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„Haha“, said the clown

Wenn sich der Mann, der in der Nacht zum Frei­tag in einem Kino in Colo­ra­do 12 Men­schen erschos­sen und 58 wei­te­re ver­letzt hat, für eine ande­re Vor­stel­lung ent­schie­den hät­te, wäre alles anders: „Ice Age 4“, der Katy-Per­ry-Kon­zert­film, schon „The Ama­zing Spi­der-Man“ hät­te alles geän­dert, aber der Mann ging in die Mit­ter­nachts­vor­stel­lung von „The Dark Knight Rises“ – ob gezielt, ist noch nicht klar.

dapd schreibt:

Der Poli­zei­chef von New York, Ray­mond Kel­ly, sag­te, der Ver­däch­ti­ge habe sei­ne Haa­re rot gefärbt und gesagt, er sei der „Joker“, ein Böse­wicht aus den „Batman“-Filmen und ‑Comic­bü­chern. „Das ist mei­nes Wis­sens nach nicht wahr“, sag­te hin­ge­gen der ört­li­che Poli­zei­chef Dan Oates, erklär­te aber mit Kel­ly gespro­chen zu haben.

Der Poli­zei­chef einer 2.800 Kilo­me­ter ent­fern­ten Stadt sagt etwas, was der ört­li­che Poli­zei­chef nicht bestä­ti­gen kann oder will – das kann man auf­schrei­ben, wenn man die ohne­hin ins Kraut schie­ßen­den Spe­ku­la­tio­nen wei­ter anhei­zen will, muss es aber sicher nicht.

Das heißt: Als Nach­rich­ten­agen­tur im Jahr 2012 muss man es wahr­schein­lich schon, weil die Kun­den, allen vor­an die Online­diens­te, ja sonst selbst anfan­gen müss­ten, irgend­wel­che mut­maß­li­chen Details aus dem Inter­net zusam­men­zu­tra­gen. Dabei gibt es kaum wel­che!

„Spie­gel Online“ kom­men­tiert den Umstand, dass der Mann offen­bar nicht bei „Face­book, Twit­ter, irgend­ein Social Net­work her­kömm­li­cher Strick­art“ ange­mel­det war, dann auch ent­spre­chend so:

Bei den Fahn­dern wirft das Fra­gen auf, wäh­rend es bei jün­ge­ren Inter­net­nut­zern für Fas­sungs­lo­sig­keit sorgt. Ihnen erscheint [der Täter] wie ein Geist. Wie kann das sein, dass ein 24 Jah­re jun­ger ame­ri­ka­ni­scher Aka­de­mi­ker nicht ver­netzt ist? Mit nie­man­dem kom­mu­ni­ziert, Bil­der tauscht, Sta­tus-Aktua­li­sie­run­gen ver­öf­fent­licht, sich selbst öffent­lich macht?

Man hät­te es also wie­der ein­mal kom­men sehen müs­sen:

Dass [der Täter] im Web nicht prä­sent ist, macht ihn heu­te genau­so ver­däch­tig, wie er es als exzes­si­ver Nut­zer wäre. Im Janu­ar 2011 ver­öf­fent­lich­te ein Team um den Jugend­psy­cho­lo­gen Richard E. Bélan­ger eine Stu­die, die exzes­si­ve Inter­net­nut­zung genau wie Inter­net- und Ver­net­zungs-Abs­ti­nenz bei jun­gen Leu­ten zu einem Warn­si­gnal für men­ta­le Erkran­kun­gen erklär­te.

Erst an die­ser Stel­le, in den letz­ten Absät­zen, wen­det sich Autor Frank Pata­long gegen die von ihm bis­her refe­rier­ten The­sen:

Man muss sich ein­mal vor­stel­len, was es für uns alle bedeu­ten wür­de, wenn das Kon­sens wür­de: Dann wäre nur noch der unver­däch­tig, der ein „nor­ma­les“ Online-Ver­hal­ten zeigt, Selbst­ver­öf­fent­li­chung per Social Net­work inklu­si­ve.

Doch viel­leicht braucht man aus […] feh­len­der Online-Prä­senz kein Mys­te­ri­um zu machen. Viel­leicht ist […] ein­fach nur ein ehe­ma­li­ger Über­flie­ger, der mit sei­nem eige­nen Schei­tern nicht zurecht­kam. Ein Nie­mand, der jemand wer­den woll­te, und sei es mit Gewalt auf Kos­ten unschul­di­ger Men­schen.

Es gibt aller­dings berech­tig­te Hoff­nung dar­auf, dass die Tal­soh­le bereits erreicht wur­de – womög­lich gar bis zum Ende des Jah­res oder dem der Welt.

Beim Ver­such, mög­li­che Zusam­men­hän­ge zwi­schen den „Batman“-Filmen und dem Mas­sen­mord im Kino als halt­lo­se Spe­ku­la­ti­on zurück­zu­wei­sen, lehnt sich Hanns-Georg Rodek bei „Welt Online“ näm­lich der­art weit aus dem Fens­ter, dass er fast schon wie­der im Nach­bar­haus auf der gegen­über­lie­gen­den Stra­ßen­sei­te (vier­spu­ri­ge Stra­ße mit Park­buch­ten am Rand und Grün­strei­fen in der Mit­te) ankommt.

Aber lei­der nur fast:

[Der Täter] flüch­te­te durch den Not­aus­gang und wur­de, ohne Wider­stand zu leis­ten, bei sei­nem Auto gefasst. Dabei soll er „Ich bin der Joker, der Feind von Bat­man“ gesagt haben.

Dar­aus lässt sich eine ers­te wich­ti­ge Fol­ge­rung zie­hen: Der Atten­tä­ter hat den Film nicht gese­hen, auch nicht im Netz, weil dort kei­ne Raub­ko­pien kur­sier­ten, und er kann sich den Inhalt nur bruch­stück­haft zusam­men­ge­reimt haben, wobei aller­dings All­ge­mein­wis­sen war, dass der Joker gar nicht auf­tritt.

