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Schusters „rappen“

Zu den trau­rigs­ten (mut­maß­lich unter­be­zahl­ten) Jobs in der Medi­en­bran­che gehört „Auf­schrei­ben, was bei Twit­ter so los ist“ – und damit mei­ne ich nicht mal „Schau­en, was das Netz so sagt“, also die moder­ne Vari­an­te der Stra­ßen­um­fra­ge oder der Leser­brief­sei­te, bei der ein tat­säch­li­ches The­ma, das gera­de in den rich­ti­gen Medi­en vor­kommt und die nor­ma­len Men­schen beschäf­tigt, mit Stim­men aus dem Volk ange­rei­chert wird. Ich rede von fünf Tweets von völ­lig unbe­kann­ten Men­schen, die zusam­men­ge­sam­melt wer­den, um dar­aus eine Geschich­te – oder bes­ser noch: einen „Shit­s­torm“ – zu kon­stru­ie­ren. Also wirk­lich das digi­ta­le Äqui­va­lent zu „neu­lich an der The­ke“.

Neu­lich an der The­ke fan­den die Inter­net-Res­te-Ver­wer­ter von „Mas­ha­ble“ fünf Tweets zum neu­en Tay­lor-Swift-Song, in dem auch Ed Sheeran zu Wort kommt – und zwar rap­pend. „Haha, schlimm“, sag­te Twit­ter (ja, wirk­lich: „Twit­ter was having none of it“, steht da) und mach­te sich über den in Anfüh­rungs­zei­chen rap­pen­den Bar­den lus­tig.

So weit, so egal.

„Mas­ha­ble“ ging aber noch einen Schritt wei­ter:

Let’s not for­get, this is not the first time Sheeran has „rap­ped.“

Remem­ber this litt­le num­ber (or don’t, serious­ly, don’t press play, don’t)?

steht da über einem Video zum (tat­säch­lich sehr, sehr schlim­men) Song „Gal­way Girl“ von Ed Sheeran.

Und ich weiß, es ist – gera­de in Zei­ten wie die­sen – viel­leicht nicht das Aller­schlimms­te, was es an „den Medi­en“ zu kri­ti­sie­ren gibt, aber hier ging mein Puls dann doch auch für mich über­ra­schend durch die Decke.

Denn natür­lich war auch „Gal­way Girl“ nicht „the first time Sheeran has ‚rap­ped‘ “: Auf sei­nen frü­hen EPs und sei­nem Debüt­al­bum „+“ fin­den sich eini­ge Songs, in denen Ed Sheeran Sprech­ge­sang ein­setzt – so wie sei­ne erklär­ten Vor­bil­der, das inzwi­schen lan­ge auf­ge­lös­te bri­ti­sche Duo Niz­lo­pi (treue Blog­le­ser erin­nern sich viel­leicht), das Sheerans (frü­hen) Sound maß­geb­lich beein­flusst hat.

Man muss das alles nicht wis­sen. Ed Sheeran ist nicht Paul McCart­ney, aber wenn man sich über Ed Sheerans Rap-Skills lus­tig macht (was ja auch okay ist – ich fand „+“ ja unter ande­rem des­halb super, aber das ist ja Geschmacks­sa­che), soll­te man das The­ma doch ein biss­chen bes­ser ein­ord­nen kön­nen. So, wie „Vul­tu­re“ es immer­hin geschafft hat.

Ich hab mei­nen Puls übri­gens schnell wie­der in den Griff bekom­men, weil ich bei mei­ner kur­zen Recher­che zum The­ma auf die­ses schö­ne Video gesto­ßen bin:

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Up and coming

Din­ge, die ich nor­ma­ler­wei­se auf Pres­se­kon­fe­ren­zen mache: Käst­chen auf mei­nen Notiz­block malen; mich über die Fra­gen der anwe­sen­den Jour­na­lis­ten auf­re­gen; in den aus­ge­teil­ten Pres­se­mit­tei­lun­gen lesen, was die Leu­te gleich noch sagen wer­den; The­men­be­rei­che anspre­chen, die noch nicht ange­spro­chen wur­den (sel­ten).

Din­ge, die ich auf Pres­se­kon­fe­ren­zen eher sel­ten mache: Gro­ße Augen krie­gen; nach jemand Ver­trau­tem Aus­schau hal­ten, dem ich freu­de­strah­lend zulä­cheln kann; am Liebs­ten „Yeah!“ brül­len wol­len.

Letz­te Woche war einer die­ser sel­te­ner Fäl­le. Nach­dem für das dies­jäh­ri­ge Zelt­fes­ti­val Ruhr mit Acts wie Sta­tus Quo, Sun­ri­se Ave­nue, Tim Bendz­ko und Sil­ly schon ande­re Ziel­grup­pen ver­sorgt waren, fiel auf der Pres­se­kon­fe­renz der Name Ed Sheeran und ich hät­te am Liebs­ten „Yeah!“ gebrüllt.

Ed Sheeran hat­te ich bei mei­nen Songs und Alben des letz­ten Jah­res sehr weit oben auf der Lis­te. Ver­gan­ge­ne Woche ist sein phan­tas­ti­sches Debüt „+“ auch in Deutsch­land erschie­nen, nach­dem Kat­ja Petri schon ein paar Wochen zuvor sei­nen Song „Lego House“ bei „Unser Star für Baku“ gesun­gen hat­te.

Am 28. August wird Ed Sheeran also beim Zelt­fes­ti­val Ruhr auf­tre­ten und ich wer­de da sein. Der Vor­ver­kauf hat heu­te begon­nen.

