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Musik

Auf der anderen Seite

Wenn wir über deutschsprachige Musik im Jahr 2017 sprechen, können wir natürlich von den weichen Zielen, den pop culture punching bags reden wie Max Giesinger, Mark Forster oder Julia Engelmann. So, wie man US-amerikanische Musik an Shania Twain, Imagine Dragons und den Chainsmokers festmachen könnte. Wäre natürlich nur Quatsch.

Es reicht eigentlich, wenn man nur wenige Millimeter vom Mainstream abbiegt — schon hat man Künstler und Bands, die tatsächlich etwas zu sagen haben. Dieses Jahr z.B. Schrottgrenze, kettcar und Casper.

Heute haben Tocotronic den sog. ersten Vorboten ihres kommenden Albums “Die Unendlichkeit” (VÖ: 26. Januar 2018) rausgehauen:

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Mal davon ab, dass ich bei dem jungen Mann in weißer Kleidung und mit langen schwarzen Haaren die ganze Zeit an Andrew W.K. denken musste: gutes Video, das die amerikanische Vorstadthölle 1:1 ins Deutsche übersetzt (so, wie es die Stadtplaner auch schon getan haben), beeindruckender Song, Haltung.

Auch schön: Auf dem aktuellen Bandfoto geht Arne Zank als Steven Spielberg und Rick McPhail als J Mascis.

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Film

Cinema And Beer: “Oh Boy”

In der zweiten Folge unserer neuen Podcast-Reihe gehen wir ins sogenannte Opfakino und sehen uns “Oh Boy” von Jan-Ole Gerster (Sorry!) an.

Oh Boy (Offizielles Filmplakat)

Cinema And Beer: “Oh Boy”
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Musik

Ihr wollt ein Liebeslied, ihr kriegt ein liebes Lied

Vergangenen Donnerstag stand ich kurz davor, mir mehrere Gliedmaßen abzunagen: Ich saß in einer Kölner Mehrzweckhalle und als wäre das nicht schon schlimm genug, fand in dieser Halle zu diesem Zeitpunkt auch noch der Bundesvision Song Contest statt. Stefan Raabs innerdeutscher Grand Prix, der sich nicht so recht zwischen staatstragendem Gestus und ironischer Distanz entscheiden kann, konnte es in Sachen Show und Unterhaltung nicht mit dem europäischen Vorbild aufnehmen. Das war zu erwarten gewesen. Womit eher nicht zu rechnen war: Dass der ESC dem BuViSoCo auch musikalisch überlegen sein würde.

Seit einiger Zeit fühle ich mich, als stünde ich an irgendeinem Bahnhof am Gleis und der popmusikalische Zug sei einfach ohne mich weitergefahren, immer weiter in die Provinz hinein. BuViSoCo-Sieger Tim Bendzko, Philipp Poisel, der Rapper Casper, der Tomte-lose Thees Uhlmann — ihre Platten werden von vielen Kritikern gelobt und von irrsinnig vielen Menschen gut gefunden, denen ich sonst durchaus Musikgeschmack unterstellen würde. Und ich stehe fassungslos daneben und fühle mich, als wären plötzlich Alle Fans des VfL Wolfsburg.

Deutschsprachige Musik, so scheint es, zerfällt dieser Tage in zwei Extreme: Auf der einen Seite der Diskurspop von Tocotronic, Jochen Distelmeyer oder Ja, Panik, der von Zeitschriften wie “Spex” und “Intro” abgefeiert, aber so richtig dann doch von niemandem verstanden wird, auf der anderen die gefühligen Singer/Songwriter, deren Songs die Musikredaktionen deutscher Radiosender vor zehn Jahren noch den Kollegen von WDR 4 rübergeschoben hätten. Indie ist nicht nur Mainstream geworden, sondern in Teilen auch zum Schlager geronnen.

Als vor sieben, acht Jahren die “neueste deutsche Welle” ausgerufen wurde, weil Bands wie Wir Sind Helden, Juli oder Silbermond plötzlich in Sachen Absatzzahlen und Airplay erfolgreich waren, war schon zu befürchten, als was für eine Farce sich die Geschichte wiederholen würde. So wie Anfang der Achtziger auf Kraftwerk, Ideal und die Fehlfarben irgendwann Markus, Hubert Kah und Fräulein Menke gefolgt waren, würde auch diesmal das ganze System in sich zusammenstürzen, bis nur noch ein paar One Hit Wonder für den Nachfolger der “ZDF-Hitparade” übrig blieben und dann würde über Jahre kein Label mehr deutschsprachige Musiker unter Vertrag nehmen und kein Radiosender sie spielen.

