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Gesellschaft Digital

3,2,1 – ein zuversichtliches Blog-Stöckchen

Zuge­ge­ben: Es gab schon mal Zei­ten, in denen es ein­fa­cher erschien, opti­mis­tisch in die Zukunft zu bli­cken.

Selbst jene Social-Media-Platt­for­men, die ursprüng­lich mal dazu gedacht waren, Urlau­be, Son­nen­un­ter­gän­ge und fan­cy Geträn­ke zu pos­ten, um das gute Leben zu fei­ern, sind voll mit irgend­wel­chen Unge­heu­er­lich­kei­ten, die irgend­wel­che Drit­ten irgend­wo anders ins Inter­net geschrie­ben haben. Mal davon ab, dass die Betrei­ber die­ser Platt­for­men unge­fähr so sym­pa­thisch und zukunfts­wei­send sind wie Mine­ral­öl­kon­zer­ne.

Bochumer Brandmauer: Nie wieder Faschismus

Also: Raus aus den soge­nann­ten Sozia­len Netz­wer­ken, zurück in die Blogs und ein paar Leucht­feu­er anzün­den!

Der Kol­le­ge Dirk von Geh­len, des­sen unge­bro­che­nen Glau­ben an das Inter­net als Werk­zeug der Auf­klä­rung ich vor­sich­tig skep­tisch bewun­de­re, hat etwas gemacht, was man frü­her „ein Blog-Stöck­chen wer­fen“ nann­te: sowas ähn­li­ches wie in der Schu­le in ein Freund­schafts­buch ein­zu­tra­gen. Ich hab noch nie bei so etwas mit­ge­macht, aber extre­me Zei­ten erfor­dern extre­me Maß­nah­men!

Drei Din­ge, für die ich mich enga­gie­re:

Umwelt­schutz. Ich war zehn Wochen alt, als mei­ne Eltern mich zu einem der ers­ten Grü­nen-Par­tei­ta­ge mit­ge­nom­men haben, und war in den Jah­ren danach auf zahl­rei­chen Demos gegen Atom­kraft, FCKW und Stein­koh­le­ver­stro­mung. Ich kann nicht fas­sen, dass ich 40 Jah­re spä­ter immer noch des­halb auf die Stra­ße gehen muss, aber gut: Am 14. Febru­ar ist die nächs­te „Fri­days For Future“-Demo in Bochum.

Eine offe­ne, freie Gesell­schaft. Ich war noch kei­ne sechs Jah­re alt, als mei­ne Eltern mich zu einer Gedenk­ver­an­stal­tung mit­nah­men: 50 Jah­re Aus­bruch des 2. Welt­kriegs. Es war noch vor Ros­tock-Lich­ten­ha­gen, aber weni­ge Mona­te, nach­dem die Repu­bli­ka­ner bei der Euro­pa­wahl in Deutsch­land 7,1 % erreicht haben. Ich kann nicht fas­sen, dass ich 35 Jah­re spä­ter immer noch des­halb auf die Stra­ße gehen muss, aber gut: Am 14. Febru­ar ist auch die nächs­te Demo gegen rechts in Bochum.

Gutes Ver­stär­ken. Es ist mei­ne tiefs­te Über­zeu­gung, Din­ge, die mir Freu­de berei­ten, mit ande­ren Men­schen tei­len zu wol­len. Des­we­gen mache ich sowas wie „5 Songs, die Ihr im Janu­ar gehört haben soll­tet“, des­we­gen betrei­be ich immer noch die­ses Blog, des­we­gen schrei­be ich für Zei­tun­gen und mei­nen News­let­ter. Es macht mich immer ein biss­chen fer­tig, wenn ich z.B. Musik auf Social Media tei­le und die Künstler*innen, ob sie mei­ne Freund*innen sind oder wir uns gar nicht ken­nen, sich dann über­schwäng­lich bedan­ken. Ich mei­ne: Lieb, dass sie das tun, aber es soll­te doch ver­dammt noch mal selbst­ver­ständ­lich sein, Din­ge, die man gut fin­det, tei­len und ver­brei­ten zu wol­len!

Zwei Phä­no­me­ne, die mich posi­tiv stim­men:

Künstler*innen, die wei­ter für Fort­schritt kämp­fen: Lady Gaga hat ihren Gewinn bei den gest­ri­gen Gram­mys genutzt, um sich für Trans­rech­te stark zu machen; Bey­on­cé ist die ers­te Schwar­ze Frau, die den Gram­my für das bes­te Coun­try-Album gewon­nen hat.

Son­ne. In Bochum ist seit Tagen strah­lend blau­er Him­mel und das ändert doch mei­ne Per­spek­ti­ve auf die Welt schon merk­lich.

Ein Zitat, das mir hilft:

„And so now I’d like to say – peo­p­le can chan­ge any­thing they want to. And that means ever­y­thing in the world. Peo­p­le are run­ning about fol­lo­wing their litt­le tracks – I am one of them. But we’­ve all got to stop just fol­lo­wing our own litt­le mou­se trail. Peo­p­le can do any­thing – this is some­thing that I’m begin­ning to learn. Peo­p­le are out the­re doing bad things to each other. That’s becau­se they’ve been dehu­ma­nis­ed. It’s time to take the huma­ni­ty back into the cen­ter of the ring and fol­low that for a time. Greed, it ain’t going any­whe­re. They should have that in a big bill­board across Times Squa­re. Wit­hout peo­p­le you’­re not­hing. That’s my spiel.“ (Joe Strum­mer)

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Drawn This Way

Lady Gaga lässt auf ihrer aktu­el­len Deutsch­land­tour kei­ne Pres­se­fo­to­gra­fen zu. Aber das wis­sen Sie ja schon.

