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Politik Gesellschaft

Eine Sprache vor die Deutschen

T-Shirt-Aufdruck in fremder Sprache (vielleicht bald verboten).

Die CDU-Basis hat ihre Par­tei­spit­ze über­stimmt. Lei­der nicht bei irgend­ei­ner rele­van­ten Ent­schei­dung über Per­so­nal- oder Poli­tik­fra­gen, son­dern bei einem The­ma, das nicht viel kos­tet, aber inten­si­ve Dis­kus­sio­nen ver­spricht: die Par­tei will jetzt die deut­sche Spra­che ins Grund­ge­setz auf­neh­men.

dpa tickert dazu:

Saar­lands Minis­ter­prä­si­dent Peter Mül­ler mein­te hin­ge­gen, die Par­tei müs­se sich klar dazu beken­nen, «was den Staat aus­macht». Neben der Flag­ge gehö­re dazu auch die deut­sche Spra­che.

Das ist natür­lich schon mal ein Super-Anfang, der in die glei­che Ker­be schlägt wie Bun­des­tags­prä­si­dent Nor­bert Lam­mert im Som­mer die­ses Jah­res:

Es gebe „für die Kul­tur und das Selbst­ver­ständ­nis die­ses Lan­des kei­nen wich­ti­ge­ren Fak­tor als die Sprache“.Sie sei „noch wich­ti­ger als die Fest­le­gung auf Ber­lin als Haupt­stadt und auf Schwarz-Rot-Gold als Landesfarben“.Beides reg­le das Grund­ge­setz, die Spra­che „lei­der nicht“.

Zunächst ein­mal soll­te man den bei­den Her­ren also ste­cken, dass auch die Natio­nal­hym­ne nicht im Grund­ge­setz ver­an­kert ist – aber deren Ein­bin­dung woll­ten sie ver­mut­lich erst im nächs­ten Jahr for­dern.

Kom­men wir nun zur For­de­rung an sich: Kon­kret soll Arti­kel 22 des Grund­ge­set­zes um ein „Die Spra­che in der Bun­des­re­pu­blik ist Deutsch“ ergänzt wer­den. Das ist natür­lich schon mal ein gutes Bei­spiel für die Schön­heit der deut­schen Spra­che: Ein halb­fer­ti­ger Satz mit Hilfs­verb, der noch dazu gar nichts aus­sagt.

Denn was soll das hei­ßen, „die Spra­che“ „ist Deutsch“? Wür­de man die Amts­spra­che fest­le­gen wol­len, wäre das noch ver­ständ­lich – aber die ist schon im Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­setz gere­gelt. Und was hie­ße das für den Kreis Nord­fries­land und die Insel Hel­go­land, wo auch Frie­sisch als Amts­spra­che zuge­las­sen ist?

Die deut­sche Spra­che mache also „den Staat aus“, fin­det Peter Mül­ler, stu­dier­ter Jurist. Müs­sen denn Din­ge, die den Staat „aus­ma­chen“ (was auch immer Mül­ler damit meint) und die uns in jedem Moment über­all in die­sem Land umge­ben, noch gesetz­lich gere­gelt wer­den?

Es gibt eigent­lich nur zwei Les­ar­ten für die­se For­de­rung: Die eine wür­de es den Bas­ti­an Sicks und Wolf Schnei­ders die­ser Repu­blik erlau­ben, gegen jeden „Ser­vice Point“ eine Ver­fas­sungs­kla­ge anzu­stren­gen. Die ande­re wäre die Ansa­ge, dass jeder, der in die­sem Land lebt, gefäl­ligst und jeder­zeit Deutsch zu spre­chen habe. So oder so klingt es wie die staats­recht­li­che Umset­zung des unsäg­li­chen Slo­gans „Der Klü­ge­re spricht deutsch“ des idio­ti­schen „Ver­eins Deut­scher Spra­che“.