Doch es kam schlimmer als befürchtet: Der Erfolg von Bands wie Silbermond, Revolverheld oder Culcha Candela erwies sich als einigermaßen nachhaltig und die ganzen verzweifelten Nachzügler-Signings, die den Plattenfirmen in den Achtzigern irgendwann um die Ohren geflogen waren, erwiesen sich jetzt, in den Zeiten ihrer schlimmsten Krise, zumeist als güldene Glücksgriffe. Die verdammte Blase wollte einfach nicht mehr platzen!

Als Andrea Berg bei der diesjährigen Echo-Verleihung ein wenig patzig mehr als nur eine Schlager-Kategorie beim deutschen Musikpreis einforderte, brachte das die ohnehin schlechte Stimmung in der Halle nicht gerade nach vorne. Dabei waren unter der Überschrift “Album des Jahres (national oder international)” folgende Werke nominiert gewesen: “Große Freiheit” von Unheilig, “Schwerelos” von Andrea Berg, das “Best Of” von Helene Fischer, “My Cassette Player” von Lena und “A Curious Thing” von Amy Macdonald. Es muss schon ein erstaunlicher gesellschaftlicher Wandel stattgefunden haben, wenn die junge, weibliche Antwort auf Chris de Burgh und das Album der deutschen ESC-Teilnehmerin (“Schlager-Grand-Prix”, wie manche Menschen heute noch sagen) die unschlagerhaftesten Vertreter bei den meistverkauften Alben des Jahres darstellen.

Moderatorin Ina Müller hatte bei der Verleihung des Volksmusik-Echos an die Amigos lautstark dazu aufgerufen, die Wände zwischen den Schubladen einzureißen, dabei wollten die anwesenden coolen und klatschfaulen Rockstars und Plattenfirmenmenschen sich nur nicht eingestehen, dass das längst geschehen war. Quer durch alle Kategorien nominiert waren ein zotteliger Geiger, der sich kommerziell erfolgreich an der Interpretation von Rocksongs versucht hatte; ein alternder Chansonnier; ein jugendlicher Chansonnier; eine Opernsänger-Boygroup, die Popsongs nachschmettert; der Erfinder des Gothic-Schlagers und nicht zuletzt Ina Müller selbst, deren Songs von Frank Ramond geschrieben werden, der seit Jahren mit seinen augenzwinkernden Wortspielereien für Annett Louisan, Barbara Schöneberger und Roger Cicero den Massengeschmack trifft wie kaum ein Zweiter.

Was uns zu Casper bringt, jenem “Konsens-Rapper”, dessen Album “XOXO” überraschend, angesichts des medialen “Geheimtipp”-Overkills im Vorfeld aber durchaus konsequenterweise auf Platz 1 der Charts eingestiegen war. Dies ist die Stelle, an der ich fairerweise erklären sollte, dass ich bis auf wenige Ausnahmen mit deutschsprachigem Hiphop so rein gar nichts anfangen kann. Das war in den 1990ern noch ganz lustig, als alle wie die amerikanischen Vorbilder auf dicke Hose machten, missfällt mir jetzt aber zunehmend. Dabei will ich nicht mal ausschließen, dass man auch auf Deutsch hintergründige, witzige und gute Texte rappen kann — allein mangelt es den meisten Vertretern dieses Genres schon an den dafür notwendigen Fertigkeiten, sprich: Skills. Es reicht mir nicht, wenn sich einer holprig durch die Sätze quält. Womöglich fehlt mir das notwendige Enzym oder Gen, aber in meinen Ohren fällt “Das war’s. Auf das, was war / Zwischen all den Ficks auf dem Tisch aus dem Glas / Und hätt’ ich dich nie gekannt / Wär’ der Ben bloß der Casper der rappt / Aber du wärst nur die Frau von der Bar” (Casper) sprachlich und inhaltlich sogar noch hinter “Verpiss dich / Ich weiß genau, Du vermisst mich” (Tic Tac Toe) zurück. ((“Aus”! “Dem“! “Glas”! Alter, was ist mit Dir nicht in Ordnung?!)) Wenn das “Studentenrap” sein soll (und Sie müssen sich das auch noch in Caspers Schiffschaukelbremserstimme vorstellen), kann ich auf eine Begegnung mit “Sonderschülerrap” bestens verzichten.

Doch die Vertonung von Tagebucheinträgen wird geschätzt. Es ist eine “neue”, womöglich “schonungslose Offenheit”. Klopstock 2.0. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass Tomte-Sänger Thees Uhlmann (der mit Casper bei gleich zwei Tracks kooperiert) auf seiner ersten Solo-Single tote Fische besingt.

