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Den Vogel abgeschossen

So langsam gehen mir die Erklärungen aus, wie bei “Spiegel Online” Überschriften entstehen. Eine Theorie wäre, dass ein früherer Gagschreiber von … sagen wir: “Sieben Tage, Sieben Köpfe” mit einer Kette um den Hals in der Redaktion gehalten wird, eine Meldung nach der anderen vorgelesen bekommt und dann drei, vier Kalauer dazu macht – der schlechteste wird dann genommen. Natürlich wäre es auch möglich, dass ein Computerprogramm jede Meldung auf Schlagworte scannt und dann eine suchmaschinenoptimierte Headline ausspuckt – so irreführend sie auch sein mag. Alternativ können nur noch sehr, sehr schlechte Drogen im Spiel sein.

Brutaler Ehrenmord an Strauß: Amerikaner müssen ins Gefängnis

Zunächst ein Transkript meiner Gedanken:

  • “Hä?”
  • “Muss die bayrische Geschichte neu geschrieben werden?”
  • “‘Ehrenmord’?! ‘An Strauß’?!”
  • “Welche Amerikaner? Alle?!”
  • “Hä?”

Und hier dann kurz die Geschichte: Zwei junge Männer klettern betrunken in ein Straußengehege, der Strauß Gaylord attackiert die beiden, die Begleiterinnen lachen, die beiden Männer kommen später wieder und töten Gaylord mit mindestens sieben Schüssen. Das erklärt den Strauß.

Einer der beiden Männer wurde bereits im März zu sieben Monaten Haft verurteilt, der zweite jetzt zu fünfen. Das erklärt die Amerikaner im Gefängnis (wobei der zuerst Verurteilte nach fünf Monaten wieder frei kam, so dass streng genommen jetzt nur ein Amerikaner in den Knast muss).

In der Reuters-Meldung, die “Spiegel Online” komplett übernommen und mit einem eigenen Prolog (und natürlich der obigen Überschrift) versehen hat, steht dann noch folgendes:

In dem Fall gehe es klar um männlichen Stolz, zitierte die Zeitung “San Francisco Chronicle” den mit dem Fall befassten Staatsanwalt.

Jawoll:

“This whole thing is about male pride,” Wagstaffe said.

Das “erklärt” dann wohl den “Ehrenmord”, der (immerhin noch mit Anführungszeichen) auf das Konto von Reuters geht.

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Unwissenheit ist Stärke

Politiker müssen keine Ahnung haben, sie haben ja die Medien, die ihre dummen Äußerungen so lange verbreiten, bis jeder das Gerede für bare Münze nimmt und sich niemand mehr fragt, wovon er dort gerade eigentlich spricht.

So vermeldet Heise heute unter Berufung auf Reuters, der EU-Kommissar für Freiheit, Sicherheit und Recht, Franco Frattini wolle Suchmaschinen davon abhalten, Ergebnisse zu bestimmten Begriffen zu liefern:

“I do intend to carry out a clear exploring exercise with the private sector … on how it is possible to use technology to prevent people from using or searching dangerous words like bomb, kill, genocide or terrorism,” Frattini told Reuters.

Die Suchmaschinenbetreiber sollen also von staatlicher Seite aufgefordert werden, bestimmte Inhalte nicht mehr darzustellen. Doch, das wäre endlich mal eine Situation, in der das Wort “Zensur” gar nicht mehr so falsch wäre.

“to prevent people from using […] dangerous words” ist natürlich sowieso eine Formulierung, bei der sich einem alles zusammenzieht. “Gefährliche Wörter” ist Viertel vor Newspeak.

Die Meinungs- und Informationsfreiheit sei indes nicht in Gefahr, versicherte das Mitglied der Forza Italia:

Frattini said there would be no bar on opinion, analysis or historical information but operational instructions useful to terrorists should be blocked.

Wie genau das technisch gehen soll, wird der gelernte Jurist einer vermutlich noch nicht mal erstaunten Weltöffentlichkeit dann wohl nächste Woche erklären.

[via Spreeblick]