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Digital

Selena Gomez’ kleiner Einblick

Jahrelang unentdeckte Rechtsterroristen, die Eurokrise, Regierungswechsel in Griechenland und Italien, Schüsse auf das Weiße Haus und Pornofilme bei Ryan Air — wir leben in schweren Zeiten.

Auch “Spiegel Online”, lange Jahre Marktführer unter den deutschen Nachrichtenwebsites, berichtet über diese schweren Zeiten:

Bieber-Freundin Selena Gomez: Schwere Zeiten. Eine 20-Jährige behauptet, Justin Bieber sei der Vater ihres Kindes. Die Freundin des Teenie-Idols, sonst alles andere als zurückhaltend, hat die Gerüchte bisher nicht kommentiert. Nun gab Selena Gomez einen Einblick in ihre Gefühlswelt. Zumindest einen kleinen.

Selena Gomez, Sie erinnern sich, ist die Hauptdarstellerin der Disney-Channel-Serie “Die Zauberer vom Waverly Place”, eine erfolgreiche Popsängerin und die Freundin von Justin Bieber, dem womöglich größten Popstar unserer Tage.

Bieber hatte in den vergangenen Wochen mit einer “pikanten Angelegenheit” zu tun, die “Spiegel Online” gerne noch mal für uns zusammenfasst:

Die 20-jährige Mariah Yeater behauptet, der 17-Jährige sei der Vater ihres Kindes. Bieber bestreitet das und erklärte sich auch zu einem DNA-Test bereit. Nach einigem Wirbel hat Yeater ihre Klage auf einen Vaterschaftstest offenbar zurückgezogen, hält aber an ihrer Darstellung fest. Es scheint sich jedoch gegen sie zu wenden: Nun berichtet TMZ auch noch von angeblichen SMS, die Yeater als Lügnerin enttarnen sollen.

(Nein, “Spiegel Online” verlinkt nicht auf TMZ und erklärt auch nicht, was es mit dieser angeblichen SMS auf sich haben soll. Das steht da einfach nur so im Text rum.)

Aber das ist ja nur die Vorgeschichte. “Spiegel Online” hatte uns ja einen Einblick in die Gefühlswelt von Frau Gomez versprochen, zumindest einen kleinen.

Blinzeln Sie besser jetzt noch mal schnell, denn gleich könnten Sie den entscheidenden Moment verpassen:

Es war also ein guter Zeitpunkt für Gomez, um die Talkshow von Ellen DeGeneres zu besuchen. Es seien zwei verrückte Wochen gewesen, sagte die Moderatorin. “Das ist noch harmlos ausgedrückt”, antwortete Gomez. Es sei nicht leicht, damit umzugehen.

“War denn alles in Ordnung bei dir?”, fragte DeGeneres. “Ja, war es”, sagte Gomez.

Puh, durchatmen.

Das war’s?

Zum Glück ging es dann schnell mit eher angenehmen Problemchen weiter. DeGeneres und Gomez plauderten fortan über die tiefhängenden Hosen von Justin Bieber.

Das war’s.

Das ist “Spiegel Online” einen eigenen Artikel wert, der als Topmeldung des “Panorama”-Ressorts auf der Startseite angeteasert wird. Und eine neunteilige Bildergalerie, natürlich.

Die tiefhängenden Hosen werden dann sicher morgen groß abgehandelt.

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Digital Gesellschaft

Nicht immer gut

Wer guckt sich eigentlich diese albernen Bildergalerien auf den Startseiten diverser Webmail-Dienste an? Ich, zum Beispiel, wenn ich mich gerade mal wieder verklickt habe.

Und so stieß ich bei gmx.de auf eine Galerie, die wie folgt vorgestellt wurde:

GMX glaubt, dass manche Prominentenoutings der Karriere geschadet haben.
(Screenshot: gmx.de)

Mal davon ab, dass auch hier mal wieder munter die Begriffe “Outing” und “Coming-Out” durcheinander geworfen werden, ist die Liste der Prominenten (Hape Kerkeling, Elton John, Pink, Peter Plate, Michael Stipe, George Michael, Lilo Wanders, Thomas Hermanns, Klaus Wowereit, Melissa Etheridge, Hella von Sinnen, Jürgen Domian, Dirk Bach, Vera Int-Veen und Ellen de Generes) ungefähr so spannend wie eine Flasche Prosecco, die seit dem letztjährigen Christopher Street Day offen rumsteht – man fragt sich eigentlich nur, wer Georg Uecker und Maren Kroymann vergessen hat.

