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Lucky & Fred: Episode 9

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Am Anschlag auf Charlie Hebdo und die Pressefreiheit führt auch bei uns kein Weg dran vorbei: Wir diskutieren, was Satire darf, und fragen uns, wie man Salafist wird, während Lucky überraschend sein Mitgefühl für Karnevalisten entdeckt.
Über einen Umweg nach Wien gelangen wir nach Griechenland und zur Geldmaschine Olympische Spiele.
Fred hält einen Nachruf auf Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und Lucky freut sich auf die Oberbürgermeisterwahl in Bochum.

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No one’s laughing at God, we’re all laughing with God

Ich habe mit dem von “Bild” herbeigekreischten “Schwuchtel-Skandal” bei der Kölner Stunksitzung, über den ich gestern im BILDblog geschrieben habe, verschiedene Probleme.

Da ist zunächst einmal ein germanistisches: Da stellt sich ein Kabarettist hin und sagt in seiner Rolle als Ex-Bischof Walter Mixa folgende Worte:

Aber der Höhepunkt war der Weltjugendtag hier in Köln: Benedikt und Joachim, der zum-Lachen-in-den-Keller-geht-Meisner, ließen sich wie zwei frischvermählte Schwuchteln über den Rhein schippern.

Nun wäre es verständlich, wenn sich Homosexuellenverbände über die Verwendung der despektierlichen Vokabel “Schwuchtel” beklagten (wobei man nicht weiß, wie der echte Walter Mixa im privaten Rahmen über diese Bevölkerungsgruppe spricht), aber es würde wohl kaum jemand ausschließen, dass sich nicht irgendwo zwei Schwule finden ließen, die nach ihrer Verpartnerung in grotesken Gewändern auf einem Schiff feiern wollen.

Man muss schon Politiker sein, um aus dem obigen Vergleich etwas anderes zu machen, wie die Katholische Nachrichten Agentur (kna) zusammenfasst:

Die Darstellung von Papst und Kardinal als “Schwuchteln” sei “niveaulos und absolut primitiv”, sagte Martin Lohmann, Chef des Arbeitskreises engagierter Katholiken in der CDU, der in Düsseldorf erscheinenden “Rheinischen Post” (Dienstag).

Der frühere bayrische Wissenschaftsminister (!) Thomas Goppel geht gleich einen Schritt weiter und bemüht seinerseits einen Vergleich:

Der Sprecher der “Christsozialen Katholiken in der CSU”, Thomas Goppel, hatte den WDR vor einer Fernsehausstrahlung gewarnt. Den betroffenen Kabarettisten Bruno Schmitz nannte er einen “degoutanten Versager”, der sich “im geistigen Sinn wie die U-Bahn-Randalierer” verhalte. CSU-Rechtspolitiker Norbert Geis erklärte, der Karnevals-Beitrag sei ein “Ausdruck von Bosheit und Dummheit”. Das sei “nicht einmal unterstes Niveau: bodenlos,” kritisierte Geis.

Immerhin: Mit Gewalt im öffentlichen Personennahverkehr verbindet die Bayern fast so eine lange Tradition wie mit der katholischen Kirche.

* * *

Was mich ebenfalls verwirrt ist die Empörung, die sich unter bislang eher unbekannten Vereinen und Verbänden Raum bricht:

Der Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) hat den WDR aufgefordert, eine Papst Benedikt XVI. und Kardinal Joachim Meisner verunglimpfende Szene aus der “Stunksitzung” nicht auszustrahlen. Der Sender solle Flagge zeigen und auf die Gefühle von Christen Rücksicht nehmen, forderte der KKV-Vorsitzende Bernd-M. Wehner am Freitag in Köln. Diese machten “immerhin etwa zwei Drittel der Rundfunkgebührenzahler” aus, sagte er.

