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Schusters “rappen”

Zu den traurigsten (mutmaßlich unterbezahlten) Jobs in der Medienbranche gehört “Aufschreiben, was bei Twitter so los ist” — und damit meine ich nicht mal “Schauen, was das Netz so sagt”, also die moderne Variante der Straßenumfrage oder der Leserbriefseite, bei der ein tatsächliches Thema, das gerade in den richtigen Medien vorkommt und die normalen Menschen beschäftigt, mit Stimmen aus dem Volk angereichert wird. Ich rede von fünf Tweets von völlig unbekannten Menschen, die zusammengesammelt werden, um daraus eine Geschichte – oder besser noch: einen “Shitstorm” – zu konstruieren. Also wirklich das digitale Äquivalent zu “neulich an der Theke”.

Neulich an der Theke fanden die Internet-Reste-Verwerter von “Mashable” fünf Tweets zum neuen Taylor-Swift-Song, in dem auch Ed Sheeran zu Wort kommt — und zwar rappend. “Haha, schlimm”, sagte Twitter (ja, wirklich: “Twitter was having none of it”, steht da) und machte sich über den in Anführungszeichen rappenden Barden lustig.

So weit, so egal.

“Mashable” ging aber noch einen Schritt weiter:

Let’s not forget, this is not the first time Sheeran has “rapped.”

Remember this little number (or don’t, seriously, don’t press play, don’t)?

steht da über einem Video zum (tatsächlich sehr, sehr schlimmen) Song “Galway Girl” von Ed Sheeran.

Und ich weiß, es ist – gerade in Zeiten wie diesen – vielleicht nicht das Allerschlimmste, was es an “den Medien” zu kritisieren gibt, aber hier ging mein Puls dann doch auch für mich überraschend durch die Decke.

Denn natürlich war auch “Galway Girl” nicht “the first time Sheeran has ‘rapped'”: Auf seinen frühen EPs und seinem Debütalbum “+” finden sich einige Songs, in denen Ed Sheeran Sprechgesang einsetzt — so wie seine erklärten Vorbilder, das inzwischen lange aufgelöste britische Duo Nizlopi (treue Blogleser erinnern sich vielleicht), das Sheerans (frühen) Sound maßgeblich beeinflusst hat.

Man muss das alles nicht wissen. Ed Sheeran ist nicht Paul McCartney, aber wenn man sich über Ed Sheerans Rap-Skills lustig macht (was ja auch okay ist — ich fand “+” ja unter anderem deshalb super, aber das ist ja Geschmackssache), sollte man das Thema doch ein bisschen besser einordnen können. So, wie “Vulture” es immerhin geschafft hat.

Ich hab meinen Puls übrigens schnell wieder in den Griff bekommen, weil ich bei meiner kurzen Recherche zum Thema auf dieses schöne Video gestoßen bin:

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Musik

Up and coming

Dinge, die ich normalerweise auf Pressekonferenzen mache: Kästchen auf meinen Notizblock malen; mich über die Fragen der anwesenden Journalisten aufregen; in den ausgeteilten Pressemitteilungen lesen, was die Leute gleich noch sagen werden; Themenbereiche ansprechen, die noch nicht angesprochen wurden (selten).

Dinge, die ich auf Pressekonferenzen eher selten mache: Große Augen kriegen; nach jemand Vertrautem Ausschau halten, dem ich freudestrahlend zulächeln kann; am Liebsten “Yeah!” brüllen wollen.

Letzte Woche war einer dieser seltener Fälle. Nachdem für das diesjährige Zeltfestival Ruhr mit Acts wie Status Quo, Sunrise Avenue, Tim Bendzko und Silly schon andere Zielgruppen versorgt waren, fiel auf der Pressekonferenz der Name Ed Sheeran und ich hätte am Liebsten “Yeah!” gebrüllt.

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Ed Sheeran hatte ich bei meinen Songs und Alben des letzten Jahres sehr weit oben auf der Liste. Vergangene Woche ist sein phantastisches Debüt “+” auch in Deutschland erschienen, nachdem Katja Petri schon ein paar Wochen zuvor seinen Song “Lego House” bei “Unser Star für Baku” gesungen hatte.

Am 28. August wird Ed Sheeran also beim Zeltfestival Ruhr auftreten und ich werde da sein. Der Vorverkauf hat heute begonnen.

