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Rundfunk Gesellschaft

Nicht lustig

Vielleicht ist es ein grundsätzlicher Fehler, sich mit “TV Total” überhaupt auseinandersetzen zu wollen. Dieser allenfalls noch lauwarmen Mischung aus Resteverwertung und Crosspromotion, die inzwischen in etwa so schlimm ist wie das Unterschichtenfernsehen, das beim Start der Sendung vor neuneinhalb Jahren noch in den Einspielern zu sehen war. Dieser Show, die zuletzt Aufmerksamkeit erregte, weil sich ein Kandidat ins Studio erbrach. Aber weil ich die Sendung gestern Abend versehentlich gesehen habe, will ich mich doch mal kurz aufregen:

Vorgestern wurden die Spielorte für die Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland bekannt gegeben — und Mönchengladbach und Bochum sind dabei!

Das Thema Frauenfußball finden die Gag-Autoren (und ich habe lange überlegt, ob ich das Wort in Gänsefüßchen packen soll, fand das dann aber zu Leserbrief-mäßig) von “TV Total” sowieso total lustig, weil sie da immer ihre Lesben-Witze, die Hans-Werner Olm und Jürgen von der Lippe seit Mitte der Achtziger unbesehen zurückgehen lassen, unterbringen können. Für gestern hatte man sich aber folgendes ausgedacht: Raab, der seine Witzchen wie immer mit einer “Scheißegal”-Haltung, bei der Harald Schmidt neidisch würde, von Pappen abzulesen versuchte, sollte immer wieder auf die Meldung zu sprechen kommen, aber bevor er die Spielorte vorstellen konnte, sollte immer irgendeine “total wichtige Eilmeldung” von der Sorte “Sack Reis in China umgefallen” eingeschoben werden. So unwichtig ist Frauenfußball nämlich, ha ha. Zusätzlich wurden zwei hässliche Männer als Mannsweiber kostümiert, “Birgit Prinz” und “Kerstin Garefrekes” genannt und immer wieder für später als Gäste angekündigt, wobei für ihren Auftritt am Ende – ha ha – natürlich keine Zeit mehr blieb.

Dass die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen seit 1997 fünf internationale Titel gewonnen hat (zum Vergleich: die der Männer im gleichen Zeitraum null) — geschenkt. Es geht mir auch noch nicht mal um den unverholenen Sexismus, der solche Aktionen durchweht (der disqualifiziert die Macher der Sendung selbst laut genug). Es ist nur einfach so, dass solche Einlagen nicht mal lustig wären, wenn Raab sie in einem Clownkostüm und einem auf die Stirn getackerten Schild mit der Aufschrift “Lustig! Lachen” vortragen würde.

Allein zur Meldung, dass in den Stadien von Borussia Mönchengladbach und dem VfL Bochum Fußballländerspiele stattfinden sollen, fielen mir als Gladbach-Fan und Bochum-Sympathisant ein Halbdutzend Witze über die derzeitige Situation bei den beiden Mannschaften ein. Auch die Spielorte Augsburg, Dresden, Leverkusen, Sinsheim und Wolfsburg böten genug Möglichkeit, sich wenigstens über die Städte lustig zu machen, wenn man schon doof irgendwas bashen will. Sich irgendwas Witziges zu dem Thema auszudenken, ist erstens nicht schwer und zweitens Aufgabe von einem Haufen von Gag-Autoren.

Und dann die Nummer mit den “vergessenen Gästen”, die jegliches Timing vermissen ließ: Natürlich ist die auch noch schlecht geklaut, denn der Gag bei Jimmy Kimmel besteht ja darin, einen Weltstar zu “vergessen” und nicht nachgebaute Vertreterinnen einer Sportart, die medial sowieso nicht gerade überrepräsentiert ist. Wenn die Nummer überhaupt zu irgendwas taugte, dann als abschreckendes Beispiel.

