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Und was ist mit “Vanity Fair”?

Der Zeitschriftenmarkt ist so unübersichtlich, dass man selbst als Leser des Zeitschriftenblogs nicht alles mitbekommen kann. Insofern finde ich es immer besonders interessant, was die Leute im Zug so lesen.

Meine Favoriten:
Fire & Food – Das Barbeque-Magazin
Das Microwave Journal
GolfPunk

PS: Dazu passend: “Galore” gibt’s jetzt mit neuem Layout und neuem Konzept.

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Wenn Journalisten ihre Tage haben

Am Samstag fand in der Bochumer Jahrhunderthalle (bzw. in deren Foyer) der Journalistentag NRW statt. Da traf man sich dann bei Kaffee und Finger Food ((Bin ich eigentlich der Einzige, der das Wort “Finger Food” unglaublich ekelhaft findet? (Andererseits heißt Hundefutter ja auch “Hundefutter” …) )), herzte die Kollegen und alles war ungefähr so, wie sich Klein Fritzchen ein Treffen von Journalisten vorstellt.

Helmut Dahlmann, Vorsitzender des DJV-Landesverbands NRW, sagte in seiner Eröffnungsrede einen Satz, dem ich durchaus zustimmen konnte. Er lautete “Die Presse ist keine vierte Gewalt mehr”. Einen Vorschlag, wie man das ändern könnte, gab es aber den ganzen Tag über nicht. Es folgte ein “Impuls” von Prof. Dieter Gorny, dem Erfinder von Klingeltonreklameabspielsendern und des Popkomm-Mexikaners (oder so), der für Ersthörer ((Djure meinte hinterher, Gorny erzähle jedes Mal das Gleiche, was ich gerne zu Glauben bereit bin.)) halbwegs spannend war. Allerdings offenbarte das Referat zum Thema “Kreativwirtschaft” auch, warum Deutschland auf absehbare Zeit keine relevante Kulturnation sein wird: All das, was Gorny in durchaus bester Absicht vorstellte (Zitat: “Für die Deutschen ist Kreativwirtschaft der Museumsshop, für die Engländer Electronic Arts.”), mag für einige der Hörer und sicher auch für die Leute der RUHR.2010, deren künstlerischer Direktor er ist, unvorstellbar progressiv klingen, für mich waren Ausführungen über das Copyright Anekdoten aus der Medienhistorie (Stichwort Creative Commons).

Besonders gespannt war ich auf Günter Wallraff – immerhin hat der Mann mit “Der Aufmacher” das Standardwerk über “Bild” geschrieben. Um “Bild” ging es dann auch immer wieder in dem von Ele Beuthner (WDR) sagenhaft konfus moderierten Gespräch, außerdem um Wallraffs berühmte Recherchearbeiten da, wo es wehtut. Nach ein paar Minuten des Zuhörens fiel auf: Wenn Wallraff über seine Arbeit und seine Erfolge redet, redet er vor allem über sich. Das darf er durchaus als “Journalisten-Legende”, aber es ist für den Teil des Publikums, der nicht die ganze Zeit sabbernd “Oh mein Gott, da vorne sitzt Günter Wallraff!!!!!1” dachte, ein bisschen ermüdend. Meine Frage nach der Recherchefaulheit namhafter deutscher Zeitungen, die lieber auf “Bild”-Artikel vertrauen, als selber in die Quellen zu schauen, beantwortete er mit einem ausführlichen Wolf-Schneider-Bashing und ehe er zum Punkt kommen konnte, hatte Frau Beuthner die Diskussion auch schon beendet.