Doch, tatsächlich: “Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf” verkündet er und preist auf seinem Album wie in zahlreichen Interviews das Dorfleben. Bei Tomte hatte er noch davon gesungen, “sein Versagen nicht länger Überzeugung zu nennen”, auf seinem selbstbetitelten Solodebüt zelebriert er jetzt genau das. Von Journalisten lässt er sich dabei mit Bruce Springsteen vergleichen — und wenn die es nicht tun, macht er es eben selbst. Zwar konnte nicht einmal der Boss über eine Supermarktkassiererin singen, ohne dass man vor Fremdscham in einen Turm aus Konservendosen springen wollte, aber das hält Uhlmann nicht davon ab, dieses Feld mit “Das Mädchen von Kasse 2” noch einmal zu beackern. Ich erkenne den Versuch an, den gesellschaftlich Übersehenen ein Denkmal bauen zu wollen, aber, Entschuldigung!, das konnten Pur besser — und die mussten dafür zur Strafe im Studionebel der “Hitparade” stehen.

Überhaupt müssen wir Abbitte leisten bei Pur, der Münchener Freiheit, Reinhard Mey, Wolf Maahn, Heinz-Rudolf Kunze, Klaus Lage, Bap, Purple Schulz und vor allem bei Udo Jürgens. ((Nicht jedoch und unter keinen Umständen bei Marius Müller-Westernhagen.)) Von mir aus soll Tim Bendzko nur noch kurz die Welt retten wollen und Andreas Bourani (dessen “Nur in meinem Kopf” ich für ein paar Wochen sogar ziemlich toll fand) wie ein Eisberg glänzen und scheinen wollen, aber dann können wir nicht mehr mit dem Finger auf die Leute zeigen, die ein paar Jahrzehnte zuvor das Gleiche gemacht haben.

Die Uhlmann’schen Heimatmelodien und die ganzen waschlappigen Liebesbeteuerungen der jungen Liedermacher sind die popkulturelle Rückkehr zum Biedermeier. Sie liefern das “kleine bisschen Sicherheit” in “dieser schweren Zeit”, das Silbermond schon vor zweieinhalb Jahren eingefordert hatten. Dieser Eskapismus ins Innerste zeigte sich dann auch am Treffendsten im Namen jener Band, die sich beim Bundesvision Song Contest einen Moment wünschte, der “echt” und “perfekt” ist: Glasperlenspiel. Hermann Hesse ist ja tatsächlich das, was uns am volkswirtschaftlichen Abgrund noch gefehlt hat: Wanderungen durch Indien, ein bisschen Metaphysik und dann hinein in die Selbstauslöschung. Die Bücher von Margot Käßmann verkaufen sich schon verdächtig gut.

Gewiss, das alles sind Geschmacksfragen. Und die kann man sich ja oft genug selbst nicht beantworten. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum ich das Debütalbum von Gregor Meyle (Zweiter bei Stefan Raabs vorletzter Casting-Show) immer noch ganz charmant finde, beim ähnlich romantisch gelagerten Philipp Poisel aber immer kurz vor der Selbstentleibung stehe. ((Poisel hat allerdings auch eine Stimme, auf die ich mir körperlicher Abneigung reagiere — wobei mir der nasale Gesang eines Billy Corgan oder das Röhren eines Kelly Jones immer gut gefallen hat.))

Vielleicht hängt meine Abneigung auch mit der Sprache zusammen, wobei Thees Uhlmann gleich das beste Gegenargument gegen diese These ist, denn bei Tomte waren seine Texte ja über weite Teile noch unpeinlich bis großartig. Andererseits: Eine Aussage wie “Du hast die Art verändert, wie Du mich küsst” würde man ohne zu Zögern dem Werk der Andrea Berg zuordnen. Auf Englisch taugt es beim Rapper Example zu einem der besten Songs des Jahres. Und irgendwie war es gar nicht so schlimm, als Prince oder Chris Martin auf Englisch sangen, der Verflossenen niemals Kummer bereitet haben zu wollen. Wenn jetzt einer singt, “Ich wollte nie, dass Du weinst”, wünscht man sich doch dringend Rammstein herbei, die bitte das genaue Gegenteil deklamieren sollen, nur damit mal ein bisschen Leben in der Bude ist.

“Keiner, wirklich keiner, braucht deutsche Songwriter” singt Friedemann Weise in seinem sehr unterhaltsamen Lied, das nur einen kleinen Haken hat: Das einzige, was noch schlimmer ist als schonungslose Offenheit in Liedtexten, ist ungehemmte Ironie. Deswegen sind die Toten Hosen bei all ihrer Schlimmheit immer noch den Ärzten vorzuziehen, die jedweden Hinweis auf eine Haltung vermissen lassen.

Die zentrale Frage jedoch bleibt: Warum sind heute Musiker mit Texten erfolgreich, die junge Menschen noch vor wenigen Jahren rundheraus als kitschig abgelehnt hätten? Sind die Hörer sensibler geworden oder nur toleranter? Und was hat das alles mit der WM 2006 zu tun?