Lin­gu­is­ten ler­nen im ers­ten Semes­ter: Spra­che ist einem stän­di­gen Wan­del unter­wor­fen. Spra­che ist kein scheu­es Reh, das unter Arten­schutz gestellt und von staat­li­cher Sei­te gepflegt wer­den muss. Spra­che wird gespro­chen und geschrie­ben und wenn sie nicht gespro­chen wird, stirbt sie aus. Wir dürf­ten uns sicher sein, dass jun­ge Men­schen heu­te in Social Net­works und SMS-Nach­rich­ten mehr Text pro­du­zie­ren, als unse­re Eltern­ge­nera­ti­on je hand­schrift­lich geschrie­ben hat. Auch wenn die Mül­lers, Schnei­ders und Sicks es nicht begrei­fen wol­len: Die­se jun­gen Men­schen kom­mu­ni­zie­ren in der Spra­che, die in die­sem Moment den Stand der deut­schen Spra­che dar­stellt. Wenn es über­haupt Spra­chen gibt, die in Deutsch­land eines gesetz­li­chen Schut­zes bedür­fen, dann sind es die Regio­nal­spra­chen und Dia­lek­te (die streng lin­gu­is­tisch betrach­tet kei­ne Spra­chen, son­dern Varie­tä­ten sind).

Ganz schnell ist man bei dem The­ma ja dann immer bei Goe­the, Schil­ler und Adal­bert Stif­ter und der Behaup­tung, dass man so „schö­nes“ Deutsch heut­zu­ta­ge gar nicht mehr höre. Die­ser Aus­sa­ge lie­gen gleich meh­re­re Denk­feh­ler zugrun­de: Ers­tens ist Schön­heit sub­jek­tiv, zwei­tens haben auch zur Zeit der Wei­ma­rer Klas­sik die wenigs­ten Bau­ern schö­ne, druck­rei­fe Sät­ze gespro­chen (geschwei­ge denn geschrie­ben), und drit­tens emp­fiehlt einem jede treu­sor­gen­de Buch­händ­le­rin bei Inter­es­se sicher ger­ne ein paar Dut­zend zeit­ge­nös­si­scher Autoren, die mit der deut­schen Spra­che form­voll­endet umzu­ge­hen ver­ste­hen.

Das Per­fi­de an der Num­mer mit dem Grund­ge­setz ist natür­lich auch: Wer im Bun­des­tag gegen die­sen alber­nen Vor­schlag stim­men wür­de, dürf­te sein Gesicht mit ziem­li­cher Sicher­heit am nächs­ten Tag auf der Titel­sei­te der „Bild“-Zeitung (krea­tivs­ter Umgang mit deut­scher Spra­che: „Wir sind Papst“) wie­der­fin­den, ver­se­hen mit der Fra­ge „Was haben Sie gegen unse­re schö­ne deut­sche Spra­che?“

Für den Beginn wür­de es also viel­leicht rei­chen, wenn unse­re Poli­ti­ker ein wenig nach­däch­ten, bevor sie ihre Mün­der öff­ne­ten, und wenn unse­re Zei­tun­gen uns auch mal ab und an mit ein paar aus­ge­wähl­ten For­mu­lie­run­gen erfreu­ten. Ich bin sicher: zwei Drit­tel der Bevöl­ke­rung hät­ten damit Pro­ble­me, aber das war in der Goe­the­zeit ja nicht anders.

Einen wie üblich sehr fun­dier­ten Arti­kel zum The­ma „Amts­spra­che Deutsch“ hat Ana­tol Ste­fa­no­witsch bereits vor andert­halb Jah­ren im Bre­mer Sprach­blog ver­öf­fent­licht.

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Musik Rundfunk

Warum tut denn niemand was?

Es gibt Pres­se­mit­tei­lun­gen, die hin­ter­las­sen nichts als Angst und Schre­cken.

Hier die High­lights der ver­gan­ge­nen Tage:

Der Count­down auf der Söh­ne Mann­heims-Web­site kün­digt es an: in weni­gen Tagen ist es soweit – ab dem 08.08.08 ist die neue Sin­gle „Das Hat Die Welt Noch Nicht Gese­hen“ der Söh­ne end­lich im Han­del und als Down­load erhält­lich.

