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Auf der Straße zur Ironie-Hölle

„Iro­ny is over. Bye bye.“
(Pulp – The Day After The Revo­lu­ti­on)

In der „Zeit“ von letz­ter Woche beschreibt Nina Pau­er zwei post­mo­der­ne Phä­no­me­ne: das der Fremd­scham und der Iro­nie. Anhand von Cas­ting- und Kup­pel­shows, von „Bad Taste“-Partys und „Bra­vo Hits“ ver­han­delt sie das Zele­brie­ren von Din­gen, die man eigent­lich ver­ab­scheut. Die Über­schrift „Wenn Iro­nie zum Zwang wird“ ver­knappt den sehr lesens­wer­ten Arti­kel lei­der etwas, denn tat­säch­lich geht es hier um zwei Phä­no­me­ne mit ähn­li­chen Sym­pto­men und einer gewis­sen Schnitt­men­ge.

Da sind zum einen die Fern­seh­shows, die ähn­lich funk­tio­nie­ren wie der sprich­wört­li­che Auto­un­fall: Sie zie­hen ihre Fas­zi­na­ti­on aus dem „Grau­en“, des­sen sich der Zuschau­er nicht erweh­ren kann. Cas­ting­shows möch­te ich mal aus­klam­mern, die sehe ich nicht (mehr). Vie­le wer­den offen­bar von zutiefst ver­bit­ter­ten Zyni­kern ver­ant­wor­tet, die im Leben nicht die Eier hät­ten, sich vor drei Leu­te (geschwei­ge denn eine Fern­seh­ka­me­ra) zu stel­len, um ein Lied zu sin­gen. Ihnen sol­len die Fuß­nä­gel ein­wach­sen und die Haa­re aus­fal­len.1 Die Part­ner­su­chen bei „Bau­er sucht Frau“ oder „Schwie­ger­toch­ter gesucht“ mögen ähn­lich zynisch pro­du­ziert sein, las­sen mei­nes Erach­tens aber auch Raum für mehr.

Wenn sich heu­te Men­schen auf der Couch oder im Inter­net ver­sam­meln, um gemein­sam „Bau­er sucht Frau“ zu schau­en (und vor allem zu bespre­chen), dann machen sie dabei Din­ge, die Men­schen seit Jahr­tau­sen­den tun: So hof­fen sie auf den kathar­ti­schen Effekt von „Jam­mer und Schau­der“, den schon Aris­to­te­les in sei­ner „Poe­tik“ beschrie­ben hat – nur, dass sich Aris­to­te­les unter „Jam­mer und Schau­der“ etwas ande­res vor­ge­stellt hat als gel­be Pull­over und Zun­gen­wurst­bro­te. Auch war es in frü­he­ren Jahr­hun­der­ten ein belieb­ter Zeit­ver­treib der Ober­schicht, sich die Leu­te, die in einem damals so genann­ten „Irren­haus“ ein­sa­ßen, anzu­se­hen wie Tie­re im Zoo.

Heu­te sind die Opfer die­ser Besich­ti­gun­gen nicht mehr „irre“, son­dern „pein­lich“, was ein noch sub­jek­ti­ve­res Urteil ist. Nie­mand, der noch alle Tas­sen im Schrank hat, wür­de auf die Idee kom­men, aufs Land zu fah­ren um Bau­ern beim Braut­wer­ben zuzu­se­hen, aber wenn RTL das schon mal gemacht hat, kann man sich das ja mal anse­hen. Das Prin­zip gleicht dem des „delightful hor­ror“, der sich ein­stellt, wenn man aus dem Lehn­stuhl her­aus die Schil­de­run­gen von uner­klär­li­chen Phä­no­me­nen oder bru­ta­len Ver­bre­chen in den Büchern der Schau­er­ro­man­tik liest – nur, dass wir heu­te selbst fest­le­gen, wovor es uns schau­dert.

* * *

Nina Pau­er schreibt:

Pünkt­lich um 20.15 Uhr for­mie­ren sich die Abitu­ri­en­ten, Stu­den­ten, Dok­to­ran­den oder viel­ver­spre­chen­den Berufs­ein­stei­ger zu einem ver­gnüg­ten Publi­kum, das bei Chips und Süßig­kei­ten nichts ande­res tut, als sich der lust­vol­len Kon­trär­fas­zi­na­ti­on des Schlim­men hin­zu­ge­ben. „Wie pein­lich ist das denn?!“, kreischt der Chor, den Zei­ge­fin­ger kol­lek­tiv auf den Fern­se­her gerich­tet.

Ich bin auch öfters Teil sol­cher Run­den, wenn RTL (wie aktu­ell) wie­der ein­mal Schwie­ger­töch­ter und Bau­ern­frau­en sucht. Alle Teil­neh­mer wür­de ich als durch­aus auf­ge­klär­te Men­schen mit einem rei­nen Her­zen bezeich­nen, Zyni­ker sind kei­ne dabei. Gera­de des­halb habe ich mich schon öfter gefragt, ob es mora­lisch eigent­lich ver­ant­wort­bar ist, die­se Sen­dun­gen zu gucken und zu kom­men­tie­ren.

Grund­sätz­lich könn­te man erst ein­mal sagen, dass es kein Opfer im klas­si­schen Sin­ne gibt – die Kan­di­da­ten krie­gen mög­li­che böse Kom­men­ta­re ja gar nicht mit.2 Auch das Begu­cken die­ser Men­schen erfolgt ja nur aus zwei­ter Hand – das Kind ist schon in den Brun­nen gefal­len, also kann man es sich auch anse­hen. Letz­te­res ist natür­lich Quatsch: Wenn nie­mand mehr hin­se­hen wür­de, wie RTL Kin­der in den Brun­nen schmeißt, wür­de der Sen­der sicher damit auf­hö­ren. Und man muss sich ja auch kei­ne töd­li­chen Unfäl­le im Renn­sport anse­hen, nur weil sie auf Video gebannt sind.

Ich glau­be nicht, dass die Gering­schät­zung ande­rer die Haupt­mo­ti­va­ti­on ist, sol­che Sen­dun­gen zu sehen – der Reiz ent­steht aus dem Gemein­schafts­ge­fühl her­aus, was man als bil­li­ges Mit­tel zur Fra­ter­ni­sie­rung abtun, aber auch neu­tral oder posi­tiv wer­ten kann. Kaum jemand möch­te oder kann so eine Sen­dung allei­ne sehen. Dar­über hin­aus ist es ja auch so, dass das Stirn­run­zeln über Flie­sen­ti­sche, Tief­kühl­piz­zen und Kose­na­men nicht all­zu lang eine befrie­di­gen­de Frei­zeit­be­schäf­ti­gung abgibt. Wenn ich eine Sen­dung nur schlimm fän­de, wür­de ich sie nicht gucken.3 Bei „Bau­er sucht Frau“ gibt es aber immer wie­der rüh­ren­de Ele­men­te, in denen das bes­ser­wis­se­ri­sche Lachen ech­tem Mit­ge­fühl weicht.4

Als Vera Int-Veen im Febru­ar den „Reg­a­lauf­fül­ler“ Ste­fan an die Frau zu brin­gen ver­such­te, war das nicht mehr im Min­des­ten wit­zig: Der Mann hat­te so offen­sicht­li­che Pro­ble­me, sich zu arti­ku­lie­ren und mit den Situa­tio­nen zurecht zu kom­men, in denen ihn das Pro­duk­ti­ons­team plat­ziert hat­te, dass die Arsch­loch­haf­tig­keit der Macher alles ande­re über­strahl­te. In der aktu­el­len Staf­fel von „Bau­er sucht Frau“ geht der bis­her größ­te Fremd­scham­mo­ment auf das Kon­to von Mode­ra­to­rin Inka Bau­se: Zum ers­ten Mal sucht ein homo­se­xu­el­ler Bau­er einen, ja: Mann und Bau­se war von der Situa­ti­on so offen­sicht­lich über­for­dert, dass sie ihn mit den Wor­ten ansprach: „Du bist ja hier der ers­te Bau­er Dei­ner Art.“ Als der „pflei­ßi­ge Pfer­de­wirt“ ganz locker „Der ers­te schwu­le Bau­er, ja“, ant­wor­te­te, frag­te Bau­se noch ein­mal nach, ob sie „das so sagen“ dür­fe. So schlimm kön­nen zehn­tau­send Zun­gen­küs­se bei offe­nem Mund nicht sein.

