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Für das Leben

Gerade bei “Spiegel Online” gelesen: Während manche Lehrer mit erschütternder Konsequenz und ebensolcher Erfolglosigkeit gegen das Lehrer-Bewertungsportal spickmich.de klagen, melden sich andere einfach als Schüler dort an und polieren die Bewertung ihrer Kollegen. Ich bin mir nicht ganz sicher, welches Verhalten ich kindischer finden soll.

Während einige meine Uni-Dozenten am Ende jedes Semesters anonyme Umfragen zur Qualität ihrer Lehrveranstaltungen durchführen (inzwischen sogar online), bezeichnete Peter Silbernagel vom Philologenverband die anonymen Bewertungen bei spickmich.de im letzten Sommer als “eine Form von Feigheit”. Bei allem Respekt vor dem Lehrerberuf und grundsätzlicher Ablehnung von Verallgemeinerungen: Mir fielen alleine aus meiner Schullaufbahn zehn Lehrer ein, die auf eine un-anonyme, also offene Kritik an ihrem Unterricht mit deutlich veränderter Benotung des entsprechenden Schülers reagiert hätten oder haben.

Die pauschalisierte Kritik am Berufsstand Lehrer hat, so berechtigt sie in vielen Einzelfällen auch sein mag, viele Lehrer in eine Position gedrängt, in der sie jede Äußerung von Kritik als ungerechtfertigt und sich selbst als fehlerfrei ansehen. Dies sind häufig genug die Kollegen, die schon ein bisschen zu lange im Dienst sind, deren Pensionierung aber auch noch in weiterer Ferne liegt. Die “alten Hasen”, die fast alle zeitgleich mit meinem Abitur in Pension gingen, waren hingegen deutlich offener für Rückmeldungen (was vielleicht daran liegen kann, dass viele von ihnen in den späten 1960er Jahren an den Universitäten waren) oder lieferten gleich kaum Anlass zu Kritik. Junge Lehrer gab es zu unserer Schulzeit keine, aber sie sollen recht engagiert sein, habe ich gehört.

Ich würde kein Lehrer sein wollen. Die Frage habe ich gleich bei meiner Einschreibung verneint und seitdem noch maximal zehn Sekunden darüber nachgedacht. Erstens bin ich unterirdisch schlecht im Erklären, zweitens hätte ich wenig Bock auf nervende Schüler und drittens erscheint mir die ständige Wiederholung ähnlicher Inhalte unter immer neuen Vorzeichen dann auch nicht so spannend. Entsprechend hoch ist mein grundsätzlicher Respekt vor dem Beruf des Lehrers. Ich habe einige sehr gute Lehrer erlebt, denen ich viel zu verdanken habe, aber auch einige sehr, sehr schlechte. Wenn man sich die Liste meiner Deutsch- und Englischlehrer so ansieht, geht es wohl als mittelschweres Wunder durch, dass ich mich ernsthaft für ein Germanistik- und Anglistikstudium entschieden habe. Naheliegend wären Geschichte und Erdkunde (das es aber in der Form leider nicht als Studienfach gibt) gewesen.

Wir hätten uns damals gefreut, wenn wir unsere Lehrer auf einer Plattform wie spickmich.de hätten bewerten können und wenn diese sich die Bewertungen auch angesehen und zu Herzen genommen hätten. Ich denke, dass Schüler durchaus in der Lage sind, die Qualität des Unterrichts und das Verhalten eines Lehrers gut zu beurteilen. Wenn ich mir die Lehrerbewertungen für mein altes Gymnasium bei spickmich.de so ansehe (bzw. den Teil der Lehrer, die ich noch kenne), so zeigt sich mir ein realistisches Bild. Und was spricht dagegen, die Arbeit von Menschen, die jeden Tag andere beurteilen sollen, deren letzte eigene Beurteilung aber in den letzten Tagen ihres Studiums stattfand, mit schlichten Zahlenwerten zu beurteilen? Das ist keine “Feigheit”, sondern Konsequenz.