Man kann in so einer Situa­ti­on Zeter und Mor­deo Zen­sur und Pres­se­frei­heit schrei­en, man kann aber auch aus der Not eine Tugend machen.

So wie die „Han­no­ver­sche All­ge­mei­ne Zei­tung“, die statt der offi­zi­ell abge­seg­ne­ten PR-Fotos („aus Sofia, auf­ge­nom­men im August“) ein­fach das zeigt, was ihr Gerichts­zeich­ner wäh­rend des Kon­zerts so pro­du­ziert hat:

Mit Dank an Hel­ge.

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Musik Digital

Caught in a bad romance

Geht wei­ter: Nach dem DJV NRW beschwert sich jetzt die „Deut­sche Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten Uni­on“ (dju) über die Art, wie das Manage­ment von Leo­nard Cohen mit Jour­na­lis­ten umgeht.

Und Eins­li­ve beklagt sich völ­lig zu Recht über die Repres­sio­nen, denen die Bericht­erstat­ter bei den gest­ri­gen Kon­zer­ten von Cold­play und Lady Gaga in Köln aus­ge­setzt waren:

Am Diens­tag­abend (04. Sep­tem­ber) haben in Köln gleich zwei Kon­zert-High­lights statt­ge­fun­den. Lady Gaga und Cold­play – prä­sen­tiert von 1LIVE. Nor­ma­ler­wei­se wür­det ihr an die­ser Stel­le eine Bil­der­ga­le­rie mit Fotos von den Kon­zer­ten fin­den. Doch durch Foto­ver­trä­ge wird die Bericht­erstat­tung über Kon­zer­te zuneh­mend erschwert.

Tja. Da prä­sen­tiert Eins­li­ve die Kon­zer­te und kann dann nicht mal eine Bil­der­ga­le­rie anbie­ten. Aus unter­schied­li­chen Grün­den: Cold­play woll­ten alle Rech­te an den geschos­se­nen Fotos haben (was, um das noch mal zu beto­nen, eine grö­ßen­wahn­sin­ni­ge und mit dem deut­schen Urhe­ber­recht schwer zu ver­ein­ba­ren­de For­de­rung ist), und Lady Gaga ließ gar kei­ne Pres­se­fo­to­gra­fen rein.

Es dür­fen nur die Bil­der ver­öf­fent­licht wer­den, die ihr eigens enga­gier­ter Tour­fo­to­graf geschos­sen hat. Für Bild­jour­na­list Peter Waf­zig geht das zu weit: „Sie pro­du­ziert ein Bild von sich selbst, das sie ger­ne in der Öffent­lich­keit sehen möch­te und sorgt dafür, dass die Pres­se ganz mas­siv beein­flusst wird.“

Dass Lady Gaga ein Bild von sich selbst pro­du­ziert, dürf­te nie­man­den ernst­haft über­ra­schen. Ich fra­ge mich aber, was sich an die­ser Insze­nie­rung geän­dert hät­te, wenn neben dem offi­zi­el­len auch ande­re Foto­gra­fen Bil­der hät­ten machen kön­nen. Wenn Frau Gaga nicht gera­de auf der Büh­ne stol­pert und einem Pres­se­fo­to­gra­fen ein beson­ders unvor­teil­haf­tes Bild gelingt, wer­den sich die Bil­der im Gro­ßen und Gan­zen ähneln. In den aller­meis­ten Fäl­len kann die Pres­se eh nur die Insze­nie­rung wei­ter trans­por­tie­ren, die sie vor­ge­setzt bekommt. Ein Kon­zert ist ja in der Regel kein Fuß­ball­spiel, wo sich in den Fan­blö­cken immer wie­der Sze­nen abspie­len, die der Ver­band lie­ber nicht in der Zei­tung sehen wür­de – und selbst da müss­te man ja noch mal län­ger über­le­gen, ob es die Idio­ten nicht eher anspornt, wenn ihre men­schen­ver­ach­ten­den Ban­ner hin­ter­her im Fern­se­hen zu sehen sind, egal, wie erho­ben der Zei­ge­fin­ger der Repor­ter dabei ist.

Aber zurück zu Lady Gaga: Die bräuch­te die Medi­en womög­lich gar nicht mehr. Auf Twit­ter kann sie zu 29 Mil­lio­nen (über­wie­gend wahn­sin­nig loya­len) Fol­lo­wern direkt spre­chen – nicht mal ein Auf­tritt bei „Wet­ten dass..?“ oder eine Titel­sei­te in der „Bild“-Zeitung kann da mit­hal­ten. Der Hebel, an dem die klas­si­schen Medi­en (zu denen auch die Web­site eines Radio­sen­ders gehört), ist nicht nur kür­zer gewor­den, er ist kom­plett ver­schwun­den.

Wenn es Eins­li­ve drauf anle­gen wür­de, könn­ten sie ein­fach kei­ne Songs von Cold­play und Lady Gaga mehr spie­len. Das wäre mal ein State­ment, könn­te aber auch nach hin­ten los­ge­hen (Stich­wort: 29 Mil­lio­nen Fol­lower). Und dann wür­de voll­ends offen­sicht­lich, dass sich die Medi­en nach Belie­ben von der Unter­hal­tungs­in­dus­trie, die doch eigent­lich schon tot war, am Nasen­ring durch die Mane­ge zie­hen las­sen. Die Musik­ma­nage­ment­fir­men sind kein Mine­ral­öl­kon­zern, der Image­schä­den und Umsatz­ein­bu­ßen befürch­ten muss, wenn er eine Ölplatt­form in der Nord­see ver­sen­ken will. Bleibt also nur noch: Pro­tes­tie­ren.