(Löwen digi­tal, Digi­ta­les Pro­dukt­ma­nage­ment)

Unter dem Titel „Der Dativ ist dem Geni­tiv sein Tod“ prä­sen­tiert das WDR Fern­se­hen drei Fol­gen der BASTIAN-SICK-SCHAU. Nach­dem der Jour­na­list und Best­sel­ler-Autor Bas­ti­an Sick mit sei­ner wit­zi­gen Mischung aus Lesung, Deutsch­stun­de und Gram­ma­tik-Come­dy seit län­ge­rem schon die größ­ten Hal­len füllt, bekommt Deutsch­lands bekann­tes­ter Sprach­pfle­ger nun end­lich sei­ne eige­ne Fern­seh­show: Das Bes­te aus sei­nen Büh­nen­pro­gram­men, kom­bi­niert mit Sket­chen, hoch­ka­rä­ti­gen Gäs­ten und einem klei­nen „Deutsch-Quiz“.

(WDR Fern­se­hen)

Die­se Nach­richt dient dem Ver­such, tech­ni­sche Pro­ble­me beim email-Ver­sand zu lösen.
Vie­len Dank für Ihr Ver­ständ­nis und freund­li­che Grü­ße
ZDF-Pres­se­stel­le

(ZDF, nach meh­re­ren Mona­ten jetzt offen­bar end­lich gelöst)

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Rundfunk Fernsehen

Geladene rote Ampel entgleist

Das „Nacht­ma­ga­zin“ der ARD ver­hält sich zum „RTL-Nacht­jour­nal“ wie „Bri­sant“ zu „Explo­siv“: Wenn oben nicht die­se klei­ne Eins in der Ecke wäre, wür­de man kaum glau­ben, dass man gera­de öffent­lich-recht­li­ches Qua­li­täts­fern­se­hen schaut. Klar: Um kurz nach Mit­ter­nacht rich­tet sich das „Nacht­ma­ga­zin“ an die Men­schen, die dann noch wach sind, und das sind eben eher die jün­ge­ren und die sind eben eher Info­tain­ment gewöhnt. Trotz­dem krie­ge ich regel­mä­ßig die Kri­se ob die­ser zwang­haf­ten Locker­heit, dem schon psy­cho­tisch wir­ken­den stän­di­gen Augen­zwin­kern und der him­mel­schrei­en­den Ober­fläch­lich­keit von Bei­trä­gen und Inter­views.

Des­halb schau­en wir uns die Sen­dung von ges­tern (also heu­te) mal genau­er an:

CSU-Vor­sitz
Gabrie­le Pau­li hat über­ra­schend gefor­dert, Ehen auf sie­ben Jah­re zu befris­ten, mit der Mög­lich­keit auf eine anschlie­ßen­de Ver­län­ge­rung. Hier von „ver­flix­ten sie­ben Jah­ren“ zu spre­chen, drängt sich der­ma­ßen auf, dass wir Ingo Zam­pe­ro­ni sei­ne augen­zwin­kern­de Anmo­de­ra­ti­on noch mal durch­ge­hen las­sen wol­len.

Doch dann geht das Elend rich­tig los, denn Fern­se­hen braucht immer Bewegt­bil­der, auch wenn es nur erklä­ren­de und über­lei­ten­de Wor­te aus dem Off gibt. Die­se Sze­nen nennt der Fach­mann „Schnitt­bil­der“ und seit mei­nem Aus­flug in die audio­vi­su­el­len Medi­en weiß ich, wie wich­tig die­se sind, und bei der ARD weiß man es erst recht:

Schnitt­bild: Gabrie­le Pau­li steht auf einer Ver­kehrs­in­sel neben einer Ampel und posiert für Foto­gra­fen.
Spre­che­rin: „Medi­en­rum­mel in Mün­chen – wie so oft, wenn Gabrie­le Pau­li sich zu Wort mel­det. Sie weiß sich in Sze­ne zu set­zen, doch jetzt ste­hen die Ampeln auf rot für sie.“

Das wich­tigs­te Buch in der Redak­ti­on von „ARD Aktu­ell“ scheint also immer noch der Meta­phern-Duden sein.