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Ich glau­be übri­gens, dass die­se Kup­pel­shows auch mit Kan­di­da­ten funk­tio­nie­ren wür­den, die den Zuschau­ern deut­lich ähn­li­cher sind:5 Lie­be und vor allem ihre Anbah­nung ist nie cle­ver.6 Im Leben geht es fast nie zu wie bei „Ally McBe­al“ oder bei „Bridget Jones“, wo sich gut­aus­se­hen­de Men­schen im leich­ten Schnee­fall auf offe­ner Stra­ße küs­sen, nach­dem sie eine geist­rei­che Bemer­kung gemacht haben.

Vor vie­len Jah­ren, in der Dai­ly Soap „Unter uns“, schrieb die Per­son der Ute, die damals frisch in die Schil­ler­al­lee zurück­ge­kehrt war, einen Brief an ihren spä­te­ren Ehe­mann Till, in dem sie erklär­te, sie sei der­art ver­liebt, dass sie bei jedem Lie­bes­lied im Radio mit­sin­gen müs­se, auch bei den Schla­gern, die sie frü­her immer pein­lich und doof gefun­den habe.7 Das, mei­ne Damen und Her­ren, ist Lie­be! Sie ist pein­lich, aber ohne wären wir nicht hier.

* * *

Doch zurück zur „Fremd­scham“ und zum „Pein­li­chen“, das Nina Pau­er beschreibt: Ande­re Leu­te pein­lich fin­den ist eine Emo­ti­on, die meist in der Puber­tät erst­ma­lig auf­taucht und dann vor allem gegen die eige­nen Eltern gerich­tet ist. Das ist von der Natur so gewollt: Das Leben beschert einem so ein paar Jah­re unbe­schwer­ter Frei­heit und sinn­lo­ser Frei­heits­kämp­fe, ehe die Erkennt­nis ein­kehrt, dass bio­lo­gi­sche Ver­an­la­gung und Erzie­hung mäch­ti­ger sind als jedes Scham­ge­fühl und man natür­lich wie die eige­nen Eltern gewor­den ist. Als aus­glei­chen­de Gerech­tig­keit fin­den einen dann zwan­zig Jah­re spä­ter die eige­nen Kin­der pein­lich.

Sich für eine ande­re Per­son zu schä­men, ist aber auch eine weit­ge­hend irra­tio­na­le Reak­ti­on, zumal, wenn man in kei­ner­lei per­sön­li­cher Ver­bin­dung zu die­ser Per­son steht. Die wis­sen­schaft­li­che Erfor­schung die­ses Phä­no­mens steht aller­dings noch ziem­lich am Anfang.

Nina Pau­er führt aus:

Als gemein­sa­mes Ritu­al wirkt die Fremd­scham wie eine Kom­pen­sa­ti­on der indi­vi­du­el­len Angst, die ansons­ten über­all lau­ert. Denn wie schwer ist es, die­sem all­ge­gen­wär­ti­gen Adjek­tiv „pein­lich“, das unse­re Zeit bestimmt, zu ent­rin­nen! Nahe­zu unmög­lich und vor allem furcht­bar anstren­gend ist es gewor­den, im weit und sub­til ver­äs­tel­ten ana­log-vir­tu­el­len Netz­werk stets die Balan­ce aus läs­si­gem Under­state­ment, hüb­scher Iro­nie und gleich­zei­ti­ger Selbst­ver­mark­tung zu pfle­gen. Die Codes sind unend­lich: Mit dem neu­es­ten Smart­phone prah­len? Pein­lich! Immer noch kei­nes haben? Pein­lich! Zucker­sü­ße Pär­chen­fo­tos auf Face­book ver­öf­fent­li­chen? Pein­lich! Das eige­ne Mit­tag­essen abfo­to­gra­fie­ren, den Stolz über den neu­en Job all­zu offen­sicht­lich zei­gen? Zu vie­le Freun­de haben? Zu weni­ge? Pein­lich, pein­lich! Musik hoch­la­den, die alle schon ken­nen? Musik hoch­la­den, die nie irgend­wer kennt? PEINLICH!

Wenn tat­säch­lich alles pein­lich ist, man also in jeder Situa­ti­on nur ver­lie­ren kann, ist ja alles wie­der völ­lig nivel­liert und man kann nur gewin­nen.

Frau Pau­er nutzt die­se Pas­sa­ge aber, um von der Fremd­scham zur „insze­nier­ten Fremd­scham“ und damit zur Iro­nie zu kom­men. Iro­nie, das lernt man irgend­wann als Kind, ist das Gegen­teil von dem zu sagen, was man meint – also eigent­lich das, was man vor­her als „Lügen“ ken­nen­ge­lernt hat und was man nicht tun soll­te. Das trifft den Sach­ver­halt zwar nur zum Teil, ist aber das, was sich die aller­meis­ten Men­schen unter „Iro­nie“ vor­stel­len und es ent­spre­chend prak­ti­zie­ren. Das ist natür­lich ster­bens­lang­wei­lig.

Als Tra­vis im Jahr 2000 anfin­gen, „Baby One More Time“ von Brit­ney Spears auf ihren Kon­zer­ten zu covern, gin­gen vie­le erst ein­mal von Iro­nie aus. Aber Fran Hea­ly, der das Lied mit viel Inbrunst vor­trug, sag­te, sie hät­ten den Song ein­fach nach­ge­spielt, weil sie ihn so schön fan­den. Und tat­säch­lich wäre es auch dann noch ein schö­nes Lied, wenn Kom­po­nist und Tex­ter Max Mar­tin sich beim Schrei­ben über die Nai­vi­tät und Dumm­heit sei­nes Lyri­schen Ichs kaputt gelacht hät­te.

„Iro­ny is cer­tain­ly not some­thing I want to be accu­sed of“, hat Craig Finn, der Sän­ger mei­ner Lieb­lings­band The Hold Ste­ady, mal gesagt und ich fin­de auch, dass Lied­tex­te mög­lichst auf­rich­tig sein soll­ten.8 Dann besteht zwar schnell wie­der die Gefahr der Fremd­scham, aber damit muss man klar kom­men. Man kann das Werk ver­ur­tei­len, soll­te dem Künst­ler aber Respekt zol­len.