Frehn Hawel arbei­tet bei einer Ver­an­stal­tungs­agen­tur und kennt das Pro­blem. Er ver­sucht, zwi­schen Manage­ment und Foto­gra­fen zu ver­mit­teln: „Es ist eigent­lich nicht im Sin­ne des Künst­lers. Es ist für die Pro­mo­ti­on oder die Pres­se­ar­beit für eine Tour­nee eher hin­der­lich, wenn man die­se Ver­trä­ge auf­setzt, weil dadurch ein­fach Berich­te weg­fal­len, die man viel­leicht auch braucht, um den Vor­ver­kauf anzu­kur­beln.“

Das mit dem Vor­ver­kauf scheint ganz gut geklappt zu haben: Cold­play haben das Köl­ner Sta­di­on aus­ver­kauft, Lady Gaga für heu­te die Köln­are­na (das gest­ri­ge Zusatz­kon­zert war nicht ganz aus­ver­kauft) – mit freund­li­cher Unter­stüt­zung von Eins­li­ve, wo bis zuletzt Kar­ten ver­lost wur­den. Künst­ler und Sen­der waren Geschäfts­part­ner und einer von bei­den hat den ande­ren über den Tisch gezo­gen. Kon­se­quent wäre, auf die Prä­sen­ta­ti­on solch „schwie­ri­ger“ Künst­ler künf­tig zu ver­zich­ten.

Ich kann die Empö­rung über die­se Foto­gra­fen­ver­trä­ge völ­lig nach­voll­zie­hen: Sie sind mora­lisch und juris­tisch hoch­gra­dig frag­wür­dig. Aber es fällt mir schon schwer, die­se Art von Empö­rung ernst zu neh­men:

Es ist ein Span­nungs­feld zwi­schen Manage­ment, Ver­an­stal­tern und Foto­gra­fen. Über Face­book und ande­re sozia­le Netz­wer­ke bil­det sich zuneh­mend Wider­stand gegen die Foto­ver­trä­ge. Auch Jour­na­lis­ten­ver­bän­de war­nen vor Ein­grif­fen in die Pres­se­frei­heit. Es ist auf der einen Sei­te durch­aus ver­ständ­lich, dass Bands wis­sen wol­len, wo ihre Bil­der ver­öf­fent­licht wer­den. Es muss aber die Fra­ge geklärt wer­den: Wo hört ein gewis­ses Maß an Kon­trol­le auf und wo geht Zen­sur los?

„Pres­se­frei­heit“! „Zen­sur“! Natür­lich!

Das geht nicht mehr als „Weh­ret den Anfän­gen“ durch, das ist eine völ­li­ge Fehl­ein­schät­zung der Situa­ti­on: Die Manage­ments machen Ange­bo­te und ich fürch­te, die Medi­en kön­nen nicht mehr tun, als sich nicht dar­auf ein­zu­las­sen. Die Selbst­in­sze­nie­rungs­ma­schi­ne­rie wird das natür­lich nicht stop­pen. Die hat gewon­nen.

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Musik

Songs des Jahres 2011

Bevor 2012 rich­tig Fahrt auf­nimmt oder ich mei­ne Lis­te kom­plett ver­wor­fen habe, hier noch schnell mei­ne Songs des Jah­res 2011 (die Alben gibt’s hier):

25. Andre­as Bou­ra­ni – Nur in mei­nem Kopf
Na, da über­rasch ich mich doch mal selbst und fang mit einem deutsch­spra­chi­gen Singer/​Songwriter an! „Nur in mei­nem Kopf“ hab ich geliebt, als ich es das ers­te Mal im Radio gehört habe, und auch mas­si­ve Rota­tio­nen konn­ten dem Lied nicht viel anha­ben. Es wirkt aber zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch wie für mich am Reiß­brett ent­wor­fen: Pia­no­in­tro, Four-To-The-Flo­or-Beat, galop­pie­ren­de Beats, gera­de so viel U2-Anlei­hen, wie ich ertra­ge, und dann noch die groß­ar­ti­ge Zei­le von wegen „alles kaputt­hau­en“. Schö­ne Stim­me übri­gens und sehr schö­nes Video, auch!

24. Death Cab For Cutie – You Are A Tou­rist
„Codes And Keys“, das letzt­jäh­ri­ge Album von Death Cab For Cutie, hat mich nie so rich­tig packen kön­nen. Kein schlech­tes Album, gewiss, aber die Band hat­te schon bes­se­re und mein Indie-Müdig­keit macht sich ein­mal mehr bemerk­bar. Die spek­ta­ku­lärs­te Mel­dung im Bezug auf die Band im ver­gan­ge­nen Jahr war die Nach­richt, dass sich Sän­ger Ben Gib­bard und Zooey Descha­nel schei­den las­sen (und ich mich nicht ent­schei­den kann, wen von bei­den ich lie­ber hei­ra­ten wür­de). ANYWAY: „You Are A Tou­rist“ ist ein schö­ner Song mit einem sehr span­nen­den Groo­ve, der auf der Tanz­flä­che noch bedeu­tend mit­rei­ßen­der ist, als vor dem hei­mi­schen Plat­ten­spie­ler.