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Songs des Jahres 2011

Bevor 2012 rich­tig Fahrt auf­nimmt oder ich mei­ne Lis­te kom­plett ver­wor­fen habe, hier noch schnell mei­ne Songs des Jah­res 2011 (die Alben gibt’s hier):

25. Andre­as Bou­ra­ni – Nur in mei­nem Kopf
Na, da über­rasch ich mich doch mal selbst und fang mit einem deutsch­spra­chi­gen Singer/​Songwriter an! „Nur in mei­nem Kopf“ hab ich geliebt, als ich es das ers­te Mal im Radio gehört habe, und auch mas­si­ve Rota­tio­nen konn­ten dem Lied nicht viel anha­ben. Es wirkt aber zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch wie für mich am Reiß­brett ent­wor­fen: Pia­no­in­tro, Four-To-The-Flo­or-Beat, galop­pie­ren­de Beats, gera­de so viel U2-Anlei­hen, wie ich ertra­ge, und dann noch die groß­ar­ti­ge Zei­le von wegen „alles kaputt­hau­en“. Schö­ne Stim­me übri­gens und sehr schö­nes Video, auch!

24. Death Cab For Cutie – You Are A Tou­rist
„Codes And Keys“, das letzt­jäh­ri­ge Album von Death Cab For Cutie, hat mich nie so rich­tig packen kön­nen. Kein schlech­tes Album, gewiss, aber die Band hat­te schon bes­se­re und mein Indie-Müdig­keit macht sich ein­mal mehr bemerk­bar. Die spek­ta­ku­lärs­te Mel­dung im Bezug auf die Band im ver­gan­ge­nen Jahr war die Nach­richt, dass sich Sän­ger Ben Gib­bard und Zooey Descha­nel schei­den las­sen (und ich mich nicht ent­schei­den kann, wen von bei­den ich lie­ber hei­ra­ten wür­de). ANYWAY: „You Are A Tou­rist“ ist ein schö­ner Song mit einem sehr span­nen­den Groo­ve, der auf der Tanz­flä­che noch bedeu­tend mit­rei­ßen­der ist, als vor dem hei­mi­schen Plat­ten­spie­ler.

23. Lady GaGa – The Edge Of Glo­ry
Wenn man in ein‑, zwei­hun­dert Jah­ren ein Buch über die Geschich­te des Pop schrei­ben wird, wird man an Lady Gaga nicht vor­bei­kom­men. Die Frau schafft es meis­ter­haft, sowohl den intel­lek­tu­el­len Hin­ter­grund des Begriffs „Pop“ aus­zu­fül­len, als auch Songs am Fließ­band raus­zu­hau­en, die genau das sind: Pop. Wenn „Spex“-Leser und Schüt­zen­fest­be­su­cher zur glei­chen Musik tan­zen kön­nen, ist das eine Leis­tung, die zumin­dest die Nomi­nie­rung für den Frie­dens­no­bel­preis nach sich zie­hen soll­te. Wei­te­res Argu­ment für „The Edge Of Glo­ry“: Es ist die letz­te ver­öf­fent­lich­te Auf­nah­me von E‑S­treet-Band-Saxo­pho­nist Cla­rence Cle­mons vor des­sen Tod. Gera­de noch recht­zei­tig, damit eine ganz neue Gene­ra­ti­on von Musik­fans den „Big Man“ ins Herz schlie­ßen konn­te.

22. James Bla­ke – The Wil­helm Scream
„Songs“ sind die wenigs­ten Tracks auf James Blakes phan­tas­ti­schem Debüt­al­bum, Radio-Sin­gles gibt es eigent­lich kei­ne. Aber wenn über­haupt, dann ist „The Wil­helm Scream“ das pop­pigs­te und zugäng­lichs­te Stück. Am aus­schließ­lich in musik­jour­na­lis­ti­schen Tex­ten ver­wen­de­ten Verb „plu­ckern“ führt kaum ein Weg vor­bei, aber es dröhnt, rauscht, zirpt und echot auch ganz gewal­tig unter und über Blakes Fal­sett­ge­sang. Musik wie ein ver­stö­ren­der, aber doch sehr erhol­sa­mer Traum.

21. Jupi­ter Jones – Still
Das Ein­mal-zu-oft-gehört-Phä­no­men im neu­en Gewand: Wenn „Still“ im Radio anfängt, bin ich ein biss­chen genervt. Wenn ich den Song sel­ber auf­le­ge ist es aber immer noch wie im ers­ten Moment: Wow! Allein die­se Bass­li­ne, die glei­cher­ma­ßen Schlag in die Magen­gru­be wie Schul­ter­klop­fen ist! Jupi­ter Jones hat­ten viel­leicht schon bes­se­re, wüten­de­re oder ver­zwei­fel­te­re Tren­nungs­lie­der, aber „Still“ ist auf sei­ne Art schon sehr beson­ders – und beson­ders wahr. Die schöns­te Ver­si­on ist natür­lich die mit Ina Mül­ler.

20. Rihan­na feat. Cal­vin Har­ris – We Found Love
Für Rihan­na gilt ähn­li­ches wie das, was ich gera­de über Lady GaGa geschrie­ben habe. Sie arbei­tet zwar nicht so aktiv selbst an ihrem Gesamt­kunst­werk mit, aber sie ist einer der bestim­men­den Super­stars unse­rer Zeit. Allein die Lis­te ihrer Kol­la­bo­ra­tio­nen deckt die gegen­wär­ti­ge Pop­mu­sik sehr gut ab: Jay‑Z, Kanye West, David Guet­ta, Emi­nem, will.i.am, Jus­tin Tim­ber­la­ke, Ne-Yo und Cold­play ste­hen da zum Bei­spiel drauf. Dies­mal also mit Cal­vin Har­ris, der ein House-Feu­er­werk abbrennt, wäh­rend Rihan­na einen Song von erha­be­ner Schön­heit singt. Ja: „We Found Love“ ist nicht nur cool/​geil/​whatever, son­dern auch schön und soll­te jedem ein­sa­men Men­schen „in a hope­l­ess place“ zwi­schen Dins­la­ken und Bit­ter­feld Hoff­nung machen.