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Musik

Songs des Jahres 2011

Bevor 2012 richtig Fahrt aufnimmt oder ich meine Liste komplett verworfen habe, hier noch schnell meine Songs des Jahres 2011 (die Alben gibt’s hier):

25. Andreas Bourani – Nur in meinem Kopf
Na, da überrasch ich mich doch mal selbst und fang mit einem deutschsprachigen Singer/Songwriter an! “Nur in meinem Kopf” hab ich geliebt, als ich es das erste Mal im Radio gehört habe, und auch massive Rotationen konnten dem Lied nicht viel anhaben. Es wirkt aber zugegebenermaßen auch wie für mich am Reißbrett entworfen: Pianointro, Four-To-The-Floor-Beat, galoppierende Beats, gerade so viel U2-Anleihen, wie ich ertrage, und dann noch die großartige Zeile von wegen “alles kaputthauen”. Schöne Stimme übrigens und sehr schönes Video, auch!

24. Death Cab For Cutie – You Are A Tourist
“Codes And Keys”, das letztjährige Album von Death Cab For Cutie, hat mich nie so richtig packen können. Kein schlechtes Album, gewiss, aber die Band hatte schon bessere und mein Indie-Müdigkeit macht sich einmal mehr bemerkbar. Die spektakulärste Meldung im Bezug auf die Band im vergangenen Jahr war die Nachricht, dass sich Sänger Ben Gibbard und Zooey Deschanel scheiden lassen (und ich mich nicht entscheiden kann, wen von beiden ich lieber heiraten würde). ANYWAY: “You Are A Tourist” ist ein schöner Song mit einem sehr spannenden Groove, der auf der Tanzfläche noch bedeutend mitreißender ist, als vor dem heimischen Plattenspieler.

23. Lady GaGa – The Edge Of Glory
Wenn man in ein-, zweihundert Jahren ein Buch über die Geschichte des Pop schreiben wird, wird man an Lady Gaga nicht vorbeikommen. Die Frau schafft es meisterhaft, sowohl den intellektuellen Hintergrund des Begriffs “Pop” auszufüllen, als auch Songs am Fließband rauszuhauen, die genau das sind: Pop. Wenn “Spex”-Leser und Schützenfestbesucher zur gleichen Musik tanzen können, ist das eine Leistung, die zumindest die Nominierung für den Friedensnobelpreis nach sich ziehen sollte. Weiteres Argument für “The Edge Of Glory”: Es ist die letzte veröffentlichte Aufnahme von E-Street-Band-Saxophonist Clarence Clemons vor dessen Tod. Gerade noch rechtzeitig, damit eine ganz neue Generation von Musikfans den “Big Man” ins Herz schließen konnte.

22. James Blake – The Wilhelm Scream
“Songs” sind die wenigsten Tracks auf James Blakes phantastischem Debütalbum, Radio-Singles gibt es eigentlich keine. Aber wenn überhaupt, dann ist “The Wilhelm Scream” das poppigste und zugänglichste Stück. Am ausschließlich in musikjournalistischen Texten verwendeten Verb “pluckern” führt kaum ein Weg vorbei, aber es dröhnt, rauscht, zirpt und echot auch ganz gewaltig unter und über Blakes Falsettgesang. Musik wie ein verstörender, aber doch sehr erholsamer Traum.

21. Jupiter Jones – Still
Das Einmal-zu-oft-gehört-Phänomen im neuen Gewand: Wenn “Still” im Radio anfängt, bin ich ein bisschen genervt. Wenn ich den Song selber auflege ist es aber immer noch wie im ersten Moment: Wow! Allein diese Bassline, die gleichermaßen Schlag in die Magengrube wie Schulterklopfen ist! Jupiter Jones hatten vielleicht schon bessere, wütendere oder verzweifeltere Trennungslieder, aber “Still” ist auf seine Art schon sehr besonders — und besonders wahr. Die schönste Version ist natürlich die mit Ina Müller.

20. Rihanna feat. Calvin Harris – We Found Love
Für Rihanna gilt ähnliches wie das, was ich gerade über Lady GaGa geschrieben habe. Sie arbeitet zwar nicht so aktiv selbst an ihrem Gesamtkunstwerk mit, aber sie ist einer der bestimmenden Superstars unserer Zeit. Allein die Liste ihrer Kollaborationen deckt die gegenwärtige Popmusik sehr gut ab: Jay-Z, Kanye West, David Guetta, Eminem, will.i.am, Justin Timberlake, Ne-Yo und Coldplay stehen da zum Beispiel drauf. Diesmal also mit Calvin Harris, der ein House-Feuerwerk abbrennt, während Rihanna einen Song von erhabener Schönheit singt. Ja: “We Found Love” ist nicht nur cool/geil/whatever, sondern auch schön und sollte jedem einsamen Menschen “in a hopeless place” zwischen Dinslaken und Bitterfeld Hoffnung machen.