Laut Rodek war der Joker also da, wo sich die Leser sei­nes Arti­kels wäh­nen: im fal­schen Film. Er hät­te nicht die ers­te Vor­stel­lung von „The Dark Knight Rises“ stür­men müs­sen, son­dern eine der (zum Start des Films zahl­reich ange­bo­te­nen) Wie­der­auf­füh­run­gen des zwei­ten „Batman“-Films von Chris­to­pher Nolan, „The Dark Knight“. Denn da hät­te ja der Joker mit­ge­spielt.

Aber das ist eh alles egal, so Rodek:

Auf jeden Fall hät­te [der Täter], wäre sei­ne Sti­li­sie­rung ernst gemeint gewe­sen, sich die Haa­re nicht rot fär­ben müs­sen, son­dern grün. Der Joker trägt grü­nes Haar, weil er ein­mal in ein Fass mit Che­mi­ka­li­en fiel, das weiß in Ame­ri­ka jedes Kind.

Die Leu­te von dpa wuss­ten es nicht, aber die sind ja auch kei­ne ame­ri­ka­ni­schen Kin­der. Und das, wo Rodek den Jugend- und Teen­ager-Begriff schon aus­ge­spro­chen weit fasst:

US-Teen­ager – [der Täter] ist 24 – wis­sen ziem­lich gut über die­se Figur Bescheid.

Rodek hin­ge­gen weiß über Mas­sen­mor­de ziem­lich gut Bescheid:

Das Cen­tu­ry-Kino war die per­fek­te Büh­ne – Hun­der­te Men­schen, zusam­men­ge­pfercht, ihm in Dun­kel und Gas­ne­bel aus­ge­lie­fert. Ein Ort, bes­ser noch für sein Vor­ha­ben als eine Schu­le, ein Ein­kaufs­zen­trum oder eine bewal­de­te Insel.

Ein Kino ist beim Amok­lauf-Quar­tett also unschlag­bar, qua­si der … äh: Joker.

Viel kann man zum jet­zi­gen Zeit­punkt aber eh noch nicht sagen:

Genaue Grün­de für sei­ne Mord­lust wer­den die Psy­cho­lo­gen erfor­schen, sie dürf­ten irgend­wo zwi­schen per­sön­li­cher Ver­ein­sa­mung und der Unfä­hig­keit der Gesell­schaft lie­gen, ihm trotz sei­ner anschei­nen­den Intel­li­genz mehr als einen McDonald’s‑Job zu bie­ten.

Das steckt natür­lich ein wei­tes Spek­trum ab. Der Satz „Alles ande­re wäre zum jet­zi­gen Zeit­punkt rei­ne Spe­ku­la­ti­on“ ist an die­ser Stel­le mut­maß­lich dem Lek­to­rat zum Opfer gefal­len.

Tat­säch­lich geht es aber um etwas ganz ande­res:

Sich mit allen Mit­teln in Sze­ne zu set­zen, ist heu­te ers­te Bür­ger­pflicht, in der Schu­le, in der Cli­que, bei der Super­star-Vor­auswahl, bei der Bewer­bung um eine Arbeits­stel­le. [Der Täter] hat die­se Lek­ti­on her­vor­ra­gend gelernt.

Er hat also nicht nur die „per­fek­te Büh­ne“ gewählt, son­dern auch die Selbst­dar­stel­lungs­lek­ti­on „her­vor­ra­gend gelernt“. Da ist es doch tat­säch­lich frag­lich, war­um so ein offen­kun­dig bril­lan­ter Mann wie die­ser Mas­sen­mör­der bei McDonald’s arbei­ten muss­te.

Gera­de, wo er auch bei der Wahl des rich­ti­gen Kino­films die rich­ti­ge Ent­schei­dung (gegen „Ice Age 4“, wir erin­nern uns) getrof­fen hat:

Er hat den Abend der ers­ten Vor­füh­rung des meis­ter­war­te­ten Films des Jah­res gewählt (zwei Wochen spä­ter hät­te er genau­so vie­le umbrin­gen kön­nen, nur der Auf­merk­sam­keits­ef­fekt wäre gerin­ger gewe­sen), und er hat sich das Label „Joker“ selbst ver­passt, das die Medi­en von nun an ver­wen­den wer­den.

Ja, man­che mensch­li­che Gehir­ne wären an die­ser Stel­le auf Not­aus gegan­gen. Der Ver­such zu erklä­ren, war­um der Täter nichts mit dem Joker zu tun hat (er hat ja offen­bar nicht mal die Fil­me gese­hen!), ist an die­ser Stel­le jeden­falls end­gül­tig geschei­tert. Selbst beim Anschrei­ben gegen den media­len Wahn­sinn ist Rodek in eine der klas­si­schen Fal­len getappt, die sol­che Mas­sen­mör­der ger­ne aus­le­gen um dar­in schlag­zei­len­gei­le Jour­na­lis­ten im Rudel zu fan­gen: Die Medi­en bege­hen die fina­le Bei­hil­fe zur Selbst­in­sze­nie­rung. Es ist also so wie immer.

„Spie­gel Online“ hat das auch beein­dru­ckend unglück­lich hin­be­kom­men: Der Arti­kel dar­über, dass der Gou­ver­neur von Colo­ra­do sich wei­gert, den Namen des Täters aus­zu­spre­chen, und dass US-Prä­si­dent Oba­ma sag­te, spä­ter wer­de man sich nur an die Opfer, nicht aber an den Täter erin­nern, beginnt mit dem Namen des Täters, der im wei­te­ren Arti­kel noch gan­ze 21 Male vor­kommt.

