Kategorien
Politik Gesellschaft

Oh Gott, Herr Doktor

Da hät­te ja auch kei­ner mit rech­nen kön­nen, dass das The­ma „Pro­mo­ti­ons­ver­fah­ren an deut­schen Hoch­schu­len“ noch mal außer­halb der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz gesell­schaft­lich und medi­al ven­ti­liert wird. Aber die Fäl­le, in denen deut­sche Poli­ti­ker ihre Dok­tor­gra­de wegen aus­gie­bi­gen Pla­gi­ats nach­träg­lich wie­der aberkannt bekom­men, tre­ten in den letz­ten Mona­ten der­art ver­mehrt auf, dass man durch­aus von einer Häu­fung oder einem Trend spre­chen könn­te.

Zuletzt hat es Sil­va­na Koch-Mehrin erwischt, die Vor­zei­ge­frau der FDP. Die Poli­ti­ke­rin reagier­te dar­auf mit dem durch­aus humor­vol­len Ein­fall, ihren geplan­ten Wech­sel als Voll­mit­glied in den Aus­schuss für Indus­trie, For­schung (!) und Ener­gie des Euro­päi­schen Par­la­ments knall­hart durch­zu­zie­hen. Sie ersetzt dort ihren Par­tei­kol­le­gen Jor­go Chat­zi­markakis, des­sen Dok­tor­ar­beit der­zeit eben­falls – ich wünsch­te mir wirk­lich, ich wür­de mir das nur aus­den­ken – von der zustän­di­gen Uni­ver­si­tät wegen Pla­gi­ats­ver­dachts über­prüft wird. (Wenn Sie Ihrem Unmut über Frau Koch-Mehrins neue Auf­ga­be Aus­druck ver­lei­hen wol­len, emp­feh­le ich Ihnen die Zeich­nung die­ser klei­nen Online-Peti­ti­on.)*

Längst ist offen­sicht­lich, was im Früh­jahr eher ver­hal­ten geäu­ßert wur­de: Etwas ist faul im Staa­te Deutsch­land. ((Ver­ball­hor­nung des Aus­spruchs „Etwas ist faul im Staa­te Däne­mark“ („Some­thing is rot­ten in the sta­te of Den­mark“) aus Wil­liam Shake­speares Dra­ma „Ham­let“ (Mar­cel­lus, Akt 1, Sze­ne 4).)) Die deut­sche Bil­dungs­mi­nis­te­rin Annet­te Scha­van reagier­te auf die Situa­ti­on, indem sie von den Uni­ver­si­tä­ten „Selbst­kri­tik“ for­der­te, was nun auch nicht unbe­dingt zu den zwei­hun­dert nahe­lie­gends­ten Gedan­ken gezählt hät­te. Dabei ist es ja gera­de der desas­trö­sen Hoch­schul­po­li­tik der ver­gan­ge­nen tau­send Jah­re ((Anspie­lung auf den Slo­gan „Unter den Tala­ren: Muff von tau­send Jah­ren“ der Stu­den­ten­pro­tes­te in den spä­ten 1960er Jah­ren.)) zu ver­dan­ken, dass an den Unis die Absol­ven­ten und Dok­to­ren gleich­sam am Fließ­band pro­du­ziert wer­den: Jeder zusätz­li­che von ihnen sorgt für mehr Punk­te in den unsäg­li­chen „Hoch­schul-Ran­kings“ und für mehr Dritt­mit­tel.

Kath­rin Spoerr hat das haus­ge­mach­te Dilem­ma in ihrem Leit­ar­ti­kel in „Welt kom­pakt“ gut zusam­men­ge­fasst:

Das Pro­blem ist aber nicht, dass zu vie­le pro­mo­vie­ren, son­dern, dass die deut­schen Uni­ver­si­tä­ten von der Poli­tik im Unkla­ren gelas­sen wer­den über ihren künf­ti­gen Sinn. For­mel­haft wird an „For­schung und Leh­re“ fest­ge­hal­ten, tat­säch­lich aber kom­men immer weni­ger Pro­fes­so­ren neben ihren vie­len Pflich­ten rund ums Leh­ren dazu, for­schen zu kön­nen. Sie hal­ten Vor­le­sun­gen und Prü­fun­gen, ver­schwen­den in über­flüs­si­gen Gre­mi­en Arbeits- und Lebens­zeit, und ein immer grö­ßer wer­den­der Teil ihrer Ener­gie muss in Stel­lung­nah­men zu Stu­den­ten­kla­gen inves­tiert wer­den, die mit ihren Noten unzu­frie­den waren. Zeit und vor allem Ruhe für For­schung bleibt wenig.

Dabei, so Spoerr, bewei­se die Bereit­schaft von Pro­fes­so­ren, „auch Men­schen zu pro­mo­vie­ren, die nicht Wis­sen­schaft­ler wer­den wol­len“, „deut­lich mehr Gespür für die Gesell­schaft und ihre Anfor­de­run­gen als die schein­hei­li­gen Mah­nun­gen von Scha­van“. Womit wir beim eigent­li­chen Kern des Pudels ((Wohl­fei­ler Ver­weis auf den Aus­ruf „Das also war des Pudels Kern!“ in Johann Wolf­gang Goe­thes Tra­gö­die „Faust“ (Faust, Stu­dier­zim­mer­sze­ne, Zei­le 1323).)) Pro­blems wären: Der Dok­tor­ti­tel ist eigent­lich ein aka­de­mi­scher Grad und kein Ornat für Visi­ten­kar­ten und Mes­sing­schil­der.

