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Musik Digital

Silberscheiben am Horizont

In meinem Zimmer stapelt sich der Sondermüll. Dafür musste ich weder ein Atomkraftwerk überfallen noch Altöl abzapfen, ich wurde über Jahre hinweg bemustert, was im Klartext heißt: Plattenfirmen schicken einem eine ganze Menge CDs, von denen ein relativ kleiner Teil sehr, sehr gut ist, der Großteil aber egal bis schlimm.

Viele dieser CDs sind mit dem Hinweis versehen, sie befänden sich weiterhin im Eigentum der aushändigenden Plattenfirma oder Promoagentur und dürften unter keinen Umständen (die Formulierungen variieren da etwas, legen aber drakonische bis schmerzhafte Strafen nahe) verkauft, verschenkt oder sonstwie veräußert werden. Einige Firmen arbeiten inzwischen mit digitalen Wasserzeichen, die angeblich eine präzise Rückverfolgung zulassen, wenn mal wieder ein böser, böser Journalist die CD ins Internet gestellt hat – und dann gnade ihm Gott. (Insider gehen davon aus, dass unveröffentlichte CDs fast immer von unterbezahlten Mitarbeitern in Presswerken und an Packstraßen gerippt werden und fast nie von Journalisten oder DJs.)

Universal Music führt deshalb zur Zeit einen Rechtsstreit gegen den eBay-Händler Troy Augusto, dessen Ausgang bizarre Folgen haben könnte, mindestens in den USA: Wenn nämlich eine Firma durch ein paar schlichte Sätze einfach festlegen kann, was der Konsument mit ihrem Produkt machen darf und was nicht – wobei der Konsument im Extremfall ein zahlender Kunde sein könnte, der das Produkt für viel Geld erworben hat.

Der Fall zeigt wieder einmal die Hilf- und Ahnungslosigkeit der Musikindustrie auf: Dabei geht es gar nicht so sehr um den konkreten Fall, in dem man die Weitergabe von Werbegeschenken (und nichts anderes sind Promo-CDs ja in den meisten Fällen) unterbinden will. Der Fall zeigt vielmehr, wie unbedarft die großen Unterhaltungskonzerne immer noch mit dem Internet umgehen, denn jetzt stehen sie schon wieder als klagewütige, ansonsten aber ideenlose Firmen da.

[Ähnlich geschickt stellte sich zuletzt übrigens SonyBMG an.]