Doch zurück zu „Welt Online“, zum „Joker“, der nicht der Joker ist:

Wäre er wirk­lich auf merk­wür­di­ge Art vom Joker beses­sen, hät­te er sich ihm auch nach­kos­tü­miert. Aber nein, er war „pro­fes­sio­nell“ ein­ge­klei­det, mit schuss­si­che­rer schwar­zer Wes­te und Atem­mas­ke, wie die gru­se­li­gen Gestal­ten der Son­der­ein­satz­teams von Poli­zei und Armee. Viel­leicht soll­te man eher dort nach ver­häng­nis­vol­len Vor­bil­dern suchen.

Na, viel Spaß dabei!

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Digital

Hund, Katze, Maus, Elefant, …

Die Deut­sche Pres­se­agen­tur (dpa) ver­mel­de­te ges­tern, die Schau­spie­le­rin Char­li­ze The­ron habe sich öffent­lich bewun­dernd über das beacht­li­che Gemächt geäu­ßert, das ihr Kol­le­ge Micha­el Fass­ben­der im Film „Shame“ mehr­fach vor lau­fen­der Kame­ra ent­blößt.

Medi­en wie „Welt Online“ ste­hen damit vor einem Pro­blem: Einer­seits müs­sen sie ihre Leser natür­lich über die­sen Vor­gang infor­mie­ren – ande­rer­seits haben sie dann doch nicht die … äh: Eier, die­ses Mit­tei­lungs­be­dürf­nis kon­se­quent umzu­set­zen.

Und so ent­ste­hen dann Über­schrif­ten wie die­se:

Charlize Theron schwärmt von Fassbenders ...

Kann natür­lich auch sein, dass sie bei „Welt Online“ ein­fach Angst hat­ten, wegen einer mög­li­chen fal­schen Ter­mi­no­lo­gie Ärger mit den Sit­ten­wääch­tern von „Mee­dia“ zu bekom­men.
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Musik Digital

Wer kann am längsten?

Das mit den Charts ist natür­lich sowie­so so eine Sache: Bis vor weni­gen Jah­ren wur­den die Hit­pa­ra­den der meist­ver­kauf­ten Ton­trä­ger noch mit Hil­fe der Kno­chen von im Mond­licht geschlach­te­ten Hüh­nern errech­net. Mitt­ler­wei­le lis­ten sie tat­säch­li­che Ver­käu­fe auf, aber was drückt das schon aus, solan­ge die abso­lu­ten Zah­len geheim gehal­ten wer­den und man in man­chen Wochen angeb­lich schon mit drei­stel­li­gen Absatz­zah­len in die Top 100 kommt?

Die­se Woche wur­de den­noch eine klei­ne Sen­sa­ti­on gefei­ert: Die Band Unheil…

Moment, bevor ich wei­ter­schrei­be: Ich habe kei­ne Ahnung, wer oder was Unhei­lig ist oder wie ihre Musik klingt. Die Sin­gle „Gebo­ren um zu Leben“, die angeb­lich über Wochen die Charts und die Radio­sta­tio­nen domi­niert hat und in die­ser Zeit meh­re­re Mil­li­ar­den Male gekauft wur­de, habe ich ein ein­zi­ges Mal ver­se­hent­lich im Musik­fern­se­hen gese­hen. Ich fand’s nicht gut, aber auch zu egal, um mich dar­über auf­zu­re­gen, solan­ge es noch Revol­ver­held gibt.

Unhei­lig jeden­falls ist eine klei­ne Sen­sa­ti­on gelun­gen: 15 Mal stand ihr Album „Gro­ße Frei­heit“ auf Platz 1 der deut­schen Charts – ein Mal öfter als Her­bert Grö­ne­mey­ers „Ö“ von 1988.

Wich­tig ist hier das Wört­chen „öfter“, denn wäh­rend Grö­ne­mey­er 14 Wochen am Stück die Chart­spit­ze blo­ckier­te, gin­gen Unhei­lig immer mal wie­der „auf Eins“. Die Behaup­tung „am längs­ten“ wäre also falsch.

Und damit kom­men wir zu einer Pres­se­mit­tei­lung, die Media Con­trol, das Unter­neh­men, das in Deutsch­land die Charts ermit­telt, am Diens­tag ver­schick­te:

Unglaub­li­cher Rekord für den Gra­fen und sei­ne Band Unhei­lig: Zum 15. Mal ste­hen sie mit „Gro­ße Frei­heit“ an der Spit­ze der media con­trol Album-Charts – und legen damit das am längs­ten auf eins plat­zier­te deut­sche Album aller Zei­ten hin.

Dabei schloss man sich der For­mu­lie­rung von Unhei­ligs Plat­ten­fir­ma Uni­ver­sal an, die am Vor­tag ver­kün­det hat­te:

Seit die­ser Woche ist Unhei­lig mit dem aktu­el­len Album „Gros­se Frei­heit“ mit ins­ge­samt 15 Wochen an der Spit­ze der deut­schen Album­charts das am längs­ten auf Num­mer 1 plat­zier­te deut­sche Album aller Zei­ten!

Mit die­sen Vor­la­gen stan­den die Chan­cen auf eine feh­ler­freie Bericht­erstat­tung bei Null:

Die Plat­te „Gro­ße Frei­heit“ ist das am längs­ten auf eins plat­zier­te deut­sche Album in den deut­schen Charts.

(„Welt Online“)

Damit ist die Plat­te „das am längs­ten auf eins plat­zier­te deut­sche Album“.

(dpa)

Damit ist die Plat­te das am längs­ten auf Rang eins plat­zier­te deut­sche Album aller Zei­ten.

(„RP Online“)

Zum 15. Mal ste­hen sie mit ihrer Plat­te „Gro­ße Frei­heit“ an der Spit­ze der Album-Charts und legen damit das am längs­ten auf Platz 1 plat­zier­te deut­sche Album aller Zei­ten hin, wie Media Con­trol mit­teil­te.