19. Noah And The Wha­le – Tonight’s The Kind Of Night
„Last Night On Earth“, das aktu­el­le Album von Noah And The Wha­le, hat­te ich schon bei den Alben gelobt. „Tonight’s The Kind Of Night“ ist ein per­fek­tes Bei­spiel für die­sen Tech­ni­co­lor-Pop mit sei­nen trei­ben­den Rhyth­men und eupho­ri­sie­ren­den Chö­ren. Und sagt man sich nicht jeden Abend „Tonight’s the kind of night whe­re ever­y­thing could chan­ge“? Eben! Muss ja nicht, aber könn­te!

18. Fos­ter The Peo­p­le – Pum­ped Up Kicks
Ein­mal Indiepop-Som­mer­hit zum Mit­neh­men, bit­te! „Pum­ped Up Kicks“ hat einen schlich­ten Sog, dem man sich nur schwer ent­zie­hen kann. Der Song lief merk­wür­di­ger­wei­se nie in der Wer­bung eines Mobil­funk­an­bie­ters (was eigent­lich sein natür­li­cher Lebens­raum gewe­sen wäre), hat eine Sai­son län­ger zum Hit gebraucht als ange­nom­men und hat dar­über hin­aus noch einen mil­de gewalt­ver­herr­li­chen­den Text, der dem ame­ri­ka­ni­schen MTV zu viel war – aber davon ab ist es auch ein­fach ein sehr schö­ner Song.

17. Jack’s Man­ne­quin – My Racing Thoughts
Hat­te ich schon mal erwähnt, dass kei­ne Band in den letz­ten fünf Jah­ren eine so gro­ße Bedeu­tung für mich hat­te wie Jack’s Man­ne­quin? Gut. So rich­tig genau kann ich näm­lich auch nicht erklä­ren, war­um mir „My Racing Thoughts“ so gut gefällt, beim ers­ten Hören fand ich es näm­lich regel­recht chee­sy. Jetzt aber mag ich es, weil es ein harm­lo­ser, erbau­li­cher Pop­song ist. Und die­ser „she can read my, she can read my“-Part ist toll!

16. Rival Schools – Wring It Out
Nein, ein zwei­tes „Used For Glue“ ist auf dem zwei­ten Rival-Schools-Album nicht ent­hal­ten. Aber fast. „I wan­na wring it out /​ Every oun­ce /​ I wan­na do the right thing, when the right thing counts“ sind doch genau die Zei­len, die man zum Beginn eines Jah­res hören möch­te. Und dann ein­fach rein ins Leben, die rich­ti­gen Din­ge tun, die fal­schen Din­ge tun, aber in jedem Fall jede Unze raus­quet­schen. Was für eine Hym­ne!

15. Mari­ti­me – Parapher­na­lia
Das vier­te Mari­ti­me-Album „Human Hearts“ ist irgend­wie kom­plett an mir vor­bei­ge­gan­gen, aber die Vor­ab-Sin­gle, die hat mich das gan­ze Jahr über beglei­tet. Indie­rock, der nicht nervt, weil er nicht ach so cool sein will, son­dern beschwingt unter­hält. So ein­fach ist das manch­mal.

14. Ade­le – Rol­ling In The Deep
Die Geschich­te mit der Echo-Ver­lei­hung hab ich ja blö­der­wei­se schon bei den Alben erzählt. Muss ich mir jetzt was neu­es aus­den­ken? Ach was! Gro­ßer Song, bleibt groß! Punkt.

13. Exam­p­le – Stay Awa­ke
Auf „Play­ing In The Shadows“ sind fünf, sechs Songs, die alle in die­ser Lis­te hät­ten auf­tau­chen kön­nen. „Stay Awa­ke“ ist es letzt­lich gewor­den, weil die stamp­fen­den House-Ele­men­te (man­che wür­den auch sagen: „die Kir­mes-Ele­men­te“) sonst ein wenig unter­re­prä­sen­tiert gewe­sen wären. Und dann die­ser Refrain: „If we don’t kill our­sel­ves we’ll be the lea­ders of a mes­sed-up gene­ra­ti­on /​ If we don’t kid our­sel­ves will they belie­ve us if we tell them the reasons why“ und der Kon­trast zwi­schen dem Four-To-The-Flo­or-Refrain und den zit­tern­den Dub­step-Stro­phen! Hach, jetzt ’n Auto­scoo­ter …

12. The Naked And Famous – Young Blood
Viel­leicht hab ich mich ver­tan und es war gar nicht „Pum­ped Up Kicks“ der Indiepop-Som­mer­hit, son­dern „Young Blood“. Immer­hin war der Song Jing­le-Musik bei Viva und WDR 2 (!) und lief in gefühlt jeder TV-Sen­dung. Egal, sie können’s ja auch bei­de gewe­sen sein, wobei „Young Blood“ ganz klar über­dreh­ter und char­man­ter und … äh: lau­ter ist. Wegen maxi­ma­ler Pene­tra­ti­on kurz vor ner­vig, aber eben nur vor.

11. Twin Atlan­tic – Make A Beast Of Mys­elf
Die­ser Break nach zwei Sekun­den! Die­ses Brett von Gitar­ren­ge­schram­mel! Die­se ent­spannt vor sich hin groo­ven­den Stro­phen, die sich in die­sen Orkan von Refrain ent­la­den! Und, vor allem: Die­ser nied­li­che schot­ti­sche Akzent, vor allem beim Wort „uni­ver­se“! Mein Punk­rock-Song des Jah­res!

10. Patrick Wolf – The City
Die­ser Song hät­te unter Umstän­den der bri­ti­sche Bei­trag zum Euro­vi­si­on Song Con­test sein kön­nen – und wäre damit einer der bes­ten in der Geschich­te des Wett­be­werbs gewe­sen. Nun ist es „nur“ ein dezent über­dreh­ter Indiepop-Song mit Hand­claps, Saxo­phon, ver­zerr­ten Stim­men und hyp­no­ti­schen Beats.