19. Noah And The Whale – Tonight’s The Kind Of Night
“Last Night On Earth”, das aktuelle Album von Noah And The Whale, hatte ich schon bei den Alben gelobt. “Tonight’s The Kind Of Night” ist ein perfektes Beispiel für diesen Technicolor-Pop mit seinen treibenden Rhythmen und euphorisierenden Chören. Und sagt man sich nicht jeden Abend “Tonight’s the kind of night where everything could change”? Eben! Muss ja nicht, aber könnte!

18. Foster The People – Pumped Up Kicks
Einmal Indiepop-Sommerhit zum Mitnehmen, bitte! “Pumped Up Kicks” hat einen schlichten Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Der Song lief merkwürdigerweise nie in der Werbung eines Mobilfunkanbieters (was eigentlich sein natürlicher Lebensraum gewesen wäre), hat eine Saison länger zum Hit gebraucht als angenommen und hat darüber hinaus noch einen milde gewaltverherrlichenden Text, der dem amerikanischen MTV zu viel war — aber davon ab ist es auch einfach ein sehr schöner Song.

17. Jack’s Mannequin – My Racing Thoughts
Hatte ich schon mal erwähnt, dass keine Band in den letzten fünf Jahren eine so große Bedeutung für mich hatte wie Jack’s Mannequin? Gut. So richtig genau kann ich nämlich auch nicht erklären, warum mir “My Racing Thoughts” so gut gefällt, beim ersten Hören fand ich es nämlich regelrecht cheesy. Jetzt aber mag ich es, weil es ein harmloser, erbaulicher Popsong ist. Und dieser “she can read my, she can read my”-Part ist toll!

16. Rival Schools – Wring It Out
Nein, ein zweites “Used For Glue” ist auf dem zweiten Rival-Schools-Album nicht enthalten. Aber fast. “I wanna wring it out / Every ounce / I wanna do the right thing, when the right thing counts” sind doch genau die Zeilen, die man zum Beginn eines Jahres hören möchte. Und dann einfach rein ins Leben, die richtigen Dinge tun, die falschen Dinge tun, aber in jedem Fall jede Unze rausquetschen. Was für eine Hymne!

15. Maritime – Paraphernalia
Das vierte Maritime-Album “Human Hearts” ist irgendwie komplett an mir vorbeigegangen, aber die Vorab-Single, die hat mich das ganze Jahr über begleitet. Indierock, der nicht nervt, weil er nicht ach so cool sein will, sondern beschwingt unterhält. So einfach ist das manchmal.

14. Adele – Rolling In The Deep
Die Geschichte mit der Echo-Verleihung hab ich ja blöderweise schon bei den Alben erzählt. Muss ich mir jetzt was neues ausdenken? Ach was! Großer Song, bleibt groß! Punkt.

13. Example – Stay Awake
Auf “Playing In The Shadows” sind fünf, sechs Songs, die alle in dieser Liste hätten auftauchen können. “Stay Awake” ist es letztlich geworden, weil die stampfenden House-Elemente (manche würden auch sagen: “die Kirmes-Elemente”) sonst ein wenig unterrepräsentiert gewesen wären. Und dann dieser Refrain: “If we don’t kill ourselves we’ll be the leaders of a messed-up generation / If we don’t kid ourselves will they believe us if we tell them the reasons why” und der Kontrast zwischen dem Four-To-The-Floor-Refrain und den zitternden Dubstep-Strophen! Hach, jetzt ‘n Autoscooter …

12. The Naked And Famous – Young Blood
Vielleicht hab ich mich vertan und es war gar nicht “Pumped Up Kicks” der Indiepop-Sommerhit, sondern “Young Blood”. Immerhin war der Song Jingle-Musik bei Viva und WDR 2 (!) und lief in gefühlt jeder TV-Sendung. Egal, sie können’s ja auch beide gewesen sein, wobei “Young Blood” ganz klar überdrehter und charmanter und … äh: lauter ist. Wegen maximaler Penetration kurz vor nervig, aber eben nur vor.

11. Twin Atlantic – Make A Beast Of Myself
Dieser Break nach zwei Sekunden! Dieses Brett von Gitarrengeschrammel! Diese entspannt vor sich hin groovenden Strophen, die sich in diesen Orkan von Refrain entladen! Und, vor allem: Dieser niedliche schottische Akzent, vor allem beim Wort “universe”! Mein Punkrock-Song des Jahres!

10. Patrick Wolf – The City
Dieser Song hätte unter Umständen der britische Beitrag zum Eurovision Song Contest sein können — und wäre damit einer der besten in der Geschichte des Wettbewerbs gewesen. Nun ist es “nur” ein dezent überdrehter Indiepop-Song mit Handclaps, Saxophon, verzerrten Stimmen und hypnotischen Beats.