Offenlegung: Ich habe an der diesjährigen Echo-Verleihung mitgearbeitet und bin mit einigen der hier gedissten Künstler persönlich bekannt.

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Leben

The End Is The Beginning Is The End

Als ich noch über eine akademische Karriere nachdachte, hielt ich es als begeisterter Varietätenlinguist für eine gute Idee, meine Doktorarbeit über Brotenden zu schreiben (die Alternatividee hieß “Ficken, Bumsen, Blasen — Eine Etymologie der Sex-Sprache”). Denn, so hatte ich gelernt: Diese Dinger heißen überall anders.

Eine ansehnliche Liste mit Bezeichnungen (sowie mit Namen für das Kerngehäuse eines Apfels) hatte ich schon begonnen — und es steht Ihnen natürlich frei, diese in den Kommentaren zu ergänzen. Ich erfuhr, dass es sogar Dörfer gibt, in denen der Anfang und das Ende eines Brotes unterschiedliche Bezeichnungen haben. Da ist man dann schnell im Grenzgebiet von Linguistik und Philosophie.

Schwierig würde es da natürlich bei so einem Kandidaten der kubistischen Phase:

Quadratisch, praktisch, Brot
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Digital

Da lacht der Anglist

Unbekannte haben sich in der vergangenen Woche einen Spaß draus gemacht, Todesmeldungen zu streuen. Opfer davon waren unter anderem Popsternchen Britney Spears (27), Schauspieler Jeff Goldblum (56), Schauspielerin Natalie Portman (28) – und jetzt auch Schauspieler und Womanziner George Clooney (48).

Sowas ist natürlich nicht lustig.

Zumindest nicht, bis man weiß, auf welcher Seite diese Meldung steht:

www.die-topnews.de

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Digital Leben

Blog am Bein

Writer's block

Kürzlich wohnte ich einer Diskussion bei, bei der es um die (zugegebenermaßen sehr nebensächliche) Frage ging, ob es eigentlich “der Blog” oder “das Blog” heiße. Mein Standpunkt war, dass ich zwar “das Blog” sagen würde, aber beim besten Willen nicht wüsste, warum. Vielleicht, um Verwechslungen mit “der Block” (damn you, Auslautverhärtung!) zu vermeiden. Aber wozu hat man Germanistik und Anglistik studiert und seine B.A.-Arbeit über die Veränderungen in der Internetsprache geschrieben?

Bevor wir uns dem konkreten Fall nähern, müssen wir zwei grundsätzliche Probleme erwähnen: Erstens gibt es im Deutschen Unterschiede zwischen grammatischem (Genus) und biologischem (Sexus) Geschlecht, die dazu führen, dass sprachlich alle Hunde männlich, alle Katzen weiblich und alle Mädchen sächlich sind. ((Besonders das mit den Mädchen ist ein ungeklärtes Problem, dem dessen sich Sprach- und Genderwissenschaften dringend annehmen sollten.)) Da die Artikel (bestimmte wie unbestimmte) vom grammatischen Geschlecht abhängen, muss man zu jedem Wort auch seinen Genus dazulernen. Daraus folgt auch, dass man zweitens für jedes Fremd- oder Lehnwort ein grammatisches Geschlecht festlegen muss. So sagt man “das Trottoir” (im Französischen ein Maskulinum), “die Toilette” (im Französischen auch Femininum) und “der Cappuccino” (im Italienischen ebenfalls Maskulinum).

Versuchen wir, die Kurve Richtung “Blog” zu kratzen, und nähern uns der Welt von Computern (mask.) und Internet (neutr.): So sagt man in Deutschland “die E-Mail”, was sich damit erklären ließe, dass die deutsche Übersetzung (“E-Post”) ebenfalls feminin ist. ((Schlimm wird’s bei einem Wort wie “blogger”, das für weibliche wie männliche Personen steht, für Deutsche aber nach einer männlichen Endung ausschaut. Spätestens bei “girlfriend” empfiehlt es sich, auf fremdsprachliche Vokabeln zu verzichten und einfach den deutschen Begriff “Freundin” zu verwenden.)) In Österreich und der Schweiz heißt es aber “das E-Mail”, womit wir den Salat endgültig hätten.

Nehmen wir der Einfachheit halber trotzdem mal für einen Moment an, die deutsche Übersetzung bestimme alleine den Artikel. “Blog” ist die Kurzform von “Weblog”, was sich wiederum auf “log” bezieht, wozu das “Oxford English Dictionary” Folgendes zu berichten weiß:

log /lɒg/ n.¹ ME. [Origin unknown] I 1 A bulky mass of wood; esp. an unhewn portion of a felled tree, or a length cut off for use as firewood. ME. b Surfing. A large or heavy surfboard. M20. 2 a A heavy piece of wood, fastened to the leg of a person or an animal to impede movement. L16. b Mil. Hist. A form of punishment whereby a heavy weight was chained to an offender‘s leg to be dragged or carried around as the person moved. M19. 3 A piece of quarried slate before it is split into layers. E18. 4 In pl. A jail, a lock-up. Austral. slang. L19.