9. Cold­play – Every Teardrop Is A Water­fall
Sie haben’s schon bemerkt: Wir sind in dem Teil der Lis­te ange­kom­men, wo ich die vor­geb­lich ratio­na­len Argu­men­te weg­ge­packt habe und mehr mit hilf­lo­sen Emo­tio­na­li­tä­ten und „Hach„s um mich wer­fe. Hier toll: Das absur­de Sam­ple, die Rhyth­mus­gi­tar­re, die Lead­gi­tar­re, die gran­dio­se Schlag­zeug­ar­beit von Will Cham­pi­on, der Text und der Moment nach drei Minu­ten, wenn sich alles auf­ein­an­der türmt. Hüp­fen! Tan­zen! Hach!

8. Jona­than Jere­mi­ah – Hap­pi­ness
Mein Jahr 2011 lässt sich in zwei Tei­le tei­len: den vor Jona­than Jere­mi­ah und den danach. Mit „Hap­pi­ness“ fühlt sich mein Leben an wie eine bri­ti­sche Komö­die mit Hugh Grant. I’m going home whe­re my peo­p­le live.

7. Ima­gi­na­ry Cities – Hum­ming­bird
Der Wea­k­erthans-Live­gi­tar­rist Rus­ty Matyas hat mit Sän­ge­rin Mar­ti Sar­bit die Band Ima­gi­na­ry Cities gegrün­det, deren Debüt­al­bum „Tem­po­ra­ry Resi­dent“ im letz­ten Jahr auf Grand Hotel van Cleef erschie­nen ist. So viel zur Theo­rie. Die Pra­xis … ach, hören Sie ein­fach selbst! Was für ein Song!

6. Cold War Kids – Final­ly Begin
Frü­her, als ich noch mit dem Fahr­rad durch die Stadt mei­ner Jugend gefah­ren bin, hab ich manch­mal auf dem Heim­weg die Arme aus­ge­brei­tet, die Augen zuge­macht und bin zur Musik aus mei­nem Walk­man qua­si durch die Nacht geflo­gen. Glück­li­cher­wei­se nie auf die Fres­se, aber das ist schon recht gefähr­lich, Kin­der. Jeden­falls: „Final­ly Begin“ wäre ein Song für genau sol­che Flug­ma­nö­ver. Die­se Gitar­ren! Die­se Har­mo­nien, die offen­bar direkt die Endor­phin­aus­schüt­tung im Hirn anwer­fen kön­nen! Und die­ser Text über über­wun­de­ne Bin­dungs­angst! Für eine Nacht noch mal 16 sein in Dins­la­ken, bit­te!

5. The Moun­tain Goats – Never Quite Free
Wie gesagt: „Never Quite Free“ wur­de Anfang Dezem­ber inner­halb von 48 Stun­den zu einem der meist gehör­ten Songs des Jah­res. Wer braucht schon das Stro­phe/­Re­frain-Sche­ma? Wenn ich Ihre Auf­merk­sam­keit auf die­se Stel­le nach ziem­lich exakt zwei Minu­ten len­ken darf, wo das Schlag­zeug rich­tig los­schep­pert und der Schel­len­kranz ein­setzt: für sol­che Momen­te wird Musik gemacht und für sol­che Momen­te höre ich Musik.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Heart In Your Heart­break
Gera­de beim Tip­pen fest­ge­stellt: Wenn man für jedes „heart“ in Band­na­men und Song­ti­tel einen Schnaps trin­ken wür­de, wäre das ein schö­ner Start in den Abend. Schö­ner wür­de der natür­lich, wenn der Song auch lie­fe, denn es ist ein herr­li­cher Song, der übri­gens auch in der (ansons­ten etwas freud­lo­sen) fünf­ten Staf­fel von „Skins“ zu hören war. (Radio-)DJs has­sen die beun­ru­hi­gend lan­ge Pau­se nach 2:42 Minu­ten, aber ansons­ten kann man die­sen Song natür­lich nur lie­ben.

3. Ed Sheeran – The A Team
„+“, das groß­ar­ti­ge Debüt-Album von Ed Sheeran, das Sie bald auch in Deutsch­land kau­fen kön­nen (und soll­ten!), habe ich mir im Sep­tem­ber im Schott­land-Urlaub gekauft, weil Plat­ten­fir­ma und HMV mich mit ihrer Plat­zie­rungs­po­li­tik gera­de­zu gewalt­sam dazu gedrängt haben. Auf dem Weg zum Flug­ha­fen habe ich es zum ers­ten Mal gehört und ich war nicht direkt ver­zau­bert, was aber auch an dem schot­ti­schen Land­re­gen gele­gen haben mag, mit dem ich auf mei­nem Fuß­marsch noch zu kämp­fen hat­te. Beim zwei­ten Mal jedoch: Was für ein Album! Und was für ein Ope­ner! Zärt­lich, ohne wei­ner­lich zu sein! Schmu­sig, ohne zu lang­wei­len. Ver­glei­che mit deut­schen Singer/​Songwritern ver­bie­ten sich, aber viel­leicht kommt ja auch mal ein Ed-Sheeran-Äqui­va­lent daher.

2. Bon Iver – Cal­ga­ry
Zuge­ge­ben: Das war beim ers­ten Hören schon etwas ver­wir­rend mit die­sen gan­zen Key­board­flä­chen. Aber nur kurz! Jus­tin Ver­non könn­te auch das Tele­fon­buch von Mil­wau­kee sin­gen (und manch­mal habe ich ehr­lich gesagt den Ver­dacht, er wür­de es zwi­schen­durch zumin­dest mal ver­su­chen) und ich wür­de immer noch eine Gän­se­haut bekom­men.