Aber es sind ja nicht nur die Autoren. Die können sich viel erlauben, weil es in Deutschland sowieso keine guten Comedy-Shows als Konkurrenz gibt und der Humor der Deutschen nicht umsonst weltweiten Spott genießt. Es ist auch der Moderator, dem seine eigene Sendung so völlig egal ist, dass die besten Lacher in dem Moment entstehen, wenn es ihm selbst auffällt. Stefan Raab ist sicher ein verdienstvoller TV-Schaffender (vermutlich der Wichtigste in diesem Jahrzehnt), aber “TV Total” ist ein völliges Desaster.

Alles, wirklich alles an der Sendung ist schlimm: der Standup; die Ausschnitte, die inzwischen weitgehend unkommentiert und reflektiert abgenudelt werden; die Einspieler mit lustigen Straßeninterviews, die erstens soooo 1998 sind und bei denen zweitens die Fragen in der Nachbearbeitung von diesem Mann mit der ach-so-lustigen Stimme vorgelesen werden; die Gäste, die Raab völlig egal sind, und über die er die Hintergrund-Infos allenfalls während der Show liest.

Alle paar Wochen, wenn Tiere zu Gast sind oder die Hersteller von Elektrorollern, ist Raab bei der Sache. Dann macht es ihm Spaß und mit ein wenig Glück kommen dabei wirklich lustige, bisweilen brillante Aktionen rum. Wenn irgendein Redakteur Wert darauf legen würde, unterhaltsames Fernsehen zu produzieren, würde er an genau der Stelle ansetzen. Aber so lange ProSieben die Verträge trotz sinkender Quoten verlängert, scheinen alle zufrieden zu sein. Und wenn die einzige “Konkurrenz” ungefähr drei Mal im Jahr unter dem Titel “Schmidt & Pocher” versendet wird, ist das sogar fast nachzuvollziehen. Zuschauer, die echte Late-Night-Unterhaltung wollen, sehen sich eh die US-Originale im Internet an.

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Gesellschaft

Schutzbehauptungen

Rauch (Symbolbild)

In der morgigen “FAZ” findet sich eine Reportage von Judith Lembke, die sich drei Monate nach der Einführung des Rauchverbots in Hessen in Frankfurter Kneipen umgesehen hat.

Auch wenn ich – wie bereits beschrieben – Nichtraucher bin und sehr entschieden etwas dagegen habe, wenn fremde Leute meine Klamotten und meine Gesundheit ruinieren wollen, muss ich doch feststellen, dass das Nichtraucherschutzgesetz offenbar wieder sämtliche Qualitäten der großen Koalition vereint: Am Leben vorbei, übers Ziel hinausschießend, allenfalls zur Hälfte durchdacht und (wie so oft) nicht so ganz mit der Verfassung vereinbar:

Die Lokale, die nur aus einem Schankraum bestehen und keine Möglichkeit haben, besondere Raucherzonen auszuweisen, sind besonders stark vom Gästeschwund betroffen. Da dort ein generelles Rauchverbot herrscht, weichen die rauchenden Gäste auf Kneipen aus, wo sie sich auch weiterhin die Zigarette zum Feierabendbier genehmigen können. Und der Raucher, der seinem Stammlokal die Treue hält, trinkt weniger, weil er zum Rauchen nicht in die Kälte, sondern lieber wieder nach Hause geht.

Es sieht also so aus, dass die Wirte kleiner Eckkneipen, die in einigen Fällen sogar Besitzer der Immobilie sein mögen, ihren Kunden in ihren eigenen vier Wänden das Rauchen verbieten müssen, wenn sie keinen abtrennbaren Nebenraum haben. Und das wollen sich die meisten rauchenden Kunden natürlich nicht antun.

