Kategorien
Musik

Hallo Endorphin

Als ich auf dem Haldern-Pop-Festival stand, dachte ich so vor mich hin, dass ich im Moment kaum Interesse an melancholischer Musik habe und lieber den ganzen Tag Andrew W.K. höre, und dass mich selbst die großartigsten Konzerte und Platten nicht mehr so packen wie noch vor Jahren. (Immerhin habe ich in diesem Jahr verstanden, dass niemals ein Festival oder Konzert für mich so eine Bedeutung haben wird wie das Haldern 2001, weil niemals mehr eine Band so eine Bedeutung haben wird wie Travis für den 17-jährigen Lukas.)

Dann hörte ich auf WDR2 (einem Sender, den ich Tag für Tag demütig ertrage, weil er mich alle paar Wochen bis Monate mit einem grandiosen Song überrascht, den ich bis dahin gar nicht auf dem Schirm hatte) einen Song, den ich zunächst für einen Oldie hielt. Es handelte sich aber, so erfuhr ich alsbald, um die recht aktuelle Single eines Mannes namens Jonathan Jeremiah:

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Ich habe keine Ahnung, was andere Medien über Jonathan Jeremiah schreiben und wie bekannt er inzwischen ist — und es interessiert mich auch nicht. Ich habe bei iTunes kurz in sein Debütalbum “A Solitary Man” hereingehört und es dann gekauft. Seitdem läuft es nahezu ununterbrochen und lässt mein Leben wirken wie eine sehr luftige romantische Komödie.

Der Klang dieses Albums ist phantastisch. Es klingt, als habe man aus Samples von 60er- und 70er-Jahre-Platten ein neues Album zusammengebaut. Vom Sound des Schlagzeugs über das Flügelhorn bis hin zu den Streichern ist es der Originalklang von Burt Bacharach und Bill Withers. Alles passt so gut zusammen und klingt so authentisch, dass ich mich ständig frage, ob das nicht zu perfekt ist, zu kalkuliert.

Doch nichts an diesem Album wirkt kalkuliert. Es hat den warmen Sound eines sehr sonnigen Herbstnachmittags (die tiefstehende Sonne auf dem Albumcover mag da in die Rezeption mit reinspielen) und die Stimme von Jonathan Jeremiah klingt sehr liebenswürdig und vertraut, wenn er über verlorene Liebe, Einsamkeit und das Zuhause (“where my people live”) singt. Das Album ist 37 Minuten kurz und ich bin jedes mal erstaunt, wenn es schon wieder durchgelaufen ist — obwohl ich die ganzen 37 Minuten mit Gänsehaut und völliger Verzückung zugehört habe.

Ich möchte mich mit Superlativen zurückhalten — zum einen, weil ich immer noch ein bisschen Angst habe, in ein paar Jahren diesen Blogeintrag wiederzufinden und mich in Grund und Boden zu schämen (aber diese Angst lässt minütlich nach), zum anderen, weil ich in den letzten Monaten und Jahren ja durchaus viele tolle Alben gehört habe, die mich durchaus berührt haben (das großartige neue Bon-Iver-Album ist hier im Blog sträflicherweise immer noch unerwähnt, aber das wurde ja sowieso überall abgefeiert). Aber “A Solitary Man” ist schon ein sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr tolles Album.

Bitte kaufen Sie sich das und schenken Sie es allen Menschen, die Sie gern haben!