23. Lady GaGa – The Edge Of Glo­ry
Wenn man in ein‑, zwei­hun­dert Jah­ren ein Buch über die Geschich­te des Pop schrei­ben wird, wird man an Lady Gaga nicht vor­bei­kom­men. Die Frau schafft es meis­ter­haft, sowohl den intel­lek­tu­el­len Hin­ter­grund des Begriffs „Pop“ aus­zu­fül­len, als auch Songs am Fließ­band raus­zu­hau­en, die genau das sind: Pop. Wenn „Spex“-Leser und Schüt­zen­fest­be­su­cher zur glei­chen Musik tan­zen kön­nen, ist das eine Leis­tung, die zumin­dest die Nomi­nie­rung für den Frie­dens­no­bel­preis nach sich zie­hen soll­te. Wei­te­res Argu­ment für „The Edge Of Glo­ry“: Es ist die letz­te ver­öf­fent­lich­te Auf­nah­me von E‑S­treet-Band-Saxo­pho­nist Cla­rence Cle­mons vor des­sen Tod. Gera­de noch recht­zei­tig, damit eine ganz neue Gene­ra­ti­on von Musik­fans den „Big Man“ ins Herz schlie­ßen konn­te.

22. James Bla­ke – The Wil­helm Scream
„Songs“ sind die wenigs­ten Tracks auf James Blakes phan­tas­ti­schem Debüt­al­bum, Radio-Sin­gles gibt es eigent­lich kei­ne. Aber wenn über­haupt, dann ist „The Wil­helm Scream“ das pop­pigs­te und zugäng­lichs­te Stück. Am aus­schließ­lich in musik­jour­na­lis­ti­schen Tex­ten ver­wen­de­ten Verb „plu­ckern“ führt kaum ein Weg vor­bei, aber es dröhnt, rauscht, zirpt und echot auch ganz gewal­tig unter und über Blakes Fal­sett­ge­sang. Musik wie ein ver­stö­ren­der, aber doch sehr erhol­sa­mer Traum.

21. Jupi­ter Jones – Still
Das Ein­mal-zu-oft-gehört-Phä­no­men im neu­en Gewand: Wenn „Still“ im Radio anfängt, bin ich ein biss­chen genervt. Wenn ich den Song sel­ber auf­le­ge ist es aber immer noch wie im ers­ten Moment: Wow! Allein die­se Bass­li­ne, die glei­cher­ma­ßen Schlag in die Magen­gru­be wie Schul­ter­klop­fen ist! Jupi­ter Jones hat­ten viel­leicht schon bes­se­re, wüten­de­re oder ver­zwei­fel­te­re Tren­nungs­lie­der, aber „Still“ ist auf sei­ne Art schon sehr beson­ders – und beson­ders wahr. Die schöns­te Ver­si­on ist natür­lich die mit Ina Mül­ler.

20. Rihan­na feat. Cal­vin Har­ris – We Found Love
Für Rihan­na gilt ähn­li­ches wie das, was ich gera­de über Lady GaGa geschrie­ben habe. Sie arbei­tet zwar nicht so aktiv selbst an ihrem Gesamt­kunst­werk mit, aber sie ist einer der bestim­men­den Super­stars unse­rer Zeit. Allein die Lis­te ihrer Kol­la­bo­ra­tio­nen deckt die gegen­wär­ti­ge Pop­mu­sik sehr gut ab: Jay‑Z, Kanye West, David Guet­ta, Emi­nem, will.i.am, Jus­tin Tim­ber­la­ke, Ne-Yo und Cold­play ste­hen da zum Bei­spiel drauf. Dies­mal also mit Cal­vin Har­ris, der ein House-Feu­er­werk abbrennt, wäh­rend Rihan­na einen Song von erha­be­ner Schön­heit singt. Ja: „We Found Love“ ist nicht nur cool/​geil/​whatever, son­dern auch schön und soll­te jedem ein­sa­men Men­schen „in a hope­l­ess place“ zwi­schen Dins­la­ken und Bit­ter­feld Hoff­nung machen.

19. Noah And The Wha­le – Tonight’s The Kind Of Night
„Last Night On Earth“, das aktu­el­le Album von Noah And The Wha­le, hat­te ich schon bei den Alben gelobt. „Tonight’s The Kind Of Night“ ist ein per­fek­tes Bei­spiel für die­sen Tech­ni­co­lor-Pop mit sei­nen trei­ben­den Rhyth­men und eupho­ri­sie­ren­den Chö­ren. Und sagt man sich nicht jeden Abend „Tonight’s the kind of night whe­re ever­y­thing could chan­ge“? Eben! Muss ja nicht, aber könn­te!

18. Fos­ter The Peo­p­le – Pum­ped Up Kicks
Ein­mal Indiepop-Som­mer­hit zum Mit­neh­men, bit­te! „Pum­ped Up Kicks“ hat einen schlich­ten Sog, dem man sich nur schwer ent­zie­hen kann. Der Song lief merk­wür­di­ger­wei­se nie in der Wer­bung eines Mobil­funk­an­bie­ters (was eigent­lich sein natür­li­cher Lebens­raum gewe­sen wäre), hat eine Sai­son län­ger zum Hit gebraucht als ange­nom­men und hat dar­über hin­aus noch einen mil­de gewalt­ver­herr­li­chen­den Text, der dem ame­ri­ka­ni­schen MTV zu viel war – aber davon ab ist es auch ein­fach ein sehr schö­ner Song.

17. Jack’s Man­ne­quin – My Racing Thoughts
Hat­te ich schon mal erwähnt, dass kei­ne Band in den letz­ten fünf Jah­ren eine so gro­ße Bedeu­tung für mich hat­te wie Jack’s Man­ne­quin? Gut. So rich­tig genau kann ich näm­lich auch nicht erklä­ren, war­um mir „My Racing Thoughts“ so gut gefällt, beim ers­ten Hören fand ich es näm­lich regel­recht chee­sy. Jetzt aber mag ich es, weil es ein harm­lo­ser, erbau­li­cher Pop­song ist. Und die­ser „she can read my, she can read my“-Part ist toll!