Von beeindruckender Unergiebigkeit war das “Panel” zum Thema Digitalhörfunk, bei dem Dr. Udo Becker, der Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes NRW, Jan Marc Eumann, Medienpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, und WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz in brüderlicher Eintracht das wiederholten, was ich auch schon zwei Wochen zuvor beim “Campusradio-Tag NRW” zum gleichen Thema gehört hatte: So genau weiß keiner, wie Digitalhörfunk funktionieren wird und wann er kommt, aber er kommt bestimmt irgendwann und dann teilen WDR und die Zeitungsverleger das Land unter sich auf wie die Großherzöge. Dass sich Medienmenschen in Zeiten von Internet und Europäischer Union ernsthaft darüber beschweren, dass man im Süden NRWs auch Radioprogramme des SWR empfangen kann, ist eigentlich schon einen eigenen Eintrag wert, soll hier aber nur eine Randanekdote abgeben.

Kurz vor dem “Get-Together”, bei dem niemand mehr anwesend war, hörte ich mir noch an, was André Boße, Chefredakteur vom Interview-Magazin “Galore” zum Thema Interview und Redaktionsgründung zu sagen hatte. Durchaus offen sprach er über das Problem, ohne zahlungskräftigen Verlag und damit auch ohne Reise-Etat arbeiten zu müssen, was dazu führe, dass Auslandsreisen von den Film- oder Plattenfirmen bezahlt würden, was wiederum schnell zu gewissen Einflussnahmen und Abhängigkeiten führen könne. Man achte aber sehr genau darauf, keine äußere Einflussnahme zuzulassen. “Public”, die Werbebeilage für Abonnenten, hat er nicht erwähnt.

Am Ende war vor allem der direkte Vergleich zum Campusradio-Tag interessant: Die Profis unterscheiden sich nicht groß von den Amateuren, es ist eine Art Klassentreffen mit ein paar oberflächlichen Podiumsdiskussionen. Es sind keine unspannenden Veranstaltungen, aber man lernt mehr über die Branche als über Inhalte. Was mich aber irgendwie beruhigte: Die spannenden und etwas kritischeren Publikumsfragen kamen grundsätzlich von den jüngeren Kollegen.

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“You can say ‘you’ to me!”

Die Anrede im Englischen öffnet Missverständnissen Tür und Tor. Da ist zum einen die Sache mit den Vornamen, die kürzlich in meinem neuen Lieblings-Blog USA Erklärt sehr anschaulich beschrieben wurde (nun ja, ‘anschaulich’ ist das falsche Wort für einen Sachverhalt, der in seiner Komplexität der Kernspaltung in nichts nachsteht – dann eben ‘gut beschrieben’). Zum anderen ist da die Sache mit dem Personalpronomen “you”, das Deutsche schon mal als “Du” verstehen, und sich deshalb freuen oder wundern, dass sich die Native Speaker des Englischen alle duzen. Die Wahrheit ist ungleich komplexer. Ganz knapp: Der englischen Sprache ist das “Du” (“thou”/”thy”) im Laufe der Jahrhunderte abhanden gekommen und existiert heute nur noch in Shakespear’schen Dramen, der Bibel und ähnlichen Texten früherer Tage.

Warum diese längliche Einleitung aus dem Bereich der Sprachwissenschaften? Zum einen habe ich vor wenigen Tagen einen Studienabschluss in Anglistik erlangt, zum zweiten muss man sich diese Situation vor Augen führen, wenn es um die schwierige Arbeit der Interview-Übersetzung in deutschsprachigen Redaktionen geht.

Dirk Peitz hat für jetzt.de ein Interview mit Fran Healy und Dougie Payne von Travis geführt. Die Musiker werden sich mit “Hi, I’m Fran” bzw. “Hello, I’m Dougie” vorgestellt haben (obwohl sie davon ausgehen können, dass ein Interviewer wenigstens die Namen seiner Gesprächspartner kennt – sie sind eben gut erzogen) und im Gespräch wird man sich, wie allgemein üblich, mit “you” angesprochen haben. Da Interviews grundsätzlich in übersetzter Form gedruckt werden, musste nun das englische Gespräch in einen deutschsprachigen Text umgewandelt werden, und irgendjemand kam bei der früheren Jugendbeilage der SZ auf die Idee, man könne doch die Musiker in der Übersetzung einfach mal siezen.