(Bild.de)

Und weil die Anzahl der Chart­plat­zie­run­gen kei­ner­lei Schlüs­se auf die tat­säch­li­chen Absatz­zah­len zulässt, ist die For­mu­lie­rung von motor.de beson­ders falsch:

Damit ver­drängt Bernd Hein­rich Graf, wie der Musi­ker mit bür­ger­li­chen Namen heißt, sei­nen Kol­le­gen Her­bert Grö­ne­mey­er vom ewi­gen Thron der am meist­ver­kauf­ten deutsch­spra­chi­gen Pop-Alben aller Zei­ten.

Das Schö­ne ist: Es ist alles noch kom­pli­zier­ter. Media Con­trol ist näm­lich erst seit 1977 für die Erfas­sung der deut­schen Musik­charts zustän­dig, vor­her oblag die­se Auf­ga­be dem Maga­zin „Musik­markt“. Und das führ­te vom 31. Mai bis zum 3. Okto­ber 1974 – und damit geschla­ge­ne 18 Wochen – „Otto 2“ von Otto Waal­kes auf Platz 1. Somit wür­den Unhei­lig, die heu­te mal wie­der von der Spit­zen­po­si­ti­on gefal­len sind, noch vier Wochen feh­len zum Rekord.

Aber auch hier gibt es wie­der einen Haken: Der „Musik­markt“ hat die Charts damals noch Monats­wei­se ver­öf­fent­licht, man kann also nicht sagen, ob sich wäh­rend der 18 Wochen nicht viel­leicht mal das eine oder ande­re Album für eine Woche bes­ser ver­kauft hat als „Otto 2“.

Wie gesagt: Das mit den Charts ist so eine Sache. Aber was wären die Medi­en und die Plat­ten­fir­men ohne sie?

Mit Dank auch an Mar­co Sch.

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Die Achse des Blöden

Im heiß umkämpf­ten Ren­nen um den däm­lichs­ten Text zur Love­pa­ra­de-Kata­stro­phe ist „Welt Online“ mög­li­cher­wei­se unein­hol­bar in Füh­rung gegan­gen:

Tragische Orte: Duisburg verewigt sich auf der Landkarte des Grauens. Winnenden, Hoyerswerda, Eschede – der Schrecken klingt meist nach Provinz. Nun ist auch Duisburg auf der Landkarte des Grauens gelandet.

Autorin Bren­da Stroh­mai­er offen­bart dabei eine beein­dru­cken­de Phan­ta­sie:

Duis­burg ist auf der Land­kar­te des Grau­ens gelan­det. Orte wie Ramstein(offizielle Home­page), Winnenden(hier), Mügeln(hier) haben sich dort unfrei­wil­lig ver­ewigt, eben­so Bad Kleinen(hier) und Gladbeck(hier), Tscher­no­byl und Bho­pal. Wür­de man die per­fek­te Kar­te davon zeich­nen, so müss­te man auch eine maka­ber anmu­ten­de Legen­de ent­wer­fen. Bestimm­te Sym­bo­le stün­den für Unfall, Miss­brauch, Rechts­ra­di­ka­lis­mus. Und ver­schie­de­ne Far­ben für ver­schie­de­ne Opfer­zah­len. In Klam­mern hin­ter den Orten wür­de wohl jeweils die Jah­res­zahl der Kata­stro­phe ste­hen.

Die per­fek­te Kar­te des Grau­ens soll­te natür­lich auch noch die zen­tra­le Gedenk­stät­te und den Tag der all­jähr­li­chen Gedenk­ver­an­stal­tun­gen ver­zeich­nen.

Und natür­lich soll­te die Kar­te einen ziem­lich gro­ßen Maß­stab haben, weil die Orte ja alle so klein sind:

Wie eine Anti-Image­kam­pa­gne kata­pul­tiert das Unglück die Orte in eine Welt des unge­woll­ten Ruhms, in der ganz eige­ne, zyni­sche Regeln gel­ten. Eine davon: Je klei­ner und unbe­kann­ter der Ort, des­to wahr­schein­li­cher lan­det er wegen eines Ver­bre­chens auf der Land­kar­te. Der Schre­cken klingt meist nach Pro­vinz.

Schre­cken klingt also nach Pro­vinz, aber nicht nur: Er kann auch nach Groß­städ­ten klin­gen. Aber Groß­städ­te kön­nen auch ein Schutz sein.

Oder wie es Frau Stroh­mai­er selbst for­mu­liert:

Grö­ße schützt nicht immer: Sogar Metro­po­len lan­den auf der Welt­kar­te des fins­te­ren Ruh­mes – wenn das Aus­maß der Kata­stro­phe ent­spre­chend dimen­sio­niert ist. Seit dem 11. Sep­tem­ber 2001 klingt selbst New York nach Tra­gö­die. Und seit dem 24. Juli eben auch Duis­burg, die mit fast 500.000 Ein­woh­nern fünft­größ­te Stadt Nord­rhein-West­fa­lens. Doch die Grö­ße birgt auch die Chan­ce, dass der Name auf der Schre­ckens­kar­te wie­der ver­blasst.

Viel­leicht ist es also letzt­lich ent­schei­dend, ob eine Stadt egal wel­cher Grö­ße einen Mist­hau­fen hat, und was die Häh­ne auf dem so tun oder auch nicht.

Das Prin­zip hin­ter die­sem Text ist natür­lich nicht neu: Im ver­gan­ge­nen Jahr hat­te die Web­site der „Mün­che­ner Abend­zei­tung“ kurz nach dem Amok­lauf von … na klar: Win­nen­den in einer Klick­stre­cke bereits die „Orte des Grau­ens“ gekürt und schwa­fe­lig ver­kün­det:

Es gibt Orte, die für immer den Stem­pel des Grau­ens ver­passt bekom­men haben. Wenn man ihren Namen hört, denkt man unwill­kür­lich an die schreck­li­chen Taten und mensch­li­chen Tra­gö­di­en, die sich dort abge­spielt haben.