[…]

II 5 An apparatus for ascertaining the speed of a ship, consisting of a float attached to a line wound on a reel. Also, any other apparatus for the same purpose. L16. 6 a A book containing a detailed daily record of a ship‘s voyage; a logbook. E19. b A systematic record of things done, found, experienced, etc., as (a)a record of discoveries or variations at successive depths in drilling a well; a graph or chart displaying this information; (b) a record with details of journeys kept by a lorry driver; (c) a record of what is broadcast by a radio or television station; (d) Computing a sequential file of transactions on a database. E20. c A list or summary of claims for a wage increase etc. Freq. more fully log of claims. Austral. E20.

(The New Shorter Oxford English Dictionary on historical principles; Edited by Leslie Brown; Oxford, 1993.)

Wäre ich gezwungen, diesem Eintrag eine einzige deutsche Vokabel zuzuordnen, würde ich mich wohl für “Klotz” entscheiden. ((Der Spiegelfechter hatte bei einer ähnlichen Diskussion auf freitag.de angeführt, das englische Wort “log” stamme vom altisländischen und altnorwegischen “lag” ab, was “umgefallener Baumstamm” heiße — ich will nicht ausschließen, dass er da tatsächlich mehr wusste als das Oxford Dictionary, halte diese Information aber auch eher für Bonuswissen, das uns bei der konkreten Fragestellung nicht weiterhilft.)) Er deckt den Bereich I komplett ab und passt im Bereich II zumindest noch zur Nummer 5. Außerdem ist er ähnlich schön lautmalerisch.

Werfen wir auch noch einen (wenig aufschlussreichen) Blick ins mittelenglische Wörterbuch (“ME” = “Middle English”):

loglog(ge n. (1); lok n. (2); lough.

log(ge n. (1) [Cp. ML loggum.] (a) An unshaped piece of wood, stave, stick; (b) as surname.

(Middle English Dictionary; Sherman M. Kuhn, Editor & John Reidy, Associate Editor; Ann Arbor, 1968.)

Das englische Wort “weblog” könnte also mit einiger Berechtigung als “Netzklotz” übersetzt werden, womit es ein Maskulinum wäre. Der Duden, über dessen Rolle man auch erst einmal streiten müsste, lässt übrigens “das” und “der” zu:

1. Blog, das, auch: der; -s, -s [engl. blog, gek. aus: weblog, →Weblog] (EDV Jargon): Weblog. ...

Ich bevorzuge wie gesagt “das Blog” ((Weil ich es sinnvoll finde, wenn sachliche Dinge auch sachliche Artikel haben.)) und finde “der Blog” etwas merkwürdig, aber merkwürdig finde ich ja auch regionalsprachliche Varianten wie “eingeschalten” statt “eingeschaltet” oder “ich bin gestanden” statt “ich habe gestanden” und das macht sie ja auch nicht falsch.

Sprache ist – da wiederhole ich mich gerne – etwas Lebendiges und die Mehrheit hat immer Recht. Sollte sich also “der Blog” durchsetzen, würde das zwar vermehrt zu Verwechselungen von “der Blog” und “der Block” führen, aber man müsste es akzeptieren, wenn man nicht gegen Windmühlen kämpfen will.

Zu den Blog-nahen Sprachveränderungen zählen auch “Blog” als Synonym für “Blogeintrag” (Matthias Matussek veröffentlicht ja regelmäßig “neue Blogs”) und “Blogger” als Bezeichnung für Blogleser und -kommentatoren. Das sind natürlich schon erhebliche Bedeutungsverschiebungen bzw. -erweiterungen, aber sowas ist bei jungen Themengebieten Blogs völlig normal.

Viel entscheidender als die Frage, ob es “der Blog” oder “das Blog” heißt, ist doch die, was drinsteht wer mir die vier Stunden Lebenszeit ersetzt, die ich in der Uni-Bibliothek verplempert habe.

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Rundfunk Radio Leben

I’m single bilingual

Ich war noch nicht ganz wach und hörte nur mit einem halben Ohr hin, als auf WDR 5 eine Reportage über Singles in Deutschland lief. Dennoch hinterließ die Frau, die tapfer verkündete, sie brauche gar keinen Partner, bei mir bleibenden Eindruck.

Den Grad ihrer inneren Verzweiflung konnte man dem Satz entnehmen, mit dem sie ihre Ausführungen schloss:

Wenn ich total desperate wäre, vielleicht.

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Politik Gesellschaft

Eine Sprache vor die Deutschen

T-Shirt-Aufdruck in fremder Sprache (vielleicht bald verboten).