16. Rival Schools – Wring It Out
Nein, ein zwei­tes „Used For Glue“ ist auf dem zwei­ten Rival-Schools-Album nicht ent­hal­ten. Aber fast. „I wan­na wring it out /​ Every oun­ce /​ I wan­na do the right thing, when the right thing counts“ sind doch genau die Zei­len, die man zum Beginn eines Jah­res hören möch­te. Und dann ein­fach rein ins Leben, die rich­ti­gen Din­ge tun, die fal­schen Din­ge tun, aber in jedem Fall jede Unze raus­quet­schen. Was für eine Hym­ne!

15. Mari­ti­me – Parapher­na­lia
Das vier­te Mari­ti­me-Album „Human Hearts“ ist irgend­wie kom­plett an mir vor­bei­ge­gan­gen, aber die Vor­ab-Sin­gle, die hat mich das gan­ze Jahr über beglei­tet. Indie­rock, der nicht nervt, weil er nicht ach so cool sein will, son­dern beschwingt unter­hält. So ein­fach ist das manch­mal.

14. Ade­le – Rol­ling In The Deep
Die Geschich­te mit der Echo-Ver­lei­hung hab ich ja blö­der­wei­se schon bei den Alben erzählt. Muss ich mir jetzt was neu­es aus­den­ken? Ach was! Gro­ßer Song, bleibt groß! Punkt.

13. Exam­p­le – Stay Awa­ke
Auf „Play­ing In The Shadows“ sind fünf, sechs Songs, die alle in die­ser Lis­te hät­ten auf­tau­chen kön­nen. „Stay Awa­ke“ ist es letzt­lich gewor­den, weil die stamp­fen­den House-Ele­men­te (man­che wür­den auch sagen: „die Kir­mes-Ele­men­te“) sonst ein wenig unter­re­prä­sen­tiert gewe­sen wären. Und dann die­ser Refrain: „If we don’t kill our­sel­ves we’ll be the lea­ders of a mes­sed-up gene­ra­ti­on /​ If we don’t kid our­sel­ves will they belie­ve us if we tell them the reasons why“ und der Kon­trast zwi­schen dem Four-To-The-Flo­or-Refrain und den zit­tern­den Dub­step-Stro­phen! Hach, jetzt ’n Auto­scoo­ter …

12. The Naked And Famous – Young Blood
Viel­leicht hab ich mich ver­tan und es war gar nicht „Pum­ped Up Kicks“ der Indiepop-Som­mer­hit, son­dern „Young Blood“. Immer­hin war der Song Jing­le-Musik bei Viva und WDR 2 (!) und lief in gefühlt jeder TV-Sen­dung. Egal, sie können’s ja auch bei­de gewe­sen sein, wobei „Young Blood“ ganz klar über­dreh­ter und char­man­ter und … äh: lau­ter ist. Wegen maxi­ma­ler Pene­tra­ti­on kurz vor ner­vig, aber eben nur vor.

11. Twin Atlan­tic – Make A Beast Of Mys­elf
Die­ser Break nach zwei Sekun­den! Die­ses Brett von Gitar­ren­ge­schram­mel! Die­se ent­spannt vor sich hin groo­ven­den Stro­phen, die sich in die­sen Orkan von Refrain ent­la­den! Und, vor allem: Die­ser nied­li­che schot­ti­sche Akzent, vor allem beim Wort „uni­ver­se“! Mein Punk­rock-Song des Jah­res!

10. Patrick Wolf – The City
Die­ser Song hät­te unter Umstän­den der bri­ti­sche Bei­trag zum Euro­vi­si­on Song Con­test sein kön­nen – und wäre damit einer der bes­ten in der Geschich­te des Wett­be­werbs gewe­sen. Nun ist es „nur“ ein dezent über­dreh­ter Indiepop-Song mit Hand­claps, Saxo­phon, ver­zerr­ten Stim­men und hyp­no­ti­schen Beats.

9. Cold­play – Every Teardrop Is A Water­fall
Sie haben’s schon bemerkt: Wir sind in dem Teil der Lis­te ange­kom­men, wo ich die vor­geb­lich ratio­na­len Argu­men­te weg­ge­packt habe und mehr mit hilf­lo­sen Emo­tio­na­li­tä­ten und „Hach„s um mich wer­fe. Hier toll: Das absur­de Sam­ple, die Rhyth­mus­gi­tar­re, die Lead­gi­tar­re, die gran­dio­se Schlag­zeug­ar­beit von Will Cham­pi­on, der Text und der Moment nach drei Minu­ten, wenn sich alles auf­ein­an­der türmt. Hüp­fen! Tan­zen! Hach!

8. Jona­than Jere­mi­ah – Hap­pi­ness
Mein Jahr 2011 lässt sich in zwei Tei­le tei­len: den vor Jona­than Jere­mi­ah und den danach. Mit „Hap­pi­ness“ fühlt sich mein Leben an wie eine bri­ti­sche Komö­die mit Hugh Grant. I’m going home whe­re my peo­p­le live.

