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Baby guck mich an, ich bin ein Rockstar

Die gute Nachricht: Auch nach fünf Jahren intensiverer Beschäftigung mit den eher unschönen Seiten des Journalismus glaube ich offenbar immer noch an das Gute in der Branche.

Die schlechte Nachricht: Deswegen habe ich gestern Unfug geschrieben.

In meinem Cro-Konzertbericht hatte ich behauptet, dass wegen des Foto-Verbots für Presse-Fotografen in der Lokalpresse keine Konzertrezensionen erschienen sind. Das war blauäugig.

Die “Ruhr Nachrichten” beenden ihren Artikel mit einer kritischen enttäuschten Anmerkung zum Foto-Verbot:

Wenig nachvollziehbar war indes, dass das Management des Künstlers kurzfristig alle Fotografen vom Konzert ausgeschlossen hatte. Etwa drei Stunden vor der Show wurde mitgeteilt, dass keine Fotos von externen (Presse-)Fotografen angefertigt werden dürfen. Lediglich die vom Management freigegebenen Bilder durften im Nachgang der Show benutzt werden. Ob solche Extra-Würste tatsächlich von Nöten sind, darf bezweifelt werden. Immerhin profitiert auch der Künstler selbst von der Arbeit der Fotografen und der Presse vor Ort.

Dafür wurden während des Konzerts tausende Handyfotos gemacht und Videos gedreht, die schon wenig später im Internet kursierten. Konsequenterweise hätte Cros Management auch alle Handys einkassieren lassen müssen – so bleibt ein fader Beigeschmack. Auch wenn das Konzert richtig gut war.

Es braucht schon sehr wenig Selbstachtung, um eine Konzertkritik, die so schließt, dann mit zwei der vom Management freigegebenen Bilder zu bebildern. Da kann man einem bockigen Kleinkind, das statt Gemüse lieber Fast Food möchte, den Burger auch gleich auf dem Silbertablett servieren.

Diese Merkwürdigkeit verblasst allerdings völlig gegen das Fass, das die “WAZ” gleichzeitig aufgemacht und zum Überlaufen gebracht hat.

Im überregionalen Kulturteil gab Georg Howahl Cro einen “kleinen Fototipp für Pandarapper” mit auf den Weg:

Lieber Cro, wenn Du dich demnächst, an einem einsamen, kalten Winterabend mal wieder selbst auf den einschlägigen Netzkanälen suchst: Wäre es da nicht schön, wenn du zur Abwechslung auch mal ein gutes Bild oder Video von dir fändest? Denk mal drüber nach!

“Zur Abwechslung”, weil es auf YouTube “zwölf (!) krächzende, unscharfe Wackelvideos” von Cros Auftritt in Bochum zu sehen gebe, was allerdings bei genauer Betrachtung erstaunlich wenig mit der Frage zu tun hat, ob Fotografen Fotos (also: Standbilder ohne Ton) von dem Auftritt machen durften.

Auf der gleichen Seite erklärte der Bochumer Lokalredakteur Jürgen Stahl:

Die WAZ hat sich entschlossen, auf eine Kritik des Cro-Auftritts zu verzichten. Keine Fotos, keine Konzertbesprechung.

Eine klare, nachvollziehbare Ansage, die nur leicht davon konterkariert wird, dass die “WAZ” nicht einen, nicht zwei, sondern gleich drei Konzertbesprechungen veröffentlicht hat.

Eine erschien im Lokalteil von Hattingen, eine im Lokalteil von Witten und eine im Lokalteil von Bochum.

Letztere geschrieben von dem Jürgen Stahl, der erklärt hatte, die “WAZ” werde keine Kritik des Konzertes veröffentlichen. Seinen WAZ-Kollegen Ingo Otto (in Bochum berühmt für seine besondere Gabe, bei wirklich jedem Thema und Motiv noch eine blonde junge Frau im Bild zu platzieren) zitiert Stahl mit den Worten, einen kompletten Ausschluss wie bei Cro habe er noch nie erlebt.

Stahl erklärt, dass die Organisatoren keine Schuld treffe, dann wiederholt er seine Ankündigung:

Auf weitere Informationen aus dem Sparkassenzelt müssen die WAZ-Leser verzichten. Die Redaktion hat sich entschlossen, über das 75-minütige Cro-Gastspiel nicht zu berichten. Keine Fotoerlaubnis, keine Konzertbesprechung.