Direkt zu Beginn mei­nes Stu­di­ums gaben sich mei­ne Dozen­ten größ­te Mühe, den Ball flach zu hal­ten: Pro­fes­so­ren woll­ten unter kei­nen Umstän­den mit „Herr Pro­fes­sor“ ange­spro­chen oder ange­schrie­ben wer­den und Dok­to­ren stell­ten klar, dass ihr Titel nun ein­mal Teil ihrer Arbeit und eine Spros­se auf der aka­de­mi­schen (wohl­ge­merkt!) Kar­rie­re­lei­ter sei. Ein Dozent sag­te, er ver­wen­de sei­nen Dok­tor­ti­tel eigent­lich nur, wenn ihm Ärz­te oder Sprech­stun­den­hil­fen blöd kämen – mit einem Dok­tor (weiß ja kei­ner, wel­cher Pro­fes­si­on) wür­den die dann gleich ganz anders spre­chen.

Das war eine völ­lig neue Welt­sicht für mich. Ich war es eher gewohnt, dass mein Groß­va­ter (an dem in Sachen Titel­hu­be­rei min­des­tens ein Öster­rei­cher ver­lo­ren gegan­gen ist) selbst enge Freun­de in deren Abwe­sen­heit als „Pro­fes­sor“ bezeich­net und Geburts­tags­ein­la­dun­gen an die Fami­lie sei­nes Schwie­ger­sohns an „Fami­lie Dr. med.“ adres­siert. ((Wobei die­ses Ver­hal­ten nicht auf schnö­de Dok­to­ren- und Pro­fes­so­ren­ti­tel beschränkt ist: es gibt ja auch noch Diplom-Inge­nieu­re, Stadt­bau­rä­te und Mark­schei­der. Nur ich war­te bis­her ver­geb­lich auf Post an Lukas Hein­ser, B.A. – was aber irgend­wie auch ganz beru­hi­gend ist.)) In mei­ner Hei­mat­stadt lie­fen Men­schen rum, die sich ihren frisch erwor­be­nen Dok­tor­ti­tel nach­träg­lich mit der eige­nen Schreib­ma­schi­ne auf ihren Leihaus­weis der Stadt­bi­blio­thek setz­ten.

An die­sem Punkt setzt der Gast­bei­trag an, den Fritz Strack, Pro­fes­sor für Sozi­al­psy­cho­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Würz­burg, für „Spie­gel Online“ geschrie­ben hat. Strack (für mei­nen Opa: „Pro­fes­sor Strack“) beginnt bei der in Deutsch­land übli­chen, bei Licht betrach­tet eher exo­ti­schen Tra­di­ti­on, den Dok­tor­ti­tel im Per­so­nal­aus­weis zu ver­mer­ken.

Durch die wie­der­hol­te Ver­knüp­fung von Namen und Grad wird die Anre­de „Herr oder Frau Dok­tor“ als Höf­lich­keits­ge­bot obli­ga­to­risch, die dann dem­je­ni­gen all­mäh­lich das Gefühl gibt, der Dok­tor sei doch Teil des eige­nen Namens. Die Ver­wen­dung für den per­sön­li­chen Gebrauch auf Tür­schil­dern, Brief­köp­fen und beim Ein­trä­gen ins Tele­fon­buch wer­den zur Selbst­ver­ständ­lich­keit.

Damit wer­de der Dok­tor­grad zu „einer Art Adels­ti­tel“, mit des­sen Hil­fe das gesell­schaft­li­che Pres­ti­ge „aus eige­ner Kraft erwor­ben und für den per­sön­li­chen und beruf­li­chen Vor­teil genutzt wer­den“ kön­ne.

War­um wohl woll­ten sonst so vie­le Leu­te pro­mo­vie­ren? Es sind eben nicht nur Nach­wuchs­wis­sen­schaft­ler, die eine beruf­li­che Tätig­keit in For­schung und Leh­re anstre­ben. Vie­le sind ein­fach scharf auf das zusätz­li­che Geld und die Kar­rie­re­chan­cen, die die Titel­funk­ti­on des fak­ti­schen Namens­zu­sat­zes mit sich brin­gen. Vor allem für den Auf­stieg in Füh­rungs­po­si­tio­nen in Wirt­schaft oder Poli­tik ist ein sicht­ba­rer Dok­tor­grad von unschätz­ba­rem Vor­teil.

Das unter­schei­det die­se Men­schen von mei­nen beschei­de­nen Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­lern an der Uni: Für sie ist der Dok­tor­grad ein Mit­tel zum Zweck, der ihnen Instant-Anse­hen brin­gen soll. Dabei soll­te die Dok­tor­ar­beit eigent­lich Beru­fung und Haupt­auf­ga­be im aka­de­mi­schen All­tag sein und nichts, was man über Jah­re neben sei­ner „Berufs- und Abge­ord­ne­ten­tä­tig­keit als jun­ger Fami­li­en­va­ter in mühe­volls­ter Klein­ar­beit“ (Ex-Dok­tor Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg) zum eige­nen Schmu­cke vor­an­treibt. Über­spitzt gesagt ist die Dok­tor­ar­beit etwas, was einen am Hun­ger­tuch nagen lässt und einem außer Erkennt­nis­ge­winn und Respekt in der Wis­sen­schafts­ge­mein­de nichts ein­brin­gen soll­te – zumin­dest kei­nen beschleu­nig­ten Auf­stieg in Poli­tik und Wirt­schaft.

Strack lei­tet aus sei­nem Essay zwei Kern­for­de­run­gen ab: Eine Ände­rung des deut­schen Per­so­nal­aus­weis­ge­set­zes und eine Refor­ma­ti­on der Pro­mo­ti­ons­re­geln für Medi­zi­ner. Ich fin­de, das klingt nach einem guten Anfang.

