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Bist Du noch wach? — 1. Was würdest Du Deinem jüngeren Ich gerne sagen?

„Bist Du noch wach?“ und andere große und kleine Fragen des Lebens: In der ersten Folge ihrer neuen Podcast-Reihe sprechen Sue und Lukas unter anderem über Freundschaften mit sich selbst, Fußball und Ablaufdaten für Frauen. Lukas erzählt die schönsten Party-Anekdoten von Konfrontationen mit Sicherheitsbehörden und die beiden geben wichtige Tipps zum Selbstfrisieren — und was sie ihren jüngeren Ichs sonst noch mit auf den Weg geben würden.

Shownotes:

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Verwertungskreislauf einer Werbemeldung

Wenn Til Schweiger, Schauspieler, Regisseur und Werbegesicht der Firma Braun, ein Interview führt, das sich nahezu ausschließlich um Körperbehaarung dreht, ist es naheliegend, dass die Zeitschrift “Gala” dieses Gespräch gleich mit einem Braun-Rasierer bebildert.

Auf den ersten Blick nicht ganz so naheliegend ist, dass auch “Spiegel Online”, abendblatt.de oder “Focus Online” aufschreiben müssen, dass sich der Coverboy der deutschen Erstausgabe von “Vanity Fair” die Brusthaare “mit einem Rasierer” entferne.

Nach ein paar Wochen ist die Geschichte jetzt allerdings wieder – hinter “Wurst-Meisterwerken” und “Getränke-Vielfalt” – in ihrem natürlichen Lebensraum angekommen:

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Gesellschaft

Lesen Sie nicht diesen Artikel bei Coffee And TV!

Die schweizer Bank Julius Bär ist gerichtlich gegen die Internet-Plattform Wikileaks vorgegangen, weil auf dieser Kundendaten aufgetaucht waren, die Geldwäsche und Steuerhinterziehung auf den Cayman Islands belegen sollen. Inzwischen ist Wikileaks wieder online.

Da mein Interesse am Finanzgeschehen eher gering ist, kannte ich die Bank Julius Bär vorher gar nicht – genauso wenig wie Wikileaks. Ebenso war mir der Begriff für derart unfreiwillige PR bisher unbekannt, aber Dank NPR weiß ich nun, dass man in solchen Fällen vom “Streisand effect” spricht. Dieser ist benannt nach der Schauspielerin Barbra Streisand, die einen Fotografen verklagt hatte, dem beim Fotografieren der kalifornischen Küste auch das Haus der Schauspielerin vor die Linse geraten war. Bis zu ihrer Klage war das niemandem aufgefallen, danach war das Foto auf Internetseiten und in Zeitungen zu sehen.

Auch in Deutschland kennt man Fälle, in denen die (versuchte) Verhinderung von Berichterstattung sehr viel mehr Aufmerksamkeit erzeugt hat als die ursprüngliche Berichterstattung selbst. Allerdings unter etwas anderen Vorzeichen:

Da wäre der Nachrichtensprecher, der 1998 gerichtlich gegen die Behauptung vorging, er sei homosexuell, und mit diesem Schritt eine größere mediale Aufmerksamkeit erregte, als es die Nischen-Medien, die die Behauptung aufgestellt hatten, je gekonnt hätten.

Oder der damalige Bundeskanzler, der vor Gericht zog, weil eine Nachrichtenagentur in einem Nebensatz die Behauptung einer Image-Beraterin zitiert hatte, der Politiker färbe sein dunkles Haupthaar.

Nun verhält es sich in diesen Fällen etwas anders als bei Julius Bär und Barbra Streisand: Gerichtlich bestätigt müssen wir davon ausgehen, dass der Nachrichtensprecher wirklich nicht homosexuell ist, der Kanzler wirklich nicht gefärbt hat.

Allein: Das Unterbewusstsein kennt ja angeblich keine Verneinung und speichert deshalb den Begriff “schwul” unter dem Foto des Nachrichtensprechers ab und addiert beim (inzwischen Alt-)Kanzler “Haare färben”. Mal davon ab, dass man als Spitzenpolitiker mit einem kleinlichen Prozess in der Regel mehr bleibenden Eindruck hinterlässt, als eine unbekannte Image-Beraterin mit einem dahingesagten Halbsatz über die Haare des Kanzlers.

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Leben

Forever Young

Ergänzend zu meiner Alte-Fotos-Digitalisier-Aktion fand ich heute dieses Bild in meiner Mailbox:

Lukas Heinser (veraltet)

Es zeigt mich vor 16, 17 Jahren, kommt von Tim Schneider, mit dem ich einige Jahre zur Grundschule gegangen bin, und erreicht mich zu einer Zeit, in der ich verstärkt darüber nachdenke, dass ich so jung auch nicht mehr bin.

Fußballnationalspieler und Rockstars sind bereits jünger als ich und neulich fragte ich mich, wie man sich wohl fühlt, wenn auch erst mal die Sprecher der “Tagesschau” der eigenen Generation angehören – von Bundesministern ganz zu schweigen. Im vergangenen Jahr wurde in meinem Freundeskreis das erste Kind geboren und im Heimaturlaub hört man immer regelmäßiger von Altersgenossen, die Nachwuchs erwarten oder den Bund der Ehe einzugehen gedenken. ((Kürzlich hörte ich gar über Umwege, ich selbst habe bereits vor einigen Jahren heiraten wollen. Das fand ich sehr interessant, weil mir die Nachricht zum einen völlig neu war und sie zum anderen aus einer Richtung kam, die für mich beim besten Willen nicht mit Sinn zu füllen war.)) Einige sind auch schon mit dem Studium fertig und müssen jetzt richtig arbeiten.