9. Coldplay – Every Teardrop Is A Waterfall
Sie haben’s schon bemerkt: Wir sind in dem Teil der Liste angekommen, wo ich die vorgeblich rationalen Argumente weggepackt habe und mehr mit hilflosen Emotionalitäten und “Hach”s um mich werfe. Hier toll: Das absurde Sample, die Rhythmusgitarre, die Leadgitarre, die grandiose Schlagzeugarbeit von Will Champion, der Text und der Moment nach drei Minuten, wenn sich alles aufeinander türmt. Hüpfen! Tanzen! Hach!

8. Jonathan Jeremiah – Happiness
Mein Jahr 2011 lässt sich in zwei Teile teilen: den vor Jonathan Jeremiah und den danach. Mit “Happiness” fühlt sich mein Leben an wie eine britische Komödie mit Hugh Grant. I’m going home where my people live.

7. Imaginary Cities – Hummingbird
Der Weakerthans-Livegitarrist Rusty Matyas hat mit Sängerin Marti Sarbit die Band Imaginary Cities gegründet, deren Debütalbum “Temporary Resident” im letzten Jahr auf Grand Hotel van Cleef erschienen ist. So viel zur Theorie. Die Praxis … ach, hören Sie einfach selbst! Was für ein Song!

6. Cold War Kids – Finally Begin
Früher, als ich noch mit dem Fahrrad durch die Stadt meiner Jugend gefahren bin, hab ich manchmal auf dem Heimweg die Arme ausgebreitet, die Augen zugemacht und bin zur Musik aus meinem Walkman quasi durch die Nacht geflogen. Glücklicherweise nie auf die Fresse, aber das ist schon recht gefährlich, Kinder. Jedenfalls: “Finally Begin” wäre ein Song für genau solche Flugmanöver. Diese Gitarren! Diese Harmonien, die offenbar direkt die Endorphinausschüttung im Hirn anwerfen können! Und dieser Text über überwundene Bindungsangst! Für eine Nacht noch mal 16 sein in Dinslaken, bitte!

5. The Mountain Goats – Never Quite Free
Wie gesagt: “Never Quite Free” wurde Anfang Dezember innerhalb von 48 Stunden zu einem der meist gehörten Songs des Jahres. Wer braucht schon das Strophe/Refrain-Schema? Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese Stelle nach ziemlich exakt zwei Minuten lenken darf, wo das Schlagzeug richtig losscheppert und der Schellenkranz einsetzt: für solche Momente wird Musik gemacht und für solche Momente höre ich Musik.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Heart In Your Heartbreak
Gerade beim Tippen festgestellt: Wenn man für jedes “heart” in Bandnamen und Songtitel einen Schnaps trinken würde, wäre das ein schöner Start in den Abend. Schöner würde der natürlich, wenn der Song auch liefe, denn es ist ein herrlicher Song, der übrigens auch in der (ansonsten etwas freudlosen) fünften Staffel von “Skins” zu hören war. (Radio-)DJs hassen die beunruhigend lange Pause nach 2:42 Minuten, aber ansonsten kann man diesen Song natürlich nur lieben.

3. Ed Sheeran – The A Team
“+”, das großartige Debüt-Album von Ed Sheeran, das Sie bald auch in Deutschland kaufen können (und sollten!), habe ich mir im September im Schottland-Urlaub gekauft, weil Plattenfirma und HMV mich mit ihrer Platzierungspolitik geradezu gewaltsam dazu gedrängt haben. Auf dem Weg zum Flughafen habe ich es zum ersten Mal gehört und ich war nicht direkt verzaubert, was aber auch an dem schottischen Landregen gelegen haben mag, mit dem ich auf meinem Fußmarsch noch zu kämpfen hatte. Beim zweiten Mal jedoch: Was für ein Album! Und was für ein Opener! Zärtlich, ohne weinerlich zu sein! Schmusig, ohne zu langweilen. Vergleiche mit deutschen Singer/Songwritern verbieten sich, aber vielleicht kommt ja auch mal ein Ed-Sheeran-Äquivalent daher.

2. Bon Iver – Calgary
Zugegeben: Das war beim ersten Hören schon etwas verwirrend mit diesen ganzen Keyboardflächen. Aber nur kurz! Justin Vernon könnte auch das Telefonbuch von Milwaukee singen (und manchmal habe ich ehrlich gesagt den Verdacht, er würde es zwischendurch zumindest mal versuchen) und ich würde immer noch eine Gänsehaut bekommen.