Die Zeit der iro­nisch gemein­ten Bei­trä­ge beim Euro­vi­si­on Song Con­test, die not­wen­dig war, um das schnar­chi­ge Schla­ge­re­vent der 1990er Jah­re zu ent­stau­ben, ist ja inzwi­schen zum Glück auch wie­der vor­bei. Als ich im Mai von jetzt.de zum Dus­log inter­viewt wur­de, war der Repor­ter sehr ver­ses­sen dar­auf, uns eine iro­ni­sche Hal­tung zum Grand Prix zu unter­stel­len. Natür­lich kann man die musi­ka­li­schen Bei­trä­ge nicht alle ernst neh­men,9 aber wenn ich die Ver­an­stal­tung in Oslo schei­ße gefun­den hät­te, wäre ich sicher kein zwei­tes Mal hin­ge­fah­ren.

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Natür­lich soll­te man sich selbst und die Welt nicht zu ernst neh­men, aber man soll­te auch nicht bis zur Selbst­ver­leug­nung mit den Augen zwin­kern. Ich könn­te schlicht kei­ne Musik hören, die ich nicht mag, kei­ne Kla­mot­ten (oder gar Fri­su­ren oder Gesichts­be­haa­run­gen) tra­gen und auch nichts in mei­ne Woh­nung stel­len oder hän­gen, was ich nicht irgend­wie gut fin­de. „We Built This City“ von Star­ship ist einer der kano­nisch schreck­lichs­ten Songs der Musik­ge­schich­te, aber irgend­et­was spricht das Lied in mir an – und das mei­ne ich nicht auf die „So schlecht, dass es schon wie­der gut ist“-Art. Ande­rer­seits wür­de ich nie in Skin­ny Jeans rum­lau­fen, weil ich die ein­fach mords­un­be­quem fin­de.

Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re hat schon 1999 einen Text über Iro­nie ver­fasst,10 in dem er von der „Drü­ber­lus­tig­mach­müh­le“ schreibt und dann eine Fra­ge auf­wirft, die er sich sogleich selbst beant­wor­tet:

Ten­nis­so­cken sind fürch­ter­lich, kei­ne Fra­ge, aber ist nicht das zwangs­ver­ord­ne­te Drü­ber­la­chen noch schlim­mer? Und dann tra­gen also Leu­te wie­der Ten­nis­so­cken, aus Pro­test, und das ist viel­leicht zu ver­ste­hen, aber ja auch so krank, weil sie damit also, nur der Abgren­zung wegen, schlim­me Socken tra­gen. Und dann nicht ein­fach still die­se Socken dünn­lau­fen, son­dern tat­säch­lich ERKLÄREN, war­um sie die tra­gen, um sich zumin­dest, oh ja, INHALTLICH zu unter­schei­den von jenen, die die­se Socken nicht schon wie­der, son­dern immer noch tra­gen. Irgend­wie muß man die Neu­zeit ja rum­krie­gen.

Im „Zeit“-Artikel steht die­ses aktu­el­le Bei­spiel:

In engen brau­nen Män­ner­slips über rosa Trai­nings­an­zü­gen aus Bal­lon­sei­de trifft man sich, am bes­ten mit einem allein zum Zweck der Par­ty gewach­se­nen fie­sen Schnau­zer im Gesicht, zum Dosen­ste­chen in der Küche.

Noch bevor die Hips­ter so genannt wur­den, gab es den „Iro­ny-Schnäuz“. Irgend­wann gab es dann die iro­nisch gebro­che­nen Hips­ter, die ech­te Hips­ter eigent­lich schei­ße fan­den, aber genau­so rum­lie­fen. Der Schnauz­bart war zu die­sem Zeit­punkt schon min­des­tens zwei Mal umge­deu­tet wor­den, aber da geht sicher noch mehr. Nur: War­um?

In einem Text aus dem Juli 199911 beklagt sich Max Goldt über Men­schen, die eine gol­de­ne Schall­plat­te oder eine Urkun­de auf der Gäs­te­toi­let­te plat­zie­ren:

So wird die Toi­let­te zum Ort der Insze­nie­rung von Selbst­iro­nie, einer Eigen­schaft, die in der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on hoch im Kurs steht. Des­halb ist es erheb­lich eit­ler, sei­ne Zer­ti­fi­ka­te in Bad oder WC unter­zu­brin­gen, als sie naiv und arg­los im Wohn­zim­mer zur Schau zu stel­len.

Goldt erklärt auch12 den Unter­schied zwi­schen Zynis­mus und Sar­kas­mus:

Zynis­mus ist eine destruk­ti­ve Lebens­auf­fas­sung, wäh­rend Sar­kas­mus das Resul­tat von trot­zi­ger For­mu­lie­rungs­kunst ist, die über einen spon­ta­nen Zorn auf ein Mei­nungs­ei­ner­lei hin­weg­hilft. Zynis­mus ist ein Resul­tat von Ent­täu­schung und inne­rer Ver­ein­sa­mung. Er besteht im Negie­ren aller Wer­te und Idea­le, im Ver­höh­nen der Hoff­nung, im Haß auf jedes Stre­ben nach Bes­se­rung.

Sind dann die beschrie­be­nen „Bad Taste“-Partys nicht eher zynisch als iro­nisch?

Ich ver­ste­he den Reiz nicht, der dar­in lie­gen soll­te, sich so zu klei­den, wie man nie aus­se­hen woll­te, und Musik zu hören, die man nie hören woll­te. Ers­tens grenzt das doch an Schi­zo­phre­nie und zwei­tens fin­de ich das unfair gegen­über den Leu­ten, denen die­se Musik etwas bedeu­tet. Denn auch wenn ich Schla­ger oder Volks­mu­sik kit­schig und doof fin­den soll­te, so gibt es doch Leu­te, denen die­se Musik etwas bedeu­tet.13 Ich fin­de es auch lang­wei­lig, ein Album nur des Ver­ris­ses wegen zu ver­rei­ßen.

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Auch Chuck Klos­ter­man hat sich dem The­ma Iro­nie gewid­met.14 Er schreibt:

An iro­nist is someone who says some­thing untrue with unclear sin­ce­ri­ty; the degree to which that state­ment is fun­ny is based on how many peo­p­le rea­li­ze it’s fal­se. If ever­y­bo­dy knows the per­son is lying, nobo­dy cares. If nobo­dy knows the per­son is lying, the spea­k­er is a luna­tic. The ide­al ratio is 65–35: If a slight majo­ri­ty of the audi­ence can­not tell that the inten­ti­on is come­dic, the sub­stan­ti­al mino­ri­ty who do under­stand will feel bet­ter about them­sel­ves. It’s an exclu­sio­na­ry kind of humor.

Wenn jeder Depp alles nur noch „iro­nisch“ meint, ist es kein Witz mehr, dann ist es nicht mal mehr Komö­die, son­dern Tra­gö­die.

Nina Pau­er schreibt dazu in der „Zeit“:

Wo poten­zi­ell alles pein­lich ist, bleibt nichts als der ewi­ge iro­ni­sche Reflex. Die Iro­nie wird zum Stan­dard und die Distanz zum Zwang. Dann regie­ren die Zwin­kers­mi­leys, die alles Gesag­te, Geschrie­be­ne, Geta­ne sofort rela­ti­vie­ren, um bloß immer „safe“ zu sein. Von der Freu­de an der Pein­lich­keit ist dann nicht mehr viel übrig. Die Lust wird zu ihrem Gegen­teil, zur Lan­ge­wei­le.

Es ist nicht nur lang­wei­lig, es ist auch wahn­sin­nig anstren­gend.