Mütter wissen so etwas ja immer sofort und ganz genau, was zu Sätzen führt wie:

Ich hab’ die [Mutter eines Bekannten] getroffen, die hat gesagt, der … Wie hieß denn dieser Pole in Eurer Stufe? Jedenfalls wird der jetzt Vater und der … Dings, der Sohn von diesem … Ach, wer war das denn, da aus Eurer Parallelklasse? Also, der ist schwul und sie meinte [Name eines früheren Mitschülers] vielleicht auch, weil der noch nie ‘ne Freundin hatte.

Danach braucht man fünf Minuten, um die eigenen Gedanken zu sortieren und sich zu einem “Aha” hinreißen zu lassen, das auch aufrichtig desinteressiert klingen soll und nicht so gespielt desinteressiert wie die “Aha”s, die man äußert, wenn man von Dritten über die neuesten Männerbekanntschaften ehemaliger Schwärme unterrichtet wird. Ich bin mir sicher, dass es die DDR heute noch gäbe, wenn man nur mehr Mütter als informelle Stasi-Mitarbeiter hätte gewinnen können.

Während ich diese Zeilen tippe, lausche ich einer CD, die ich mir vor über zehn Jahren zum ersten Mal auf Kassette überspielt habe ((Pet Shop Boys – Bilingual.)), und ich muss mir etwas Mühe geben, die Schrift auf meinem alten Röhrenmonitor zu fokussieren. Meine Brille liegt zwar zwei Meter neben mir, aber ich weigere mich immer noch, sie außerhalb des Autos zu tragen. Oder außerhalb eines Kinos. Oder eines Hörsaals.

Meine Brille bekam ich vor etwa neun Jahren, weil ich Probleme mit den Augen hatte. ((Dieser Satz erscheint mir beim Korrekturlesen einigermaßen banal und überflüssig, aber irgendwo muss die Information, dass ich vor neun Jahren eine Brille bekam, ja hin.)) Ich suchte mir ein ähnliches Modell wie es Roberto Benigni bei der damals wenige Tage zurückliegenden Oscarverleihung getragen hatte, aus. Etwa ein Jahr lang trug ich die Brille in jeder wachen Minute, dann dachte ich mir, dass ich auch ohne ganz gut sehen und möglicherweise besser aussehen würde. Im Zivildienst bekam ich ein weiteres Exemplar, das mir zu weiten Teilen von Bundesbehörden bezahlt wurde, bei dem ich mich aber stilistisch so stark vergriff, dass ich die alte Brille weiter bevorzugte.

Zum Beginn meines Studiums trug ich die Brille, weil ich in den riesigen Bochumer Hörsälen sonst die Tafeln und Overhead-Projektionen nicht sehen konnte. Dann fand ich, dass ich damit zu sehr nach Germanistik-Student und nach Musikjournalist aussähe – zwei Eindrücke, die ich unbedingt vermeiden wollte. Lange kam ich ganz ohne Brille aus, die einzigen Sichtbeeinträchtigungen entstanden durch meine Frisur. Doch in der letzten Zeit wurde es immer schwieriger, selbst größere Schilder zu entziffern, und als ich letzte Woche bei einer Max-Goldt-Lesung im Bochumer Schauspielhaus dachte, Herr Goldt habe nicht geringe Ähnlichkeiten mit Hugh Laurie, wusste ich Bescheid.

Wie bin ich jetzt hierhin gekommen? Ach, nicht mal das weiß ich mehr. Ich werde echt alt.

PS: Passend zur Überschrift: Die meiner Meinung nach beste Version von Alphavilles “Forver Young” – die von Youth Group.

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Leben Film

Meine erste Pressevorführung

Ich veröffentliche jetzt seit fast acht Jahren Filmkritiken im Internet. Ich habe bisher hunderte von Filmen in Dutzenden von Kinosälen auf zwei Kontinenten gesehen, war bei Previews dabei, bei Vorpremieren in Anwesenheit von Mitwirkenden und bei Filmfestivals. Aber heute war ich zum allerersten Mal bei einer Pressevorführung.

Das ist in etwa so spektakulär, wie es sich anhört: Man muss zu einer weitgehend abnormen Kinozeit (11 Uhr sei noch spät, hieß es) in einem großen, schmucken Kino antanzen, trägt sich in eine Liste ein, schüttelt Hände mit den lokalen Beauftragten und den Kollegen der anderen “Presseorgane”, kann sich was zu Trinken aussuchen und setzt sich dann mit einem Halbdutzend Cineastensäue in einen riesigen Kinosaal.

Keiner raschelt mit dem Popcorn, kein Handy klingelt und niemand quasselt. Leider hatte auch keiner der Kollegen so einen crazy Leuchtkugelschreiber dabei, die ich bisher für ein unabdingbares Arbeitsinstrument des gemeinen Filmkritikers hielt.

Übrigens tauge ich offenbar noch nicht zum Filmkritiker: Meine Matte mag von der Berufsvereinigung der Musikjournalisten abgesegnet sein, als professioneller Kinogänger müsste ich mein Haar aber grau und 5 Millimeter lang tragen. Und meine Brille hätte ich auch von Anfang an aufhaben müssen, um echt auszusehen. Die habe ich natürlich wieder erst im Saal aufgesetzt, als ich feststellte, dass ich die Leinwand sonst nicht sehen kann.

Einen Film habe ich natürlich auch gesehen, aber die Besprechung dazu gibt’s erst morgen. Ein bisschen Spannung muss hier ja auch mal sein.

Was?

Nein, es war nicht “Kilians – Der Film”. Scherzkeks!

Nachtrag 20. September: Die Filmkritik gibt’s jetzt hier.