1. Bright Eyes – Shell Games
Anfang April schrieb ich, dass der Popsong des Jahres, wenn in den verbleibenden neun Monaten nicht noch ein Wunder geschehe, “Shell Games” sein würde, und ich sollte Recht behalten. Es wirkt ein bisschen, als habe sich Conor Oberst die Pop-Blaupause eines Gregg Alexander vorgenommen und nur noch ein paar persönliche Sonderheiten reingeworfen. Zur Bilder-des-Jahres-Montage in meinem Kopf läuft dieser Song, der auch das Liedzitat 2011 bereit hält: “My private life is an inside joke / No one will explain it to me”.

Hinweis: Bitte beachten Sie auch diesmal beim Kommentieren wieder die Regeln.

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Alben des Jahres 2011

Schnell auf “Pause” gedrückt, noch einmal kurz zurückgeguckt und dann beschlossen, dass ich jetzt die definitive Liste meiner Lieblingsalben 2011 (Stand: 23. Dezember, 13.59.42 Uhr) habe. Die Plätze 25 bis 8 sind heiß umkämpft und könnten auch eine ganz andere Reihenfolge haben, die Plätze 5 bis 2 auch.

Aber jetzt ist es halt so:

25. Rival Schools – Pedals
Gerade als der Eindruck entstand, dass Walter Schreifels endgültig den Überblick verlieren könnte über all seine Bands und Projekte, besann sich das Hardcore-Urgestein auf seine Band Rival Schools, mit der er vor immerhin zehn Jahren mal ein Album aufgenommen hatte. “Pedals” reicht nicht an “United By Fate” heran, ist aber ein erfrischend lebendiges Rockalbum für Menschen, die sich unter “Rock” dann doch noch etwas anderes vorstellen als Nickelback oder Sunrise Avenue.

24. Foo Fighters – Wasting Light
Leute, irgendwas stimmt da nicht: Dave Grohl ist (wie Walter Schreifels auch) 42 Jahre alt, was im Rockbusiness früher mal 90 Jahren im Schlagergeschäft entsprach. Und doch müssen diese verdienten “alten” Herren der Jugend zeigen, wie man ordentliche Rockmusik macht? Den Foo Fighters kann man jedenfalls nichts vorwerfen, außer, dass sie sich ein bisschen aufs business as usual verlegt haben. Aber dann hauen die so Dinger wie “Rope”, “White Limo” und ganz am Ende “Walk” raus und der Nachwuchs steht irgendwo in der Gegend rum und guckt betreten zu Boden. Das ist ja, als ob man sich in der ersten eigenen Wohnung von den Eltern die Ikea-Regale aufbauen lassen muss!

23. Oh, Napoleon – Yearbook
Was habe ich auf dieses Album gewartet! Vor zwei Jahren. Doch bis Universal das Debüt endlich auf den Markt gebracht hatte, war der Spannungsbogen in sich zusammengefallen, und dann waren die besten Songs ausgerechnet die, die schon vor zwei Jahren auf der selbstbetitelten EP enthalten waren. Doch von diesen (kleinen) Enttäuschungen ab ist “Yearbook” ein wunderbares Popalbum geworden. “To Have / To Lose” und “A Book Ending” haben nichts von ihrer erhabenen Schönheit eingebüßt und mit “Save Me”, “I Don’t Mind” oder “Pick Some Roses” sind auch genug Perlen unter den “neuen” Songs (die die Band seit Jahren live spielt). Deutschlands beste Nachwuchsbands kommen halt nach wie vor vom Niederrhein, aber eine Frage hätte ich noch: Warum läuft so schöne Musik nicht im Radio?

22. The Wombats – This Modern Glitch
“Tokyo (Vampires & Wolves)”, die (Weit-)Vorab-Single zum Zweitwerk der Wombats, war eine verdammt große Ansage und mein Song des Jahres 2010. “This Modern Glitch” löst das Versprechen der Single weitgehend ein: Cleverer Indierock mit viel Gelegenheit zum Mitsingen und -tanzen, der sich dank ausuferndem Synthie-Einsatz vom schlichten Jungs-mit-wilden-Haaren-schaukeln-ihre-Gitarren-im-Achteltakt-Gedöns abhebt.

21. The Decemberists – The King Is Dead
Autos, die auf endlosen staubigen amerikanischen Highways Richtung Sonnenuntergang brausen. Jetzt haben Sie zumindest ein Bild von den Bildern, die “The King Is Dead” in mir beim Hören auslöst. Recht countrylastig ist es geworden, das sechste Album der Band um Colin Meloy, aber fernab des schrecklichen Kommerz-Radio-Country und fernab von Truck Stop. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich geh grad meinen LKW-Führerschein machen.