EU zu Ener­gie­markt

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Zum Jah­res­wech­sel dürf­ten vie­le Strom­kun­den noch gela­de­ner sein, denn die Ener­gie­prei­se dro­hen erneut zu stei­gen […]. Für *Ent*spannung will jetzt die Euro­päi­sche Uni­on sor­gen.“

Es folgt ein Bei­trag, des­sen Auf­hän­ger dar­in besteht, den EnBW-Chef Utz Cla­as­sen auf dem Weg zu sei­nem Auf­tritt bei „Hart aber fair“ zu beglei­ten. Man sieht dem armen Wirt­schafts­boss förm­lich an, wie oft er die Ein­gangs­tür des WDR-Funk­hau­ses öff­nen und dann forsch (oder bes­ser noch: „ener­ge­tisch“, haha!) an der Kame­ra vor­bei­ge­hen muss­te. Dafür hat er beim O‑Ton die schmu­cke Lob­by des Fünf­zi­ger-Jah­re-Baus am Köl­ner Wall­raf­platz im Nacken.

Dann steigt Cla­as­sen ille­ga­ler­wei­se in den welt­be­rühm­ten Pater­nos­ter ein (die Benut­zung ist aus Ver­si­che­rungs­grün­den aus­schließ­lich WDR-Ange­stell­ten vor­be­hal­ten) und ent­schwin­det nach oben aus dem Bild. Es folgt ein Schnitt und Ari­bert Peters vom Bund der Ener­gie­ver­brau­cher fährt im glei­chen Pater­nos­ter von oben ins Bild hin­ein. Wol­len Sie raten, wie der Off-Kom­men­tar dazu lau­tet?

Spre­che­rin: „In genau die ande­re Rich­tung bewer­ten Ver­brau­cher­ver­bän­de die Vor­schlä­ge.“

Herr Peters hat­te dann wohl noch das Glück, für wei­te­re Schnitt­bil­der das Funk­haus am hel­lich­ten Tag wie­der zu ver­las­sen und noch in der Tür sein Mobil­te­le­fon auf­zu­klap­pen und ans Ohr zu hal­ten, obwohl es garan­tiert nicht geklin­gelt hat.

Deut­sche Ein­heit

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Der Auf­schwung ist im Osten ange­kom­men, das sagt ein ver­hal­ten zuver­sicht­li­cher Wolf­gang Tie­fen­see und der müss­te es ja schließ­lich wis­sen: Ist er doch Ver­kehrs­mi­nis­ter – nicht nur, aber auch der Auf­bau-Ost-Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung. […] Aber die Sche­re zwi­schen Neu­en und Alten Bun­des­län­dern klaf­fe immer noch viel zu weit aus­ein­an­der. Tie­fen­see könn­te das wohl nir­gends bes­ser fest­stel­len als in – Tie­fen­see.“

Yes, inde­ed: Man hielt es für ein total ver­rück­te Idee, ins bran­den­bur­gi­sche Tie­fen­see zu fah­ren, um dort mal zu gucken, wie es im Osten denn so aus­sieht. Und da sage noch einer, Namens­wit­ze sei­en das Pri­vi­leg der Pri­vat­sen­der.

Schnitt­bild: Die Aus­la­ge eines Blu­men­händ­lers.
Spre­che­rin: „Blü­hen­de Land­schaf­ten am Orts­ein­gang. Kein Bäcker, kein Super­markt, kei­ne Knei­pe – abge­schafft, weil unren­ta­bel.“

Und kei­ne andert­halb Minu­ten spä­ter:

Schnitt­bild: Ver­las­se­nes Bahn­hofs­ge­bäu­de, Schwenk auf zuge­wach­se­ne Schie­nen.
Spre­che­rin: „Ist Tie­fen­see ent­gleist? Nein, aber Bahn­an­schluss gibt es trotz­dem kei­nen mehr.“

Meteo­ri­ten-Auf­prall

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Es war, gän­gi­gen Theo­rien zufol­ge, ein Meteo­rit, der vor 65 Mil­lio­nen Jah­ren das Schick­sal der Dino­sau­ri­er auf unse­rem Pla­ne­ten besie­gel­te. Ganz so gewal­tig war der Ein­schlag nicht, der sich am Wochen­en­de in Peru, unweit des Titi­ca­ca­sees ereig­ne­te, und doch hat der Meteo­ri­ten-Auf­prall mys­te­riö­se Fol­gen.“

Ach, geschenkt, dass wir das schon alle bemerkt hät­ten, wenn sich die Son­ne ver­fins­tert hät­te und wir aus­ge­stor­ben wären. Irgend­wie muss man ja das The­ma anmo­de­rie­ren und im Ver­gleich zu den Vox-Spät­nach­rich­ten, wo ein armer Fach­mann mit genau einem Satz zitiert wur­de („Ich glau­be nicht, dass das Außer­ir­di­sche waren“), ist der ARD-Bei­trag zum The­ma völ­lig in Ord­nung.