Das alles hat mit Jour­na­lis­mus natür­lich nichts mehr am Hut, es ist eine self ful­fil­ling pro­phe­cy, ähn­lich wie der Off-Kom­men­tar in der WDR-Son­der­sen­dung am Sams­tag­abend, in dem die Spre­che­rin bedeu­tungs­schwer ver­kün­de­te, das sei­en jetzt Bil­der, die die Men­schen nie mehr ver­ges­sen wer­den – Bil­der, die allein inner­halb der ein­stün­di­gen Sen­dung da gera­de zum vier­ten Mal über den Bild­schirm flim­mer­ten.

Bei Frau Stroh­mai­ers Land­kar­ten-Text kann man es sogar ganz prak­tisch über­prü­fen:

Neh­men wir Bries­kow-Fin­ken­heerd, 2500 Bewoh­ner, süd­lich von Frankfurt/​Oder gele­gen.

Na, klingelt’s?

Oder muss jemand nicht an die neun toten Babys den­ken, die im Som­mer 2005 gefun­den wur­den?

Ganz ehr­lich? Bis eben nicht, Frau Stroh­mai­er, bis eben nicht! Aber die Ein­woh­ner von Bries­kow-Fin­ken­heerd dan­ken es Ihnen sicher, dass sie die­se klei­ne Erin­ne­rungs­lü­cke bei mir geschlos­sen haben.

Es ist erstaun­lich, wie viel man auf logi­scher und sprach­li­cher Ebe­ne falsch machen kann, aber Bren­da Stroh­mai­er lässt auch nichts unver­sucht, ihre eige­ne The­se Wirk­lich­keit wer­den zu las­sen: Dass im Arti­kel selbst eine Stadt­so­zio­lo­gin zu Wort kommt, die rela­tiv zuver­sicht­lich ist, was Duis­burgs zukünf­ti­ge Kon­no­ta­tio­nen angeht? Geschenkt. Dass seit Sams­tag in ers­ter Linie von Unglü­cken, Kata­stro­phen und Tra­gö­di­en „bei der Love­pa­ra­de“ die Rede ist? Egal. Haupt­sa­che: Duis­burg. Oder „Duis­berg“, wie es gleich im ers­ten Satz heißt.

Dis­clo­sure: Ich bin in Duis­burg gebo­ren und schon mal von „Welt Online“ abge­mahnt wor­den.

Mit Dank an David S.

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Wir haben uns für die Erbsensuppe entschieden

Die gelern­te Natur­wis­sen­schaft­le­rin Mer­kel wird die­se Art Beweis­füh­rung zulas­sen müs­sen: Um ein unbe­kann­tes Ele­ment zu erfor­schen, kann es hilf­reich sein, die Dar­an­hef­ten­den und Drum­her­um­schwir­ren­den zu defi­nie­ren. Wenn sie zum stets in ihrer Nähe schlei­chen­den Pofalla blickt, nickt er meist sofort. Oder schüt­telt den Kopf. Was halt gera­de gewünscht wird. Sei­ne Grö­ße ist allein durch Unter­wer­fung bedingt.

Der Typus Pofalla wird nicht abge­sto­ßen von Mer­kel, anders als wider­stän­di­ge­re Cha­rak­te­re.

Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re, das ver­gisst man ger­ne, hat ja nur einen Roman und eine Hand­voll fik­tio­na­ler Tex­te ver­öf­fent­licht. Den Groß­teil sei­nes Werks machen jour­na­lis­ti­sche Arbei­ten aus, beson­ders Repor­ta­gen.

Und die kann der Mann, der kürz­lich vom Maga­zin „Cice­ro“ sehr schön por­trä­tiert wur­de, auch immer noch schrei­ben – man kriegt davon nur nichts mit, weil sie in Zei­tun­gen wie der „Welt am Sonn­tag“ ver­öf­fent­licht wer­den.

Dass es über Mer­kel, je län­ger sie regiert, immer weni­ger Wit­ze gibt, ist auch merk­wür­dig. Wenn Oppo­si­ti­on, Her­aus­for­de­rer und Kom­men­ta­to­ren ihr man­geln­de Greif­bar­keit vor­hal­ten und queck­silb­ri­ge Posi­tio­nen, klingt das hilf­los. Wenn aber den Wit­ze­ma­chern zu ihr nichts mehr ein­fällt, müs­sen wir das viel­leicht ernst neh­men.

Sei­ne Repor­ta­ge über eine Zug­fahrt mit Ange­la Mer­kel kann ich Ihnen nur wärms­tens emp­feh­len, nicht zuletzt wegen des sagen­haf­ten Nicht-Inter­views, aus dem man mehr über die Kanz­le­rin erfährt als aus vier Jah­ren Regie­rungs­ver­ant­wor­tung:

Wenn Sie aus dem Zug schau­en, was für ein Land sehen Sie?

Ich sehe ein ziem­lich intak­tes Land, im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern, in denen man schon so war.

(Man! Län­der, in denen man schon so war! Das ers­te, was einem ein Psy­cho­the­ra­peut bei­bringt: Sagen Sie nicht „man“, sagen Sie „ich“. Das ers­te, was man als Pro­fi­po­li­ti­ker wahr­schein­lich lernt: öfter mal „man“ sagen, dann kann nichts groß pas­sie­ren.)

„Wie war die Wurst?“ von Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re bei welt.de.

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Inzwischen, mittlerweile, neu

Auf der Plattform „Facebook” richteten Schweizer sogar ein Hass-Forum ein. Name: „Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren.” Das Forum hatte gestern bereits 4147 Mitglieder!

[Bild.de, 20. März 2009]

Die „Bild“-Zeitung berichtet, dass es auf der Internetplattform „Facebook“ mittlerweile eine Gruppe mit dem Titel „Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren“ gibt. Sie soll mehr als 4000 Mitglieder haben.

[„Welt Online“, 20. März 2009]

Kuno Hämisegger, Cheflobbyist der Schweizerischen Bankiervereinigung ruft zum Beitritt in eine neue Facebook-Gruppe auf.

