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Brüste – Jetzt auch in Deutschland!

Facebook findet stillende Mütter obszön und löscht Bilder von Brust und Baby.

schrieb die “taz” gestern. Auslöser war vermutlich eine Protestaktion von stillenden Müttern vor der Hauptverwaltung von Facebook, die von etwa 11.000 Menschen online begleitet wurde, indem diese Stillfotos zu ihren Userbildchen machten. Facebook hatte nämlich immer mal wieder Fotos, auf denen zu viel Brust zu sehen gewesen war, einfach gelöscht. Und in diesem “immer mal wieder” liegt der Knackpunkt, den der “taz”-Artikel verschweigt.

Anders als beispielsweise heise.de am 31. Dezember 2008 schrieb, hatte die Plattform damit nämlich nicht “im Herbst dieses Jahres angefangen”, sondern bereits im Jahr 2007 — ein Blick in die Facebook-Gruppe “Hey, Facebook, breastfeeding is not obscene!” hätte da ausgereicht.

Aber “taz” und Heise sind nicht die einzigen deutschen Medien, die erst durch die Berichte englischsprachiger Medien über die Protestaktion aufgewacht sind: Stern.de, das “Netzgeflüster” der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung”, der Mediendienst Meedia, “RP Online” natürlich und Zoomer.de (“Doch was sich die interne Zensur des Onlinenetzwerkes jetzt geleistet hat, geht überhaupt nicht”) — sie alle tun so, als sei der Umstand, dass Facebook solche Bilder löscht, eine Neuigkeit.

Bild.de, wo es natürlich eine Bildergalerie mit stillenden Müttern gibt, schreibt:

Ausgelöst hat den Wirbel Kelli Roman (23) aus Kalifornien.

Gemeint ist damit jene Kelli Roman, die das “Time”-Magazin kürzlich zu der ganzen Sache interviewt hatte, und neben deren Foto die “Time”-Redakteure folgenden Satz geschrieben hatten:

This photograph of Kelli Roman breastfeeding her baby was removed from Facebook a year and a half ago.

Und wenn Sie das Gefühl haben, über diese ganze Facebook-löscht-Stillfotos-Nummer schon mal vor längerer Zeit gelesen zu haben: das kann natürlich sein …

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Schaum vorm Mund

Bis vor einigen Tagen hatte ich noch nie von Sebastian Edathy gehört, im Moment erlebt der SPD-Politiker seine fünfzehn Minuten Ruhm in der Blogosphäre, was immerhin für fünf Mal Zähneputzen reicht.

Mitunter geht dabei unter, dass Edathy eigentlich Kritik an der geplanten Videoüberwachung von Privathaushalten geäußert hatte – andererseits hat er selbst natürlich in seinem mittlerweile legendären Radio-Eins-Interview die Gelegenheit versäumt, irgendeinen Standpunkt zu vertreten.

Jetzt wird Edatyh in seinem Gästebuch und bei abgeordnetenwatch.de mit hämischen Fragen und Kommentaren überhäuft, auf die er in seiner ganz eigenen Art reagiert: er zitiert dpa-Meldungen, in denen er zitiert wird.

Ein Kommentator im Gästebuch schreibt zum Telefoninterview interruptus:

Schade, dass Sie sich diesem sehr wichtigen Thema auf diese Weise entziehen. Es hätte mich schon sehr interessiert, wie Sie sich als SPD-Abgeordneter und Vorsitzender des Innenausschusses dazu positionieren.

Und Edathy antwortet kanzelt ihn ab:

Wenn Sie sich ein wenig kundig gemacht hätten, wüssten Sie, dass ich
mich zu diesem Thema in den letzten Tagen mehrfach kritisch geäußert habe.

Bei abgeordnetenwatch.de hat er fast exakt das gleiche geantwortet.

Aber auch eine andere Geschichte ist noch nicht ausgestanden: Edathy hatte sich bei der Chefredaktion von “Zeit Online” darüber beschwert, dass eine freie Journalistin, die ihn für “Zeit Online” interviewt hatte, seine Zitate einfach für einen Text bei Telepolis (oder wie Edathy es ausdrückt: “auf der Seite heise.de – einem privatem Forum”) verbraten hatte. Über das Vorgehen der Journalistin lässt sich sicher lange diskutieren (s.a. die Stellungnahme von “Zeit Online” und die Reaktion im “Zeit Meckerblog”), Edathy aber nutzte die Situation, um sich zielsicher und an völlig falscher Stelle zum Vollhorst zu machen, wobei er die Folgen seines Auftritts in Journalismus und Blogosphäre offensichtlich unterschätzte.