Das kann man machen, um sich so von vorneherein vom Vorwurf der Anbiederung freizumachen. Man kann es auch machen, um seinen Gesprächspartnern den nötigen Respekt zu erweisen (schon Max Goldt hat sich in seinem Text “Was man nicht sagt” dafür ausgesprochen, Musiker nicht als “Jungs” und “Mädels” zu bezeichnen – sie zu siezen wäre also auch nur konsequent). Man kann es sogar machen, um zu beweisen, dass man das mit dem “Du” und “Sie” im Englischen sehr, sehr gut verstanden hat. Aber egal, wie die Gründe gelautet haben mögen, sie werden bei den (zumeist jugendlichen) Lesern Verwirrung auslösen:

SZ: Sie haben sich fast vier Jahre Zeit gelassen, um Ihr neues Album aufzunehmen. Was haben Sie so lange getrieben?

Fran Healy: Es gibt dieses Sprichwort im Musikgeschäft: Für dein erstes Album brauchst du 23 Jahre, doch für jedes weitere geben dir die Plattenfirmen nur noch sechs Monate.

“Mutti, warum siezt der Journalist diesen verehrenswerten Musiker und dieser Rockstar-Stoffel duzt dann einfach zurück?”, werden natürlich die wenigsten Zahnspangenträgerinnen morgen am Frühstückstisch ihre Studienrätin-Mutter fragen. Täten sie es nur! Die Mutti würde erst den ganzen Sermon, den ich oben schon geschrieben habe, wiederholen, und dann erklären, dass “you” ja auch für “man” stehen kann und das Sprichwort von wirklich umsichtigen Redakteuren deshalb mit “Für sein erstes Album braucht man 23 Jahre, doch für jedes weitere geben einem die Plattenfirmen nur noch sechs Monate”, übersetzt worden wäre. Vielleicht würde sie aber auch nur sagen: “Gabriele, iss Deine Cerealien und frag das Deinen Englischlehrer, den faulen Sack!”

Absurder als das aufgeführte Beispiel ist übrigens die Angewohnheit der Redaktion des sehr guten Interviewmagazins Galore, jede aufkommende Anrede in ein “Sie” umzuwandeln. Diese automatisierte Angleichung flog spätestens auf, als Campino, der ja nun wirklich jeden duzt, den Interviewer plötzlich mit “Sie” ansprach.
Noch absurder war der Auftritt von Jan Ullrich bei Reinhold Beckmann. Aber das lag nicht nur an der Schieflage in den Anreden.

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The höher they come, the blöder they fall

Es mag Zufall sein, dass es fast auf den Tag genau acht Jahre her ist, dass ich zum ersten Mal von Britney Spears hörte. Sie trat mit ihrer ersten Single “Baby One More Time” bei “Top Of The Pops” auf und als mein bester Freund und ich das sahen und hörten, gaben wir dem Mädel drei Singles, dann sei alles wieder vorbei. Ich gebe zu: wir hatten uns verschätzt. Es waren dann doch vier Alben, die zu bewerten hier gar nicht Thema sein soll. (Nur ein Hinweis sei erlaubt: dass “Baby One More Time” ein toller Song war, wurde spätestens ein Jahr später klar, als Travis ihn coverten.)

Die Frage, wann eigentlich Britneys letzte Single erschienen sei (und wie die klang), könnte ich nicht ohne vorherige Recherche beantworten. Aber das ist inzwischen auch völlig egal, es interessiert ja auch nur noch die wenigsten, dass Pete Doherty noch Musik macht (die letzte Babyshambles-EP, das weiß ich wenigstens, hieß “The Blinding” und erschien Ende 2006). Britney Spears, die ja sowieso immer schon ein beliebtes Thema des sog. Boulevard-“Journalismus” war, ist endgültig zum Traum eines jeden Gossenbeobachters geworden, weil sie alles, aber auch wirklich alles vereint, wofür man sonst Paris Hilton, Robbie Williams und Pete Doherty bräuchte – oder die jetzt nicht mehr verfügbare Anna Nicole Smith.