[blick.ch, 22. März 2009]

Dafür hagelt es jetzt harte Kritik aus dem kleinen Nachbarland. Wie groß die Empörung über Steinbrück in der Schweiz inzwischen ist, zeigt eine Gruppe in der Internet-Community Facebook mit dem Namen "Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren!"

[express.de, 22. März 2009]

Wie groß die Aufregung um Steinbrücks umstrittene Äußerungen zur Schweiz ist, zeigt eine Gruppe auf der Internet-Plattform Facebook. Knapp 14 000 Mitglieder unterstützen das Gruppenmotto: "Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren!"

[suedkurier.de, 22. März 2009]

Fra­ge: Wann wur­de die Face­book-Grup­pe „Ich könn­te Peer Stein­brück pau­sen­los die Fres­se polie­ren!“ gegrün­det?

Ant­wort: Irgend­wann vor 11:42 Uhr am 29. Okto­ber 2008 – da wur­de näm­lich der ältes­te Kom­men­tar in der Grup­pe abge­ge­ben:

M*** (Switzerland) wrote
at 11:42 on 29 October 2008
gfrüüret doch mau aui dütschä guethabä uf schwiizerbankä i, mau luege wisech das uf di dütschi wirtschaft uswürkt.. oder mit sine wort: «den Geschäftsverkehr belasten».....

Aber das Alter von Face­book-Grup­pen ist erfah­rungs­ge­mäß ein biss­chen schwe­rer zu bestim­men.

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Digital

„Welt Online“ auf den Spuren vieler

Oli­ver Mich­alsky, stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur von „Welt Online“ freut sich: ges­tern ver­zeich­ne­te das Por­tal erst­mals mehr als acht Mil­lio­nen page impres­si­ons.

Dafür ver­ant­wort­lich sein könn­te unter ande­rem die­se 39-teil­i­ge Klick­stre­cke über die Not­was­se­rung in New York, die­se eben­falls auf der Start­sei­te ver­link­te Klick­stre­cke zur Not­lan­dung einer Qan­tas-Maschi­ne aus dem ver­gan­ge­nen Juli (25 Tei­le) und die­se Klick­stre­cke zum Flug­zeug­ab­sturz in Madrid (August 2008, 13 Tei­le, auch auf der Start­sei­te ver­linkt).

Aber ich will Herrn Mich­alskys Freu­de gar nicht schmä­lern. Mit gro­ßen Wor­ten und vie­len Aus­ru­fe­zei­chen lobt er in einer inter­nen E‑Mail die Arbeit der Kol­le­gen, die die­sen Erfolg mög­lich gemacht haben.

Ich hab Ihnen hier mal die wich­tigs­te Stel­le raus­ge­sucht:

Betreff: Die WELT-Gruppe sagt: Internet? Yes, we can!

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Unter Grünen: Obama on the rocks

Für jeden Oba­ma-Ver­weis hier auf dem Grü­nen­par­tei­tag sol­len wir einen Kiwi­li­kör trin­ken, hat Kunar in den Kom­men­ta­ren geschrie­ben. Bis­her hält sich das in den Reden in Gren­zen, aber die­se Jour­na­lis­ten for­dern uns eini­ges ab:

Grünen-Parteitag: Ein bisschen Obama

Grünen-Vorsitz - Cem Özdemir: Auf Barack Obamas Spuren

Heute kann er einen Sieg einfahren, der auch kein leichter war. Erstmals in der deutschen Geschichte würde das Kind einer türkischen Zuwandererfamilie eine Bundestagspartei führen. Und ganz ergriffen ziehen einige Grüne ernsthaft Parallelen zur Biografie des kommenden US-Präsidenten Barack Obama, weil der seine Kinderzeit auch außerhalb des Landes verbrachte, das er künftig regiert.

Cem Özdemir: Der Bonsai-Obama

Cem Özdemir soll Parteichef der Grünen werden: Ein Hauch von Obama

Und zum Schluss noch ein rich­tig kna­cki­ger Slo­gan von welt.de:

Parteien: Der Grüne Cem Özdemir ist kein Barack Obama

Beach­ten Sie für alle Par­tei­tags-Bei­trä­ge bit­te die Vor­be­mer­kun­gen.

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(Not) My Generation

„Welt Debat­te“ ist ein Ange­bot, das ich bis­her eher vom Hören­sa­gen kann­te. Ich kann mich auf welt.de nicht lan­ge auf­hal­ten, weil ich es für eines der schlimms­ten die­ser klick­hu­ren­den Mons­ter hal­te, die sich not­dürf­tig das Män­tel­chen „Online­jour­na­lis­mus“ über­ge­wor­fen haben, und mich die dor­ti­gen Leser­kom­men­ta­re immer wie­der tief in mei­nem Glau­ben an die Wich­tig­keit der Mei­nungs­frei­heit erschüt­tern.

Wenn also irgend­je­mand bei „Welt Debat­te“ irgend­was schreibt, krie­ge ich das höchs­tens über Umwe­ge mit. So auch im Fall von Gideon Böss, der dort bloggt. Herr Böss ist der glei­che Jahr­gang wie ich, womit die Gemein­sam­kei­ten im Gro­ßen und Gan­zen auch schon genannt wären. Dass es Kon­ser­va­ti­ve in mei­nem Alter gibt, über­rascht mich immer ein biss­chen, aber das ist ja nicht wei­ter schlimm, ver­schie­de­ne Mei­nun­gen sol­len wir alle haben und wir sol­len sie alle frei äußern kön­nen, ohne uns dafür gegen­sei­tig an die Gur­gel zu sprin­gen, nur so wird’s was mit der Dis­kus­si­ons­kul­tur.

Herr Böss macht es einem indes schwer mit dem Nicht-Gur­gel­sprin­gen, hat er doch offen­bar die Henryk‑M.-Broder-Schule für Pole­mik und Recher­che­schwä­che besucht, was sei­nen Posi­tio­nen ein biss­chen die Schlag­kraft nimmt.