20. Yuck – Yuck
Die Neunziger sind zurück und mit ihnen die Shoegaze-Bands mit unscheinbaren Frontmännern und Jeanshemden. “Yuck” enthält zwölf charmante Popsongs, die sich ein bisschen hinter verzerrten Gitarren verstecken, und sich deshalb vielleicht nicht immer sofort entfalten.

19. Fink – Perfect Darkness
Ich habe nie eine Liste im Kopf gehabt, was wohl die besten Konzerte gewesen sein könnten, die ich in meinem Leben besucht habe. Dann habe ich Fink im Oktober in der Bochumer Zeche gesehen und war mir sicher, dass er es gerade mindestens in die bisher nicht vorhandene Top 5 geschafft hatte. Was für ein klarer Sound, was für grandiose Songs, wie perfekt dargeboten von Fin Greenall und seiner Band. Ich habe “Perfect Darkness” viel zu selten gehört, weil es mir von der Stimmung her meistens nicht passte, aber es ist ein sehr, sehr gutes Album, so viel ist klar.

18. Jack’s Mannequin – People And Things
“The Glass Passenger”, das zweite Album von Jack’s Mannequin, war für mich persönlich das wichtigste Album der letzten fünf Jahre, vielleicht habe ich in meinem ganzen Leben kein Album so oft gehört wie dieses. Der Nachfolger musste also gegen schier übermenschliche Erwartungen ankämpfen und konnte nur verlieren. Tatsächlich waren die ersten fünf, sechs Durchgänge eine Enttäuschung, ich war schon kurz davor, “People And Things” einfach im Regal verschwinden zu lassen. Aber so langsam habe ich mich dann doch in die Songs reingehört. Sie sind zwar insgesamt schon arg glatt geraten, aber ich kann Andrew McMahon einfach nicht widerstehen, wenn er von den Herausforderungen und Rückschlägen des Lebens singt, die es zu meistern und zu überwinden gilt. Das kann man alles ganz, ganz schrecklich finden, aber ich finde es wunderbar.

17. Delay Trees – Delay Trees
“Kunden, denen Band Of Horses gefiel, kauften auch Delay Trees”. Steht da merkwürdigerweise nicht, würde aber stimmen. Ich kenne das Debüt der finnischen Indieband erst seit wenigen Wochen, deswegen bin ich womöglich ein bisschen zu vorsichtig mit meinem Lob, aber allein der Opener “Gold” ist mit seiner stetigen Steigerung ein wahres Meisterwerk. Diese Mischung aus Melancholie und Euphorie hält an und lässt das ganze Album klingen wie den Soundtrack zu dem Moment, in dem man sich nach einer durchfeierten Nacht und nach Sonnenaufgang ins Bett fallen lässt.

16. Cold War Kids – Mine Is Yours
Manchmal ist die Musikwelt schon rätselhaft: Während die Kings Of Leon inzwischen riesige Arenen füllen, treten die Cold War Kids nach wie vor in kleinen Clubs auf. Dafür haben sie keinen Song über sexuell übertragbare Krankheiten, der dank Dauerpenetration in Clubs, Radios und Fußballstadien inzwischen unhörbar geworden ist, sondern leicht angeschmutzte Rockhymnen wie den Titelsong oder “Louder Than Ever”.

15. R.E.M. – Collapse Into Now
Das war es dann also, das letzte Album dieser lebenden Legenden aus Athens, GA. Und alle kamen noch mal vorbei, um ihre Aufwartung zu machen: Patti Smith und Lenny Kaye, Eddie Vedder, Peaches und Joel Gibb von den Hidden Cameras. Es war ein würdevoller Abschied, der nur einen Nachteil hatte: “Collapse Into Now” war bereits das fünfzehnte Album einer Band, die so viele Klassiker geschaffen hatte, dass jeder neue Song ein bisschen sinnlos und unnötig wirkte. Aber, mein Gott: Das ist Jammern auf allerhöchstem Niveau.

14. Jupiter Jones – Jupiter Jones
Keiner Band der Welt hab ich ihren späten Erfolg so sehr gegönnt wie Jupiter Jones: Jahrelang hat sich die Truppe den Arsch abgespielt, jetzt dürfen sie endlich den Lohn der Arbeit einfahren. Dass nach “Still”, im Frühjahr die meistgespielte deutschsprachige Single im Radio, jetzt auch Revolverheld-Hörer zu Hunderten in die Konzerte strömen, ist völlig okay: Erstens ist das einfach ein großartiger Song und zweitens entschädigt die Fassungslosigkeit, die sich einstellt, wenn Jupiter Jones Songs aus ihrem Punk-Frühwerk auspacken, für alles. Den höheren Preis eines erfolgreichen Major-Acts muss die Band im Januar zahlen, wenn “Jupiter Jones” als “Deluxe Edition” erneut auf den Markt geschmissen wird.