Klos­ter­man stellt in sei­nem Essay den Weezer-Sän­ger Rivers Cuo­mo, den Regis­seur Wer­ner Her­zog und den ame­ri­ka­ni­schen Poli­ti­ker Ralph Nader neben­ein­an­der, denen er alle­samt nach­weist bzw. unter­stellt, völ­lig iro­nie­frei zu sein. Her­zog etwa sagt, er habe einen „Defekt“, der ihn dar­an hin­de­re, Iro­nie zu ver­ste­hen, und Klos­ter­man fügt an, die meis­ten von uns hät­ten das gegen­tei­li­ge Pro­blem: Wir wür­den auch dort Iro­nie ver­ste­hen, wo gar kei­ne vor­han­den ist.

Rivers Cuo­mo trug das, was man heu­te „Nerd­bril­le“ nennt, immer­hin schon in den frü­hen Neun­zi­gern, als es grad nicht cool oder lus­tig war.15 Heu­te schreibt er Lie­der dar­über, dass er in Bever­ly Hills woh­nen wol­le, und Klos­ter­man ist sich sicher, dass Cuo­mo das genau so meint. Die Fans wären aller­dings ent­täuscht, weil sie es für Iro­nie hiel­ten und sich ver­arscht fühl­ten – und das ist dann natür­lich auch schon wie­der Iro­nie, und zwar die des Schick­sals.

* * *

Die Post­mo­der­ne hat, neben Fremd­scham und Über-Iro­ni­sie­rung, noch ein wei­te­res Phä­no­men her­vor­ge­bracht: Stän­dig hin­ter­fragt man jetzt alles, vor allem aber sich selbst. Wer sich fragt, ob er irgend­et­was gut fin­den dür­fe, hat noch nichts ver­stan­den. Er hat die Frei­heit (fast) alles gut zu fin­den, was er gut fin­den mag. Allen­falls die Aus­wahl poten­ti­ell gut find­ba­rer Din­ge und Per­so­nen kann einen etwas über­for­dern.

Das bedeu­tet natür­lich letzt­lich auch: Man kann auch „Bau­er sucht Frau“ gucken, ohne sich dafür zu schä­men.

  1. Außer in den Ohren und den Nasen­lö­chern, da soll es wuchern wie im Ama­zo­nas­ge­biet. []
  2. Ich glau­be auch, dass das, was man zu mei­ner Schul­zeit „Läs­tern“ nann­te, nicht grund­sätz­lich ver­werf­lich ist, solan­ge etwa die Per­son, über die geläs­tert wird, davon nichts mit­be­kommt, und solan­ge man nicht vor­ner­um nett zu jeman­dem ist, über den man dann hin­ten­rum läs­tert. Außer­dem kön­nen ande­re ja auch über mich läs­tern, wenn sie wol­len. Die­se Posi­ti­on hat schon zu lan­gen, uner­gie­bi­gen Dis­kus­sio­nen geführt. []
  3. Tat­säch­lich bin ich bei der aktu­el­len Staf­fel „Schwie­ger­toch­ter gesucht“ sehr schnell wie­der aus­ge­stie­gen, weil es außer aus­ge­walz­ten Merk­wür­dig­kei­ten nicht viel zu sehen gab. []
  4. Ob die por­trä­tier­ten Bau­ern dar­auf gewar­tet haben, ist natür­lich wie­der frag­lich. []
  5. Wobei das eigent­lich jetzt schon gel­ten muss: Es kann ja hier­zu­lan­de kei­ne acht Mil­lio­nen Eli­tis­ten geben, die es sich auf ihrem hohen Ross bequem gemacht haben, also müs­sen auch zahl­rei­che Zuschau­er mit Flie­sen­ti­schen, Tief­kühl­piz­zen und Kose­na­men dar­un­ter sein. []
  6. So wie Sex nie ästhe­tisch ist. []
  7. Der Brief geriet übri­gens in die Hän­de der San­dra, dar­ge­stellt von Dor­kas Kie­fer, die ihn laut vor­las und sich über Ute lus­tig mach­te. Wel­che Akti­on ist pein­li­cher? Dis­cuss! []
  8. Iro­nie soll­te höchs­tens von Bri­ten als Stil­mit­tel in Songs ein­ge­setzt wer­den. Die ver­ste­hen dar­un­ter etwas ande­res als „das Gegen­teil von dem sagen, was man meint. []
  9. Gera­de nicht „I Love Bela­rus“, den man aus poli­ti­schen Grün­den als ein­zi­gen ernst hät­te neh­men müs­sen. []
  10. Nach­zu­le­sen in „Remix“. []
  11. „Ein Ort der Eitel­keit“ in „Der Krap­fen auf dem Sims“. []
  12. „Mein Nach­bar und der Zynis­mus“, ebd. []
  13. Dass die Tex­te die­ser Lie­der mit­un­ter von Leu­ten geschrie­ben wer­den, denen die Inhal­te und Hörer ziem­lich egal sind, ist eine Meta-Ebe­ne, die ich hier nicht auch noch bespie­len möch­te. []
  14. Im Essay „T Is For True“ in „Eating The Dino­saur“. []
  15. Die­se Bril­le ist tat­säch­lich ein Pro­blem. Als ich letz­tes Jahr auf der Suche nach einer neu­en war, woll­te ich – puber­tä­re Abgren­zung – um jeden Fall zu ver­mei­den, auch so eine zu kau­fen. Das Pro­blem: Mir stand wirk­lich nichts ande­res. Also dach­te ich: „Was soll’s? Ray-Ban gibt’s seit mehr als 50 Jah­ren und ich weiß ja, wie’s gemeint ist.“ (Näm­lich gar nicht.) So wie man sich Musik nicht von ihren Hörern kaputt machen las­sen darf, soll­te man sich auch Mode-Uten­si­li­en nicht von ihren Trä­gern zer­stö­ren las­sen. Ich wür­de auch ger­ne Hem­den von Fred Per­ry tra­gen, wenn die nicht so unfass­bar teu­er wären. []
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Da lacht der Anglist

Unbe­kann­te haben sich in der ver­gan­ge­nen Woche einen Spaß draus gemacht, Todes­mel­dun­gen zu streu­en. Opfer davon waren unter ande­rem Pop­s­tern­chen Brit­ney Spears (27), Schau­spie­ler Jeff Gold­blum (56), Schau­spie­le­rin Nata­lie Port­man (28) – und jetzt auch Schau­spie­ler und Womanzi­ner Geor­ge Cloo­ney (48).

Sowas ist natür­lich nicht lus­tig.

Zumin­dest nicht, bis man weiß, auf wel­cher Sei­te die­se Mel­dung steht:

www.die-topnews.de

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Hörsturz 2008

Wir befin­den uns in dem Zeit­raum, den Men­schen, die auch vor For­mu­lie­run­gen wie „zum Blei­stift“ oder „ich bin nie­mand, der sich hin­stellt und sagt …“ nicht zurück­schre­cken, als „zwi­schen den Jah­ren“ bezeich­nen wür­den. Für mich ist dies immer eine Zeit höchs­ter nerv­li­cher Belas­tung, was nur zu einem gerin­gen Teil dar­an liegt, dass ich auf das Jahr und sei­ne zahl­rei­chen Rück­schlä­ge und Nie­der­la­gen zurück­schau­en muss, und zu einem gro­ßen Teil dar­an, dass ich mich selbst zwin­ge, alber­ne Lis­ten mit den bes­ten Songs und Alben des Jah­res zu erstel­len.