In den Medi­en ist der Anteil der Dok­to­ren übri­gens eher über­schau­bar, wes­we­gen man sich mit einem ande­ren Pres­ti­ge-Gene­ra­tor zu behel­fen ver­sucht: Hier ist fast jeder Trä­ger irgend­ei­nes Medi­en­prei­ses.

*) Nach­trag, 26. Juni: Frau Koch-Mehrin ver­zich­tet auf ihren Sitz im Aus­schuss für Indus­trie, For­schung und Ener­gie.

Kategorien
Digital Leben

Coffee And FH

Ich habe wäh­rend mei­nes Stu­di­ums mehr­fach dar­über nach­ge­dacht, ein­fach alles abzu­bre­chen. Einer die­ser Momen­te war, als eine Dozen­tin nach einer Klau­sur, die wei­te Tei­le der Stu­den­ten­schaft – mich ein­ge­schlos­sen – schwer ver­bockt hat­ten, Zet­tel mit den „lus­tigs­ten Ant­wor­ten“ ver­teil­te. Zwar stan­den kei­ne Namen dabei, aber ich emp­fand die­sen Vor­gang durch­aus als Bloß­stel­lung – zumal die Vor­le­sung ster­bens­lang­wei­lig und von „lus­tig“ bis zu die­sem Punkt nie die Rede gewe­sen war.

Der Fach­be­reich Medi­en der Hoch­schu­le Mitt­wei­da hat offen­bar den sel­ben Humor wie mei­ne dama­li­ge Dozen­tin und stellt „eini­ge Grün­de für die zuwei­len aus­ge­bro­che­ne Hei­ter­keit unter den sonst doch so gestren­gen Wis­sen­schaft­lern“ gleich ins Inter­net.

Dar­un­ter:

Fra­ge: Die Begrif­fe „Pearl“ und „Java“ klin­gen wie exo­ti­sche Mix­ge­trän­ke oder Mode­dro­gen, bezeich­nen aber etwas ande­res, näm­lich was?
Ant­wort: „Nein, das sind Kaf­fee­sor­ten“. (Rich­tig: Pro­gram­mier­spra­chen)

Haha­ha­ha­ha, was für ein Idi­ot!

Es sei denn natür­lich, er mein­te Java-Kaf­fee und die „Part­ner­ship for Enhan­cing Agri­cul­tu­re in Rwan­da through Lin­k­ages“ (PEARL), die sich in Ruan­da vor allem um den fai­ren Anbau von Mani­ok und … äh Kaf­fee bemüht.

(Und war­um die Pro­gram­mier­spra­che Java jetzt aus­ge­rech­net eine Kaf­fee­tas­se als Logo hat, das kann ich Ihnen natür­lich auch nicht sagen.)

[via Kat­ti]

Kategorien
Leben

The End Is The Beginning Is The End

Als ich noch über eine aka­de­mi­sche Kar­rie­re nach­dach­te, hielt ich es als begeis­ter­ter Varie­tä­ten­lin­gu­ist für eine gute Idee, mei­ne Dok­tor­ar­beit über Brot­enden zu schrei­ben (die Alter­na­tiv­idee hieß „Ficken, Bum­sen, Bla­sen – Eine Ety­mo­lo­gie der Sex-Spra­che“). Denn, so hat­te ich gelernt: Die­se Din­ger hei­ßen über­all anders.

Eine ansehn­li­che Lis­te mit Bezeich­nun­gen (sowie mit Namen für das Kern­ge­häu­se eines Apfels) hat­te ich schon begon­nen – und es steht Ihnen natür­lich frei, die­se in den Kom­men­ta­ren zu ergän­zen. Ich erfuhr, dass es sogar Dör­fer gibt, in denen der Anfang und das Ende eines Bro­tes unter­schied­li­che Bezeich­nun­gen haben. Da ist man dann schnell im Grenz­ge­biet von Lin­gu­is­tik und Phi­lo­so­phie.

Schwie­rig wür­de es da natür­lich bei so einem Kan­di­da­ten der kubis­ti­schen Pha­se:

Quadratisch, praktisch, Brot
Kategorien
Literatur Leben

Die Omelette-Maschine: Heiner Müller zum Achtzigsten

Den trau­rigs­ten Moment mei­ner aka­de­mi­schen Lauf­bahn erleb­te ich eines Frei­tags­mor­gens in einem Pop­li­te­ra­tur-Semi­nar. Eine Grup­pe von Kom­mi­li­to­nen hielt ein Refe­rat über Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re und an einer Stel­le (in „Black­box“) gibt es neben einer gan­zen Rei­he ande­rer Zita­te auch eines von Hei­ner Mül­ler: „Alles ist Mate­ri­al.“

Und was sag­te die­ser Ger­ma­nis­tik-Stu­dent im durch­aus nicht mehr ers­ten Semes­ter?

„Hei­ner Mül­ler, also der Mann vom ‚RTL Nacht­jour­nal‘ …“

Kategorien
Leben

Die brutale Banalität der Tragik

Heu­te saß ich in der U‑Bahn neben einem Maschi­nen­bau­stu­den­ten, der sei­nem Kum­pel berich­te­te, er wer­de wohl sein Stu­di­um schmei­ßen, falls er die anste­hen­den Klau­su­ren nicht bestehe. Aber er sei hoch moti­viert, wol­le in der ver­blie­be­nen Zeit ganz viel ler­nen und dann wer­de er das schon hin­krie­gen.