1. Bright Eyes – Shell Games
Anfang April schrieb ich, dass der Pop­song des Jah­res, wenn in den ver­blei­ben­den neun Mona­ten nicht noch ein Wun­der gesche­he, „Shell Games“ sein wür­de, und ich soll­te Recht behal­ten. Es wirkt ein biss­chen, als habe sich Conor Oberst die Pop-Blau­pau­se eines Gregg Alex­an­der vor­ge­nom­men und nur noch ein paar per­sön­li­che Son­der­hei­ten rein­ge­wor­fen. Zur Bil­der-des-Jah­res-Mon­ta­ge in mei­nem Kopf läuft die­ser Song, der auch das Lied­zi­tat 2011 bereit hält: „My pri­va­te life is an insi­de joke /​ No one will explain it to me“.

Hin­weis: Bit­te beach­ten Sie auch dies­mal beim Kom­men­tie­ren wie­der die Regeln.

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Alben des Jahres 2011

Schnell auf „Pau­se“ gedrückt, noch ein­mal kurz zurück­ge­guckt und dann beschlos­sen, dass ich jetzt die defi­ni­ti­ve Lis­te mei­ner Lieb­lings­al­ben 2011 (Stand: 23. Dezem­ber, 13.59.42 Uhr) habe. Die Plät­ze 25 bis 8 sind heiß umkämpft und könn­ten auch eine ganz ande­re Rei­hen­fol­ge haben, die Plät­ze 5 bis 2 auch.

Aber jetzt ist es halt so:

25. Rival Schools – Pedals
Gera­de als der Ein­druck ent­stand, dass Wal­ter Schrei­fels end­gül­tig den Über­blick ver­lie­ren könn­te über all sei­ne Bands und Pro­jek­te, besann sich das Hard­core-Urge­stein auf sei­ne Band Rival Schools, mit der er vor immer­hin zehn Jah­ren mal ein Album auf­ge­nom­men hat­te. „Pedals“ reicht nicht an „United By Fate“ her­an, ist aber ein erfri­schend leben­di­ges Rock­al­bum für Men­schen, die sich unter „Rock“ dann doch noch etwas ande­res vor­stel­len als Nickel­back oder Sun­ri­se Ave­nue.

24. Foo Figh­ters – Was­ting Light
Leu­te, irgend­was stimmt da nicht: Dave Grohl ist (wie Wal­ter Schrei­fels auch) 42 Jah­re alt, was im Rock­busi­ness frü­her mal 90 Jah­ren im Schla­ger­ge­schäft ent­sprach. Und doch müs­sen die­se ver­dien­ten „alten“ Her­ren der Jugend zei­gen, wie man ordent­li­che Rock­mu­sik macht? Den Foo Figh­ters kann man jeden­falls nichts vor­wer­fen, außer, dass sie sich ein biss­chen aufs busi­ness as usu­al ver­legt haben. Aber dann hau­en die so Din­ger wie „Rope“, „White Limo“ und ganz am Ende „Walk“ raus und der Nach­wuchs steht irgend­wo in der Gegend rum und guckt betre­ten zu Boden. Das ist ja, als ob man sich in der ers­ten eige­nen Woh­nung von den Eltern die Ikea-Rega­le auf­bau­en las­sen muss!

23. Oh, Napo­le­on – Year­book
Was habe ich auf die­ses Album gewar­tet! Vor zwei Jah­ren. Doch bis Uni­ver­sal das Debüt end­lich auf den Markt gebracht hat­te, war der Span­nungs­bo­gen in sich zusam­men­ge­fal­len, und dann waren die bes­ten Songs aus­ge­rech­net die, die schon vor zwei Jah­ren auf der selbst­be­ti­tel­ten EP ent­hal­ten waren. Doch von die­sen (klei­nen) Ent­täu­schun­gen ab ist „Year­book“ ein wun­der­ba­res Pop­al­bum gewor­den. „To Have /​ To Lose“ und „A Book Ending“ haben nichts von ihrer erha­be­nen Schön­heit ein­ge­büßt und mit „Save Me“, „I Don’t Mind“ oder „Pick Some Roses“ sind auch genug Per­len unter den „neu­en“ Songs (die die Band seit Jah­ren live spielt). Deutsch­lands bes­te Nach­wuchs­bands kom­men halt nach wie vor vom Nie­der­rhein, aber eine Fra­ge hät­te ich noch: War­um läuft so schö­ne Musik nicht im Radio?

22. The Wom­bats – This Modern Glitch
„Tokyo (Vam­pi­res & Wol­ves)“, die (Weit-)Vorab-Single zum Zweit­werk der Wom­bats, war eine ver­dammt gro­ße Ansa­ge und mein Song des Jah­res 2010. „This Modern Glitch“ löst das Ver­spre­chen der Sin­gle weit­ge­hend ein: Cle­ve­rer Indie­rock mit viel Gele­gen­heit zum Mit­sin­gen und ‑tan­zen, der sich dank aus­ufern­dem Syn­thie-Ein­satz vom schlich­ten Jungs-mit-wil­den-Haa­ren-schau­keln-ihre-Gitar­ren-im-Ach­tel­takt-Gedöns abhebt.

21. The Decem­be­rists – The King Is Dead
Autos, die auf end­lo­sen stau­bi­gen ame­ri­ka­ni­schen High­ways Rich­tung Son­nen­un­ter­gang brau­sen. Jetzt haben Sie zumin­dest ein Bild von den Bil­dern, die „The King Is Dead“ in mir beim Hören aus­löst. Recht coun­try­las­tig ist es gewor­den, das sechs­te Album der Band um Colin Meloy, aber fern­ab des schreck­li­chen Kom­merz-Radio-Coun­try und fern­ab von Truck Stop. Wenn Sie mich jetzt ent­schul­di­gen, ich geh grad mei­nen LKW-Füh­rer­schein machen.