Die­se wer­den erfah­rungs­ge­mäß noch ein wenig auf sich war­ten las­sen (und fünf Minu­ten nach Ver­öf­fent­li­chung als völ­lig falsch und ahnungs­los ver­wor­fen wer­den), aber eine ande­re Lis­te kann ich ja schon mal aus dem Hand­ge­lenk schüt­teln: das Worst Of. (Falls zufäl­li­ger­wei­se Ihr Lieb­lings­song dabei sein soll­te: Die Lis­te ist natür­lich streng sub­jek­tiv und mei­ne Hits des Jah­res wer­den Ihnen bestimmt auch nicht gefal­len.)

Mein Pro­blem bei der Benen­nung der schlimms­ten Songs des Jah­res ist aber fol­gen­des: ich höre (außer an Spiel­ta­gen der Fuß­ball­bun­des­li­ga) kein For­mat­ra­dio. Die meis­ten Songs der Jah­res­charts sind mir (zumin­dest dem Titel nach) unbe­kannt und „I Kissed A Girl“ habe ich ein­fach nicht oft genug gehört, um das Lied von „nett“ auf „schei­ße“ run­ter­zu­stu­fen.

Dass es trotz­dem ein paar Songs geschafft haben, mir nega­tiv auf­zu­fal­len, spricht also defi­ni­tiv gegen sie:

5. Leo­na Lewis – Run
Nein, ich hät­te es erst­mal nicht für mög­lich gehal­ten, dass es mög­lich wäre, einen Snow-Pat­rol-Song zu über­frach­ten. Nor­ma­ler­wei­se gibt die Band selbst ja schon alles, um auf bis zu zehn Bono zu kom­men. Aber was Gary Light­bo­dy man­gels Jodel­di­plom nicht schafft, gelingt der „X Factor“-Gewinnerin Leo­na Lewis spä­tes­tens nach drei Minu­ten: sie singt eine für unzer­stör­bar gehal­te­ne Num­mer in Grund und Boden. Men­schen, die sol­che Stim­men ertra­gen, ohne an die ganz gro­ßen Hacke­beil­chen im hei­mi­schen Mes­ser­block zu den­ken, sind mir suspekt.
(Wie man trotz Cas­ting­show, Über­per­for­mance und Orches­ter einen Song nicht kaputt kriegt, zeigt Alex­an­dra Bur­ke mit Leo­nard Cohens „Hal­le­lu­jah“ – ande­rer­seits kann man einen Song, der von alt­tes­ta­ment­li­chen Geschich­ten und Musik­theo­rie han­delt, auch schwer­lich über­trei­ben.)

4. Revol­ver­held – Hel­den 2008
Revol­ver­held. Ein Hur­ra-Deutsch­land-Fuß­ball-Song. Natür­lich: ein ganz bil­li­ges Opfer. Ande­rer­seits auch ein schö­nes Geschenk: man konn­te das machen, was man als Deut­scher eh fast immer macht (also sich für sei­ne Her­kunft schä­men), und „Wir wer­d’n Euro­pa­meis­ter“ war auch eine Fehl­pro­gno­se. Wer sich mit den Sport­freun­den Stil­ler, Revol­ver­held und Xavier Naidoo umgibt, spielt dann halt hin­ter­her wie eine Mann­schaft mit Micha­el Bal­lack, Miros­lav Klo­se und Mario Gomez.

3. Brit­ney Spears – Woma­ni­zer
Das Video … ach, spre­chen wir nicht über das Video. Muss ja jeder selbst wis­sen, wie weit er sich ernied­ri­gen lässt – viel­leicht schreibt Froll­ein Spears ja nächs­tes Jahr noch für die „B.Z.“. Die Stro­phen ver­spre­chen ja auch noch einen durch­aus net­ten Flo­or­fil­ler, der zwar eher nach 2006 als nach 2008 klingt, aber halt was trotz­dem funk­tio­nie­ren könn­te. Nur hat irgend­ein Idi­ot im Stu­dio ver­ges­sen, einen Refrain ein­zu­fü­gen (das ist der Teil des Lie­des, der immer wie­der kommt und den alle mit­sin­gen kön­nen). Und eine Melo­die, die über einen Umfang von drei Tönen nicht hin­aus­kommt, müss­te schon sehr cat­chy sein, um zu funk­tio­nie­ren. Die hier gewähl­te nervt lei­der nur.

2. Kid Rock – All Sum­mer Long
Die Idee, einen der aus­ge­lutsch­tes­ten Top-40-Radio-Songs zu samplen, könn­te unter Umstän­den wit­zig sein – oder tie­risch schief gehen. „Wir waren jung, haben viel getrun­ken und den Som­mer durch­ge­fei­ert“ ist ein The­ma, mit dem man mich nor­ma­ler­wei­se (Bruce Springsteen, The Ata­ris, A) schnell begeis­tern kann. Aber – Ent­schul­di­gung – Kid Rock geht gar nicht und die­ses Lied rei­tet so lan­ge auf andert­halb net­ten Ideen rum, bis auch der letz­te Kegel­bru­der mit­schun­kelt. Wenn sich Atze Schrö­der nächs­tes Jahr an „Mar­mor, Stein und Eisen bricht“ ver­grif­fe – es könn­te kaum noch schlim­mer sein.

1. Amy Mac­Do­nald – This Is The Life
Ja, ja: Pete Doh­erty und Fran Hea­ly fin­den die Frau ganz toll. Aber ich kann mir nicht hel­fen: seit dem ers­ten Hören klingt „This Is The Life“ für mich, als ob Dolo­res O’Rior­dan von den Cran­ber­ries den Ket­chup-Song singt. Das ist so bie­de­rer Folk­pop, dass mei­ne Füße ein­schla­fen, noch bevor sie den dumpf vor sich hin schnau­fen­den Beat auf­neh­men kön­nen. Hät­te ich einen eige­nen Plat­ten­la­den, fän­den Sie Amy Mac­Do­nald in dem Fach mit der Auf­schrift „Musik für Men­schen, die sonst kei­ne Musik hören“.

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Musik Digital

Sex sells anything

Amazon.de meint der­zeit, preis­wer­te CDs unter der Über­schrift „Sex-Sym­bo­le“ ver­kau­fen zu müs­sen.

Da fin­den sich dann nahe­lie­gen­de Kan­di­da­tin­nen wie Nel­ly Fur­ta­do, Suga­ba­bes, Rihan­na, Shaki­ra, Vanes­sa Para­dis oder Nata­lie Imbru­glia; bedingt nach­voll­zieh­ba­res wie Avril Lavi­gne, Chris­ti­na Agui­lera, Kylie Mino­gue, Ashan­ti, Rob­bie Wil­liams oder Ronan Kea­ting; bereits Ver­stor­be­ne wie Elvis Pres­ley und Aali­yah; in Wür­de Geal­ter­te (Bri­git­te Bar­dot, Jane Bir­kin, Leo­nard Cohen, Bob Dylan, Tom Jones, Euryth­mics) und nur Geal­ter­te (Kim Wil­de, Tom­my Lee, Bil­ly Idol, Aer­o­s­mith, Skid Row, Rod Ste­wart, Tina Tur­ner). Es gibt Unver­meid­li­ches wie Brit­ney Spears und Madon­na, spe­cial inte­rests wie Shania Twa­in, Loo­na, Michel­le, Eva­ne­s­cence und Roger Cice­ro – und es gibt von mir hoch ver­ehr­te Künst­ler, die ich in die­sem Kon­text nun wirk­lich nicht erwar­tet hät­te: The Clash und Ben Folds.