Dann referiert er aber doch noch, dass “sämtliche 4200 jungen Besucher die Hitzeschlacht unbeschadet überstanden” haben, dass “etliche Kinder und Jugendliche (90 Prozent weiblich) schon Stunden vor Konzertbeginn auf Einlass” gewartet hatten, “um sich die begehrten Plätze direkt vor der Bühne zu sichern”, der “größte Teenie-Aufmarsch der letzten Jahre in Bochum” ohne besondere Zwischenfälle verlaufen sei und dass angesichts der Temperaturen im Zelt das Mitbringen eigener Getränke erlaubt war.

Gut: Kein Wort über die Musik, aber Stahl hat es trotzdem geschafft, mit dem Konzert, über das er kein Wort verlieren wollte, eine halbe Seite zu füllen. Das musste er natürlich auch, denn der Platz war ja vermutlich fest eingeplant, außerdem war der Redakteur ja auch extra vor Ort gewesen.

Also onkelt Stahl auch noch in einem Kommentar:

Wir Medienmenschen machen im Umgang mit Prominenten immer wieder eine Erfahrung: Je größer der Name, desto unkomplizierter die Zusammenarbeit. Im Musikgeschäft ist es besonders auffällig. Beispiel Zeltfestival 2012: Während die Rock-Legenden von Status Quo sofort und gerne zu einem WAZ-Lesertreffen bereit waren, ließ Newcomer Cro eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung lange unbeantwortet, um schließlich abzulehnen. Schade, aber bei weitem nicht so skandalös wie das Arbeitsverbot, dass der Jüngling kurzerhand offenbar willkürlich vor seinem Konzert “erließ”. Wer derart selbstherrlich mit Fans und Medien umgeht, wird alsbald wieder dort landen, wo er hergekommen ist: ganz unten.

Nun mögen Status Quo für Jürgen Stahl einen großen Namen haben, aber es geht ja um etwas ganz anderes als WAZ-Lesertreffen. Und beim Thema “exzentrische Wünsche bezüglich Konzertfotos” sind Künstler wie Linkin Park, Coldplay, Britney Spears, The Offspring, Tom Jones und Rammstein schon negativ aufgefallen. Große Namen, wahnsinnig komplizierte Zusammenarbeiten.

Auch ist Cro ja nicht “selbstherrlich mit Fans und Medien” umgegangen, sondern “nur” mit Medien. Dass die das nicht gut finden, ist klar und verständlich, aber es ist ja auch nicht der Untergang des Abendlandes oder der Pressefreiheit, nicht über ein Konzert berichten zu können. Denn was ist ein Konzert? Menschen bezahlen Geld dafür, damit sie anderen Menschen beim Musizieren zusehen können. Ob Dritte, die kein Geld bezahlt haben, hinterher drüber schreiben, ist da erst mal ziemlich zweitrangig.

Klar: Ohne Medien wäre kaum ein Popstar da, wo er heute ist. (Wobei: Wie viele Hörer mag Cro der “WAZ” und den “Ruhr Nachrichten” verdanken?) Wenn man sich dann aber den mühsam gefüllten Platz in der Zeitung und Jürgen Stahls billiges “ganz unten”-Gerumpel anschaut, stellt sich schon die Frage, wer hier eigentlich wen dringender braucht.

Die Antwort weiß Ed Sheeran, der passenderweise nächsten Dienstag beim Zeltfestival Ruhr spielt. Schauen wir mal, ob mit Fotografen und Lokalredakteuren oder ohne.

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Wir waren hier

Wir sind alt, sehr alt. Die vielen jungen, meist weiblichen Menschen um uns herum könnten unsere Kinder sein — zumindest, wenn wir damals so früh geschlechtsreif gewesen wären wie sie offensichtlich heute. Trotzdem bietet uns niemand einen Sitzplatz an, so dass wir auf der 24-minütigen Fahrt mit dem Shuttlebus stehen müssen. Wenigstens ist der klimatisiert.

Am Ziel (“Freizeitbad Heveney”) herrscht eine Stimmung wie auf einem Schulausflug zum One-Direction-Konzert. Morgen ist der letzte Ferientag und heute war es den ganzen Tag so heiß, dass Mama und Papa nichts sagen können, wenn ihre Töchter wenig mehr anhaben als beim Ausflug ins Freibad. Das hier ist aber Konzert, genauer: Festival.