An diesen Ausführungen ist so gut wie alles empörenswert: Zunächst einmal verbitte ich mir als Christ die Vereinnahmung und Entmündigung durch Herrn Wehner und seinen Verein. Als Protestant tangiert es meine religiösen Gefühle nullkommagarnicht, wenn irgendwelche Kardinäle und Bischöfe verspottet werden. Und das hat nichts mit der Konfession zu tun: Auch mögliche Witze über die Trunkenheitsfahrt von Margot Käßmann lassen meine religiösen Empfindungen unberührt. Ich mag sie schlecht und unlustig finden (wie den unsäglichen Käßmann-Standup von Harald Schmidt), aber sie richten sich gegen – Entschuldigung, liebe Katholiken – Menschen und nicht gegen meine Religion. Und selbst wenn, würde ich den Sketch gerne selbst sehen und mich notfalls von allein darüber echauffieren — eine Bevormundung durch den WDR im Namen irgendwelcher Verbände ist da wenig sachdienlich.

“Bild” räumte Goppel in der Münchener Regionalausgabe ebenfalls Raum für seine Empörung ein und freute sich in der Kölner Ausgabe (zu früh, s. BILDblog), dass der WDR auf eine Ausstrahlung des Sketches verzichten werde. Dabei handelt es sich um die gleiche Zeitung, die Kurt Westergaard, den Zeichner der umstrittenen Mohammed-Karikaturen, als “mutig” und Angela Merkels Laudatio auf ihn als “großes Bekenntnis zur Freiheit der Presse und der Meinungen” bezeichnet hatte.

Ich bin mir sicher, dass ein guter Teil der Menschen, die nun den Mixa-Darsteller Bruno Schmitz beschimpfen und bedrohen, andererseits der Meinung sind, dass die Reaktionen auf Westergaards Zeichnungen in Teilen der muslimischen Welt völlig übertrieben und barbarisch waren. Da kann man ja noch froh sein, dass es im Islam keine kalendarisch verordneten Phasen der Witzigkeit gibt, in denen sich irgendwelche Menschen mit einem etwas anderen Humorverständnis über Jesus oder Maria lustig machen.

* * *

Damit sind wir bei einem Religionsverständnis angekommen, das mich als gläubiger Christ verwirrt und das auf einer rationalen Ebene allenfalls “irrational” zu nennen ist: Mir ist völlig schleierhaft, warum Menschen, die an einen allmächtigen Gott glauben, meinen, diesen verteidigen zu müssen.

Wenn sich dieser Gott von Menschen beleidigt fühlt, sollte er doch selbst genug Möglichkeiten haben, dies den Betreffenden kurzfristig (Sintflut, beim Kacken vom Blitz getroffen) oder langfristig (an der Himmelspforte abgewiesen) mitzuteilen. Auf gar keinen Fall braucht er popelige Menschen, die in seinem Namen sauer sind und ihn somit entmündigen.

Ich mag mich da irren (und werde das sicher noch früh genug erfahren), aber ein Gott, der Wesen wie das Nilpferd, den Nasenbären oder Sarah Palin erschaffen hat, hat doch offenbar einen ziemlich guten Humor und bedarf demnach nicht der (mutmaßlich unverlangten) Fürsprache von humorfreien Menschen wie Eva Herman oder Thomas Goppel.

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Literatur Gesellschaft

Heiteres Berufungsraten

Udo Ulfkotte war früher Redakteur der “FAZ” und betreibt heute “Akte Islam”, was manche euphemistisch eine “islamkritische Webseite” nennen. Die taz bezeichnete es als “trauriges Schauspiel” und Ulfkotte, der sich mit “Bürger in Wut” und “Pax Europa” auch als Politiker versucht, als “Irrlicht”.

Sein neues Buch heißt “SOS Abendland” und erscheint im Kopp-Verlag, der auch Titel wie “Die letzten Tage von Europa”, “Achtung, Gutmenschen!”, “Der Multikulti-Irrtum”, “Kopf hoch, Deutschland” oder “Heiliger Krieg in Europa” verlegt. Zu Promotionszwecken hat der Verlag ein “Multikulturelles Quiz” eingerichtet, bei dem man das Buch gewinnen kann, und das seit einigen Tagen durchs Internet geistert. Auch hier im Blog war es als Spam-Kommentar von einem angeblichen Bernd Schreiber kurzzeitig in den Kommentaren aufgetaucht – beeindruckend unpassend unter diesem Eintrag.