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Digital

Vorher-Nachher-Bilder

“Mumien im Museum” und “Der (politische) Kuss” bei n-tv.de

Nur was ist was, n‑tv.de?

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Musik Digital

Video-Spiele

Weil ja nie­mand den Nerv hat, den gan­zen Tag MTV und Viva lau­fen zu las­sen in der Hoff­nung, mal ein gutes Musik­vi­deo zu sehen (oder über­haupt mal eins) und weil es ja You­Tube gibt, liegt die Zukunft des Musik­vi­de­os im Inter­net.

Und weil ich gera­de so vie­le tol­le Vide­os auf Hal­de habe, hau ich die ein­fach mal nach­ein­an­der raus:

Tra­vis – My Eyes

Tra­vis machen mal wie­der alles rich­tig. Sie kop­peln die rich­ti­ge Sin­gle raus und dre­hen ein über­aus char­man­tes Video, das als Destil­lat aller guten Tra­vis-Vide­os durch­ge­hen kann: Alber­ne Ver­klei­dun­gen, nas­se Band­mit­glie­der und sicht­lich Spaß am Gan­zen.

Bob Dylan (Remi­xed by Mark Ron­son) – Most Likely You Go Your Way (And I’ll Go Mine)

So ganz sicher bin ich mir noch nicht, was ich vom ers­ten Dylan-Remix ever hal­ten soll. Die Glei­chung „Sin­ger/­Song­wri­ter-Legen­de + Pro­du­zent der Stun­de = Meis­ter­werk“ ging jeden­falls nicht ganz auf. Ron­son hat die glei­chen Blä­ser­sät­ze wie über­all sonst ver­bra­ten und lässt den Remix dadurch etwas belie­big wir­ken. Trotz­dem hat der Song sei­nen Charme und das Video ist wirk­lich sehr gelun­gen (wenn auch nicht hier ein­bind­bar, bit­te kli­cken Sie hier).

Oasis – Lord Don’t Slow Me Down

Trotz des Titels die­ses Blogs war ich immer mehr Oasis- als Blur-Fan. Also wird auch jeder neue Oasis-Song gefei­ert, egal wie er klingt. „Lord Don’t Slow Me Down“ [via Pop­kul­tur­jun­kie] wird eine Down­load-Only-Sin­gle und ist der Titel­song zur neu­en Oasis-Tour-DVD. Es ist kein son­der­lich bril­lan­ter Song, hät­te aber gut auf „Don’t Belie­ve The Truth“ gepasst.

Brit­ney Spears – Gim­me More

Nee, war natür­lich nur Spaß. Nicht kli­cken! Och …
Musi­ka­lisch geht die­se Num­mer des Tim­ba­land-Azu­bis Dan­ja natür­lich gar nicht, aber für hor­mo­nell über­steu­er­te Teen­ager gibt’s viel­leicht noch einen Ver­wen­dungs­zweck.
Okay, das war gemein. Ent­schul­digt, lie­be Teen­ager.

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Digital

Desperate Housewife

Kaum ist Eva Her­man beim NDR raus­ge­flo­gen, macht sich die media­le Häme über­all breit. Obwohl ver­ba­le Ent­glei­sun­gen der Aus­lö­ser der gan­zen Geschich­te waren, scheu­en sich diver­se Kom­men­tar­wichs­ma­schi­nen nicht, den anru­fen­den Pres­se­ver­tre­tern noch wei­te­ren Schmonz in ihre Blö­cke zu dik­tie­ren, wo ein ein­fa­ches „Ich habe den Raus­wurf von Frau Her­man mit Erleichterung/​Wohlwollen/​stiller Freu­de zur Kennt­nis genom­men und möch­te die wei­te­re Ana­ly­se gern den betei­lig­ten Par­tei­en und Arbeits­recht­lern über­las­sen“, auch getan hät­te.

Gemei­ner sind nur noch die Bild­re­dak­tio­nen der Online-Medi­en:

Eva Herman (links) und Britney Spears (rechts) bei “Spiegel Online”
Screen­shot: „Spie­gel Online“

Ich hat­te schon bei­na­he einen Herz­still­stand erlit­ten, als ich fest­stell­te, dass die halb­nack­te blon­de Frau bei „Spie­gel Online“ nicht Eva Her­man war, son­dern Brit­ney Spears. Aller­dings dürf­te inzwi­schen für bei­de Damen das gro­ße Bil­ly-Wil­der-Zitat gel­ten, wonach eine Kar­rie­re am Bes­ten in einem Wort zusam­men­ge­fasst wer­den kön­ne: „Vor­bei!“

Es geht aber noch besser/​böser, denn es gibt ja noch „Bild.de“. Oder glau­ben Sie wirk­lich, die­se äußerst unglück­li­che Kom­bi­na­ti­on von Foto und Bild­un­ter­schrift, die puber­tä­res Geki­cher anzieht wie sonst nur Jah­res­ta­ge TV-Doku­men­ta­tio­nen, sei ein Pro­dukt des Zufalls?

Eva Herman bereut ihren Fehltritt bei “Bild.de”
Screen­shot: „Bild.de“

Nach­trag 20:09 Uhr: Okay, ich bin offen­bar der Ein­zi­ge, der das „Bild“-Foto irgend­wie lus­tig oder zwei­deu­tig fand. Viel­leicht soll­te ich doch mal dar­über nach­den­ken, erwach­sen zu wer­den.

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Literatur

IV For Pop Culture

Chuck Klosterman IV (Cover der gebundenen Ausgabe)Manch­mal nei­ge ich zu sehr wohl­wol­len­den Zukunfts­pro­gno­sen. An die­sem Ein­trag war des­halb nahe­zu alles falsch: Das bestell­te Buch kam nicht (wie wir inzwi­schen wis­sen) am dar­auf­fol­gen­den Mon­tag an, son­dern konn­te erst nach einer Woche aus sei­ner Gefan­gen­schaft befreit wer­den. Auch brauch­te ich für die Lek­tü­re nicht die ver­an­schlag­te eine Woche, son­dern derer drei.

Jetzt aber: „Chuck Klos­ter­man IV: A Deca­de of Curious Peo­p­le and Dan­ge­rous Ide­as“ ist (wie der Titel schon nahe­legt) das vier­te Buch von Chuck Klos­ter­man. Chuck Klos­ter­man ist ein ame­ri­ka­ni­scher Musik‑, Film- und Pop­kul­tur­jour­na­list, der lan­ge Jah­re für das „Spin Maga­zi­ne“, aber auch für „Esqui­re“, das „New York Times Maga­zi­ne“ und diver­se ande­re Druckerzeug­nis­se gear­bei­tet hat. Ich kam mit sei­ner Arbeit erst­mals bewusst in Kon­takt, als der deut­sche „Rol­ling Stone“ im ver­gan­ge­nen Jahr das Kapi­tel über Kurt Cobain aus dem damals frisch auf deutsch erschie­ne­nen Klos­ter­man-Buch „Eine zu 85% wah­re Geschich­te abdruck­te. Das Buch heißt im Ori­gi­nal „Kil­ling Yours­elf To Live“ („85% Of A True Sto­ry“ ist der Unter­ti­tel, sooo abwe­gig ist deut­sche Vari­an­te dann doch nicht) und Klos­ter­man reist dar­in durch die hal­ben USA und klap­pert dabei Orte ab, an denen Rock­stars zu Tode gekom­men sind.