Natürlich könnte man sich jetzt fragen, bei welcher der genannten Personen sich das Coming-Out/Outing denn als “nicht gut” für die Karriere erwiesen habe. “Na, für Ellen de Generes zum Beispiel”, ruft da gmx.de:

Als sie sich in einer Episode als lebisch outet, wird der Sender von Geldgebern unter Druck gesetzt und setzt die Sendung ab.

Nein, ich weiß auch nicht, was “lebisch” ist und ob sowas die Karriere zerstören kann. Aber wenn wir der Wikipedia trauen können, schob man es bei ABC wohl auch eher auf die schwächelnden Quoten und den Druck religiöser Organisationen nach de Generes’ Coming-Out, als man “Ellen” 1998 auslaufen ließ.

Apropos Wikipedia: die scheint bei der Recherche für den Artikel die Bildbegleittexte eine wichtige Rolle gespielt zu haben. So heißt es bei Ernie Reinhardt (Lilo Wanders):

… im Zweifelsfall war’s die Wikipedia
(Screenshot: gmx.de, Hervorherbung: Coffee & TV)

Viel Arbeit war also offenbar nicht vonnöten, um die Liste zu erstellen und ein paar Fakten zusammenzutragen. Und trotzdem kann man auch an so einer Aufgabe noch scheitern:

Die meisten Menschen verbinden Elton John nur mit jener schwer verdaulichen Ballade “Candle in the wind”, die 1997 zu Ehren der verstorbenen Lady Di in jedem Radio-Sender der Welt runtergeleiert wurde. Trotz des Prädikats “meistverkaufte Single aller Zeiten” muss sich der mittlerweile geadelte Sir Elton John für diesen Schmachtfetzen auch heute noch Kritik gefallen lassen.

wird dem Leben ‘n’ Werk von Elton John jetzt vielleicht nicht so ganz gerecht, ist aber harmlos verglichen mit dem, was bei Hape Kerkeling steht:

Der 1964 geborene Comedy-Star outete sich Anfang der 90er-Jahre als homosexuell

Ist das jetzt nur unglücklich formuliert oder bewusstes Verschleiern der Tatsache, dass Kerkeling (wie auch Alfred Biolek) 1991 von Regisseur Rosa von Praunheim in der RTL-Sendung “Explosiv – Der heiße Stuhl” geoutet wurde? Eine Praxis, die unter anderem der Bund lesbischer und schwuler JournalistInnen verurteilt.

Aber was soll so ein Paradiesvogel-Sammelalbum unter dem Titel “Prominente auf dem CSD? Diese Stars könnten Sie dort treffen” überhaupt? Und wer guckt sich diese albernen Bildergalerien auf den Startseiten diverser Webmail-Dienste eigentlich an?

Gerüchten zufolge “könnte” man auf “dem CSD” (gemeint ist vermutlich der Christopher Street Day in Berlin am vergangenen Wochenende, Köln kommt aber z.B. auch noch) auch heterosexuelle Prominente treffen. Und homo- oder bisexuelle Nicht-Prominente. Und heterosexuelle Nicht-Prominente. Und und und …

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Film Rundfunk

Dies ist nicht Amerika

Ich habe gerade etwa 20 Minuten von der Verleihung des deutschen Filmpreises gesehen. Genug, um zu wissen, warum Babelsberg nie (mehr) Hollywood sein wird:

  • Das ZDF übertrug mal wieder zeitversetzt. Schon vor der Auszeichnung des besten Films konnte man im Internet (und vermutlich auch im ZDF-Videotext) lesen, dass “4 Minuten” gewinnen würde.
  • Die Oscar-erprobte Idee, die Dankesreden musikalisch abzuwürgen, wurde mit deutscher Gründlichkeit auf die Spitze getrieben: auch die Preisträger für den besten Film (also die letzte Auszeichnung des Abends) wurden lautstark und barsch von der Bühne gefegt.
  • Michael “Bully” Herbig ist nicht Billy Crystal. Er ist noch nicht einmal Ellen DeGeneres. Aber er ist alles, was wir haben, wenn nicht wieder Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner oder Günther Jauch moderieren sollen.
  • Bernd Eichinger hat in der neu zu schaffenden Kategorie “angepisste Dankesrede eines vermeintlichen Favoriten” eine Sonderauszeichnung verdient. “Na ja, ich danke der Akademie”, dürfte als Bonmont in die an Anekdoten eher arme Geschichte des deutschen Filmpreises eingehen.