Wenn ich anfan­ge, klein­lich zu wer­den, bringt mich die­se eine Aus­ga­be des „Nacht­ma­ga­zins“ noch ins Grab. Wid­men wir uns also lie­ber noch kurz dem let­zen Bei­trag der Sen­dung. Es han­delt sich um ein klas­si­sches „Nachtmagazin“-Thema: Das Krat­zen an der Pop­kul­tur.

Pop­komm

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Der Pop kommt – bei der Pop­komm. Aber nicht nur der: Auf der inter­na­tio­na­len Musik­mes­se geht es seit heu­te wie­der um die Trends und Neu­hei­ten in allen Berei­chen der Musik- und Unter­hal­tungs­bran­che.“

Ein Brül­ler ohne Ende. Aber mal was ganz ande­res: Der Pop kommt bei?! Nicht, dass ich Bas­ti­an Sick wäre, aber das ist doch unge­fähr so neben der Spur wie das Pla­kat, das über vie­le Jah­re in mei­ner Hei­mat­stadt ein umher­rei­sen­des Kin­der­pup­pen­thea­ter ankün­dig­te. Dort stand: „Der Kas­per kommt im Thea­ter­zelt“.

Ich bin mir sicher, dort hat man fast so viel gelernt wie beim „Nacht­ma­ga­zin“ – aber nur halb so viel gelacht.

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SpOn findet „funzen“ nicht k3w1

Wenn der “Spie­gel” übers Inter­net schreibt, ist das meist ähn­lich desas­trös, wie wenn der “Spie­gel” über Spra­che schreibt. Wie erreicht man also maxi­ma­les Desas­ter mit mini­ma­lem Auf­wand? Rich­tig: Indem man jeman­den über Inter­net­spra­che schrei­ben lässt.

Die eigen­wil­li­ge Sprach­ge­stal­tung hat Tra­di­ti­on im Netz. Da schrei­ben Men­schen schon mal Sät­ze wie „Das Hijack­ing-Pro­blem könn­te man mit dem hea­der-redi­rect 301 leicht ver­mei­den.“ Die­se Spra­che nervt Web-Nut­zer.

Ja ja, die­se gan­zen ver­rück­ten Betrü­ger, Kri­mi­nel­len und Kin­der­schän­der im soge­nann­ten „Inter­net“, ganz komi­sche Leu­te.

War­um liest man eigent­lich nie sowas:

Die eigen­wil­li­ge Sprach­ge­stal­tung hat Tra­di­ti­on im Jour­na­lis­mus. Da schrei­ben Men­schen schon mal Sät­ze wie „Das Musik­ma­ga­zin ‚Rol­ling Stone‘ zähl­te Spec­tor noch 2004 zu den ‚100 groß­ar­tigs­ten Künst­lern aller Zei­ten‘.“ Die­se Spra­che nervt Leser.

Spie­gel Online ließ sei­ne Leser über die „gräss­lichs­ten Web-Wör­ter“ abstim­men. Mit erwart­ba­ren Ergeb­nis­sen:

Blogo­sphä­re. Über­set­zung von Blogos­phe­re. Meint die Gesamt­heit aller Web­logs.

Lei­der erfah­ren wir nicht, was jetzt so „gräss­lich“ an dem Wort ist. Ist es die Ein­deut­schung des eng­li­schen Begriffs, der eng­li­sche Begriff selbst oder die Tat­sa­che, dass man doch auch bequem „die Gesamt­heit aller Web­logs“ sagen könn­te. Was wir aber sicher wis­sen: Autor Kon­rad Lisch­ka hät­te sein „meint“ von sei­nem noto­ri­schen Kol­le­gen Bas­ti­an Sick um die Ohren gehau­en bekom­men.

