­lich, ich hät­te sie ger­ne auch genom­men.“

Ich kann und will mir nicht vor­stel­len, dass Män­ner sich tat­säch­lich die „Tages­the­men“ ange­se­hen haben, weil sie dar­über nach­dach­ten, wie die Frau, die da gera­de irgend­wel­che Hun­gers­nö­te und Ter­ror­an­schlä­ge anmo­de­rier­te, wohl so „im Bett“ sei. Ande­rer­seits ist das Medi­en­in­ter­es­se wohl wirk­lich kaum noch anders zu erklä­ren als mit gekränk­ter Eitel­keit.

Das aber wirft noch eine Fra­ge auf: Kann eine Frau, die dum­mer­wei­se gut aus­sieht und nicht les­bisch ist, einem offen­bar der­art schwanz­ge­steu­er­ten Mob über­haupt ent­kom­men?

Und ich hat­te mir schon Sor­gen gemacht, dass es irgend­wie kin­disch wäre, jedes Mal für fünf Minu­ten ent­täuscht zu sein, wenn Nata­lie Port­man mal wie­der einen neu­en Freund anschleppt …

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Digital Gesellschaft

Nicht immer gut

Wer guckt sich eigent­lich die­se alber­nen Bil­der­ga­le­rien auf den Start­sei­ten diver­ser Web­mail-Diens­te an? Ich, zum Bei­spiel, wenn ich mich gera­de mal wie­der ver­klickt habe.

Und so stieß ich bei gmx.de auf eine Gale­rie, die wie folgt vor­ge­stellt wur­de:

GMX glaubt, dass manche Prominentenoutings der Karriere geschadet haben.
(Screen­shot: gmx.de)

Mal davon ab, dass auch hier mal wie­der mun­ter die Begrif­fe „Outing“ und „Coming-Out“ durch­ein­an­der gewor­fen wer­den, ist die Lis­te der Pro­mi­nen­ten (Hape Ker­ke­ling, Elton John, Pink, Peter Pla­te, Micha­el Sti­pe, Geor­ge Micha­el, Lilo Wan­ders, Tho­mas Her­manns, Klaus Wowe­reit, Melis­sa Ether­idge, Hel­la von Sin­nen, Jür­gen Domi­an, Dirk Bach, Vera Int-Veen und Ellen de Gene­res) unge­fähr so span­nend wie eine Fla­sche Pro­sec­co, die seit dem letzt­jäh­ri­gen Chris­to­pher Street Day offen rum­steht – man fragt sich eigent­lich nur, wer Georg Uecker und Maren Kroy­mann ver­ges­sen hat.

Natür­lich könn­te man sich jetzt fra­gen, bei wel­cher der genann­ten Per­so­nen sich das Coming-Out/Ou­ting denn als „nicht gut“ für die Kar­rie­re erwie­sen habe. „Na, für Ellen de Gene­res zum Bei­spiel“, ruft da gmx.de:

Als sie sich in einer Epi­so­de als lebisch outet, wird der Sen­der von Geld­ge­bern unter Druck gesetzt und setzt die Sen­dung ab.

Nein, ich weiß auch nicht, was „lebisch“ ist und ob sowas die Kar­rie­re zer­stö­ren kann. Aber wenn wir der Wiki­pe­dia trau­en kön­nen, schob man es bei ABC wohl auch eher auf die schwä­cheln­den Quo­ten und den Druck reli­giö­ser Orga­ni­sa­tio­nen nach de Gene­res‘ Coming-Out, als man „Ellen“ 1998 aus­lau­fen ließ.

Apro­pos Wiki­pe­dia: die scheint bei der Recher­che für den Arti­kel die Bild­be­gleit­tex­te eine wich­ti­ge Rol­le gespielt zu haben. So heißt es bei Ernie Rein­hardt (Lilo Wan­ders):

… im Zweifelsfall war’s die Wikipedia
(Screen­shot: gmx.de, Her­vor­her­bung: Cof­fee & TV)

Viel Arbeit war also offen­bar nicht von­nö­ten, um die Lis­te zu erstel­len und ein paar Fak­ten zusam­men­zu­tra­gen. Und trotz­dem kann man auch an so einer Auf­ga­be noch schei­tern:

Die meis­ten Men­schen ver­bin­den Elton John nur mit jener schwer ver­dau­li­chen Bal­la­de „Cand­le in the wind“, die 1997 zu Ehren der ver­stor­be­nen Lady Di in jedem Radio-Sen­der der Welt run­ter­ge­lei­ert wur­de. Trotz des Prä­di­kats „meist­ver­kauf­te Sin­gle aller Zei­ten“ muss sich der mitt­ler­wei­le geadel­te Sir Elton John für die­sen Schmacht­fet­zen auch heu­te noch Kri­tik gefal­len las­sen.

wird dem Leben ’n‘ Werk von Elton John jetzt viel­leicht nicht so ganz gerecht, ist aber harm­los ver­gli­chen mit dem, was bei Hape Ker­ke­ling steht:

Der 1964 gebo­re­ne Come­dy-Star oute­te sich Anfang der 90er-Jah­re als homo­se­xu­ell

Ist das jetzt nur unglück­lich for­mu­liert oder bewuss­tes Ver­schlei­ern der Tat­sa­che, dass Ker­ke­ling (wie auch Alfred Bio­lek) 1991 von Regis­seur Rosa von Praun­heim in der RTL-Sen­dung „Explo­siv – Der hei­ße Stuhl“ geoutet wur­de? Eine Pra­xis, die unter ande­rem der Bund les­bi­scher und schwu­ler Jour­na­lis­tIn­nen ver­ur­teilt.

Aber was soll so ein Para­dies­vo­gel-Sam­mel­al­bum unter dem Titel „Pro­mi­nen­te auf dem CSD? Die­se Stars könn­ten Sie dort tref­fen“ über­haupt? Und wer guckt sich die­se alber­nen Bil­der­ga­le­rien auf den Start­sei­ten diver­ser Web­mail-Diens­te eigent­lich an?

Gerüch­ten zufol­ge „könn­te“ man auf „dem CSD“ (gemeint ist ver­mut­lich der Chris­to­pher Street Day in Ber­lin am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de, Köln kommt aber z.B. auch noch) auch hete­ro­se­xu­el­le Pro­mi­nen­te tref­fen. Und homo- oder bise­xu­el­le Nicht-Pro­mi­nen­te. Und hete­ro­se­xu­el­le Nicht-Pro­mi­nen­te. Und und und …