Die Selbst­be­schwö­run­gen des jun­gen Man­nes hat­ten etwas sehr Rüh­ren­des, aber irgend­wie sah ich sei­ne Chan­cen in einem Mathe­ma­tik-las­ti­gen Stu­di­en­fach deut­lich getrübt, als er vor­rech­ne­te, bis zu den Klau­su­ren Ende März sei­en es ja „noch fast vier­ein­halb Mona­te“.

Kategorien
Politik Gesellschaft

(Not) My Generation

„Welt Debat­te“ ist ein Ange­bot, das ich bis­her eher vom Hören­sa­gen kann­te. Ich kann mich auf welt.de nicht lan­ge auf­hal­ten, weil ich es für eines der schlimms­ten die­ser klick­hu­ren­den Mons­ter hal­te, die sich not­dürf­tig das Män­tel­chen „Online­jour­na­lis­mus“ über­ge­wor­fen haben, und mich die dor­ti­gen Leser­kom­men­ta­re immer wie­der tief in mei­nem Glau­ben an die Wich­tig­keit der Mei­nungs­frei­heit erschüt­tern.

Wenn also irgend­je­mand bei „Welt Debat­te“ irgend­was schreibt, krie­ge ich das höchs­tens über Umwe­ge mit. So auch im Fall von Gideon Böss, der dort bloggt. Herr Böss ist der glei­che Jahr­gang wie ich, womit die Gemein­sam­kei­ten im Gro­ßen und Gan­zen auch schon genannt wären. Dass es Kon­ser­va­ti­ve in mei­nem Alter gibt, über­rascht mich immer ein biss­chen, aber das ist ja nicht wei­ter schlimm, ver­schie­de­ne Mei­nun­gen sol­len wir alle haben und wir sol­len sie alle frei äußern kön­nen, ohne uns dafür gegen­sei­tig an die Gur­gel zu sprin­gen, nur so wird’s was mit der Dis­kus­si­ons­kul­tur.

Herr Böss macht es einem indes schwer mit dem Nicht-Gur­gel­sprin­gen, hat er doch offen­bar die Henryk‑M.-Broder-Schule für Pole­mik und Recher­che­schwä­che besucht, was sei­nen Posi­tio­nen ein biss­chen die Schlag­kraft nimmt.

Ver­gan­ge­ne Woche hat er über einen Besuch des frü­he­ren ira­ni­schen Prä­si­den­ten Moham­mad Chat­a­mi gebloggt und die­sen Mann, der als der ers­te Refor­mer in einem wich­ti­gen poli­ti­schen Amt im Iran gilt, eine „Gali­ons­fi­gur des ira­nisch-isla­mis­ti­schen Ter­rors“ genannt.

Über­haupt sei­en deut­sche Uni­ver­si­tä­ten viel zu links:

Irgend­wie ist die orga­ni­sier­te Stu­den­ten­schaft immer ent­we­der reli­gi­ös, anti­ka­pi­ta­lis­tisch oder glo­ba­li­sie­rungs­kri­tisch und wer­te­re­la­ti­vis­tisch ist sie sowie­so.

Nun wäre es natür­lich eine span­nen­de Fra­ge, war­um sich Herr Böss, der anschei­nend stu­diert hat, dann nicht für sei­ne Inter­es­sen in der Stu­den­ten­schaft orga­ni­siert hat. Es wäre auch span­nend, sich durch die Kom­men­ta­re zu kämp­fen, aber das haben mir mei­ne Ärz­te und Schrei­ner ver­bo­ten: Herz, Zäh­ne und Tisch­plat­ten sind nicht unend­lich belast­bar.

Ges­tern hat er dann nach­ge­legt und mal so rich­tig der­be mit sei­ner (unge­nann­ten) Uni abge­rech­net:

Mein Vor­schlag wäre, zuerst ein­mal alles aus der Uni zu ver­ban­nen, was mit Wis­sen­schaft nichts zu tun hat. Der gan­ze Gen­der-Quatsch zum Bei­spiel. Ich muss­te drei­mal im Ver­lauf des Stu­di­ums sol­che Kur­se besu­chen. Da lern­te ich, dass es eine gesell­schaft­li­che Kon­struk­ti­on ist, dass es nur zwei Geschlech­ter gibt. In Wahr­heit gibt es mehr, wobei die genaue Zahl nicht klar ist.

Herr Böss ver­tritt also noch nicht mal ein kon­ser­va­ti­ves Welt­bild, er ver­tritt ein schwarz-wei­ßes Welt­bild: wich­tig vs. unwich­tig, Mann vs. Frau, gut vs. böse, rechts vs. links. Da ist man mit dem Welt­s­or­tie­ren schnel­ler fer­tig und hat mehr vom Tag.

Und dann bro­dert es nur so aus ihm hin­aus:

Noch eine Num­mer här­ter wird es bei den Hard­core-Femi­nis­tin­nen, für die Kin­der, die von ihrem Vater ver­ge­wal­tigt wur­den, genau­so trau­ma­ti­siert sind wie Holo­caust-Über­le­ben­de (der Ver­such, die Lei­dens­ge­schich­te der Juden als Blau­pau­se für die Unter­drü­ckung der Frau­en zu miss­brau­chen, gehört mit zum geschmack­lo­ses­ten des Femi­nis­mus Made by Ali­ce Schwar­zer). Wir ler­nen also, dass ein Kind zwei Eltern­tei­le hat: eine lie­ben­de Mut­ter und Ausch­witz.

Ver­ge­wal­tig­te Kin­der tau­gen für Herrn Böss also gera­de noch zur scha­len (und inko­hä­ren­ten) Poin­te. Ich sehe eine gro­ße Zukunft für ihn im deut­schen Gei­fer­ge­wer­be.