Ver­gan­ge­ne Woche hat er über einen Besuch des frü­he­ren ira­ni­schen Prä­si­den­ten Moham­mad Chat­a­mi gebloggt und die­sen Mann, der als der ers­te Refor­mer in einem wich­ti­gen poli­ti­schen Amt im Iran gilt, eine „Gali­ons­fi­gur des ira­nisch-isla­mis­ti­schen Ter­rors“ genannt.

Über­haupt sei­en deut­sche Uni­ver­si­tä­ten viel zu links:

Irgend­wie ist die orga­ni­sier­te Stu­den­ten­schaft immer ent­we­der reli­gi­ös, anti­ka­pi­ta­lis­tisch oder glo­ba­li­sie­rungs­kri­tisch und wer­te­re­la­ti­vis­tisch ist sie sowie­so.

Nun wäre es natür­lich eine span­nen­de Fra­ge, war­um sich Herr Böss, der anschei­nend stu­diert hat, dann nicht für sei­ne Inter­es­sen in der Stu­den­ten­schaft orga­ni­siert hat. Es wäre auch span­nend, sich durch die Kom­men­ta­re zu kämp­fen, aber das haben mir mei­ne Ärz­te und Schrei­ner ver­bo­ten: Herz, Zäh­ne und Tisch­plat­ten sind nicht unend­lich belast­bar.

Ges­tern hat er dann nach­ge­legt und mal so rich­tig der­be mit sei­ner (unge­nann­ten) Uni abge­rech­net:

Mein Vor­schlag wäre, zuerst ein­mal alles aus der Uni zu ver­ban­nen, was mit Wis­sen­schaft nichts zu tun hat. Der gan­ze Gen­der-Quatsch zum Bei­spiel. Ich muss­te drei­mal im Ver­lauf des Stu­di­ums sol­che Kur­se besu­chen. Da lern­te ich, dass es eine gesell­schaft­li­che Kon­struk­ti­on ist, dass es nur zwei Geschlech­ter gibt. In Wahr­heit gibt es mehr, wobei die genaue Zahl nicht klar ist.

Herr Böss ver­tritt also noch nicht mal ein kon­ser­va­ti­ves Welt­bild, er ver­tritt ein schwarz-wei­ßes Welt­bild: wich­tig vs. unwich­tig, Mann vs. Frau, gut vs. böse, rechts vs. links. Da ist man mit dem Welt­s­or­tie­ren schnel­ler fer­tig und hat mehr vom Tag.

Und dann bro­dert es nur so aus ihm hin­aus:

Noch eine Num­mer här­ter wird es bei den Hard­core-Femi­nis­tin­nen, für die Kin­der, die von ihrem Vater ver­ge­wal­tigt wur­den, genau­so trau­ma­ti­siert sind wie Holo­caust-Über­le­ben­de (der Ver­such, die Lei­dens­ge­schich­te der Juden als Blau­pau­se für die Unter­drü­ckung der Frau­en zu miss­brau­chen, gehört mit zum geschmack­lo­ses­ten des Femi­nis­mus Made by Ali­ce Schwar­zer). Wir ler­nen also, dass ein Kind zwei Eltern­tei­le hat: eine lie­ben­de Mut­ter und Ausch­witz.

Ver­ge­wal­tig­te Kin­der tau­gen für Herrn Böss also gera­de noch zur scha­len (und inko­hä­ren­ten) Poin­te. Ich sehe eine gro­ße Zukunft für ihn im deut­schen Gei­fer­ge­wer­be.

Und weil ich mich kei­ne Minu­te län­ger mit Herrn Böss‘ miss­glück­tem Ver­such einer Debat­te befas­sen will, ver­wei­se ich statt­des­sen auf die­se klu­ge Replik von Mar­tin Spind­ler, der all das in Wor­te fasst und unter­mau­ert, was ich sel­ber nur raus­ge­gei­fert gekriegt hät­te.

[via riv­va]

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Musik Rundfunk Radio

Merkt ja eh keiner (1)

Es ist ja nicht so, dass ich mor­gens auf­ste­he und den­ke „Was könn­te ich heu­te mal Böses über den WDR schrei­ben?“ Das machen die ja alles sel­ber.

Ges­tern war Thees Uhl­mann zu Gast im „1Live Kas­set­ten­deck“, das vom Kon­zept her eine Super-Radio­sen­dung ist und des­halb um Mit­ter­nacht lau­fen muss: Ein Pro­mi (meist Musi­ker) stellt eine Stun­de lang Songs vor, die ihm sein Leben lang oder gera­de jetzt im Moment wich­tig sind. Ges­tern also der Sän­ger der „umstrit­te­nen Band Tom­te“ (O‑Ton welt.de, wo man auch nicht nach gutem Musik­jour­na­lis­mus suchen soll­te).

Thees erzähl­te also und spiel­te Songs (Rod Ste­wart, Kool Savas, Esca­pa­do) und sag­te nach jedem Lied, wer er ist und was wir da hören (ist ja Radio). Und dann kün­dig­te er wort­reich „Rain On The Pret­ty Ones“ von Ed Har­court an, zitier­te noch aus dem Text („I’m the Chris­ti­an, that can­not for­gi­ve“, „I’m the hun­ter, who’s kil­led by his dog“) und sag­te „Hier ist Ed Har­court mit ‚Rain On The Pret­ty Ones‘ “.

Und was lief? Ed Har­court mit „Late Night Part­ner“. Auch schön, sogar vom glei­chen Album, aber ein ganz ande­rer Song. Auch, wenn er von Thees mit „Das war Ed Har­court mit ‚Rain On The Pret­ty Ones‘ “ abmo­de­riert wur­de.