Neti­quet­te. Benimm­re­geln für den Umgang mit­ein­an­der im Netz. Es gibt kei­ne ein­heit­li­che Lis­te, son­dern vie­le, zum Teil schrift­li­che Vor­schlä­ge – und den gesun­den Men­schen­ver­stand.

So what? Wir reden auch vom „Gesetz“, obwohl es sich dabei auch um „kei­ne ein­heit­li­che Lis­te, son­dern vie­le, zum Teil schrift­li­che“ Tex­te han­delt. Ver­stö­ße dage­gen wer­den übri­gens – im Gegen­satz zu Neti­quet­te-Ver­stö­ßen – trotz gesun­den Men­schen­ver­stands auch noch geahn­det.

Zu den „von den SPIE­GEL-ONLINE-Lesern meist­ge­nann­ten Stör-Wör­tern aus dem Inter­net“, die aber etwas ande­res sind als die „gräss­lichs­ten Web-Wör­ter“, zählt unter ande­rem:

Goo­geln: „Mit Goog­le im Inter­net suchen“, defi­niert der Duden, in dem die­ser Aus­druck für das Recher­chie­ren im Web inzwi­schen auch zu fin­den ist. „Goog­le Ear­then“ kann man beim Goog­len schon 384 Mal fin­den!

Schreck­lich! Wor­te, die im Duden ste­hen! So tu doch jemand etwas!

Zu den „gedan­ken­lo­sen Ver­nied­li­chun­gen, die man am liebs­ten nie mehr lesen oder hören will“ zählt Spie­gel Online dann das Wort „fun­zen“, womit end­gül­tig klar sein dürf­te, dass Tex­te zu Sprach­the­men dort grund­sätz­lich nur von Nicht-Lin­gu­is­ten geschrie­ben und gegen­ge­le­sen wer­den – sonst wäre sicher jeman­dem auf­ge­fal­len, dass „fun­zen“ bekannt­lich zu den Voka­beln der Ruhr­ge­biets­spra­che zählt und eben kein Com­pu­ter-Neo­lo­gis­mus ist. Und eine „Ver­nied­li­chung“ schon drei­mal nicht.

Ich will das gan­ze Elend („Jeder anstän­di­ge Web‑2.0‑Dienst hat nicht nur einen vokal­ar­men Namen, son­dern auch ein ent­spre­chen­des Verb.“) gar nicht wei­ter aus­brei­ten. Dass „Spie­gel“ und Spie­gel Online“ dump­fen Sprach­pro­tek­tio­nis­mus betrei­ben wol­len und sich noch nicht ein­mal von Lin­gu­is­tik-Pro­fes­so­ren beein­dru­cken las­sen, ist spä­tes­tens seit Mathi­as Schrei­bers gro­ßer Titel­ge­schich­te (ist die 50 Cent nicht wert) offen­sicht­lich. Das könn­te einem ja egal sein, wenn der­ar­ti­ge Geschich­ten nicht auf­ge­grif­fen und von selbst­er­nann­ten „Sprach­schüt­zern“ nach­ge­plap­pert wür­den.

Spra­che lebt und ver­än­dert sich. Gera­de Bei­spie­le wie die auch ver­teu­fel­ten Ver­ben „qypen“, „pos­ten“ oder „voi­pen“ zei­gen, wie krea­tiv man mit Spra­che umge­hen kann, und wie schnell Spra­che auf tech­ni­sche Ver­än­de­run­gen reagiert (viel schnel­ler als wei­te Tei­le der Gesell­schaft oder gar der sog. Qua­li­täts­jour­na­lis­mus). Die­se Ver­än­de­run­gen zu ver­ur­tei­len, ist unge­fähr so sinn­voll, wie die Evo­lu­ti­on zu ver­ur­tei­len.

Und wer schon über Inter­net­spra­che schreibt, soll­te (wir wis­sen: „Qua­li­täts­jour­na­lis­mus“) wenigs­tens auch mal den einen oder ande­ren Fach­mann zu Wort kom­men las­sen.

Kau­fen Sie sich des­halb unbe­dingt das „Spiegel“-Sonderheft „Leben 2.0 – Wir sind das Netz“, wenn auch Sie an nied­ri­gem Blut­druck lei­den oder ger­ne Leser­brie­fe schrei­ben!