Der Blogger Jochen Hoff schrieb Edathy eine reichlich unverschämte E-Mail zu dem Fall, in der er neben einer Menge übertriebener Kritik auch folgenden Absatz einbaute:

Ach ja. Genießen Sie bitte jetzt die Aufmerksamkeit. Nach einem Systemwechsel werden wir zwar eine saubere Zelle für sie finden, allerdings wird es Ihnen nach ihrem Gerichtsverfahren, dort an Aufmerksamkeit doch eher fehlen.

Staatsmänner von wahrer Größe hätten auf so einen pubertären Dünnsinn gar nicht reagiert. Doch was tat Sebastian Edathy, dem es neben Größe, Humor, Souveränität und Freundlichkeit gegenüber Wählern und Journalisten auch an Gespür dafür zu mangeln scheint, wann man redet und wann man besser schweigt?

Er antwortete:

Ihre Aussage “Genießen Sie bitte jetzt die Aufmerksamkeit. Nach einem Systemwechsel werden wir zwar eine saubere Zelle für Sie finden, allerdings wird es Ihnen nach Ihrem Gerichtsverfahren dort an Aufmerksamkeit doch eher fehlen.” reicht zwar bereits für eine Strafanzeige aus, die ich auch stellen werde, vielleicht könnten Sie Ihre Ausführungen aber noch ein wenig konkretisieren bzw. illustrieren, damit ich der Staatsanwaltschaft ggf. ergänzende Informationen übermitteln kann.

Dass sich ein Blogger derart zum Affen macht, ist die eine Sache; dass ein Politiker derart darauf anspringt, ist in meinen Augen aber noch viel schlimmer.

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Feigheit ist keine Nachricht

Wir müssen nochmal auf die Erklärung der 26 SPD-Abgeordneten zu sprechen kommen, in der diese ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ausdrückten, dann aber erklärten, diesem trotzdem zuzustimmen.

Nicht nur ix und Dr. Dean fragen sich, warum es das Thema eigentlich überhaupt nicht in die Medien geschafft hat. Der Sache wollte ich dann doch mal auf den Grund gehen.

Ich schrieb also einige E-Mails und rief in Redaktionen an, wo man mich bat, weitere E-Mails zu schicken. Eine wirkliche Antwort habe ich bisher nur vom ZDF bekommen, wobei das eigentlich auch keine Antwort auf meine Frage war:

Da an diesem Tag auch der Sonderermittler des Europarats Dick Marty seinen Bericht vorstellte, habe man diesem Ansatz den Vorzug gegeben gegenüber einer eher inlandsorientierten Berichterstattung.

Offenbar war die Erklärung der Abgeordneten deshalb nirgendwo Thema gewesen, weil außer den Redakteuren bei heise.de niemand in das Protokoll der entsprechenden Bundestagssitzung geguckt hatte. Die 26 Abgeordneten hatten es also nicht nur geschafft, einem Gesetz zuzustimmen, dass sie selbst für verfassungswidrig hielten, sie hatten es auch noch fertig gebracht, dies in einer öffentlichen Erklärung zuzugeben, die nie eine breitere Öffentlichkeit erreicht hat (oder erreichen sollte). Dafür mussten sie nur eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgeben:

§ 31 Erklärung zur Abstimmung

(1) Nach Schluß der Aussprache kann jedes Mitglied des Bundestages zur abschließenden Abstimmung eine mündliche Erklärung, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung abgeben, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung.

Damit entlastet man sein Gewissen und kann hinterher, wenn das Gesetzt kassiert wurde und mal wieder alle auf der Bundesregierung rumhacken, freundlich lächelnd Anlage 4 hervorholen und “Wir ham’s ja schon immer gesagt” murmeln.