Damit Sie sich die Marschrichtung des Quizes so ungefähr vorstellen können, hier mal Frage 1 von 25:

FRAGE 1: In welchem Land wird das öffentliche Zeigen einer offiziellen Landesflagge inzwischen als Diskriminierung moslemischer Zuwanderer gesehen und kann von der Polizei mit einem Bußgeld belegt werden?

a. Schweden b. Schweiz c. Dänemark d. England

Diese Frage ist knifflig, sie lässt sich nicht mal eben mit einer einfachen Google-Suche beantworten – was entweder für die Erfinder des Quizes spricht, die es den Teilnehmern natürlich nicht zu einfach machen wollten, oder dafür, dass an der Geschichte so einiges nicht stimmt.

FRAGE 5: In welchen Städten gibt es zwar ein Rauchverbot in Restaurants, von dem allerdings Besucher islamischer Restaurants ausgenommen sind, die Wasserpfeife rauchen?

a. Vancouver b. Paris c. Rom d. Berlin

Vancouver ist es schon mal nicht, auch wenn Ulfkotte vermutlich genau darauf hinaus will. Zwar hatten die Besitzer von Hookah lounges (übrigens ebenso wie die von profanen Zigarrenclubs) zunächst eine Ausnahmegenehmigung erwirken können, die aber im Januar, noch vor Einführung des Rauchverbots in Vancouver, aufgehoben wurde.

“Berlin”, schlägt da das ebenfalls islamophobe Blog “PI-News” vor. Eine weitere vorläufige Aussetzung des in Deutschland (und vor allem in Berlin) völlig durchlöcherten Rauchverbots aus Wettbewerbsgründen halt. Vermutlich würde aber nie jemand Eckkneipen als “christliche Restaurants” bezeichnen. In der islamischen Republik Iran ist das Rauchen von Wasserpfeifen im öffentlichen Raum übrigens seit vergangenem Jahr verboten.

FRAGE 11: In welcher Stadt wurde 2008 der erste Wohnblock für ältere Mitbürger eröffnet, in dem alle Toiletten und auch die Betten Islam-konform ausgerichtet sind?

a. Baden-Baden b. Brügge c. Bristol d. Barcelona

Mal davon ab, dass Christen, Juden, Hindus oder Heiden kein Nachteil daraus entsteht, wenn in Bristol die Toiletten in bestimmte Himmelsrichtungen zeigen, ist die Frage (“alle Toiletten”) schon falsch gestellt:

There is a large Bangladeshi population in the area and 15 of the flats have been oriented to ensure that the layout of the bedrooms and bathrooms do not conflict with the need to face Mecca during prayers.

15 von 55 Wohnungen also.

Es sind diese kleinen Ungenauigkeiten, die – kombiniert mit Verzerrungen und Unterstellungen – ein Gesamtbild ergeben, das weit von der Realität entfernt ist.

FRAGE 21: In welchen europäischen Städten wurde 2007 das Neujahrsfeuerwerk aus Angst vor randalierenden Muslimen verboten?

a. Paris b. Brüssel c. Berlin d. London

Auch hier liegt der Teufel im Detail: die (begründete, wie sich im Nachhinein zeigen sollte) Angst vor Randalen in Paris wird plötzlich zur “Angst vor randalierenden Muslimen”. Die komplexe Situation von Kindern aus sozial schwachen Familien (oftmals die Nachfahren von Einwanderern), die mit unzureichender Bildung und arbeitslos in zubetonierten Vorstädten leben, und dort in eine Spirale der Gewalt und Ausgrenzung geraten, wird so lange verknappt, bis – wie so oft – nur noch der Islam übrig bleibt.