Und weil ich mich kei­ne Minu­te län­ger mit Herrn Böss‘ miss­glück­tem Ver­such einer Debat­te befas­sen will, ver­wei­se ich statt­des­sen auf die­se klu­ge Replik von Mar­tin Spind­ler, der all das in Wor­te fasst und unter­mau­ert, was ich sel­ber nur raus­ge­gei­fert gekriegt hät­te.

[via riv­va]

Kategorien
Digital

Für das Leben

Gera­de bei „Spie­gel Online“ gele­sen: Wäh­rend man­che Leh­rer mit erschüt­tern­der Kon­se­quenz und eben­sol­cher Erfolg­lo­sig­keit gegen das Leh­rer-Bewer­tungs­por­tal spickmich.de kla­gen, mel­den sich ande­re ein­fach als Schü­ler dort an und polie­ren die Bewer­tung ihrer Kol­le­gen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wel­ches Ver­hal­ten ich kin­di­scher fin­den soll.

Wäh­rend eini­ge mei­ne Uni-Dozen­ten am Ende jedes Semes­ters anony­me Umfra­gen zur Qua­li­tät ihrer Lehr­ver­an­stal­tun­gen durch­füh­ren (inzwi­schen sogar online), bezeich­ne­te Peter Sil­ber­na­gel vom Phi­lo­lo­gen­ver­band die anony­men Bewer­tun­gen bei spickmich.de im letz­ten Som­mer als „eine Form von Feig­heit“. Bei allem Respekt vor dem Leh­rer­be­ruf und grund­sätz­li­cher Ableh­nung von Ver­all­ge­mei­ne­run­gen: Mir fie­len allei­ne aus mei­ner Schul­lauf­bahn zehn Leh­rer ein, die auf eine un-anony­me, also offe­ne Kri­tik an ihrem Unter­richt mit deut­lich ver­än­der­ter Beno­tung des ent­spre­chen­den Schü­lers reagiert hät­ten oder haben.

Die pau­scha­li­sier­te Kri­tik am Berufs­stand Leh­rer hat, so berech­tigt sie in vie­len Ein­zel­fäl­len auch sein mag, vie­le Leh­rer in eine Posi­ti­on gedrängt, in der sie jede Äuße­rung von Kri­tik als unge­recht­fer­tigt und sich selbst als feh­ler­frei anse­hen. Dies sind häu­fig genug die Kol­le­gen, die schon ein biss­chen zu lan­ge im Dienst sind, deren Pen­sio­nie­rung aber auch noch in wei­te­rer Fer­ne liegt. Die „alten Hasen“, die fast alle zeit­gleich mit mei­nem Abitur in Pen­si­on gin­gen, waren hin­ge­gen deut­lich offe­ner für Rück­mel­dun­gen (was viel­leicht dar­an lie­gen kann, dass vie­le von ihnen in den spä­ten 1960er Jah­ren an den Uni­ver­si­tä­ten waren) oder lie­fer­ten gleich kaum Anlass zu Kri­tik. Jun­ge Leh­rer gab es zu unse­rer Schul­zeit kei­ne, aber sie sol­len recht enga­giert sein, habe ich gehört.

Ich wür­de kein Leh­rer sein wol­len. Die Fra­ge habe ich gleich bei mei­ner Ein­schrei­bung ver­neint und seit­dem noch maxi­mal zehn Sekun­den dar­über nach­ge­dacht. Ers­tens bin ich unter­ir­disch schlecht im Erklä­ren, zwei­tens hät­te ich wenig Bock auf ner­ven­de Schü­ler und drit­tens erscheint mir die stän­di­ge Wie­der­ho­lung ähn­li­cher Inhal­te unter immer neu­en Vor­zei­chen dann auch nicht so span­nend. Ent­spre­chend hoch ist mein grund­sätz­li­cher Respekt vor dem Beruf des Leh­rers. Ich habe eini­ge sehr gute Leh­rer erlebt, denen ich viel zu ver­dan­ken habe, aber auch eini­ge sehr, sehr schlech­te. Wenn man sich die Lis­te mei­ner Deutsch- und Eng­lisch­leh­rer so ansieht, geht es wohl als mit­tel­schwe­res Wun­der durch, dass ich mich ernst­haft für ein Ger­ma­nis­tik- und Anglis­tik­stu­di­um ent­schie­den habe. Nahe­lie­gend wären Geschich­te und Erd­kun­de (das es aber in der Form lei­der nicht als Stu­di­en­fach gibt) gewe­sen.

Wir hät­ten uns damals gefreut, wenn wir unse­re Leh­rer auf einer Platt­form wie spickmich.de hät­ten bewer­ten kön­nen und wenn die­se sich die Bewer­tun­gen auch ange­se­hen und zu Her­zen genom­men hät­ten. Ich den­ke, dass Schü­ler durch­aus in der Lage sind, die Qua­li­tät des Unter­richts und das Ver­hal­ten eines Leh­rers gut zu beur­tei­len. Wenn ich mir die Leh­rer­be­wer­tun­gen für mein altes Gym­na­si­um bei spickmich.de so anse­he (bzw. den Teil der Leh­rer, die ich noch ken­ne), so zeigt sich mir ein rea­lis­ti­sches Bild. Und was spricht dage­gen, die Arbeit von Men­schen, die jeden Tag ande­re beur­tei­len sol­len, deren letz­te eige­ne Beur­tei­lung aber in den letz­ten Tagen ihres Stu­di­ums statt­fand, mit schlich­ten Zah­len­wer­ten zu beur­tei­len? Das ist kei­ne „Feig­heit“, son­dern Kon­se­quenz.