13. Drake – Take Care
Es ist ein bisschen traurig, dass in Rezensionen immer wieder darauf hingewiesen werden muss, dass es auch intelligenten Hip-Hop gibt — zumal das dann gleich an den langweiligen deutschen “Studentenrap” erinnert. Lassen Sie es mich also so sagen: “Take Care” ist ein sehr langes, sehr zurückgelehntes Album, das so ungefähr das Gegenteil von all dem Protz- und Blingbling-Rap darstellt, den man sonst (mutmaßlich) im Musikfernsehen sieht. Wenn Drake über “bitches” und sex (“four times this week”) rappt, dann selbstreflexiv und -kritisch. Das Album ist ein achtzigminütiger Emo-Kater, nach dem man alles werden möchte, nur nicht erfolgreicher Rapper. Andererseits: Wenn dabei so grandiose Musik herumkommt …

12. The Low Anthem – Smart Flesh
Beim Haldern 2010 stand ich mit offenem Mund im Spiegelzelt und konnte mich nicht entscheiden, ob ich jetzt Gänsehaut kriegen, losheulen oder vor lauter Schönheit einfach tot umfallen sollte. 2011 spielten The Low Anthem dann auf der großen Bühne, aber das Publikum war fast stiller als im letzten Jahr. Was für ein berührendes, großartiges Folk-Album!

11. The Mountain Goats – All Eternals Deck
Über Jahre waren die Mountain Goats immer nur via Rockmagazin-Sampler am Rande meiner Wahrnehmung aufgetaucht, bis mir eine Freundin dieses Jahr (genau genommen: vor zwei Wochen) “Never Quite Free” vorspielte. Nachdem ich den Song etwa zwei Dutzend Mal auf YouTube gehört hatte, wollte ich mehr und “All Eternals Deck” hält viel davon bereit: Vom hingerotzten “Estate Sale Sign” bis zu dunklen Balladen wie “The Age Of Kings”. Und natürlich immer wieder “Never Quite Free”.

10. Adele – 21
Über Wochen hatte ich “Rolling In The Deep” im Radio gehört und für “ganz gut” befunden, dann stand ich während der Proben zur Echo-Verleihung irgendwo hinter der Bühne, guckte auf einen der Kontrollmonitore und dachte “Wow!” Trotzdem brauchte es noch acht Monate und gefühlte zwanzig Singleauskopplungen, bis ich mir “21” endlich gekauft habe. Was für ein tolles Album das ist und wie unkaputtbar die Songs selbst bei maximaler Radiorotation sind! Mit Unterstützung von unter anderem Rick Rubin und Dan Wilson (Semisonic) hat Frau Adkins hier ein Album geschaffen, das sicher in einigen Jahren als Klassiker gelten wird. Und wer “Someone Like You” ungerührt übersteht, sollte vielleicht mal beim Arzt feststellen lassen, ob er nicht vielleicht einen Eisklotz im Brustkorb spazieren trägt.

9. Noah And The Whale – Last Night On Earth
Noah And The Whale waren für mich so eine typische Haldern-Band: Hundertmal auf Plakaten und im Programmheft gelesen, aber nie bewusst gesehen. Dann habe ich “L.I.F.E.G.O.E.S.O.N.” gehört, dieses ebenso dreiste wie gelungene Beinahe-Kinks-Cover. Und was soll ich sagen? Auch das Album lohnt sich: Makelloser Indiepop mit schönen Melodien und durchdachten Arrangements, der irgendwie direkt in die Euphoriesteuerung meines Gehirns eingreift.

8. Example – Playing In The Shadows
Hip-Hop, House, Grime, Dubstep, Indie — alles, was heutzutage mehr oder weniger angesagt ist, ist in der Musik von Elliot Gleave alias Example enthalten. Vom stampfenden “Changed The Way You Kissed Me”, das jedem Autoscooter gut zu Gesicht stünde, über das fast britpoppige “Microphone” bis hin zum dramatischen “Lying To Yourself”: Example rappt und singt sich durch die verschiedensten Stile und schafft damit ein abwechslungsreiches, aber in sich völlig schlüssiges Album, das irgendwie all das abdeckt, was ich im Moment gern hören möchte.