Als ich ein paar Mona­te spä­ter bei Bor­ders in San Fran­cis­co stand und mich nicht ent­schei­den konn­te, mit wel­chem Buch ich als nächs­tes mei­ne Kre­dit­kar­te belas­ten soll­te, fiel mir „Kil­ling Yours­elf To Live“ in die Hän­de. Ich kauf­te es, las es in einer Woche durch1 und wur­de Fan. In den nächs­ten Wochen kauf­te ich mir nach­ein­an­der „Sex, Drugs and Cocoa Puffs“, eine Arti­kel- und Essay­samm­lung über Pop­kul­tur im wei­te­ren Sin­ne, und „Far­go Rock City“, ein Buch über Hea­vy Metal, Hard­rock und Land­le­ben, das sehr spät mei­ne Begeis­te­rung für die Musik von Guns N‘ Roses weck­te.

„Chuck Klos­ter­man IV“ war im letz­ten Herbst schon als Hard­co­ver erschie­nen, aber ich woll­te es zwecks bes­se­rer Optik im Bücher­re­gal ger­ne eben­falls als Taschen­buch haben.2 Dafür hab ich jetzt auch ein paar zusätz­li­che Essays und Fuß­no­ten mit drin, die bei der Erst­ver­öf­fent­li­chung teil­wei­se noch gar nicht geschrie­ben waren. Essays und Fuß­no­ten gibt es in dem Buch eine gan­ze Men­ge, denn es ver­eint – wie der Unter­ti­tel schon andeu­tet – Tex­te aus zehn Jah­ren und ist in drei Tei­le geglie­dert: „Things that are true“, „Things that might be true“ und „Some­thing that isn’t true at all“.

„Things that are true“ sind Por­träts über Musi­ker wie Brit­ney Spears, U2, Radio­head, Wil­co oder Bil­ly Joel, aber auch Repor­ta­gen über The-Smit­hs-Fan­tref­fen vol­ler Lati­nos, Goths in Dis­ney­land und eine ein­wö­chi­ge Chi­cken-McNug­gets-Diät (acht Jah­re vor „Super Size Me“). Klos­ter­man hat ihnen klei­ne Ein­füh­run­gen vor­an­ge­stellt, die mit­un­ter min­des­tens so unter­halt­sam und erhel­lend sind wie die Arti­kel selbst. Er bemüht sich, sei­ne The­men und Por­trä­tier­ten ernst zu neh­men (sogar Brit­ney Spears) und beschreibt Sze­nen, Gesprä­che und Ereig­nis­se mit einem unglaub­li­chen Gespür für Spra­che und Komik. Dabei kommt es ihm sehr zu Gute, dass angel­säch­si­scher Jour­na­lis­mus (im Gegen­satz zum deut­schen) dem Ver­fas­ser eine eige­ne Posi­ti­on und sogar ein Ich zuge­steht. Statt umständ­li­cher Kon­struk­tio­nen kann er somit ganz per­sön­li­che Ein­drü­cke brin­gen, die viel aus­sa­ge­kräf­ti­ger sind als es die Vor­täu­schung von Objek­ti­vi­tät je wäre. Fast nie erhebt er sich über den Gegen­stand, nur Euro­pä­er und Soc­cer sind The­men, bei denen er schnell emo­tio­nal wird.

„Things that might be true“ ver­eint zahl­rei­che „Esquire“-Kolumnen zu eher abs­trak­ten Gedan­ken. Er jon­gliert mit kul­tur­theo­re­ti­schen, zwi­schen­mensch­li­chen und gesell­schaft­li­chen The­men, was ihm meis­tens sehr gut gelingt, wor­in er sich mit­un­ter aber auch ein wenig ver­hed­dert. Die­se Tex­te regen aber, mehr als die aus Teil Eins, zum Nach­den­ken an und ich bin mir sicher, dass sie an ame­ri­ka­ni­schen Unis bereits Gegen­stand eini­ger Semi­na­re und Haus­ar­bei­ten sind. Ihnen vor­an­ge­stellt ist je eine (mit­un­ter höchst hypo­the­ti­sche Fra­ge), die den Leser schon mal an den Rand des Wahn­sinns brin­gen kann. Bei­spiel gefäl­lig?

Q: Think of someone who is your fri­end (do not sel­ect your best fri­end, but make sure the per­son is someone you would clas­si­fy as „con­sider­a­b­ly more than an acquain­tance“).
 This fri­end is going to be atta­cked by a grizz­ly bear.
 Now, this per­son will sur­vi­ve this bear attack; that is gua­ran­teed. The­re is a 100 per­cent chan­ce that your fri­end will live. Howe­ver, the ext­ent of his inju­ries is unknown; he might recei­ve not­hing but a few super­fi­ci­al scrat­ches, but he also might lose a lim (or mul­ti­ple lim­bs). He might reco­ver com­ple­te­ly in twen­ty-four hours with not­hing but a gre­at sto­ry, or he might spend the rest of his life in a wheel­chair.
 Somehow, you have the abili­ty to stop this attack from hap­pe­ning. You can magi­cal­ly save your fri­end from the bear. But his (or her) sal­va­ti­on will come at a pecu­li­ar pri­ce: if you choo­se to stop the bear, it will always rain. For the est of your life, whe­re­ver you go, it will be rai­ning. Some­ti­mes it will pour and some­ti­mes it will drizz­le – but it will never not be rai­ning. But it won’t rain over the tota­li­ty of the earth, nor will the hydro­lo­gi­cal cycle be dis­rupt­ed; the­se storm clouds will be iso­la­ted, and they will focus enti­re­ly on your spe­ci­fic whe­re­a­bouts. You will never see the sun again.
 Do you stop the bear and accept a life­time of rain?

Also bit­te, wie bril­lant ist denn sowas?

„Things that are­n’t true at all“ ent­hält eine etwa drei­ßig­sei­ti­ge Kurz­ge­schich­te über einen jun­gen Film­kri­ti­ker, dem eini­ge ziem­lich abge­fah­re­ne3 Sachen pas­sie­ren. Die Geschich­te ist gut geschrie­ben, mit der Klos­ter­man-übli­chen Lie­be zu aus­ge­fal­le­nen Details und sie ist nur etwa drei­ßig Sei­ten lang. Viel mehr posi­ti­ves lässt sich dar­über nicht sagen, sie ist halt „ganz nett“, aber ihr Feh­len hät­te für das Buch kei­nen gro­ßen Makel bedeu­tet.

Wenn Sie sich jetzt seit unge­fähr dem zwei­ten Absatz fra­gen, ob Chuck Klos­ter­man „sowas wie der ame­ri­ka­ni­sche Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re“ sei: Schwer zu sagen. Bei­de beherr­schen ihr Hand­werk sicher­lich sehr gut, aber es gibt schon deut­li­che Unter­schie­de, die ganz pro­fan bei der Spra­che anfan­gen (ich lie­be die­ses For­mel­haf­te der eng­li­schen Spra­che, ihre idio­ma­ti­schen Wen­dun­gen und die zahl­rei­chen Mög­lich­kei­ten, sich vom Beschrie­be­nen zu distan­zie­ren) und bei der Ein­stel­lung der Autoren gegen­über ihren Inhal­ten auf­hö­ren.