Eine andere Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit von der Erklärung erfahren hätte, wäre natürlich der Pranger der Opposition gewesen. Also rief ich mal bei den drei Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag an und fragte, warum man diese Vorlage aus Teilen der SPD-Fraktion denn nicht für eine öffentliche Bloßstellung der 26 Abgeordneten genutzt habe.

Bei der FDP hatte man bis zu meinem Anruf noch nichts von der Erklärung gehört, war aber sehr interessiert und sagte mir, man wolle “über Handlungsmöglichkeiten nachdenken”. Vielleicht höre ich von denen also noch was.

Mark Seibert, Referent im Büro des Die-Linke-Abgeordneten Jan Korte, nannte die Erklärung eine “politische Verantwortungslosigkeit”, die dem ohnehin umstrittenen Gesetz “die Krone aufgesetzt” habe. Allerdings sei zu dem konkreten Fall im Moment nichts geplant, da “kein neuer Nachrichtenwert” vorhanden sei. Die Linke und besonders Jan Korte seien aber in verschiedenen Initiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung organisiert und planten weitere Aktionen.

Auch bis zu Bündnis 90/Die Grünen war der Inhalt von Anlage 4 noch nicht ganz durchgedrungen. Wolfgang Wieland, Sprecher für Innere Sicherheit der grünen Fraktion, ließ mir aber nur wenige Stunden nach meinem Anruf eine schriftliche Stellungnahme zukommen, die ich (schon wegen ihrer Exklusivität) gerne wiedergebe:

Dass man für ein Gesetz stimmt, weil man die Inhalte überzeugend findet, ist der Normalfall. Dass es wenige Gesetze gibt, bei denen man als Abgeordneter nicht auch einige Aspekte verzichtbar gefunden hätte, gehört ebenfalls dazu. Wer aber für ein Gesetz stimmt und darauf vertraut, dass seine ungeliebten Teile sowieso bald vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, der versucht, aus einem Dilemma eine win-win-Situation zu machen.

Tatsache ist: Die Logik hinter der jüngst beschlossenen Vorratsdatenspeicherung stellt Sicherheit über Freiheit. Tatsache ist auch, dass sie sowohl europarechtlich wie grundgesetzlich auf wackeligen Beinen steht. Das erkennen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD ja auch, aber sie handeln nicht danach. Das ist enttäuschend, denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, verfassungsrechtliche Bedenken von vornherein auszuräumen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Das Motto „Koalitionsfrieden wahren, Ideale zitierfähig ins Protokoll schreiben, Karlsruhe das Aufräumen überlassen“ darf nicht die Handlungsmaxime für Abgeordnete sein.

Für uns Blogger heißt das, dass wir einerseits zwar ganz nah an den Themen sind, der Sprung dieser Themen in die sog. “etablierten Medien” und in eine breitere Öffentlichkeit aber andererseits noch überhaupt nicht funktioniert.

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Leserbriefschreiber 2.0

Ich habe nie verstanden, was für Leute das sind, die sich hinsetzen und einer Zeitung oder einem Magazin einen Brief schreiben, in dem sie den Redakteuren mitteilen, dass diese alle “auf Linie gebracht” seien, Deutschland von unfähigen Irren regiert werde und die dann kurz ausführen, wie das in der Welt so wirklich laufe. Aber immerhin: Diese Menschen haben sich die Zeit genommen, sich hinzusetzen, einen Brief zu formulieren, ihn zum Briefkasten zu bringen und sie würden ihre Abonnements nie kündigen, weil sie ja immer nachsehen müssen, ob ihr Brief auch bis aufs letzte Komma abgedruckt wird.

Im Internet ist das anders: Man liest auf der Webseite einer Zeitung oder eines Magazins einen Artikel, klickt auf “Artikel kommentieren” und noch ehe sich im Hirn Sätze bilden konnten, hat man schon irgendwas in die Tasten gehämmert und auf “Abschicken” geklickt.

Heute habe ich, weil Heise darauf verlinkt hatte, bei “Welt Online” den Artikel “SPD plant Grundrecht auf Informationsfreiheit” gelesen. Wir wollen mal nicht darüber sprechen, dass ausgerechnet die Partei, die vergangene Woche noch mit Pauken und Trompeten für eine Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung war, plötzlich ein “Grundrecht auf Informationsfreiheit im Internet” im Grundgesetz verankern will. Über diese Sorte Logik-Pirouette, die bei der SPD langsam in Mode zu kommen scheint, sollen sich andere auslassen.