Kategorien
Digital

Generation Blog

Ich wer­de eher sel­ten zur Teil­nah­me an Podi­ums­dis­kus­sio­nen gela­den, wes­we­gen ich die­se ermü­den­den Anti-Blog-Dis­kus­sio­nen, von denen man bei renom­mier­te­ren Blog­gern immer wie­der liest, noch nie aus der Nähe erlebt habe. Das änder­te sich aber am Don­ners­tag, als wir in einem Lite­ra­tur­se­mi­nar auf das „Vani­ty Fair“-Blog von Rai­nald Goetz zu spre­chen kamen.

Die meis­ten der etwa zehn Semi­nar­teil­neh­mer kann­ten den Namen Rai­nald Goetz nicht ((Sie hör­ten sogar von der berühm­ten Stirn-auf­schlitz-Geschich­te zum ers­ten Mal, fan­den sie aber gleich doof.)) und hat­ten noch nie ein Blog gele­sen. Bei­des ist sicher­lich ver­zeih­lich, bei Ger­ma­nis­tik­stu­den­ten Anfang Zwan­zig aber viel­leicht auch etwas uner­war­tet.

Da wir mit der Inter­pre­ta­ti­on des Goetz’schen Wer­kes nicht so recht aus dem Quark kamen, drif­te­te die Dis­kus­si­on in grund­sätz­li­che­re Gefil­de. Einem Kom­mi­li­to­nen ((„Kom­mi­li­to­ne“ gehört zu den Begrif­fen, die ich nur schrei­ben kann, wenn ich an einem Com­pu­ter mit auto­ma­ti­scher Recht­schreib­über­prü­fung sit­ze. Wei­te­re Bei­spie­le: Atmo­sphä­re, Feuil­le­ton, Kom­mis­sar, auf­pfrop­fen.)) miss­fiel die­se gan­ze „Selbst­dar­stel­lung“ in Form von Stu­diVZ, Blogs und Vide­os, und eine Kom­mi­li­to­nin, die zuvor geäu­ßert hat­te, außer Aus­lands­ta­ge­bü­chern von Freun­den noch nie ein Blog gese­hen zu haben, echauf­fier­te ((Ha, noch so ein Wort!)) sich in har­schem Ton über die min­de­re Qua­li­tät und die aller­or­ten anzu­tref­fen­de Selbst­dar­stel­lung, die sie „pein­lich“ fin­de.

Nun gehö­re ich nicht zu den Ver­tre­tern jener Zunft, die im Inter­net die Heils­brin­gung für alles und jeden sehen. Ich kann mir gut vor­stel­len, dass es auch in fünf­zig Jah­ren noch Men­schen geben wird, die das Inter­net über­haupt nicht nut­zen. Es gibt ja auch heut­zu­ta­ge Leu­te, die weder Tele­fon noch Fern­se­her besit­zen, und von Eugen Dre­wer­mann liest man immer wie­der, dass er noch nicht ein­mal einen Kühl­schrank in sei­ner Woh­nung habe. Etwas erstaunt bin ich aber, wenn Men­schen in mei­nem Alter, die mit­ten im Leben ste­hen ((Gut: Eini­ge von ihnen wol­len viel­leicht Leh­rer wer­den …)), moder­ne Medi­en und Phä­no­me­ne rund­her­um ableh­nen, und halb­wegs sau­er wer­de ich, wenn sie dies ohne vor­he­ri­ge Inau­gen­schein­nah­me tun.

Ich kip­pel­te mit mei­nem Stuhl nach hin­ten, brei­te­te die Arme aus und lächel­te. „Natür­lich gibt es viel Schrott im Inter­net, aber den hat man in der tra­di­tio­nel­len Lite­ra­tur oder wo auch immer ja auch. Ich fin­de es gera­de span­nend, dass man sich selbst ein biss­chen umse­hen muss, um gute Sachen zu fin­den. Aber es gibt eben jede Men­ge gute und span­nen­de Sachen im Netz.“

So ganz wuss­te die jun­ge Frau wohl nicht, was in Blogs über­haupt so drin­ste­hen kann. Oder Goetz hat­te sie auf die fal­sche Fähr­te gelockt: Sie erzähl­te jeden­falls, in ihrem Bekann­ten­kreis gebe es Dut­zen­de Leu­te, die immer schon erzählt hät­ten, sie wür­den ger­ne mal ein Buch schrei­ben. Getan habe das zum Glück noch kei­ner. Aber jetzt könn­ten alle mit ihrer min­de­ren Qua­li­tät das Inter­net voll­schrei­ben.

Mit der glei­chen Begrün­dung, so ent­geg­ne­te ich, kön­ne sie ja auch Kon­zer­te von Nach­wuchs­bands in Jugend­zen­tren ver­dam­men, weil die oft auch nicht so doll sei­en. „Das ist doch das span­nen­de, dass heu­te end­lich die Ver­spre­chun­gen der Pop Art und fast aller wich­ti­gen Medi­en­theo­rien des 20. Jahr­hun­derts ein­ge­löst wer­den“, geriet ich etwas zu hef­tig in Fahrt. „War­hols 15 Minu­ten Ruhm, ‚Jeder ist ein Künst­ler‘, ‚the medi­um is the mes­sa­ge‘: jeder kann sich ein­brin­gen!“ Ich dach­te: „Jetzt has­sen sie mich alle. Name­drop­ping, Ange­be­rei und Pathos. Das kann in einer Uni­ver­si­tät nicht gut gehen.“ Dann füg­te ich hin­zu: „Ich fin­de, dass jede Form von Kunst, die irgend­je­man­dem was bedeu­tet – und sei es nur dem Künst­ler selbst – ihre Berech­ti­gung hat.“ ((Das ist übri­gens eine Ein­stel­lung, die ich regel­mä­ßig ver­wer­fen will, wenn ich das Radio ein­schal­te und mit Maroon 5 oder Revol­ver­held gequält wer­de.))