Jetzt (das ist der Bildzeitungs-Begriff für “vor einiger Zeit”, in diesem Fall: “letze Woche”) hat sie sich eine Glatze schneiden lassen, was die “Panorama”-Redakteure hunderter Online-Magazine in Verzückung versetze. Zwar gab es allenfalls zwei grieselige Fotos von Spears’ Platte, aber fast niemand ließ sich die Gelegenheit entgehen, noch mal eine Foto-Galerie mit den schönsten glatzköpfigen Frauen (Sinead O’Connor, Skin, Natalie Portman, Demi Moore) zusammenzustellen. Entsetzt wurde das Phrasenschwein gemolken und die ewig gleiche Frage, wie es nur so weit habe kommen können, in den Raum oder zumindest auf die Titelseiten gestellt. Frau Spears, die vor dem Friseurbesuch eine Entziehungskur abgebrochen hatte, begab sich in der Zwischenzeit in eine Entzugsklinik, checkte nach 24 stunden wieder aus und hat nach neuesten Meldungen grad zum dritten Mal innerhalb einer Woche eine Reha-Klinik aufgesucht. (Ich muss mich korrigieren: nach neuesten Meldungen soll Frau Spears mit einem Regenschirm auf ein Auto losgegangen sein, das entweder ihrem Noch-Gatten oder einem Paparazzo gehörte. Das mit der Klinik könnte natürlich trotzdem stimmen. Oder schon wieder überholt sein.)

Der ziemlich brillante amerikanische Popjournalist Chuck Klosterman sagt in einem (im November 2006 geführten) Interview in der aktuellen Galore:

Es ist schwierig, jemanden wie Britney satirisch zu begleiten. Wenn jemand vor zwei Jahren eine Parodie auf Spears verfasst hätte, was hätte er getan? Wahrscheinlich hätte man sie mit einem weißen Mittelstands-Mann verheiratet, der von sich denkt, er sei ein Rapper. Und der dann in ihrem Keller wohnt und hinterher um das Sorgerecht für die Kinder klagt, um an ihr Geld zu kommen. Das wäre glatt als Satire durchgegangen. Aber es ist wirklich passiert. Man hätte auch eine Szene schreiben können, wie Britney barfuß aus einer öffentlichen Toilette kommt. Auch das ist wirklich passiert.

Bei YouTube kann man sich ein Video ansehen, wie Britney Spears von Paparazzi bedrängt wird und schließlich ausrastet. Die Berufszyniker der Scum Press werden wieder was faseln von “Wer die Medien für seinen Aufstieg nutzt, muss auch damit rechnen, in der Zeitung zu stehen, wenn es mal nicht so gut läuft.” (das Zitat ist zusammenerfunden, sollte aber als authentisch durchgehen) und auch der kleine Mann auf der Straße wird wieder geistreiche Leserbriefe absondern mit Sentenzen wie “Ich kann das Gejammer der ‘Reichen und Schönen’ nicht mehr hören. Er hat sich für das Leben, das er führt, entschieden, und entscheidet sich jeden Tag aufs Neue dafür.” (aus den Kommentaren zu einem sueddeutsche.de-Artikels über Robbie Williams’ aktuellen Tablettenentzug, der sich sowieso schon wie ein Nachruf liest). Und warum gucken wir uns das alle an? Weil “die da oben” viel schöner und länger fallen können. Das Schlusswort dieses quirligen Gedankenhoppings gebührt deshalb Billy Wilder:

Der Unterschied zwischen einer Komödie und einer Tragödie ist: Ein Mann läuft eine Straße hinunter und fällt hin. Wenn er wieder aufsteht, ist das eine Komödie, die Leute lachen; bleibt er liegen, ist es eine Tragödie.