20. Yuck – Yuck
Die Neun­zi­ger sind zurück und mit ihnen die Shoe­ga­ze-Bands mit unschein­ba­ren Front­män­nern und Jeans­hem­den. „Yuck“ ent­hält zwölf char­man­te Pop­songs, die sich ein biss­chen hin­ter ver­zerr­ten Gitar­ren ver­ste­cken, und sich des­halb viel­leicht nicht immer sofort ent­fal­ten.

19. Fink – Per­fect Dark­ness
Ich habe nie eine Lis­te im Kopf gehabt, was wohl die bes­ten Kon­zer­te gewe­sen sein könn­ten, die ich in mei­nem Leben besucht habe. Dann habe ich Fink im Okto­ber in der Bochu­mer Zeche gese­hen und war mir sicher, dass er es gera­de min­des­tens in die bis­her nicht vor­han­de­ne Top 5 geschafft hat­te. Was für ein kla­rer Sound, was für gran­dio­se Songs, wie per­fekt dar­ge­bo­ten von Fin Green­all und sei­ner Band. Ich habe „Per­fect Dark­ness“ viel zu sel­ten gehört, weil es mir von der Stim­mung her meis­tens nicht pass­te, aber es ist ein sehr, sehr gutes Album, so viel ist klar.

18. Jack’s Man­ne­quin – Peo­p­le And Things
„The Glass Pas­sen­ger“, das zwei­te Album von Jack’s Man­ne­quin, war für mich per­sön­lich das wich­tigs­te Album der letz­ten fünf Jah­re, viel­leicht habe ich in mei­nem gan­zen Leben kein Album so oft gehört wie die­ses. Der Nach­fol­ger muss­te also gegen schier über­mensch­li­che Erwar­tun­gen ankämp­fen und konn­te nur ver­lie­ren. Tat­säch­lich waren die ers­ten fünf, sechs Durch­gän­ge eine Ent­täu­schung, ich war schon kurz davor, „Peo­p­le And Things“ ein­fach im Regal ver­schwin­den zu las­sen. Aber so lang­sam habe ich mich dann doch in die Songs rein­ge­hört. Sie sind zwar ins­ge­samt schon arg glatt gera­ten, aber ich kann Andrew McMa­hon ein­fach nicht wider­ste­hen, wenn er von den Her­aus­for­de­run­gen und Rück­schlä­gen des Lebens singt, die es zu meis­tern und zu über­win­den gilt. Das kann man alles ganz, ganz schreck­lich fin­den, aber ich fin­de es wun­der­bar.

17. Delay Trees – Delay Trees
„Kun­den, denen Band Of Hor­ses gefiel, kauf­ten auch Delay Trees“. Steht da merk­wür­di­ger­wei­se nicht, wür­de aber stim­men. Ich ken­ne das Debüt der fin­ni­schen Indie­band erst seit weni­gen Wochen, des­we­gen bin ich womög­lich ein biss­chen zu vor­sich­tig mit mei­nem Lob, aber allein der Ope­ner „Gold“ ist mit sei­ner ste­ti­gen Stei­ge­rung ein wah­res Meis­ter­werk. Die­se Mischung aus Melan­cho­lie und Eupho­rie hält an und lässt das gan­ze Album klin­gen wie den Sound­track zu dem Moment, in dem man sich nach einer durch­fei­er­ten Nacht und nach Son­nen­auf­gang ins Bett fal­len lässt.

16. Cold War Kids – Mine Is Yours
Manch­mal ist die Musik­welt schon rät­sel­haft: Wäh­rend die Kings Of Leon inzwi­schen rie­si­ge Are­nen fül­len, tre­ten die Cold War Kids nach wie vor in klei­nen Clubs auf. Dafür haben sie kei­nen Song über sexu­ell über­trag­ba­re Krank­hei­ten, der dank Dau­er­pe­ne­tra­ti­on in Clubs, Radi­os und Fuß­ball­sta­di­en inzwi­schen unhör­bar gewor­den ist, son­dern leicht ange­schmutz­te Rock­hym­nen wie den Titel­song oder „Lou­der Than Ever“.

15. R.E.M. – Col­lap­se Into Now
Das war es dann also, das letz­te Album die­ser leben­den Legen­den aus Athens, GA. Und alle kamen noch mal vor­bei, um ihre Auf­war­tung zu machen: Pat­ti Smith und Len­ny Kaye, Eddie Ved­der, Pea­ches und Joel Gibb von den Hid­den Came­ras. Es war ein wür­de­vol­ler Abschied, der nur einen Nach­teil hat­te: „Col­lap­se Into Now“ war bereits das fünf­zehn­te Album einer Band, die so vie­le Klas­si­ker geschaf­fen hat­te, dass jeder neue Song ein biss­chen sinn­los und unnö­tig wirk­te. Aber, mein Gott: Das ist Jam­mern auf aller­höchs­tem Niveau.

14. Jupi­ter Jones – Jupi­ter Jones
Kei­ner Band der Welt hab ich ihren spä­ten Erfolg so sehr gegönnt wie Jupi­ter Jones: Jah­re­lang hat sich die Trup­pe den Arsch abge­spielt, jetzt dür­fen sie end­lich den Lohn der Arbeit ein­fah­ren. Dass nach „Still“, im Früh­jahr die meist­ge­spiel­te deutsch­spra­chi­ge Sin­gle im Radio, jetzt auch Revol­ver­held-Hörer zu Hun­der­ten in die Kon­zer­te strö­men, ist völ­lig okay: Ers­tens ist das ein­fach ein groß­ar­ti­ger Song und zwei­tens ent­schä­digt die Fas­sungs­lo­sig­keit, die sich ein­stellt, wenn Jupi­ter Jones Songs aus ihrem Punk-Früh­werk aus­pa­cken, für alles. Den höhe­ren Preis eines erfolg­rei­chen Major-Acts muss die Band im Janu­ar zah­len, wenn „Jupi­ter Jones“ als „Delu­xe Edi­ti­on“ erneut auf den Markt geschmis­sen wird.