Ich fühle mich schon wieder so alt, wenn ich denke, dass ich keinen Bock mehr auf Zeltplätze voller Skinny Jeans, Wasserpfeifen und Akustikgitarren habe, aber es ist doch wahr: Konzerte besuchen und anschließend im eigenen Bett schlafen und am nächsten Morgen duschen können, das hat eine gewisse Lebensqualität, auch wenn Punk natürlich anders geht.

Hier, beim Zeltfestival Ruhr, soll Punk aber auch gar nicht gehen, sondern Rap. Oder präziser: Raop. Selbsternannter König dieses Subgenres ((vgl. Wendler, Michael: Der König des Popschlagers.)) ist Cro und wenn Sie noch nie von dem Mann mit der Pandamaske gehört haben, waren Sie vermutlich blinder Passagier auf dem Marsroboter Curiosity. Mit “Easy” hatte der junge Mann das Kunststück fertiggebracht, einen Song erst als Teil eines Mixtapes zu verschenken und anschließend bei kommerzieller Veröffentlichung mit dem Lied trotzdem auf Platz 2 der Charts zu gehen. Sein Album “Raop” ging direkt auf 1, blieb dort zunächst vier Wochen, musste dann für eine Woche den Amigos den Vortritt lassen, wird aber am Freitag wieder auf die Spitzenposition gehen. Einen größeren Popstar gibt es zur Zeit in Deutschland nicht.

Das zeigt sich auch daran, dass am Nachmittag die Ansage an die Pressevertreter ergeht, dass beim Auftritt keine Fotografen zugelassen sind. In der Lokalpresse werden entsprechend keine Konzertrezensionen erscheinen.* Es ist ja durchaus noch verständlich, wenn ein (angeblich) 19-Jähriger öffentlich nur mit Maske auftreten und abgebildet werden will, aber bei Fotoverboten auf Konzerten wird’s dann doch peinlich. Zumal die mehr als 4.000 Teenager im Zelt natürlich fotografieren und filmen, was das iPhone hergibt.

Erst mal aber kreischen sie. Als das Licht ausgeht, als der Beat losgeht, als Cro auf die Bühne kommt. Waren wir auch mal so? Bestimmt. Die Zeit, wo man sich wochenlang auf Konzerte freut, Tage vorher nur die Musik des auftretenden Künstlers hört, alle Texte auswendig kann und sich aufbrezelt wie später nur noch für Abiball und Hochzeit, ist kurz und kostbar. Wenn man im fortgeschrittenen Alter nicht gerade in ein Paralleluniversum wie den Eurovision Song Contest stolpert, ist es mit dem Fandom irgendwann einfach vorbei.

Hier steht es hingegen in voller Blüte: Das größte Zelt ist ausverkauft, was man nicht ahnen würde, wenn man weiter hinten steht. Die ganze Masse der Besucher ist auf zwei Drittel der Fläche komprimiert. Arme sind in der Luft, die Lyrics parat und die Leute begeistert. Ein paar Meter hinter der Meute stehen wir, noch ein paar Meter dahinter: Eltern. Wir sind doch nicht die Ältesten!

Cro live in Bochum

Die Stimmung ist hehr, die Samples sind clever zusammengesucht (Bloc Party, Caesars, Kilians), kein Track dauert länger als drei Minuten. Wenn man vorher noch keinen Song von Cro gehört hat, kann man das hier nicht verstehen: Die Texte nicht und den Ausnahmezustand der Menschen nicht. Letzteres erklärt sich aber vor allem durch Erstere, denn Cros Texte lohnen tatsächlich die nähere Betrachtung. Wäre ich noch zwanzig Jahre älter, würde ich schreiben, da habe jemand den Nerv einer Generation getroffen, sei zu deren Stimme geworden. Vielleicht fehlt einem irgendwann der Zugang zu Zeilen wie “Wir schicken SMS, denn wir haben kein’ Bock zu reden / Und kein Plan, was du ernsthaft brauchst / Komm drück auf Like, sie gefällt dir doch auch”, aber irgendwo zwischen 12 und 30 kann das noch verdammt bedeutsam sein.

Nach 45 Minuten ist erst mal Schluss, dann kommt der fast halbstündige Zugabenblock inkl. “Easy”. Die Hütte brennt, Herr Cro muss kaum noch was machen, das Publikum rappt selbst. Wir auch. Wenn alt sein so weitergeht, kann ich damit leben.