Die CDU-Basis hat ihre Parteispitze überstimmt. Leider nicht bei irgendeiner relevanten Entscheidung über Personal- oder Politikfragen, sondern bei einem Thema, das nicht viel kostet, aber intensive Diskussionen verspricht: die Partei will jetzt die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufnehmen.

dpa tickert dazu:

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller meinte hingegen, die Partei müsse sich klar dazu bekennen, «was den Staat ausmacht». Neben der Flagge gehöre dazu auch die deutsche Sprache.

Das ist natürlich schon mal ein Super-Anfang, der in die gleiche Kerbe schlägt wie Bundestagspräsident Norbert Lammert im Sommer dieses Jahres:

Es gebe „für die Kultur und das Selbstverständnis dieses Landes keinen wichtigeren Faktor als die Sprache“.Sie sei „noch wichtiger als die Festlegung auf Berlin als Hauptstadt und auf Schwarz-Rot-Gold als Landesfarben“.Beides regle das Grundgesetz, die Sprache „leider nicht“.

Zunächst einmal sollte man den beiden Herren also stecken, dass auch die Nationalhymne nicht im Grundgesetz verankert ist — aber deren Einbindung wollten sie vermutlich erst im nächsten Jahr fordern.

Kommen wir nun zur Forderung an sich: Konkret soll Artikel 22 des Grundgesetzes um ein “Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch” ergänzt werden. Das ist natürlich schon mal ein gutes Beispiel für die Schönheit der deutschen Sprache: Ein halbfertiger Satz mit Hilfsverb, der noch dazu gar nichts aussagt.

Denn was soll das heißen, “die Sprache” “ist Deutsch”? Würde man die Amtssprache festlegen wollen, wäre das noch verständlich — aber die ist schon im Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt. Und was hieße das für den Kreis Nordfriesland und die Insel Helgoland, wo auch Friesisch als Amtssprache zugelassen ist?

Die deutsche Sprache mache also “den Staat aus”, findet Peter Müller, studierter Jurist. Müssen denn Dinge, die den Staat “ausmachen” (was auch immer Müller damit meint) und die uns in jedem Moment überall in diesem Land umgeben, noch gesetzlich geregelt werden?

Es gibt eigentlich nur zwei Lesarten für diese Forderung: Die eine würde es den Bastian Sicks und Wolf Schneiders dieser Republik erlauben, gegen jeden “Service Point” eine Verfassungsklage anzustrengen. Die andere wäre die Ansage, dass jeder, der in diesem Land lebt, gefälligst und jederzeit Deutsch zu sprechen habe. So oder so klingt es wie die staatsrechtliche Umsetzung des unsäglichen Slogans “Der Klügere spricht deutsch” des idiotischen “Vereins Deutscher Sprache”.

Linguisten lernen im ersten Semester: Sprache ist einem ständigen Wandel unterworfen. Sprache ist kein scheues Reh, das unter Artenschutz gestellt und von staatlicher Seite gepflegt werden muss. Sprache wird gesprochen und geschrieben und wenn sie nicht gesprochen wird, stirbt sie aus. Wir dürften uns sicher sein, dass junge Menschen heute in Social Networks und SMS-Nachrichten mehr Text produzieren, als unsere Elterngeneration je handschriftlich geschrieben hat. Auch wenn die Müllers, Schneiders und Sicks es nicht begreifen wollen: Diese jungen Menschen kommunizieren in der Sprache, die in diesem Moment den Stand der deutschen Sprache darstellt. Wenn es überhaupt Sprachen gibt, die in Deutschland eines gesetzlichen Schutzes bedürfen, dann sind es die Regionalsprachen und Dialekte (die streng linguistisch betrachtet keine Sprachen, sondern Varietäten sind).

Ganz schnell ist man bei dem Thema ja dann immer bei Goethe, Schiller und Adalbert Stifter und der Behauptung, dass man so “schönes” Deutsch heutzutage gar nicht mehr höre. Dieser Aussage liegen gleich mehrere Denkfehler zugrunde: Erstens ist Schönheit subjektiv, zweitens haben auch zur Zeit der Weimarer Klassik die wenigsten Bauern schöne, druckreife Sätze gesprochen (geschweige denn geschrieben), und drittens empfiehlt einem jede treusorgende Buchhändlerin bei Interesse sicher gerne ein paar Dutzend zeitgenössischer Autoren, die mit der deutschen Sprache formvollendet umzugehen verstehen.

Das Perfide an der Nummer mit dem Grundgesetz ist natürlich auch: Wer im Bundestag gegen diesen albernen Vorschlag stimmen würde, dürfte sein Gesicht mit ziemlicher Sicherheit am nächsten Tag auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung (kreativster Umgang mit deutscher Sprache: “Wir sind Papst”) wiederfinden, versehen mit der Frage “Was haben Sie gegen unsere schöne deutsche Sprache?”