7. Ima­gi­na­ry Cities – Hum­ming­bird
Der Wea­k­erthans-Live­gi­tar­rist Rus­ty Matyas hat mit Sän­ge­rin Mar­ti Sar­bit die Band Ima­gi­na­ry Cities gegrün­det, deren Debüt­al­bum „Tem­po­ra­ry Resi­dent“ im letz­ten Jahr auf Grand Hotel van Cleef erschie­nen ist. So viel zur Theo­rie. Die Pra­xis … ach, hören Sie ein­fach selbst! Was für ein Song!

6. Cold War Kids – Final­ly Begin
Frü­her, als ich noch mit dem Fahr­rad durch die Stadt mei­ner Jugend gefah­ren bin, hab ich manch­mal auf dem Heim­weg die Arme aus­ge­brei­tet, die Augen zuge­macht und bin zur Musik aus mei­nem Walk­man qua­si durch die Nacht geflo­gen. Glück­li­cher­wei­se nie auf die Fres­se, aber das ist schon recht gefähr­lich, Kin­der. Jeden­falls: „Final­ly Begin“ wäre ein Song für genau sol­che Flug­ma­nö­ver. Die­se Gitar­ren! Die­se Har­mo­nien, die offen­bar direkt die Endor­phin­aus­schüt­tung im Hirn anwer­fen kön­nen! Und die­ser Text über über­wun­de­ne Bin­dungs­angst! Für eine Nacht noch mal 16 sein in Dins­la­ken, bit­te!

5. The Moun­tain Goats – Never Quite Free
Wie gesagt: „Never Quite Free“ wur­de Anfang Dezem­ber inner­halb von 48 Stun­den zu einem der meist gehör­ten Songs des Jah­res. Wer braucht schon das Stro­phe/­Re­frain-Sche­ma? Wenn ich Ihre Auf­merk­sam­keit auf die­se Stel­le nach ziem­lich exakt zwei Minu­ten len­ken darf, wo das Schlag­zeug rich­tig los­schep­pert und der Schel­len­kranz ein­setzt: für sol­che Momen­te wird Musik gemacht und für sol­che Momen­te höre ich Musik.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Heart In Your Heart­break
Gera­de beim Tip­pen fest­ge­stellt: Wenn man für jedes „heart“ in Band­na­men und Song­ti­tel einen Schnaps trin­ken wür­de, wäre das ein schö­ner Start in den Abend. Schö­ner wür­de der natür­lich, wenn der Song auch lie­fe, denn es ist ein herr­li­cher Song, der übri­gens auch in der (ansons­ten etwas freud­lo­sen) fünf­ten Staf­fel von „Skins“ zu hören war. (Radio-)DJs has­sen die beun­ru­hi­gend lan­ge Pau­se nach 2:42 Minu­ten, aber ansons­ten kann man die­sen Song natür­lich nur lie­ben.

3. Ed Sheeran – The A Team
„+“, das groß­ar­ti­ge Debüt-Album von Ed Sheeran, das Sie bald auch in Deutsch­land kau­fen kön­nen (und soll­ten!), habe ich mir im Sep­tem­ber im Schott­land-Urlaub gekauft, weil Plat­ten­fir­ma und HMV mich mit ihrer Plat­zie­rungs­po­li­tik gera­de­zu gewalt­sam dazu gedrängt haben. Auf dem Weg zum Flug­ha­fen habe ich es zum ers­ten Mal gehört und ich war nicht direkt ver­zau­bert, was aber auch an dem schot­ti­schen Land­re­gen gele­gen haben mag, mit dem ich auf mei­nem Fuß­marsch noch zu kämp­fen hat­te. Beim zwei­ten Mal jedoch: Was für ein Album! Und was für ein Ope­ner! Zärt­lich, ohne wei­ner­lich zu sein! Schmu­sig, ohne zu lang­wei­len. Ver­glei­che mit deut­schen Singer/​Songwritern ver­bie­ten sich, aber viel­leicht kommt ja auch mal ein Ed-Sheeran-Äqui­va­lent daher.

2. Bon Iver – Cal­ga­ry
Zuge­ge­ben: Das war beim ers­ten Hören schon etwas ver­wir­rend mit die­sen gan­zen Key­board­flä­chen. Aber nur kurz! Jus­tin Ver­non könn­te auch das Tele­fon­buch von Mil­wau­kee sin­gen (und manch­mal habe ich ehr­lich gesagt den Ver­dacht, er wür­de es zwi­schen­durch zumin­dest mal ver­su­chen) und ich wür­de immer noch eine Gän­se­haut bekom­men.

1. Bright Eyes – Shell Games
Anfang April schrieb ich, dass der Pop­song des Jah­res, wenn in den ver­blei­ben­den neun Mona­ten nicht noch ein Wun­der gesche­he, „Shell Games“ sein wür­de, und ich soll­te Recht behal­ten. Es wirkt ein biss­chen, als habe sich Conor Oberst die Pop-Blau­pau­se eines Gregg Alex­an­der vor­ge­nom­men und nur noch ein paar per­sön­li­che Son­der­hei­ten rein­ge­wor­fen. Zur Bil­der-des-Jah­res-Mon­ta­ge in mei­nem Kopf läuft die­ser Song, der auch das Lied­zi­tat 2011 bereit hält: „My pri­va­te life is an insi­de joke /​ No one will explain it to me“.

Hin­weis: Bit­te beach­ten Sie auch dies­mal beim Kom­men­tie­ren wie­der die Regeln.

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Die Definition von Pop

Erin­nern Sie sich noch an den schreck­li­chen däni­schen Bei­trag beim Euro­vi­si­on Song Con­test in Oslo?