*) Nachtrag, 22. August: Oder eben doch. “Ruhr Nachrichten” halt.

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Musik

Up and coming

Dinge, die ich normalerweise auf Pressekonferenzen mache: Kästchen auf meinen Notizblock malen; mich über die Fragen der anwesenden Journalisten aufregen; in den ausgeteilten Pressemitteilungen lesen, was die Leute gleich noch sagen werden; Themenbereiche ansprechen, die noch nicht angesprochen wurden (selten).

Dinge, die ich auf Pressekonferenzen eher selten mache: Große Augen kriegen; nach jemand Vertrautem Ausschau halten, dem ich freudestrahlend zulächeln kann; am Liebsten “Yeah!” brüllen wollen.

Letzte Woche war einer dieser seltener Fälle. Nachdem für das diesjährige Zeltfestival Ruhr mit Acts wie Status Quo, Sunrise Avenue, Tim Bendzko und Silly schon andere Zielgruppen versorgt waren, fiel auf der Pressekonferenz der Name Ed Sheeran und ich hätte am Liebsten “Yeah!” gebrüllt.

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Ed Sheeran hatte ich bei meinen Songs und Alben des letzten Jahres sehr weit oben auf der Liste. Vergangene Woche ist sein phantastisches Debüt “+” auch in Deutschland erschienen, nachdem Katja Petri schon ein paar Wochen zuvor seinen Song “Lego House” bei “Unser Star für Baku” gesungen hatte.

Am 28. August wird Ed Sheeran also beim Zeltfestival Ruhr auftreten und ich werde da sein. Der Vorverkauf hat heute begonnen.

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Es gilt das erbrochene Wort

Ich verehre Jochen Malmsheimer seit mehr als einer Dekade. Ich schriebe nicht, wenn er und sein damaliger Tresenlesen-Kollege Frank Goosen mir nicht gezeigt hätten, was man alles Schönes mit der deutschen Sprache anfangen kann (der Rest meines Schreibens stützt sich auf die Gesamtwerke von Benjamin von Stuckrad-Barre, Christian Kracht und natürlich Max Goldt). Deshalb freut es mich besonders, dass Herrn Malmsheimer das gelungen ist, was in unserer beider Heimatstadt Bochum maximal alle zwei Wochen passiert: Er hat einen “Eklat” ausgelöst.

Ort und Grund war die Eröffnung des Zeltfestivals Ruhr, das auch in diesem Jahr wieder hochkarätige Künstler, aber auch Acts wie Ich + Ich, die Simple Minds oder die H-BlockX an den Gestaden des malerischen Kemnader Sees versammelt. Malmsheimer war geladen, ein Grußwort zu sprechen, und er nutzte die Gelegenheit, dass die gesamte Stadtspitze wehrlos vor ihm saß, zu einer “Suada” (“Westdeutsche Allgemeine Zeitung”), um “vom Leder zu ziehen” (ebd.), zu einer “Litanei” (“Ruhr Nachrichten”) und um zu “schocken” (ebd.).

Da ich nicht zu den rund 500 geladenen Würdenträgern aus Politik, Wirtschaft und Kultur gehörte (it’s a long way to the top, even in Bochum), muss ich mich auf die Auszüge aus der elfseitigen Rede verlassen, die die “Ruhr Nachrichten” ins Internet gestellt haben. Diese gefallen mir jedoch außerordentlich.

Zum Beispiel das, was Malmsheimer über das geplante, jedoch nicht vor der Wiederkehr Christi fertiggestellte Bochumer Konzerthaus zu sagen hat:

…dies ist die Stadt, die vollmundig, um nicht zu sagen: großmäulig, die Notwendigkeit zur Installation eines vollkommen unnützen Konzerthauses verkündet, ohne einen Bedarf dafür zu haben und die Kosten des laufenden Betriebes decken zu können, und das alles in einem Kulturraum, der inzwischen über mehr nicht ausgelastete Konzerthäuser verfügt, als er Orchester unterhält, und die das alles dann doch nicht hinkriegt, weil der Regierungspräsident zum Glück solchen und ähnlichen Unfug einer Gemeinde untersagt hat, die ihre Rechnungen in einer Größenordnung im Keller verschlampt, die unsereinen für Jahre in den Knast brächte und die finanziell noch nicht mal in der Lage ist, die Frostschäden des letzten Winters im Straßennetz zu beseitigen…

Den gekürzten Rest gibt’s auf ruhrnachrichten.de.