Für den Beginn würde es also vielleicht reichen, wenn unsere Politiker ein wenig nachdächten, bevor sie ihre Münder öffneten, und wenn unsere Zeitungen uns auch mal ab und an mit ein paar ausgewählten Formulierungen erfreuten. Ich bin sicher: zwei Drittel der Bevölkerung hätten damit Probleme, aber das war in der Goethezeit ja nicht anders.

Einen wie üblich sehr fundierten Artikel zum Thema “Amtssprache Deutsch” hat Anatol Stefanowitsch bereits vor anderthalb Jahren im Bremer Sprachblog veröffentlicht.

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Leben

… und nächste Woche verklage ich jemanden!

So langsam dürfte der Kleinkrieg, den sich die Post- und Paketzusteller mit mir liefern, als das durchgehen, was in manchen Kreisen gerne “Kult” genannt wird.

Ist entsetzt: Postkunde Lukas H.
Ist entsetzt: Postkunde Lukas H.
Schon wieder hat ihm der Postbote eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten geworfen!
Schon wieder hat ihm der Postbote eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten geworfen!

Andererseits bin ich auch nur noch 42 Jahre vom derzeitigen Renteneintrittsalter entfernt und habe “Nationalität: deutsch” in meinem Ausweis stehen, von daher denke ich, es ist der richtige Zeitpunkt für mein erstes handgeschriebenes Schild im Treppenhaus:

Lieber Postbote, wenn Sie mir noch einmal eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten werden, ohne vorher auch nur bei mir geklingelt zu haben, werde ich mich bei Ihren Vorgesetzten beschweren! Mit freundlichen Grüßen,

Nachtrag, 29. November: Irgendjemand hat den Zettel heute abgerissen und in den Papierkorb geworfen.

Nachtrag, 1. Dezember: Erste Erfolge werden sichtbar: Mein Mitbewohner hatte heute eine Benachrichtigungskarte mit dem Vermerk “12:00 Uhr geklingelt!” im Briefkasten. Ich nehme mal an, er hat zu der Zeit noch geschlafen. Ich war jedenfalls nicht da.

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Rundfunk Politik

Börek Obhammer

In einer Woche wird in den USA ein neuer Präsident gewählt.

Ob die deutschen Journalisten bis dahin noch lernen werden, dass der Name des demokratischen Kandidaten [bəˈrɑːk oʊˈbɑːmə] ausgesprochen wird und nicht [‘bæræk o’bæmɑ]?

Nachtrag, 13:22 Uhr: Auf vielfachen Wunsch gibt’s das Ganze jetzt auch audiovisuell:

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Musik

Aber hier leben? Nein, Danke!

Aus dem aktuellen Tocotronic-Newsletter:

Liebe FreundInnen,
es ist unfassbar: Anläßlich des Tages der Deutschen Einheit hat der ansonsten von uns hochgeschätzte Musikvideosender MTV auf seiner Internetseite unter der Überschrift “Heimatmelodien” (!) ein Voting für den besten deutschen Songtext (“Deutschland – Land der Dichter und Denker”) gestartet. Auch unsere Gruppe, Tocotronic, ist dort mit dem Text zu dem Lied “Imitationen” vertreten. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir nichts, aber auch gar nichts von unserer Teilnahme an dieser höchst zweifelhaften Aktion gewußt haben und wir auch nichts von solchen heimatduseligen Lyrikwettbewerben halten. Im Gegenteil: Eine solches Voting repräsentiert so ziemlich das genaue Gegenteil der von uns propagierten Inhalte. Dies nur mal so nebenbei.
Viele Grüsse
Tocotronic

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Rundfunk Gesellschaft

Nicht lustig

Vielleicht ist es ein grundsätzlicher Fehler, sich mit “TV Total” überhaupt auseinandersetzen zu wollen. Dieser allenfalls noch lauwarmen Mischung aus Resteverwertung und Crosspromotion, die inzwischen in etwa so schlimm ist wie das Unterschichtenfernsehen, das beim Start der Sendung vor neuneinhalb Jahren noch in den Einspielern zu sehen war. Dieser Show, die zuletzt Aufmerksamkeit erregte, weil sich ein Kandidat ins Studio erbrach. Aber weil ich die Sendung gestern Abend versehentlich gesehen habe, will ich mich doch mal kurz aufregen:

Vorgestern wurden die Spielorte für die Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland bekannt gegeben — und Mönchengladbach und Bochum sind dabei!