Sicher: Ich würde keine Raucherkneipe aufsuchen, aber das müsste ich ja auch nicht, solange es für mich Nichtraucherkneipen gäbe. Die allerdings hätte es auf freiwilliger Basis schon lange geben können und ich kenne bis heute keine einzige. Und damit befinden wir uns mitten drin in einem Dilemma, das so undurchschaubar scheint, dass ich die Erstellung einer Pro- und Contra-Liste für ein probates Mittel erachte:

Pro Rauchverbot in Kneipen

  • Rauchen ist ungesund. Wenn nur ein Mensch mit dem Rauchen aufhört, weil er sich den Gang vor die Tür nicht mehr antun will, ist das ein Gewinn. Auch für die Krankenkassen, deren Finanzierung immerhin auch durch Nichtraucher erfolgt.
  • Die Mitarbeiter müssen geschützt werden. In Deutschland gibt es Vorschriften zur Größe von Schreibtischen und der Beleuchtung in Büros, da erscheint es dringend angezeigt, Angestellte endlich vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen.
  • Wo geraucht wird, muss häufiger renoviert werden. In Extremfällen kann auch der Wert der Immobilie sinken. Rauchen ist also eigentlich unverantwortlich, wenn es nicht in den (im juristischen Sinne) eigenen vier Wänden passiert. Rauchverbote wären demnach auch in Mietwohnungen und Raucherzimmern in gemieteten Gaststätten erforderlich.
  • Es hat bisher kaum Nichtraucherkneipen auf freiwilliger Basis gegeben – und das, obwohl der Markt mit Sicherheit da wäre. Wenn sich der Markt nicht mehr selbst regulieren kann, sollte der Staat über eine Intervention nachdenken.

Contra generelles Rauchverbot

  • Jeder erwachsene Mensch sollte selbst entscheiden können, was er mit seinem Körper macht: Marathon laufen, Pulsadern aufschneiden, Bart wachsen lassen, rauchen, trinken, Drogen nehmen. Ich hielte eine unaufgeregte Grundsatzdiskussion über die völlige Legalisierung aller berauschenden Stoffe für begrüßenswert, bin mir aber sicher, sie zeitlebens und hierzulande nicht mehr zu erleben.
  • In den meisten Eckkneipen bedienen ein Besitzer und ein, zwei Angestellte, die nicht selten zur Familie des Besitzers gehören. Einer persönlichen Erhebung nach würde ich sagen, dass sämtliche (dauerhaften) Bedienungen in solchen Kneipen selbst rauchen.
  • Es grenzt das Recht auf Berufsfreiheit ein, wenn Gastwirte per Gesetz zu Nichtrauchergastwirten gemacht werden. Möglicherweise verstößt es sogar wirklich gegen das Grundgesetz. Wer entscheiden darf, wie seine Kneipe aussieht, welches Bier dort ausgeschenkt wird ((Für mich auch ein wichtiges Ausschlusskriterium. Besonders in Bochum.)) und welche Musik dort läuft, sollte auch entscheiden dürfen, was darin im Rahmen der gesetzlichen Grenzen – wobei ich das Nichtraucherschutzgesetz natürlich ausgeklammert wissen will – erlaubt ist und was nicht. Hätte ich eine Kneipe, gäbe es dort keine “Gold”-Biere und keine Musik von Bryan Adams oder Revolverheld.
  • Wenn die Nichtraucher nicht Willens oder in der Lage waren, sämtliche Gaststätten, in denen geraucht wurde, zu boykottieren (und dem Wirt das auch mitzuteilen), müssen sie sich die Frage gefallen lassen, wie wichtig ihnen ihr Anliegen war. Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden und man kann es nie allen recht machen, wie meine Großmutter schon immer sagte.
  • Im Gegensatz zu Zügen, Behörden, Konzerthallen und Kinos kann man sich seine bevorzugte Gaststätte selbst aussuchen. Nichts und niemand zwingt einen ((“zwingen” ist in diesem Fall eher metaphorisch gemeint. Schon das Konzert einer bestimmten Band wäre demnach ein zwingender Grund, eine bestimmte Konzerthalle aufzusuchen, die dann auch bitte rauchfrei sein sollte.)), genau in eine Raucherkneipe zu gehen. 18 Jahre nach der Wiedervereinigung und in Zeiten einer immer weiter auseinander klaffenden sozialen Schere wäre eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Nachtleben nur konsequent.
  • Rauchende, laut schnatternde Menschen vor einer Kneipe sind schlimmer als rauchende, laut schnatternde Menschen in der gleichen Kneipe – vor allem für die Anwohner. Wer über dem Eingang einer Gaststätte wohnt, wird Dank des Nichtraucherschutzgesetzes sein Fenster in diesem Sommer nachts geschlossen halten müssen.
  • Zahlreiche Wirte wollen ihre Kneipen jetzt zu Vereinsheimen umwidmen und gründen eigens dafür Raucherclubs. Das Letzte, was Deutschland braucht, sind aber noch mehr Vereinsmeier und organisierte Wichtigtuer. Das wird Ihnen jeder Finanzbeamte, der die verdammten Jahresrechnungsberichte kontrollieren muss, bestätigen.