Reden wir lieber über das, was die Kommentatoren bei “Welt Online” so kommentiert haben: Los ging es mit dem, was “Ein Bürger” so zu sagen hatte.1

Ein Bürger meint:
17-11-2007, 13:46 Uhr
Welche Partei hat gerade unter Fraktionszwang für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt? Welche Partei hat unter Schröder heimliche Onlinedurchsuchungen rechtswidrig eingeführt?
Ach ja, die SPD!!!

Und jetzt will diese Partei angeblich für bürgerliche Freiheitsrechte und weniger Rechte für die Staatsgewalt kämpfen?

Die machen sich doch lächerlich und vollkommen unglaubwürdig.

In Wahrheit will die SPD eine neue DDR und versucht jetzt die “Mauer” dieses Jahrhunderts (=totale Informations- und Kommunikationskontrolle)als antifaschistischen Schutzwall (= SPD Initiative: Grundrecht auf Informationsfreiheit) zu tarnen.

Widerliche Wortakrobatik!

Sie werden gleich merken, dass diese Aussage in Sachen Paranoia noch zu den vernünftigeren Beiträgen gehört – aber auch in Sachen Rechtschreibung und Grammatik ist das hier erst der Anfang.

Silvercoin meint:
17-11-2007, 14:31 Uhr
Informationen sind sowieso nur für die jeweiligen Schichten der Bevölkerung vorbestimmt…
Wie soll der Staat ein Grundrecht auf Information garantieren, wenn er es nicht einmal schafft die anderen Grundrechte, wie Pressefreiheit und Postmeldegeheimnis einzuhalten.

Je länger ich dieses Treiben in der Politik verfolge, umso mehr wünsche ich mir wieder einen Kaiser oder Ähnliches….
Auf diese Art von Demokratie kann das Volk verzichten…..
Wir haben keine Demokratie in Deutschland, sondern eine Hypokratie….

Und Sie glauben ja gar nicht, wie viele Staatstheoretiker sich so an einem Samstagnachmittag im Kommentarbereich von “Welt Online” tummeln:

ZWEIFLER meint:
17-11-2007, 15:20 Uhr
Das System wird eh bald zusammenbrechen. Dann kommt was Anderes. So kann es nicht funktionieren. In Wirklichkeit regieren die Lobbyisten, nicht das Volk.

Dabei weiß doch jedes Kind, wer Deutschland seit Erfindung der Stammtische regiert: Natürlich “die da oben”.

mavy meint:
17-11-2007, 16:12 Uhr
naja .. der wiefelspütz ist schon etwas glaubwürdiger wie viele der anderen kasper die da oben unsere “elite” bilden sollen

Aber halten wir uns nicht mit den kleinen Kaspereien auf, wenden wir uns den Rundumschlägen zu, der Verquickung sämtlicher denkbarer Themen, der ganz großen Verschwörung:

corvus albus meint:
17-11-2007, 17:56 Uhr
Dann sollte es ‘Kommunikationsfreiheit ‘ lauten, weil Information einseitig abgerufen wird!
Aber zunächst sollte die SPD mal die Bürger selber informieren, wie sie so zu türkischen Nationalisten steht? Während Beck die NPD verbieten lassen will singt Steinmeier mit den türkischen Wölfen? Das Schweigen der SPD zu diesen Vorgang und der Medien ist eindeutiger als laute Schreie liebe Politiker…. und der ganze Bundestag schaut weg, weil es da um die deutsch-türkische Freundschaft geht? Liebe Politiker, unter ‘Freunden’ sollte ein klärendes Gespräch schon möglich sein, oder ist das etwa eine solche Freundschaft, die uns der Ex-Kanzler Gerhard mit China beschert hat?
Je mehr die Medien diesen Fall beschweigen, um so mehr weiss der Büger, dass da etwas nicht stimmt im Hintergrund! Haltet uns doch bitte nicht für so blöd wie ihr uns gerne hättet !
Die Print-Medien sind schon zensiert… soll nun per Gesetz auch noch das Internet zensiert werden? Das scheint mir der wahre Hintergrund zu sein!