Mei­ne Gegen­über­in äußer­te nun die Ver­mu­tung, wir hät­ten offen­sicht­lich recht unter­schied­li­che Kunst­be­grif­fe. Lei­der befan­den wir uns zeit­lich schon in der Ver­län­ge­rung, so dass wir uns nicht mehr wirk­lich hoch­schau­keln konn­ten. Aber ich fühl­te mich schon etwas knü­wer als sonst.

Kategorien
Leben

Der Vulkan in meinem Pappbecher

Als das Kon­zept des cof­fee to go in Deutsch­land ganz neu war, mag der eine oder ande­re tat­säch­lich davon aus­ge­gan­gen sein, dass das bewor­be­ne Pro­dukt „Cof­fee Togo“ hie­ße. Wer heu­te vor­sätz­lich vom „Cof­fee Togo“ spricht, muss sich vor­wer­fen las­sen, über den glei­chen Humor zu ver­fü­gen, wie Men­schen, die „zum Blei­stift“ sagen. Der Kaf­fee für zum Gehen ist mitt­ler­wei­le bekannt und gesell­schaft­lich voll akzep­tiert.

Sie sind aber auch zu prak­tisch, die­se Heiß­ge­trän­ke zum Mit­neh­men. Ges­tern ging ich zum Bei­spiel zu dem hip­pen Café im Ein­gangs­be­reich der Bochu­mer Uni-Biblio­thek und bestell­te mir eine hot cho­co­la­te. Dort ver­wen­det man näm­lich Kakao von Ghirar­del­li, den ich im ver­gan­ge­nen Jahr nach lang­wie­ri­ger Recher­che zum welt­bes­ten Kakao ernannt habe. Ob ich noch Sah­ne drauf woll­te, frag­te die Bedie­nung. Hell yeah, ich woll­te. Und stell­te erst nach Emp­fang des Papp­be­chers fest, dass der Berg Sah­ne auf mei­nem Becher die Mon­ta­ge des Schna­bel­tas­sen­plas­tik­de­ckels unmög­lich machen wür­de.

Da muss­te ich jetzt durch, also ver­such­te ich, einen ers­ten Schluck zu neh­men, wäh­rend ich Rich­tung Insti­tuts­ge­bäu­de ging. Ich nahm einen Mund voll Sah­ne, tunk­te mei­ne Nasen­spit­ze in Scho­ko­la­den­si­rup1 und hat­te den Becher schließ­lich so weit geneigt, dass mir eini­ge Schlü­cke kochen­den Stahls Kakao in den Mund schos­sen. Zun­ge und Gau­men waren sofort taub und füh­len sich seit­dem an, als wür­de man einen voll­geasch­ten Tep­pich­bo­den able­cken.2 Die­se ers­ten Schlü­cke hat­ten nun eine Schnei­se in den bis­her undurch­dring­li­chen Sah­ne­berg geschla­gen und der Kapil­lar­ef­fekt ermög­lich­te es mei­ner glü­hend hei­ßen Scho­ko­la­de nun, wie Lava nach oben zu bro­deln. Mit die­sem Vul­kan in mei­nem Papp­be­cher ging ich in den Hör­saal.

Dort stand ich vor dem nächs­ten Pro­blem: Auf den leicht geneig­ten Schreib­flä­chen war an ein Abstel­len des immer noch bei­na­he rand­vol­len Bechers nicht zu den­ken. Also hielt ich das Gefäß, um das ich klu­ger­wei­se noch eine Hit­ze­schild-Ban­de­ro­le gezo­gen hat­te, mit der einen Hand fest, wäh­rend ich ver­such­te, mich mit der ande­ren Hand aus mei­ner Jacke zu schä­len, ohne dabei den lau­fen­den MP3-Play­er (Rihan­na) fal­len zu las­sen. Schließ­lich schaff­te ich es auch noch, mich irgend­wie auf den Klapp­sitz zu set­zen und der Vor­le­sung über die Lite­ra­tur und Poli­tik von 1965 bis 1975 zu fol­gen.

1 Ein Umstand, den ich natür­lich erst Stun­den spä­ter vor dem hei­mi­schen Spie­gel bemerk­te.
2 Sprach­li­ches Bild, kein Erfah­rungs­wert.

Kategorien
Gesellschaft

Wir nennen es Arbeitsplatz

Nach­dem mein Com­pu­ter vor­ges­tern kaputt gegan­gen ist, sit­ze ich nun schon den zwei­ten Tag in Fol­ge in der Uni-Biblio­thek. Es ist wie­der der glei­che PC wie ges­tern (nur die Jalou­sien sind heu­te wegen erheb­li­cher Bewöl­kung und Regens die gan­ze Zeit über oben) und ich füh­le mich schon fast ein biss­chen, als sei das hier mein Arbeits­platz. Neben mir arbei­ten ande­re jun­ge Men­schen an ihren Semi­nar­ar­bei­ten, ab und an fliegt eine Tau­be gegen die Fens­ter­front und gleich wer­de ich mal sehen, was die Kaf­fee­bar im Erd­ge­schoss so zu bie­ten hat.

Kurz­um: Smells like Groß­raum­bü­ro und gere­gel­ten Arbeits­zei­ten. Und soll ich Euch was sagen, Ihr digi­ta­len Bohé­mi­ans? Ich fin­de das super!