Aus dem langweiligen Küsschen-rechts-Küsschen-links-Rahmen fiel einzig Monika Bleibtreu, die ihren Preis als beste Hauptdarstellerin ihrem Sohn Moritz widmete. Dass dieser seine Rührung und seinen Stolz gar nicht mehr verhehlen wollte, war dann auch schon das Höchstmaß an Emotionen.

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Film

Wer die Oscars eigentlich hätte bekommen müssen…

Vorbei ist sie wieder, die mitunter längste Nacht des Jahres, aber bestimmt die längste Sonntagnacht des Jahres: Bis 6.15 Uhr MEZ wurden 2007 wieder einmal 24 kleine goldene Statuetten verliehen. Doch nicht alle erreichten den korrekten Adressaten. Auch Tausende Academy-Mitglieder (darunter, wie ich mit Schrecken feststellen mußte, auch Franka Potente) können durchaus mal irren. Und das prangere ich an. In all meiner Weisheit weiß nämlich nur ich persönlich, wer von den Nominierten tatsächlich hätte gewinnen müssen.

Fangen wir doch mal mit dem heutigen BILD-Titel an: Der Kategorie “bester nicht-englischsprachiger Film”. Natürlich ist “Das Leben der anderen” kein schlechter Film, und selbstverständlich war die Entscheidung nicht so schlimm für mich persönlich, da ja immerhin der Patriot in mir Grund zum Jubeln hatte. Aber ich denke, jeder, der den Film “Nach der Hochzeit” von Susanne Bier aus Dänemark gesehen hat, kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. Klar, hätte der deutsche Beitrag nicht gewonnen, wären es die Mexikaner gewesen. Aber die besten Filme machen letzendlich ja doch die Dänen, auch wenn das keiner so recht wahrhaben will.

Alle Oscars, die das absolut unauthentische, lächerlich schlecht inszenierte und gespielte Musical “Dreamgirls” bekommen hat, gehören sofort wieder eingezogen. Abigail Breslin hätte gewinnen müssen, oder eine der Darstellerinnen aus “Babel”, oder von mir aus Cate Blanchett – ganz egal! Die waren alle gut, aber Jennifer Hudson? Und der Sound von “Flags of our fathers” war auch besser. Genugtuung brachte da nur, daß keiner der drei nominierten Songs aus “Dreamgirls” eine Chance gegen Melissa Etheridge hatte und die Auszeichnungen für Ausstattung und Kostüme an Außenseiter gingen (“Pans Labyrinth” bzw. “Marie Antoinette”).

Martin Scorsese hat seinen überfälligen Oscar bekommen, nachdem er nach unzähligen Halb- bis Totalausfällen wenigstens mal wieder einen einigermaßen spannenden Film hinbekommen hat, auch wenn es nur ein Remake eines genialen Thrillers aus Hongkong namens “Infernal Affairs” ist. Eigentlich hätte Scorsese auch weiterhin mit dem Hitchcock/Kubrick-Status leben können und man hätte mal wieder Clint Eastwood auszeichnen können oder noch besser Alejandro González Iñárritu.

Das beste adaptierte Drehbuch hat übrigens “Children of Men”. William Monahan hatte ja schon eine quasi fix und fertige Vorlage aus Hongkong. Was ist daran oscarwürdig, noch eine nette Rolle für Jack Nicholson mit reinzuschreiben? Und hat dieser nicht ohnehin am Set nochmal alle seine Zeilen komplett umgeschmissen? Dann gebt wenigstens ihm den Oscar!

So, aller Oscarfrust weicht so langsam von mir. Es war mal wieder eine schöne Show. Ellen DeGeneres war deutlich witziger als ich erwartet hätte, die Rückblicke waren nett und Maggie Gyllenhaal sah unglaublich süß aus (wie immer eigentlich, wollte es trotzdem nochmal erwähnen).

Also dann, bis nächsten Februar. Die Espresso-Maschine steht bereit.