Aber Ulfkotte wäre nicht Ulfkotte, wenn sein Quiz ohne Sparschwein auskäme:

FRAGE 24: In welchem Land hat eine bekannte Bankengruppe die Sparschweine aus dem Verkehr gezogen, weil diese angeblich nicht länger in eine multikulturelle Umgebung passen und junge Muslime beleidigen könnten?

a. Schweiz b. Norwegen c. Niederlande d. Deutschland

Sparschweingeschichten sind unter “Islamkritikern” besonders beliebt, aber selten so einfach, wie sich das Leute wie Ulfkotte oder Henryk M. Broder wünschen. Auch der Fall der niederländischen Fortis-Bank, die das Sparschwein “Knorbert” nach sieben Jahren nicht neu aufgelegt hat, ist wohl wesentlich komplexer. Warum z.B. ist der Artikel im “Telegraaf”, von dem die Diskussion ausging, aus dem Internetangebot der Zeitung verschwunden? Hat es etwas damit zu tun, dass eine Sprecherin von Fortis den Artikel als “nicht korrekt” bezeichnet hat? Ich weiß es nicht. Udo Ulfkotte offenbar schon.

Beunruhigend ist neben der viralen Verbreitung dieses Quizes vor allem eines: Ralph Giordano, dem ich eigentlich zugetraut hätte, dass er weiß, welche Folgen Halbwahrheiten und Ammenmärchen über bestimmte Bevölkerungsgruppen haben können, lässt sich vor den Promo-Karren spannen und wie folgt zitieren:

Der Inhalt dieses Buches ist erschreckend! Einer der großen Bundesgenossen bei der Islamisierung Europas ist die Unwissenheit der Bevölkerung. Das Buch SOS Abendland hilft bei der Aufklärung. Die Fakten sind erdrückend. Es ist kaum zu glauben, wie weit die Islamisierung in einzelnen europäischen Ländern bereits fortgeschritten ist. Die meisten Bürger haben keine Ahnung, was da wirklich vor sich geht.

Ungelesen glaube ich ihm vor allem den ersten Satz.

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Klickbefehl (6): Gegen den Strich

Doch nach Jahren des Niedergangs herrscht Aufbruchstimmung. Verlage und Konzertveranstalter boomen. Bei den kleineren Plattenfirmen gab es noch nie so viele Neugründungen. Und selbst unter den großen Musikkonzernen von Universal bis Warner Music macht sich neue Hoffnung breit. „Wir beenden das beste Jahr seit bestimmt sieben Jahren“, sagt Edgar Berger, Deutschland-Chef von Sony-BMG.

Von wegen verhungernde Manager: Das Handelsblatt berichtet über das “Comeback der Musikindustrie”.

* * *

Wenigstens braucht man sich in Hessen vorerst keine Sorgen um eine starke NPD zu machen. Denn Ausländerhetze übernimmt der Ministerpräsident persönlich. Und wenn er dann wiedergewählt ist, zeigt sich Roland Koch sicher wieder gerne mit dem Dalai Lama oder bei der Verleihung des hessischen Friedenspreises.

Steffen Jenter kommentiert bei tagesschau.de die jüngsten Forderungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, kriminelle Ausländer schneller abzuschieben. [via Pottblog]

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Schlimmer ist aber noch, dass die Polizei einfach unterstellt, alle Personen, die den Link angeklickt hätten, seien darauf über das angeblich kinderpornografische Portal gekommen. Dass der Link – mit vielleicht irreführenden oder gar keinen Inhaltsangaben, zum Beispiel über eine der unzähligen Linklisten, in anderen Boards oder als Spam-Mail – auch anderweitig verbreitet worden sein könnte, liegt außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Oder sie blendet es aus.

Udo Vetter berichtet im Lawblog, wie schnell man Opfer polizeilicher Ermittlungen werden kann – alles im Namen einer eigentlich guten Sache, dem Kampf gegen Kinderpornographie.

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„Und? Wie fandest Du’s?“
„Ich weiß nicht. Ein bißchen mulmig wars mir schon. Das ist ne ganz andere Welt.“
„Ganz anders. Genauso anders wie katholische Kirchen, CSU-Parteitage oder Tupperwarenparty-Jahreshauptversammlungen.“

Frédéric macht im Spreeblick eine kleine Moscheen-Besichtigungstour.