Weder Deutsche noch Schweizer sind bekannt für ihren Humor. Das macht ein Aufeinandertreffen der beiden Völker meist zu einem gequälten, drögen Ereignis.
Überhaupt keine Witze verstehen die Schweizer, wenn es ums Geld geht. Nachdem die Schweiz aus Angst vor einer “schwarzen Liste” der OECD angekündigt hatte, in Zukunft stärker mit ausländischen Finanzbehörden zu kooperieren, ließ sich der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück zu einem abenteuerlichen kleinen Vergleich hinreißen:
Steinbrück hatte am letzten Samstag am Rande des Treffens der Finanzminister der G-20 in London die Drohung mit einer schwarzen Liste gegenüber der Schweiz mit der «siebten Kavallerie vor Yuma» verglichen, die man auch ausreiten lassen könne. «Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt», hatte Steinbrück in einer vom Schweizer Fernsehen (SF) aufgezeichneten Stellungnahme gesagt.
In der Schweiz wollte man aber nicht mit Indianern verglichen werden und bestellte den deutschen Botschafter ein.
Das offizielle Protokoll der schweizer Bundesversammlung notiert für gestern dann folgende Ausführungen des Abgeordneten Thomas Müller aus der christlich-demokratische Fraktion CEg:
Wenn die deutsche Politik in Schwierigkeiten steckt, und das tut sie im Moment, dann braucht sie Geld und Sündenböcke. Peer Steinbrück, das darf man in aller Offenheit sagen, definiert das Bild des hässlichen Deutschen neu. Er erinnert mich an jene Generation von Deutschen, die vor sechzig Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen sind. (Teilweiser Beifall, Unruhe)
Damit wäre zumindest geklärt, wie gut der Geschichtsunterricht an schweizer Schulen ist — denn vor sechzig Jahren dürfte der Anteil der Deutschen, die mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gingen, eher überschaubar gewesen sein.
Ratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi wies Müller später zurecht, übersah das historische Detail aber ebenfalls:
Herr Nationalrat Müller Thomas hat in seinem Votum von heute Morgen gesagt, dass ihn der deutsche Finanzminister Steinbrück an die Generation von Deutschen erinnere, die vor sechzig Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen seien. Hätte ich diese Aussage in diesem Moment richtig wahrgenommen, hätte ich Herrn Müller zurechtgewiesen. Seine Aussage ist deplaziert und beleidigend. Ich habe es Herrn Müller persönlich gesagt. Ich entschuldige mich als Ratspräsidentin dafür. (Teilweiser Beifall)
Herr Müller darf sich damit als Erfinder der Kategorie “Verkleidete-Gründerväter-der-Bundesrepublik-Vergleich” fühlen. Der Einfachheit halber heften wir es hier im Blog aber trotzdem bei den Nazi-Vergleichen ab.
[Mit Dank auch an Hans Martin U. für den Hinweis!]