„Chuck Klos­ter­man IV“ ist für alle, die sich für Pop­kul­tur im wei­te­ren Sin­ne (und für ame­ri­ka­ni­sche Mas­sen­kul­tur) inter­es­sie­ren, die ger­ne gut geschrie­be­ne Por­träts und Repor­ta­gen lesen und sich für etwas absei­ti­ge Gedan­ken­gän­ge erwär­men kön­nen. Und für kurio­se Leu­te.

1 Es ist bedeu­tend dün­ner als das neue Buch (257 zu 416 Sei­ten).
2 Iro­nie der Geschich­te: Die Bücher ste­hen gar nicht bei mir im Regal. Das ist näm­lich voll. Sie lie­gen jetzt auf einer Rei­he ste­hen­der Bücher und wer­den noch dazu von einer Borus­sia-Mön­chen­glad­bach-Flag­ge ver­deckt.
3 Dem­nächst an die­ser Stel­le: Die zehn schöns­ten Acht­zi­ger-Jah­re-Adjek­ti­ve.

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Musik Leben

The höher they come, the blöder they fall

Es mag Zufall sein, dass es fast auf den Tag genau acht Jah­re her ist, dass ich zum ers­ten Mal von Brit­ney Spears hör­te. Sie trat mit ihrer ers­ten Sin­gle „Baby One More Time“ bei „Top Of The Pops“ auf und als mein bes­ter Freund und ich das sahen und hör­ten, gaben wir dem Mädel drei Sin­gles, dann sei alles wie­der vor­bei. Ich gebe zu: wir hat­ten uns ver­schätzt. Es waren dann doch vier Alben, die zu bewer­ten hier gar nicht The­ma sein soll. (Nur ein Hin­weis sei erlaubt: dass „Baby One More Time“ ein tol­ler Song war, wur­de spä­tes­tens ein Jahr spä­ter klar, als Tra­vis ihn cover­ten.)

Die Fra­ge, wann eigent­lich Brit­neys letz­te Sin­gle erschie­nen sei (und wie die klang), könn­te ich nicht ohne vor­he­ri­ge Recher­che beant­wor­ten. Aber das ist inzwi­schen auch völ­lig egal, es inter­es­siert ja auch nur noch die wenigs­ten, dass Pete Doh­erty noch Musik macht (die letz­te Babysham­bles-EP, das weiß ich wenigs­tens, hieß „The Blin­ding“ und erschien Ende 2006). Brit­ney Spears, die ja sowie­so immer schon ein belieb­tes The­ma des sog. Boulevard-„Journalismus“ war, ist end­gül­tig zum Traum eines jeden Gos­sen­be­ob­ach­ters gewor­den, weil sie alles, aber auch wirk­lich alles ver­eint, wofür man sonst Paris Hil­ton, Rob­bie Wil­liams und Pete Doh­erty bräuch­te – oder die jetzt nicht mehr ver­füg­ba­re Anna Nico­le Smith.

Jetzt (das ist der Bild­zei­tungs-Begriff für „vor eini­ger Zeit“, in die­sem Fall: „let­ze Woche“) hat sie sich eine Glat­ze schnei­den las­sen, was die „Panorama“-Redakteure hun­der­ter Online-Maga­zi­ne in Ver­zü­ckung ver­set­ze. Zwar gab es allen­falls zwei grie­se­li­ge Fotos von Spears‘ Plat­te, aber fast nie­mand ließ sich die Gele­gen­heit ent­ge­hen, noch mal eine Foto-Gale­rie mit den schöns­ten glatz­köp­fi­gen Frau­en (Sinead O’Con­nor, Skin, Nata­lie Port­man, Demi Moo­re) zusam­men­zu­stel­len. Ent­setzt wur­de das Phra­sen­schwein gemol­ken und die ewig glei­che Fra­ge, wie es nur so weit habe kom­men kön­nen, in den Raum oder zumin­dest auf die Titel­sei­ten gestellt. Frau Spears, die vor dem Fri­seur­be­such eine Ent­zie­hungs­kur abge­bro­chen hat­te, begab sich in der Zwi­schen­zeit in eine Ent­zugs­kli­nik, check­te nach 24 stun­den wie­der aus und hat nach neu­es­ten Mel­dun­gen grad zum drit­ten Mal inner­halb einer Woche eine Reha-Kli­nik auf­ge­sucht. (Ich muss mich kor­ri­gie­ren: nach neu­es­ten Mel­dun­gen soll Frau Spears mit einem Regen­schirm auf ein Auto los­ge­gan­gen sein, das ent­we­der ihrem Noch-Gat­ten oder einem Papa­raz­zo gehör­te. Das mit der Kli­nik könn­te natür­lich trotz­dem stim­men. Oder schon wie­der über­holt sein.)

Der ziem­lich bril­lan­te ame­ri­ka­ni­sche Pop­jour­na­list Chuck Klos­ter­man sagt in einem (im Novem­ber 2006 geführ­ten) Inter­view in der aktu­el­len Galo­re:

Es ist schwie­rig, jeman­den wie Brit­ney sati­risch zu beglei­ten. Wenn jemand vor zwei Jah­ren eine Par­odie auf Spears ver­fasst hät­te, was hät­te er getan? Wahr­schein­lich hät­te man sie mit einem wei­ßen Mit­tel­stands-Mann ver­hei­ra­tet, der von sich denkt, er sei ein Rap­per. Und der dann in ihrem Kel­ler wohnt und hin­ter­her um das Sor­ge­recht für die Kin­der klagt, um an ihr Geld zu kom­men. Das wäre glatt als Sati­re durch­ge­gan­gen. Aber es ist wirk­lich pas­siert. Man hät­te auch eine Sze­ne schrei­ben kön­nen, wie Brit­ney bar­fuß aus einer öffent­li­chen Toi­let­te kommt. Auch das ist wirk­lich pas­siert.

Bei You­Tube kann man sich ein Video anse­hen, wie Brit­ney Spears von Papa­raz­zi bedrängt wird und schließ­lich aus­ras­tet. Die Berufs­zy­ni­ker der Scum Press wer­den wie­der was faseln von „Wer die Medi­en für sei­nen Auf­stieg nutzt, muss auch damit rech­nen, in der Zei­tung zu ste­hen, wenn es mal nicht so gut läuft.“ (das Zitat ist zusam­men­er­fun­den, soll­te aber als authen­tisch durch­ge­hen) und auch der klei­ne Mann auf der Stra­ße wird wie­der geist­rei­che Leser­brie­fe abson­dern mit Sen­ten­zen wie „Ich kann das Gejam­mer der ‚Rei­chen und Schö­nen‘ nicht mehr hören. Er hat sich für das Leben, das er führt, ent­schie­den, und ent­schei­det sich jeden Tag aufs Neue dafür.“ (aus den Kom­men­ta­ren zu einem sueddeutsche.de-Arti­kels über Rob­bie Wil­liams‘ aktu­el­len Tablet­ten­ent­zug, der sich sowie­so schon wie ein Nach­ruf liest). Und war­um gucken wir uns das alle an? Weil „die da oben“ viel schö­ner und län­ger fal­len kön­nen. Das Schluss­wort die­ses quir­li­gen Gedan­ken­hop­pings gebührt des­halb Bil­ly Wil­der:

Der Unter­schied zwi­schen einer Komö­die und einer Tra­gö­die ist: Ein Mann läuft eine Stra­ße hin­un­ter und fällt hin. Wenn er wie­der auf­steht, ist das eine Komö­die, die Leu­te lachen; bleibt er lie­gen, ist es eine Tra­gö­die.