13. Dra­ke – Take Care
Es ist ein biss­chen trau­rig, dass in Rezen­sio­nen immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den muss, dass es auch intel­li­gen­ten Hip-Hop gibt – zumal das dann gleich an den lang­wei­li­gen deut­schen „Stu­den­ten­rap“ erin­nert. Las­sen Sie es mich also so sagen: „Take Care“ ist ein sehr lan­ges, sehr zurück­ge­lehn­tes Album, das so unge­fähr das Gegen­teil von all dem Protz- und Blingbling-Rap dar­stellt, den man sonst (mut­maß­lich) im Musik­fern­se­hen sieht. Wenn Dra­ke über „bit­ches“ und sex („four times this week“) rappt, dann selbst­re­fle­xiv und ‑kri­tisch. Das Album ist ein acht­zig­mi­nü­ti­ger Emo-Kater, nach dem man alles wer­den möch­te, nur nicht erfolg­rei­cher Rap­per. Ande­rer­seits: Wenn dabei so gran­dio­se Musik her­um­kommt …

12. The Low Anthem – Smart Fle­sh
Beim Hald­ern 2010 stand ich mit offe­nem Mund im Spie­gel­zelt und konn­te mich nicht ent­schei­den, ob ich jetzt Gän­se­haut krie­gen, los­heu­len oder vor lau­ter Schön­heit ein­fach tot umfal­len soll­te. 2011 spiel­ten The Low Anthem dann auf der gro­ßen Büh­ne, aber das Publi­kum war fast stil­ler als im letz­ten Jahr. Was für ein berüh­ren­des, groß­ar­ti­ges Folk-Album!

11. The Moun­tain Goats – All Eter­nals Deck
Über Jah­re waren die Moun­tain Goats immer nur via Rock­ma­ga­zin-Sam­pler am Ran­de mei­ner Wahr­neh­mung auf­ge­taucht, bis mir eine Freun­din die­ses Jahr (genau genom­men: vor zwei Wochen) „Never Quite Free“ vor­spiel­te. Nach­dem ich den Song etwa zwei Dut­zend Mal auf You­Tube gehört hat­te, woll­te ich mehr und „All Eter­nals Deck“ hält viel davon bereit: Vom hin­ge­rotz­ten „Estate Sale Sign“ bis zu dunk­len Bal­la­den wie „The Age Of Kings“. Und natür­lich immer wie­der „Never Quite Free“.

10. Ade­le – 21
Über Wochen hat­te ich „Rol­ling In The Deep“ im Radio gehört und für „ganz gut“ befun­den, dann stand ich wäh­rend der Pro­ben zur Echo-Ver­lei­hung irgend­wo hin­ter der Büh­ne, guck­te auf einen der Kon­troll­mo­ni­to­re und dach­te „Wow!“ Trotz­dem brauch­te es noch acht Mona­te und gefühl­te zwan­zig Sin­gle­aus­kopp­lun­gen, bis ich mir „21“ end­lich gekauft habe. Was für ein tol­les Album das ist und wie unka­putt­bar die Songs selbst bei maxi­ma­ler Radio­ro­ta­ti­on sind! Mit Unter­stüt­zung von unter ande­rem Rick Rubin und Dan Wil­son (Semiso­nic) hat Frau Adkins hier ein Album geschaf­fen, das sicher in eini­gen Jah­ren als Klas­si­ker gel­ten wird. Und wer „Someone Like You“ unge­rührt über­steht, soll­te viel­leicht mal beim Arzt fest­stel­len las­sen, ob er nicht viel­leicht einen Eis­klotz im Brust­korb spa­zie­ren trägt.

9. Noah And The Wha­le – Last Night On Earth
Noah And The Wha­le waren für mich so eine typi­sche Hald­ern-Band: Hun­dert­mal auf Pla­ka­ten und im Pro­gramm­heft gele­sen, aber nie bewusst gese­hen. Dann habe ich „L.I.F.E.G.O.E.S.O.N.“ gehört, die­ses eben­so dreis­te wie gelun­ge­ne Bei­na­he-Kinks-Cover. Und was soll ich sagen? Auch das Album lohnt sich: Makel­lo­ser Indiepop mit schö­nen Melo­dien und durch­dach­ten Arran­ge­ments, der irgend­wie direkt in die Eupho­rie­steue­rung mei­nes Gehirns ein­greift.

8. Exam­p­le – Play­ing In The Shadows
Hip-Hop, House, Grime, Dub­step, Indie – alles, was heut­zu­ta­ge mehr oder weni­ger ange­sagt ist, ist in der Musik von Elli­ot Glea­ve ali­as Exam­p­le ent­hal­ten. Vom stamp­fen­den „Chan­ged The Way You Kissed Me“, das jedem Auto­scoo­ter gut zu Gesicht stün­de, über das fast brit­pop­pi­ge „Micro­pho­ne“ bis hin zum dra­ma­ti­schen „Lying To Yours­elf“: Exam­p­le rappt und singt sich durch die ver­schie­dens­ten Sti­le und schafft damit ein abwechs­lungs­rei­ches, aber in sich völ­lig schlüs­si­ges Album, das irgend­wie all das abdeckt, was ich im Moment gern hören möch­te.