7. Coldplay – Mylo Xyloto
Es scheint unter Journalisten und anderen Indienazis inzwischen zum guten Ton zu gehören, Coldplay scheiße zu finden. “Iiiih, sie sind erfolgreich, ihre Konzerte machen Band und Publikum Spaß und überhaupt: Ist das nicht U2?”, lautet der Tenor und tatsächlich kann ich viele Kritikpunkte verstehen, aber nicht nachvollziehen. Auf “Mylo Xyloto” sind Coldplay so ungestüm unterwegs wie noch nie, ihre Songs sind überdreht und uplifting und zwischendurch schließen sie mit ruhigen Akustiknummern den Kreis zu ihrem ersten Album “Parachutes” aus dem Jahr 2000. Seit “A Rush Of Blood To The Head” hat mich kein Album von Coldplay mehr so begeistert und womöglich sind die vier Engländer tatsächlich die letzte große Band. Kaum eine andere Band schafft es, ihren Sound mit jedem Album so zu verändern und sich doch immer treu zu bleiben. Wenn sie jetzt auf einem Album Alex Christensen und Sigur Rós samplen und ein Duett mit Rihanna singen, dann ist das so konsequent zu Ende gedachte Popmusik, wie sie außer Lady Gaga kaum jemand hinbekommt. Und wenn das jetzt alle hören, sollte man das feiern — es gibt ja nun wirklich Schlimmeres.

6. Bright Eyes – The People’s Key
So richtig hohe Erwartungen hatte wohl niemand mehr an die Bright Eyes. Zu egal waren Connor Obersts letzte Lebenszeichen gewesen. Und dann kommt er einfach und haut ein Indierockalbum raus, zu dem man sogar tanzen kann. Gut: Die Passagen mit gesprochenem Text und Weltraumsounds muss man natürlich aushalten, aber dafür bekommt man ein merkwürdig optimistisches Gesamtwerk und mit “Shell Games” einen fast perfekten Popsong.

5. James Blake – James Blake
Nie in meinem Leben habe ich heftigere Bässe in meinem Körper vibrieren spüren als bei James Blakes Auftritt auf dem Haldern Pop. Es regnete leicht und diese Singer/Songwriter-Post-Dubstep-Songs zogen über das Publikum wie sehr gefährliche Gewitterwolken. Diese düstere und anstrengende Musik ist nicht für die Beschallung von Dinnerpartys geeignet, aber sie ist verdammt brillant.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Belong
Die Neunziger sind, wie gesagt, zurück und The Pains Of Being Pure At Heart haben ihr Shoegaze-Erfolgsrezept von vor zwei Jahren um minimale Grunge-Einsprengsel erweitert. Das ist auf Platte ebenso schön wie live und begleitet mich jetzt seit Mai.

3. Jonathan Jeremiah – A Solitary Man
Auf dem Haldern Pop Festival war ich so weit, dass ich dem nächsten Jungen mit Akustikgitarre selbige über den Schädel ziehen wollte. Dann hörte ich “Happiness” von Jonathan Jeremiah im Radio und war begeistert. Der Mann packt die Seele zurück in Soul — und alles Andere hab ich ja schon im August geschrieben.

2. Ed Sheeran – +
Na so was: Noch ein Junge mit Gitarre! Ed Sheeran war während meines Schottland-Urlaubs im September das Hype-Thema auf der Insel und er ist so etwas wie das fehlende Bindeglied zwischen Damien Rice und Jason Mraz, zwischen Get Cape. Wear Cape. Fly und Nizlopi. Die ruhigen Songs sind erschreckend anrührend, ohne jemals Gefahr zu laufen, kitschig zu werden, und bei den schnelleren Stücken kann der 21-Jährige (fuck it, I’m old) beweisen, dass er genauso gut rappen wie singen kann. “+” ist ein phantastisches Album, das ich gar nicht oft genug hören kann. In Deutschland kommt es im neuen Jahr raus.

1. Bon Iver – Bon Iver
Noch ein Junge mit Gitarre. Und noch zwei Gitarren. Und ein Bass. Synthesizer. Eine Bläsersektion. Und nicht einer, sondern gleich zwei Schlagzeuger. Justin Vernon hat gut daran getan, seine als Ein-Mann-Projekt gestartete Band zur Bigband auszubauen, und einen deutlich opulenteren Sound zu wählen als bei “For Emma, Forever Ago”. So lassen sich Debüt und Zweitwerk kaum vergleichen und “Bon Iver” kann ganz für sich selbst stehen mit seinen Tracks, die teilweise eher Klangräume sind als Songs, und die trotzdem ganz natürlich und kein Stück kalkuliert wirken. Vom anfänglichen Zirpen des Openers “Perth” bis zu den letzten Echos des viel diskutierten Schlusssongs “Beth/Rest” ist “Bon Iver” ein Meisterwerk, an dem 2011 nichts und niemand vorbeikam.

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