Geben Sie mir aber, bevor wir zu den Jesuiten, den Außerirdischen und Hitlers Tunnel nach Tibet kommen, noch kurz Gelegenheit, den populärsten Irrtum der deutschen Literaturgeschichte2 auszuräumen:

outface5 meint:
17-11-2007, 18:19 Uhr
….die Ähnlichkeit mit früheren “Systemen” Deutschlands wird immer deutlicher.

…denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. (Heinrich Heine 1797-1856)

In seinem Gedicht “Nachtgedanken” ist Heinrich Heine (1797-1856) nämlich deshalb um den Schlaf gebracht, weil er außerhalb Deutschlands weilt und sich zur Mutter zurücksehnt. Statt “mein Gott, wie geht dieses Deutschland nur den Bach runter” schrieb er sogar:

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd’ ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Nun, da Sie mithilfe dieses kleinen literaturwissenschaftlichen Exkurses dem Schwiegervater bei der nächsten Debatte am Esstisch das Maul stopfen können, wollen wir’s aber auch mal richtig irr werden lassen:

Von Berlichingen meint:
17-11-2007, 18:28 Uhr
Der Vorstoß der SEPD kommt leider 60 Jahre zu spät.
1968 hat die SEPD die Kurve nicht gekriegt…..und nun beginnen die Rückführungsaktionen. Mit den Deutschen Heimatvertriebenen hatte auch keiner Mitleid.
Aber wir werden unseren Gastarbeitern kein Haar krümmen. So wahr uns Gott helfe!

Also, unter uns: Ich weiß auch nicht, was der Mann meint. Aber der Mann hat Zeit. Und irgendein ernsteres Problem:

von Berlichingen meint:
18-11-2007, 05:03 Uhr
Ich brauche weder von der SPD noch von den GRÜNEN ein Grundrecht auf Informationsfreiheit.
Diese Freiheit mich umfassend zu informieren, habe ich mir seit meiner frühesten Jugend immer schon selbst genommen.
Bevor es das Internet gab, habe ich mir Bücher, die in Deutschland nicht verlegt wurden und nur in englischer Sprache publiziert wurden über den American Bookstore in Frankfurt am Main bestellt oder auf Auslandsreisen gekauft.
Ich habe meine Informationen z.B. nie aus dem Spiegel-Magazin oder aus dem “Vorwärts” bezogen.
Von mir aus könnte der Bundestag ein Gesetz erlassen, das diese Unsitte der Lügenpropaganda-Plakatekleberei bei Wahlkämpfen endlich verboten wird. Das ist optische und geistige Umfeldverschmutzung und kostet Millionen an Papier und Druckerfarbe. Für wie blöd halten uns diese Parteien eigentlich?
Hat die ARD und GEZ schon die neuesten Umfragewerte zur heutigen Sonntagsfrage veröffentlicht? Oder kommt das erst wieder wenn der Wahlkampf eröffnet ist?
Wer bezahlt eigentlich für diese Umfragen? Das macht doch ein “Forsa-Institute” nicht umsonst. Wer ist denn der Auftraggeber, der sich da Umfragewerte nach seinem Gutdünken basteln lässt?
Sehen Sie, von der WELT-Redaktion, ich mache von meinem Recht mich informieren zu dürfen Gebrauch und stelle hier einfach mal dumme Fragen.

Und weil in der Redaktion von “Welt Online” offenbar niemand liest, was die Kommentatoren da so von sich geben, und deshalb auch niemand dumme Antworten auf seine dummen Fragen geben konnte, schrieb “von Berlichingen” einfach munter weiter:

von Berlichingen meint:
18-11-2007, 11:50 Uhr
Ist es Informationsfreiheit wenn einer auf die Idee kommen würde zu fragen: Hat jemand die Toten der Vertreibungen gezählt und hat derjenige eine Namensliste aller dieser Toten? Gefallene gab es ja auf beiden Seiten, da sie gezwungen wurden, auf Leben und Tod gegeneinander zu kämpfen. Bis zum letzten Mann. [ Frauen und Kinder und Greise und Amputierte waren für eine der beiden Seiten damals uninterressant. Das wurde unter dem Begriff “Kollateralschäden” abgehakt. Ab-Ge-Hakt. Hakenkreuz ] Da wurde der Tod des eigenen Volkes bewusst in Kauf genommen, damit es nicht soviele Mitesser gab.