Herr Nig­ge­mei­er und ich haben – wäh­rend wir ver­such­ten, uns die­sen Ohr­wurm gegen­sei­tig aus dem Kopf zu prü­geln – lan­ge dar­über nach­ge­dacht, wor­an uns die­ser Song alles erin­nert. „Every Breath You Take“ (oder, für die Jün­ge­ren: „I’ll Be Miss­ing You“) war natür­lich dabei, mit ein biss­chen frem­der Hil­fe kamen wir auch auf „The Best“ von Tina Tur­ner und einen Hauch von „Dancing Queen“ kann man im Refrain auch erken­nen.

Das alles ist aber harm­los gegen Lady Gaga, die das Prin­zip Pop aus­füllt wie nie­mand sonst die­ser Tage. Ihre aktu­el­le Sin­gle „Ale­jan­dro“ ver­fügt nicht nur über ein beein­dru­ckend irres Video, sie klingt auch wie hun­dert bereits bekann­te Songs gleich­zei­tig:


Lady Gaga – Ale­jan­dro – MyVi­deo

Mau­ra John­s­ton und Jay Smooth haben sich bei NPR aus­gie­big Gedan­ken dar­über gemacht und erklä­ren in drei­ein­halb Minu­ten mal eben, wie Pop­mu­sik funk­tio­niert.

Lady Gaga Vs. Ace Of Base bei npr.org

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Listenpanik: Reste 2009

Das Jahr ist bald zu Ende, Mar­kus hat sei­ne Bes­ten­lis­te schon raus­ge­hau­en, aber ich muss ja für nächs­te Woche erst mal das Jahr 2008 abfrüh­stü­cken, ehe ich mich dop­pelt und drei­fach dem Rück­blick auf das aktu­el­le Jahr wid­men kann.

Vor­her sol­len aber schon die Alben und Songs genannt wer­den, die die­ses Jahr für mich mit­be­stimmt haben, aber bis­her auf kei­ner Lis­ten­pa­nik-Lis­te genannt sind. Dass ich immer noch jede Men­ge über­se­hen habe, dürf­te klar sein. Aber wenigs­tens das hier ist schon mal nicht ver­ges­sen:

Alben
Kid Cudi – Man On The Moon – The End Of Day
Wie gesagt: Ich höre mich gera­de erst ein in die­ses Gen­re, das sie Hip-Hop oder Rap nen­nen. Ich bin also noch nicht sehr gut im Zuord­nen (wor­auf die Zei­le „I got nine­ty-nine pro­blems and they all bit­ches“ anspielt, ist mir trotz­dem auf­ge­fal­len), aber wer die­ses Album hört, muss sofort erken­nen, dass da jemand klu­ges Musik macht. Beats, Samples und Instru­men­te wer­den da zu anspruchs­vol­len Play­backs auf­ge­türmt, über die der 25-jäh­ri­ge Scott Ramon Segu­ro Mes­cu­di dann rappt wie ein Mann, der schon alles gese­hen hat. Die meis­ten Songs sind eher laid back und düs­ter und ins­ge­samt ist das Album, an dem auch Bands wie MGMT und Rata­tat mit­ge­wirkt haben, weit ent­fernt vom Arsch-und-Tit­ten-Hip-Hop, den man sonst im Musik­fern­se­hen sieht, falls gera­de mal Vide­os lau­fen. Ach ja: Lady Gaga wird auch noch gesam­pelt.

Jay‑Z – The Blue­print 3
Noch mal Hip-Hop, noch mal klug und anspruchs­voll. Genau­er kann ich das gar nicht beschrei­ben, aber es fühlt sich gut an, die­ses Album zu hören. Und wer sich „Fore­ver Young“ von Alpha­ville vor­nimmt, hat bei mir qua­si immer gewon­nen (vgl. Die Gol­de­nen Zitro­nen, Youth Group, Bushi­do feat. Karel Gott).

White Lies – To Lose My Life
Irgend­wann bin ich nicht mehr mit­ge­kom­men mit die­sen Joy-Divi­si­on-Bands. Sind White Lies über­haupt eine? Jeden­falls kom­bi­nie­ren sie trei­ben­de Rhyth­men, Gitar­ren­ge­schram­mel, Key­board­flä­chen und lei­den­schaft­li­chen Gesang. Und obwohl mir das in vier von fünf Fäl­len unglaub­lich auf die Ket­ten geht, gefällt es mir hier.

Tom Liwa – Eine Lie­be aus­schließ­lich
Nach Eso­te­rik-Pro­jek­ten und einer Flower­porn­oes-Reuni­on hat Tom Liwa mal wie­der ein rich­ti­ges Solo­al­bum auf­ge­nom­men: nur er und eine Gitar­re. Eröff­net wird „Eine Lie­be aus­schließ­lich“ von einer Gän­se­haut-Ver­si­on von „Cha­sing Cars“ (ja, das von Snow Pat­rol), hin­ter­her gibt’s auch noch mal Dylan („Idi­ot Wind“), dazwi­schen ganz viel Liwa. Man kann nur ahnen, was für Dra­men sich abge­spielt haben müs­sen, soll­ten die Tex­te alle­samt auto­bio­gra­phisch sein. Es ist Liwas bes­te Plat­te seit „St. Amour“ vor neun Jah­ren und erin­nert in ihrer Reduk­ti­on und Direkt­heit mit­un­ter sogar an die „Ame­ri­can Recor­dings“ von John­ny Cash – die mit­un­ter gewag­ten Über­steue­run­gen inklu­si­ve.