Malmsheimers Worte jedenfalls verfehlten nicht ihr Ziel. Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz ließ eine erneute Einladung, sich zu blamieren, nicht ungenutzt verfallen, wie die “WAZ” berichtet:

Die Oberbürgermeisterin beschwerte sich bei den Veranstaltern, diese distanzierten sich sogleich von ihrem Gast; in seinem “polarisierenden Vortrag” habe Malmsheimer “für sich selbst gesprochen”.

Das hatte Malmsheimer selbst freilich direkt klargestellt — aber dafür hätte man ihm natürlich zuhören müssen:

Dabei möchte ich gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass ich, anders als jene, die vor mir adressierten, ausschließlich für mich selber spreche, eine Fähigkeit, die ich mir unter Mühen antrainierte und die mich eigentlich seitdem hinreichend ausfüllt.

[via Jens]

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Zelt am See

Mit dem Ruhrgebiet und der Kultur ist das so eine Sache: natürlich gibt es hier welche, aber jeder versteht etwas anderes darunter. Man wäre gerne mehr als man ist (oder zumindest anders), weswegen es zwischen Duisburg und Dortmund einige hundert mittelgute, aber satte (weil totsubventionierte) Theater, Orchester und Kulturzentren gibt. Dafür keine Loveparade, denn wenn man eines im Ruhrgebiet noch mehr liebt als Subventionen und Kompetenzgerangel, dann die Möglichkeit, sich auf einer möglichst großen Bühne völlig zu blamieren. ((Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz ließ sich kürzlich zitieren: “Wir in Bochum sind nicht provinziell!” Sondern nur doof und unfähig, oder was?))

Das kommende Jahr, in dem das Ruhrgebiet “Kulturhaupstadt Europas” genannt werden darf, wird sicher ein völliges Desaster, und eine Gegend, in der man Donnerstagabends um Viertel nach Zehn eine halbe Stunde auf einen Zug warten muss, ((Been there, done that.)) der einen in die Nachbarstadt bringt, ist vieles, aber sicher keine international konkurrenzfähige “Metropolregion”.

Bei diesen Voraussetzungen freue ich mich immer, wenn jemand ankommt und ohne Subventionen sein eigenes Ding durchzieht — es muss ja nicht immer Hochkultur sein. So gesehen ist das “Zeltfestival Ruhr”, das im vergangenen Jahr erstmalig stattfand, eine Bereicherung für die unübersichtliche und oftmals verfeindete Kulturlandschaft im Ruhrgebiet.

Ich war in der Premierensaison leider nie vor Ort am Kemnader See, ((Der Nahverkehr, s.o.)) aber es heißt, die Mischung aus Veranstaltungen, Gastronomie und Kunsthandwerkmarkt sei recht schön gewesen. In diesem Jahr soll natürlich alles noch schöner und größer werden, wie die Veranstalter auf der heutigen Pressekonferenz ankündigten.

Veranstalter, Sponsoren und ein Kulturdezernent

Bei belegten Brötchen und Kaffee erfuhr die versammelte Lokalpresse, ((Da merkt man den Unterschied zwischen Bochum und Dinslaken dann doch: in Dinslaken waren wir immer zu zweit bei solchen Pressekonferenzen, heute waren es mindestens zwanzig Journalisten.)) was man sich für dieses Jahr so alles ausgedacht hat: Das Programm soll deutlich ausgeweitet werden, es gibt ein drittes Veranstaltungszelt und Kooperationen mit lokalen Veranstaltern.

Auf der Liste der bereits bekanntgegebenen Künstler finden sich neben Götz Alsmann, Silbermond, Max Raabe und Dieter Thomas Kuhn mit Hagen Rether, Heather Nova, Polarkreis 18, Jochen Malmsheimer und den frisch wiedervereinten Selig auch einige Programmpunkte, die auch mich interessieren würden.

Und dann ist da noch ein Termin, den man bei einem regionalen Kulturfestival eigentlich nicht erwartet hätte: eine spoken word performance von Henry Rollins.

Alle Termine und weiter Infos gibt es demnächst unter zeltfestivalruhr.de