End­lich gehe ich Abends wie­der ins Bett, wenn ich müde bin, und nicht erst, wenn Feed­rea­der und ICQ wirk­lich abso­lut gar nichts mehr her­ge­ben. Ich trin­ke mei­nen Kaf­fee am Früh­stücks­tisch (wo einer mei­ner Mit­be­woh­ner heu­te freund­li­cher­wei­se sogar eine Zei­tung, na gut: die „Welt kom­pakt“ hin­ter­legt hat­te) und nicht vor dem Moni­tor, in gefähr­li­cher Schlab­ber­nä­he zur Tas­ta­tur. Ich wer­de heu­te Abend nach Hau­se gehen und mich mit den Wor­ten „Schatz, ich bin wie­der da-ha!“ mei­nem Fern­se­her wid­men. Oder etwas in der Art.

Ich über­le­ge in Zukunft, wenn mein Com­pu­ter wie­der läuft, eine klei­ne Besen­kam­mer anzu­mie­ten, wo ich ihn rein­stel­len kann. So muss ich zwi­schen­durch an die fri­sche Luft und mein Zim­mer ist nicht mehr ein Büro mit Bett, son­dern ein Wohn­zim­mer. Viel­leicht reicht es aber auch, wenn ich mich ein­fach dazu zwin­ge, das doo­fe Ding, das so unglaub­lich prak­tisch ist, ein­fach mal aus­zu­schal­ten oder aus­zu­las­sen.

Kategorien
Leben

Ständiges Auf und Ab

Ich habe mei­nen defek­ten Rech­ner heu­te Mit­tag zu Fuß zur U‑Bahn und von dort aus zum nächst­ge­le­ge­nen PC-Händ­ler geschleppt. Am Mon­tag wer­de man sich das Teil mal anse­hen und mich dann anru­fen, erklär­te mir der freund­li­che Herr hin­ter der The­ke. Ich bin gespannt.

Und jetzt sit­ze ich hier in der Uni-Biblio­thek an bei­na­he brand­neu­en Com­pu­tern, die über jede nur vor­stell­ba­re Soft­ware ver­fü­gen, und sich­te die digi­ta­le Welt. Aus dem Fens­ter, vor dem „mein“ Com­pu­ter steht, hat man einen wun­der­ba­ren Aus­blick über den Cam­pus und ins Lot­ten­tal1, dahin wo das Ruhr­ge­biet ins Ber­gi­sche Land (I sup­po­se) über­geht. Um mich her­um lesen ange­hen­de Juris­ten ange­regt ihre andert­halb­tau­sen Sei­ten dicken Fach­bü­cher, es ist – bis auf das hirn­erwei­chen­de Rau­schen der Leucht­stoff­röh­ren – still und bei­na­he den­ke ich nicht mehr an mei­nen Com­pu­ter­är­ger.

Aber lei­der sit­zen vor die­sem Fens­ter auto­ma­ti­sche Jalou­sien, die hoch­fah­ren, wenn es sich bewölkt, und her­un­ter, wenn die Son­ne raus­kommt. Und bei dem Wet­ter, was hier im Moment vor­herrscht, tun sie das alle ver­damm­ten fünf Minu­ten!

1 Ja, das muss­te ich bei Goog­le Maps nach­gu­cken.

Kategorien
Film Sport

Deine Mutter!

Etwa ein­mal in der Woche gucke ich, was es bei apple.com für neue Trai­ler gibt. Bei mei­nem letz­ten Kon­troll­gang erblick­te ich ein Pla­kat für „Beowulf“, erin­ner­te mich an die Vor­le­sung „Midd­le Eng­lish Lite­ra­tu­re“ im zwei­ten Anglis­tik-Semes­ter und guck­te mir den Trai­ler an.

Nach unge­fähr drei Vier­teln kam eine Stel­le, bei der ich dach­te: „Also das sah jetzt aber gera­de irgend­wie bil­lig ani­miert aus …“ – dann stell­te ich fest, dass der kom­plet­te Trai­ler (und damit natür­lich auch der Film) com­pu­ter­ani­miert ist. Die Gesich­ter von Ray Win­stone, Ange­li­na Jolie, Brendan Glee­son, Antho­ny Hop­kins, Robin Wright Penn, John Mal­ko­vich – alle aus dem Com­pu­ter. Uff!

Natür­lich stellt sich da irgend­wie die Fra­ge, war­um man der­art nam­haf­te Schau­spie­ler nicht ein­fach „in echt“ im Film auf­tre­ten lässt. Ande­rer­seits ist es nach „Sky Cap­tain And The World Of Tomor­row“ und „Sin City“, die kom­plett vor einer Blue bzw. Green Screen gedreht und mit digi­ta­len Hin­ter­grün­den ver­se­hen wur­den, ja nur noch ein wei­te­rer Schritt, auch gleich die Schau­spie­ler mit zu ani­mie­ren. Sowas wur­de sogar schon mal gemacht, z.B. bei „Polar Express – und des­sen Regis­seur Robert Zeme­ckis („Zurück in die Zukunft“, „For­rest Gump“, „Cast Away“, …) führt jetzt auch bei „Beowulf“ Regie.

Bei einem kur­zen Blick in die IMDb stell­te ich dann noch fest, dass das Dreh­buch vom phan­tas­ti­schen Neil Gai­man und vom frü­he­ren Taran­ti­no-Hel­fer Roger Ava­ry stammt. Da kann eigent­lich nichts mehr schief gehen, zumal Gai­man den Film als „cheerful­ly vio­lent and stran­ge take on the Beowulf legend“ ange­kün­digt hat.

P.S.: Wer den Zusam­men­hang zwi­schen Über­schrift und Inhalt die­ses Ein­trags ohne Nach­zu­gu­cken (also goo­geln) her­stel­len kann, darf sie als bewan­dert in mit­tel­eng­li­scher Lite­ra­tur betrach­ten.