Gut, für “Politcally Incorrect” reicht’s noch nicht ganz und die Ausführungen sind vermutlich auch viel zu wirr, um darin etwas justiziables zu finden, aber merkwürdig darf man den Beitrag wohl mindestens finden.

Indes: Nicht so merkwürdig, wie der Kommentar, den “Petra” heute um 12:17 Uhr abgegeben hat. Ihr eigener Beitrag dazu besteht aus zwei Wörtern:

Unsere SPD.

Die restlichen 38 Zeilen ihres Kommentars bestehen aus einem Artikel der nicht unumstrittenen Wochenzeitung “Junge Freiheit”. Darin wird die Behauptung aufgestellt, an einem aktuellen Buch der baden-württembergischen SPD-Politiker Ute Vogt und Stephan Braun über die “Junge Freiheit” hätten “Linksextremisten” mitgearbeitet – das belege “eine jetzt erschienene Studie” aus dem Verlag der “Jungen Freiheit”. (Lesen Sie den Artikel doch selbst und übersehen Sie dabei auch nicht die Nennung der evangelikalen Presseagentur idea als Quelle.)

Dieser kopierte Artikel jedenfalls, der wenig bis gar nichts mit dem Thema zu tun hat, steht seit fünf Stunden im Kommentarbereich von “Welt Online”.

1 Sie finden den Anfang ganz hinten, “Welt Online” zieht es vor, seine Leserkommentare umgekehrt chronologisch anzuzeigen.
2 Der populärste Irrtum der englischen Literaturgeschichte ist die Annahme, “Frankenstein” sei der Name des Monsters in Mary Shelleys Roman.

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Du bist Verfassungsbeschwerde

Mehr als 13.000 Bürger beteiligen sich schon an der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Einer davon bin ich.

Noch bis zum 24. Dezember kann man der Berliner Kanzlei Starostik seine Vollmacht erteilen und damit an der “größten Verfassungsbeschwerde aller Zeiten” teilnehmen. Das tut nicht weh und kostet nicht mehr als die 55 Cent für die Briefmarke (und Papier, Umschlag und etwas Druckertinte).

Wenn vorratsdatenspeicherung.de nicht gerade down ist (wegen Überlastung, wie ich hoffen will), findet man dort das nötige Formular zum Ausfüllen und Ausdrucken, bei alltagskakophonie.de gibt es eine detaillierte Anleitung.

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Unwissenheit ist Stärke

Politiker müssen keine Ahnung haben, sie haben ja die Medien, die ihre dummen Äußerungen so lange verbreiten, bis jeder das Gerede für bare Münze nimmt und sich niemand mehr fragt, wovon er dort gerade eigentlich spricht.

So vermeldet Heise heute unter Berufung auf Reuters, der EU-Kommissar für Freiheit, Sicherheit und Recht, Franco Frattini wolle Suchmaschinen davon abhalten, Ergebnisse zu bestimmten Begriffen zu liefern:

“I do intend to carry out a clear exploring exercise with the private sector … on how it is possible to use technology to prevent people from using or searching dangerous words like bomb, kill, genocide or terrorism,” Frattini told Reuters.

Die Suchmaschinenbetreiber sollen also von staatlicher Seite aufgefordert werden, bestimmte Inhalte nicht mehr darzustellen. Doch, das wäre endlich mal eine Situation, in der das Wort “Zensur” gar nicht mehr so falsch wäre.

“to prevent people from using […] dangerous words” ist natürlich sowieso eine Formulierung, bei der sich einem alles zusammenzieht. “Gefährliche Wörter” ist Viertel vor Newspeak.

Die Meinungs- und Informationsfreiheit sei indes nicht in Gefahr, versicherte das Mitglied der Forza Italia:

Frattini said there would be no bar on opinion, analysis or historical information but operational instructions useful to terrorists should be blocked.

Wie genau das technisch gehen soll, wird der gelernte Jurist einer vermutlich noch nicht mal erstaunten Weltöffentlichkeit dann wohl nächste Woche erklären.

[via Spreeblick]