Die höhere Anzahl an Contra-Argumenten legt mir die Vermutung nahe, ich sei eher gegen ein generelles Rauchverbot. Ganz sicher bin ich mir da aber auch nicht. Dafür weiß ich, dass ich jederzeit einen eigenen Debattierclub nur mit mir gründen könnte. Mein Clubhaus wäre selbstverständlich rauchfrei.

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Leben

Bild mal meine Meinung ab!

Wir alle fragen uns sicher regelmäßig, wo Umfrageergebnisse wie “Männer finden Ursula von der Leyens neue Frisur gut”, “Deutsche fahren im Urlaub nur ungern in die Ukraine” oder “Wenn morgen Bundestagswahl wäre, würde Knut zur sexiesten Schauspielerin gewählt” herkommen. Bisher war mein Grundgedanke, dass da einige irre PR-Menschen in bombensicheren Kellern sitzen und solche Zahlen auswürfeln. Dann klingelte mein Telefon.

Eine Frau mittleren Alters aus der brandenburgischen Provinz war dran und sagte, sie rufe für das Meinungsforschungsinstitut Emnid an, ob sie bitte ein Haushaltsmitglied über 60 Jahren sprechen könne. Meine Erleichterung, dem Schicksal noch einmal entflohen zu sein, hielt nicht lange: auch wenn es bei uns kein solches gebe, würde sie mir gerne einige Fragen stellen, sagte die Frau. Ich willigte ein, fragte aber vorher selbst nach, wie man bitteschön an meine Nummer, die ich noch nicht mal kenne, und die wirklich nirgendwo verzeichnet sei, komme. Das mache ein Zufallsgenerator, entgegnete die Frau und legte los. Nach 23:15 Minuten war ich fertig, hatte zwei wundtelefonierte Ohren und meinen Beitrag zu einem Haufen toller Tortendiagramme in einem Haufen hochwertiger Medien geliefert.

Bei folgenden Statistiken werde ich in den nächsten Monaten “Mama, ich bin im Fernsehen!” schreien dürfen:

  • betr. der Zufriedenheit mit der Bundespolitik (“Geht so”)
  • betr. der Zufriedenheit mit der NRW-Landespolitik (“Haben Sie die Option ‘Beschissen’?”)
  • die sog. Sonntagsfrage
  • betr. des Rauchverbots bzw. dessen Interpretation durch die NRW-Landesregierung
  • betr. der Wiederaufnahme der Ermittlungen im Mordfall Buback und der möglichen Begnadigung von Christian Klar
  • betr. meiner Präferenzen für Kartoffelpuffer oder Reibekuchen (in deed: auf die Frage nach meiner Meinung über politisch motivierten Terrorismus folgte eine zu Kartoffelpuffern und Reibekuchen …)
  • betr. meines Geldinstituts
  • betr. meiner Erfahrungen mit Versandhändlern (“telefonisch, Katalog, Internet”)
  • betr. meiner Erfahrungen zu Dienstleistungen per Internet (inkl. Musikdownloads)
  • betr. meiner Meinung und Erfahrung zu und mit Biolebensmitteln
  • betr. meinem Geschmack in Sachen Feinkostsalate (“darunter verstehen wir Salate, die mit Mayonaise zubereitet werden”)
  • betr. diverser statistischer Daten meines Haushalts

Interessant. Ich befürworte übrigens, dass Christian Klar mit der Landesregierung in NRW Kartoffelpuffer essen soll – aber nur, wenn sie aus biologischem Anbau kommen und mit Apfelmus serviert werden.