Songs
Kid Cudi – Up Up & Away
Da lobe ich ein Hip-Hop-Album und hebe dann den einen Song her­vor, in dem vor allem Gitar­ren zu hören sind. Aber, Ent­schul­di­gung, „Up Up & Away“ ist ein­fach ein Ham­mer von einem Song. Text­lich eine wun­der­ba­re Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung, musi­ka­lisch eine der eupho­riestei­gernds­ten Num­mern des Jah­res. Und dann die­ser Slo­gan für T‑Shirts und Unter­arm-Täto­wie­run­gen: „They go judge me any­way, so: wha­te­ver?“

Glas­ve­gas – Geral­di­ne
Glas­ve­gas live zu sehen war eine schlech­te Idee für den ers­ten Ein­druck, denn ihr Auf­tritt hat mir die Band schon arg ver­lei­det. So bedurf­te es aus­ge­rech­net einer Lager­feu­er­ver­si­on von Thees Uhl­mann und Simon den Har­tog, damit ich erkann­te, was für ein tol­ler Song „Geral­di­ne“ ist. So unge­fähr der ein­zi­ge rich­tig tol­le auf dem selbst­be­ti­tel­ten Debüt-Album der Schot­ten, aber dafür eben ein wirk­lich rich­tig tol­ler. Als Lin­gu­ist ist man erstaunt, wie vie­le Voka­le in Zei­len wie „My name is Geral­di­ne, I’m your social worker“ offen­sicht­lich über­flüs­sig sind und ganz ein­fach weg­ge­las­sen wer­den kön­nen.

Jay‑Z – Empire Sta­te Of Mind
Er sei der neue Sina­tra, rappt Jay‑Z in sei­nem „New York“-Pendant. Und wahr­schein­lich hat er damit nicht mal unrecht. Dazu Strei­cher, Kla­vier, Chö­re und Ali­cia Keys. Einen Song die­ser Grö­ße hat die Stadt ver­dient („und umge­kehrt“, falls das Sinn ergibt), so wie Ber­lin „Schwarz zu Blau“ von Peter Fox.

Tom­my Fin­ke – Halt‘ alle Uhren an
Tom­my Fin­ke hat mir jetzt schon mehr­fach zu erklä­ren ver­sucht, was das für ein Sound ist, der da das Riff spielt. Inzwi­schen habe ich die Hoff­nung auf­ge­ge­ben, es zu ver­ste­hen, aber es ist auch egal. Ein schö­ner Sound, ein ein­gän­gi­ges Riff und ein wun­der­ba­rer Song. Das Album kommt im Janu­ar 2010, die Sin­gle ist jetzt schon drau­ßen und weil ich gemein­sam mit den Jungs von Get Addic­ted mit dem Künst­ler eine Wet­te über Chart­plat­zie­run­gen lau­fen habe, täten Sie uns allen einen Gefal­len (sich selbst natür­lich sowie­so), wenn Sie das Lied käuf­lich erwür­ben.

Vir­gi­nia Jetzt! – Die­ses Ende wird ein Anfang sein
Vir­gi­nia Jetzt! hat­te ich irgend­wann nach dem zwei­ten Album aus den Augen ver­lo­ren. Kürz­lich war ich bei einem ihrer Kon­zer­te (eigent­lich nur, um mir Oh, Napo­le­on im Vor­pro­gramm anzu­se­hen) und ich war wirk­lich schwer begeis­tert. So sehr, dass ich mir ihr aktu­el­les Album gekauft habe. Was live super funk­tio­nier­te, ist auf Plat­te mit­un­ter arg hart an der Gren­ze (wobei die Idee, Ste­fan Zau­ner von der Mün­che­ner Frei­heit Back­ground-Chö­re sin­gen zu las­sen, natür­lich schon gigan­tisch ist), aber „Die­ses Ende wird ein Anfang sein“, die­se char­man­te Up-Tem­po-Num­mer mit Blä­sern, die ist schon sehr gut gewor­den.

White Lies – To Lose My Life
„Let’s grow old tog­e­ther and die at the same time“ ist eigent­lich auch nichts groß ande­res als das, was John Len­non 1980 in „Grow Old With Me“ aus­drü­cken woll­te – und trotz­dem natür­lich irre roman­tisch. Dazu ein trei­ben­der Refrain mit einem Key­board, das so sen­sa­tio­nell ner­vig rein dröhnt, dass man sich die Ohren zuhal­ten müss­te – wenn das beim Tan­zen nicht total beknackt aus­sä­he. Ein schö­ner Song.

Lady Gaga – Papa­raz­zi
„Ernst­haft?“ Ernst­haft! Was für coo­le Sounds, was für ein gelun­ge­ner Refrain! Außer­dem dach­te ich am Anfang, als ich nur die Stro­phe gehört habe, das sei eine neu­er Song von The Kni­fe.

[Lis­ten­pa­nik, die Serie]

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Can’t read my baby face

Weezer, die Älte­ren wer­den sich erin­nern, waren eine Band, die Mit­te der 1990er Jah­re mit den Alben „Weezer“ und „Pin­ker­ton“ Rock-Geschich­te schrie­ben. 2001 kamen sie mit „Weezer (The Green Album)“ zurück und befin­den sich seit­dem auf dem abstei­gen­den Ast.

Das heißt: Nicht ganz. Letz­tes Jahr schaff­ten sie es über­ra­schen­der­wei­se, das defi­ni­ti­ve You­Tube-Video zu dre­hen und mit „Heart Songs“ auch noch eine anrüh­ren­de Hel­den­ver­eh­rung zu ver­öf­fent­li­chen.

Und jetzt? Covern sie live „Kids“ von MGMT und „Poker Face“ von Lady Gaga. Hört sich bekloppt an?

Hört sich so an:

[Direkt­link]

[via choo­choot­he­band]