Nun ist es ja nicht so, dass da ges­tern Nacht ein über­näch­ti­ger Thees Uhl­mann im 1Li­ve-Stu­dio geses­sen und unbe­merkt den fal­schen Track gefah­ren hät­te: Weil man einen Pro­mi kaum eine Stun­de im Stu­dio hal­ten kann (dich­ter Pro­mo-Zeit­plan!), lässt man ihn ein­fach alle Mode­ra­ti­ons­tex­te hin­ter­ein­an­der auf­sa­gen, wenn er eh grad mal für ein Inter­view da ist. Dann gibt er einen Zet­tel mit der Play­list ab und irgend­je­mand muss die Songs zwi­schen die Mode­ra­tio­nen schnei­den. Und die­ser Jemand hat offen­bar einen Feh­ler gemacht.

Das ist kein gro­ßes Dra­ma, kein Skan­dal und kein Eklat. Es ist nur ein Bei­spiel, war­um es mir so schwer fällt, Medi­en­schaf­fen­de in die­sem Land ernst zu neh­men: Weil sie ihre Arbeit selbst nicht ernst neh­men.

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Rundfunk Politik

St. Louis Vice

Heu­te Nacht um drei Uhr unse­rer Zeit läuft in den USA das ein­zi­ge TV-Duell zwi­schen den bei­den Bewer­bern um das Amt des Vize­prä­si­den­ten. Das wird bestimmt lus­tig.

Aber wer tritt da noch mal gegen wen an?

Verblasster Glanz gegen beständige Blässe

TV-Duell der US-Vizekandidaten: Landpommeranze gegen altes Eisen

 TV-Debatte: Palin gegen Biden – Duell der Fettnäpfchentreter

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Digital Sport

Tierisch lyrisch

Am Mon­tag wur­de in Johan­nes­burg das Mas­kott­chen der Fuß­ball-WM 2010 vor­ge­stellt. Es han­delt sich dabei wahl­wei­se um einen „grü­nen“, „hand­zah­men“ oder „woh­lig bekiff­ten“ Leo­par­den namens „Zaku­mi“. Laut welt.de trägt er „Dre­ad­locks“, laut „RP Online“ eine Perü­cke.

Das ist nicht die ein­zi­ge Merk­wür­dig­keit, die sich „RP Online“ gönnt, denn natür­lich hieß das Mas­kott­chen der Fuß­ball-WM 2006 nicht, wie von Deutsch­lands füh­ren­dem Regio­nal­zei­tungs­web­por­tal behaup­tet, „Goleo IV“, son­dern „Goleo VI“ – die Groß­buch­sta­ben hin­ter dem Namen sind römi­sche Zah­len und ste­hen, wenn man sich rich­tig sor­tiert, für die Zahl 6, die im WM-Jahr 2006 an expo­nier­ter Stel­le auf­tauch­te.

Aber kom­men wir zu dem, wofür „RP Online“ zurecht inter­na­tio­na­les Anse­hen genießt, kom­men wir zur Bil­der­ga­le­rie.

Soll­ten Sie sich je gefragt haben, woher die­se alber­nen Tex­te stam­men, die unter jedem Foto zu fin­den sind: die stam­men aus dem dazu­ge­hö­ri­gen Text.

Der Name „Zakumi“ setze sich aus dem Kürzel „ZA“ für Südafrika und dem Wort „kumi“ zusammen, das in mehreren afrikanischen Sprachen „10“ bedeutee.

Der Name „Zakumi“ setze sich aus dem Kürzel „ZA“ für Südafrika und dem Wort „kumi“ zusammen, das in mehreren afrikanischen Sprachen „10“ bedeutee.

Mit seinem grünen Outfit, das zum Rasen passen soll, zeige Zakumi, dass er ein echter Fußball-Fan ist, hieß es in einer Mitteilung der Fifa.

Mit seinem grünen Outfit, das zum Rasen passen soll, zeige Zakumi, dass er ein echter Fußball-Fan ist, hieß es in einer Mitteilung der Fifa.

Zakumi ist seit dem Ur-WM-Maskottchen „Willie“, einem Löwen der WM 1966 in England, das zwölfte seiner Art.

Zakumi ist seit dem Ur-WM-Maskottchen „Willie“, einem Löwen der WM 1966 in England, das zwölfte seiner Art.

Tiere sind ohnehin ein beliebtes Vorbild der Designer. 1994 in den USA zottelte „Striker“, ein Hund mit US-Trikot, durch die Arenen, vier Jahre später in Frankreich war es Hahn „Footix“, der für gute Laune sorgen sollte. Obst und Gemüse haben es übrigens auch schon zweimal zum Maskottchen geschafft: Naranjito, eine Orange, war das Symbol der WM 1982 in Spanien, die Chilischote „Pique“ repräsentierte 1986 Mexiko.

Tiere sind ohnehin ein beliebtes Vorbild der Designer. 1994 in den USA zottelte „Striker“, ein Hund mit US-Trikot, durch die Arenen, vier Jahre später in Frankreich war es Hahn „Footix“, der für gute Laune sorgen sollte. Obst und Gemüse haben es übrigens auch schon zweimal zum Maskottchen geschafft: Naranjito, eine Orange, war das Symbol der WM 1982 in Spanien, die Chilischote „Pique“ repräsentierte 1986 Mexiko.

Nun sagen Sie: „Ist doch nett, dass man uns Wil­lie, Stri­ker, Foo­tix und die ande­ren noch mal vor­stellt. Weiß doch kei­ner mehr, wie die aus­sa­hen.“

Da sage ich: „Ja, nett. Aber dafür müs­sen Sie schon die­se Bil­der­ga­le­rie von welt.de oder die­sen Arti­kel von laola1.at (bei dem alle Mas­kott­chen auf einer Sei­te gezeigt wer­den) auf­su­chen.“

Bei „RP Online“ ist in der Bil­der­ga­le­rie näm­lich auf jedem ein­zel­nen Bild Zaku­mi zu sehen.