7. Cold­play – Mylo Xylo­to
Es scheint unter Jour­na­lis­ten und ande­ren Indi­en­a­zis inzwi­schen zum guten Ton zu gehö­ren, Cold­play schei­ße zu fin­den. „Iiiih, sie sind erfolg­reich, ihre Kon­zer­te machen Band und Publi­kum Spaß und über­haupt: Ist das nicht U2?“, lau­tet der Tenor und tat­säch­lich kann ich vie­le Kri­tik­punk­te ver­ste­hen, aber nicht nach­voll­zie­hen. Auf „Mylo Xylo­to“ sind Cold­play so unge­stüm unter­wegs wie noch nie, ihre Songs sind über­dreht und uplif­ting und zwi­schen­durch schlie­ßen sie mit ruhi­gen Akus­tik­num­mern den Kreis zu ihrem ers­ten Album „Parach­u­tes“ aus dem Jahr 2000. Seit „A Rush Of Blood To The Head“ hat mich kein Album von Cold­play mehr so begeis­tert und womög­lich sind die vier Eng­län­der tat­säch­lich die letz­te gro­ße Band. Kaum eine ande­re Band schafft es, ihren Sound mit jedem Album so zu ver­än­dern und sich doch immer treu zu blei­ben. Wenn sie jetzt auf einem Album Alex Chris­ten­sen und Sigur Rós samplen und ein Duett mit Rihan­na sin­gen, dann ist das so kon­se­quent zu Ende gedach­te Pop­mu­sik, wie sie außer Lady Gaga kaum jemand hin­be­kommt. Und wenn das jetzt alle hören, soll­te man das fei­ern – es gibt ja nun wirk­lich Schlim­me­res.

6. Bright Eyes – The People’s Key
So rich­tig hohe Erwar­tun­gen hat­te wohl nie­mand mehr an die Bright Eyes. Zu egal waren Con­nor Obersts letz­te Lebens­zei­chen gewe­sen. Und dann kommt er ein­fach und haut ein Indierock­al­bum raus, zu dem man sogar tan­zen kann. Gut: Die Pas­sa­gen mit gespro­che­nem Text und Welt­raums­ounds muss man natür­lich aus­hal­ten, aber dafür bekommt man ein merk­wür­dig opti­mis­ti­sches Gesamt­werk und mit „Shell Games“ einen fast per­fek­ten Pop­song.

5. James Bla­ke – James Bla­ke
Nie in mei­nem Leben habe ich hef­ti­ge­re Bäs­se in mei­nem Kör­per vibrie­ren spü­ren als bei James Blakes Auf­tritt auf dem Hald­ern Pop. Es reg­ne­te leicht und die­se Sin­ger/­Song­wri­ter-Post-Dub­step-Songs zogen über das Publi­kum wie sehr gefähr­li­che Gewit­ter­wol­ken. Die­se düs­te­re und anstren­gen­de Musik ist nicht für die Beschal­lung von Din­ner­par­tys geeig­net, aber sie ist ver­dammt bril­lant.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Belong
Die Neun­zi­ger sind, wie gesagt, zurück und The Pains Of Being Pure At Heart haben ihr Shoe­ga­ze-Erfolgs­re­zept von vor zwei Jah­ren um mini­ma­le Grunge-Ein­spreng­sel erwei­tert. Das ist auf Plat­te eben­so schön wie live und beglei­tet mich jetzt seit Mai.

3. Jona­than Jere­mi­ah – A Soli­ta­ry Man
Auf dem Hald­ern Pop Fes­ti­val war ich so weit, dass ich dem nächs­ten Jun­gen mit Akus­tik­gi­tar­re sel­bi­ge über den Schä­del zie­hen woll­te. Dann hör­te ich „Hap­pi­ness“ von Jona­than Jere­mi­ah im Radio und war begeis­tert. Der Mann packt die See­le zurück in Soul – und alles Ande­re hab ich ja schon im August geschrie­ben.

2. Ed Sheeran – +
Na so was: Noch ein Jun­ge mit Gitar­re! Ed Sheeran war wäh­rend mei­nes Schott­land-Urlaubs im Sep­tem­ber das Hype-The­ma auf der Insel und er ist so etwas wie das feh­len­de Bin­de­glied zwi­schen Dami­en Rice und Jason Mraz, zwi­schen Get Cape. Wear Cape. Fly und Niz­lo­pi. Die ruhi­gen Songs sind erschre­ckend anrüh­rend, ohne jemals Gefahr zu lau­fen, kit­schig zu wer­den, und bei den schnel­le­ren Stü­cken kann der 21-Jäh­ri­ge (fuck it, I’m old) bewei­sen, dass er genau­so gut rap­pen wie sin­gen kann. „+“ ist ein phan­tas­ti­sches Album, das ich gar nicht oft genug hören kann. In Deutsch­land kommt es im neu­en Jahr raus.

1. Bon Iver – Bon Iver
Noch ein Jun­ge mit Gitar­re. Und noch zwei Gitar­ren. Und ein Bass. Syn­the­si­zer. Eine Blä­ser­sek­ti­on. Und nicht einer, son­dern gleich zwei Schlag­zeu­ger. Jus­tin Ver­non hat gut dar­an getan, sei­ne als Ein-Mann-Pro­jekt gestar­te­te Band zur Big­band aus­zu­bau­en, und einen deut­lich opu­len­te­ren Sound zu wäh­len als bei „For Emma, Fore­ver Ago“. So las­sen sich Debüt und Zweit­werk kaum ver­glei­chen und „Bon Iver“ kann ganz für sich selbst ste­hen mit sei­nen Tracks, die teil­wei­se eher Klang­räu­me sind als Songs, und die trotz­dem ganz natür­lich und kein Stück kal­ku­liert wir­ken. Vom anfäng­li­chen Zir­pen des Ope­ners „Perth“ bis zu den letz­ten Echos des viel dis­ku­tier­ten Schluss­songs „Beth/​Rest“ ist „Bon Iver“ ein Meis­ter­werk, an dem 2011 nichts und nie­mand vor­bei­kam.

Hin­weis: Bit­te hal­ten Sie sich beim Kom­men­tie­ren an die Regeln.