Das Thema Frauenfußball finden die Gag-Autoren (und ich habe lange überlegt, ob ich das Wort in Gänsefüßchen packen soll, fand das dann aber zu Leserbrief-mäßig) von “TV Total” sowieso total lustig, weil sie da immer ihre Lesben-Witze, die Hans-Werner Olm und Jürgen von der Lippe seit Mitte der Achtziger unbesehen zurückgehen lassen, unterbringen können. Für gestern hatte man sich aber folgendes ausgedacht: Raab, der seine Witzchen wie immer mit einer “Scheißegal”-Haltung, bei der Harald Schmidt neidisch würde, von Pappen abzulesen versuchte, sollte immer wieder auf die Meldung zu sprechen kommen, aber bevor er die Spielorte vorstellen konnte, sollte immer irgendeine “total wichtige Eilmeldung” von der Sorte “Sack Reis in China umgefallen” eingeschoben werden. So unwichtig ist Frauenfußball nämlich, ha ha. Zusätzlich wurden zwei hässliche Männer als Mannsweiber kostümiert, “Birgit Prinz” und “Kerstin Garefrekes” genannt und immer wieder für später als Gäste angekündigt, wobei für ihren Auftritt am Ende – ha ha – natürlich keine Zeit mehr blieb.

Dass die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen seit 1997 fünf internationale Titel gewonnen hat (zum Vergleich: die der Männer im gleichen Zeitraum null) — geschenkt. Es geht mir auch noch nicht mal um den unverholenen Sexismus, der solche Aktionen durchweht (der disqualifiziert die Macher der Sendung selbst laut genug). Es ist nur einfach so, dass solche Einlagen nicht mal lustig wären, wenn Raab sie in einem Clownkostüm und einem auf die Stirn getackerten Schild mit der Aufschrift “Lustig! Lachen” vortragen würde.

Allein zur Meldung, dass in den Stadien von Borussia Mönchengladbach und dem VfL Bochum Fußballländerspiele stattfinden sollen, fielen mir als Gladbach-Fan und Bochum-Sympathisant ein Halbdutzend Witze über die derzeitige Situation bei den beiden Mannschaften ein. Auch die Spielorte Augsburg, Dresden, Leverkusen, Sinsheim und Wolfsburg böten genug Möglichkeit, sich wenigstens über die Städte lustig zu machen, wenn man schon doof irgendwas bashen will. Sich irgendwas Witziges zu dem Thema auszudenken, ist erstens nicht schwer und zweitens Aufgabe von einem Haufen von Gag-Autoren.

Und dann die Nummer mit den “vergessenen Gästen”, die jegliches Timing vermissen ließ: Natürlich ist die auch noch schlecht geklaut, denn der Gag bei Jimmy Kimmel besteht ja darin, einen Weltstar zu “vergessen” und nicht nachgebaute Vertreterinnen einer Sportart, die medial sowieso nicht gerade überrepräsentiert ist. Wenn die Nummer überhaupt zu irgendwas taugte, dann als abschreckendes Beispiel.

Aber es sind ja nicht nur die Autoren. Die können sich viel erlauben, weil es in Deutschland sowieso keine guten Comedy-Shows als Konkurrenz gibt und der Humor der Deutschen nicht umsonst weltweiten Spott genießt. Es ist auch der Moderator, dem seine eigene Sendung so völlig egal ist, dass die besten Lacher in dem Moment entstehen, wenn es ihm selbst auffällt. Stefan Raab ist sicher ein verdienstvoller TV-Schaffender (vermutlich der Wichtigste in diesem Jahrzehnt), aber “TV Total” ist ein völliges Desaster.

Alles, wirklich alles an der Sendung ist schlimm: der Standup; die Ausschnitte, die inzwischen weitgehend unkommentiert und reflektiert abgenudelt werden; die Einspieler mit lustigen Straßeninterviews, die erstens soooo 1998 sind und bei denen zweitens die Fragen in der Nachbearbeitung von diesem Mann mit der ach-so-lustigen Stimme vorgelesen werden; die Gäste, die Raab völlig egal sind, und über die er die Hintergrund-Infos allenfalls während der Show liest.

Alle paar Wochen, wenn Tiere zu Gast sind oder die Hersteller von Elektrorollern, ist Raab bei der Sache. Dann macht es ihm Spaß und mit ein wenig Glück kommen dabei wirklich lustige, bisweilen brillante Aktionen rum. Wenn irgendein Redakteur Wert darauf legen würde, unterhaltsames Fernsehen zu produzieren, würde er an genau der Stelle ansetzen. Aber so lange ProSieben die Verträge trotz sinkender Quoten verlängert, scheinen alle zufrieden zu sein. Und wenn die einzige “Konkurrenz” ungefähr drei Mal im Jahr unter dem Titel “Schmidt & Pocher” versendet wird, ist das sogar fast nachzuvollziehen. Zuschauer, die echte Late-Night-Unterhaltung wollen, sehen sich eh die US-Originale im Internet an.