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Gesellschaft Musik

Bochum, ein bisschen

Die Veranstalter des Bochumer Volksfests “Bochum Total” haben heute in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, ab dem nächsten Jahr nicht mehr mit der örtlichen Brauerei Moritz Fiege (indirekt bekannt aus unseren “Cinema And Beer”-Podcasts) zusammenzuarbeiten, sondern die Getränke für ihre Großveranstaltung von der Duisburger König-Brauerei zu beziehen. Das war theoretisch schon bekannt, seit vor einigen Wochen ein (inzwischen wieder gelöschtes) Plakat mit “Köpi”-Schriftzug auf der Facebook-Seite von “Bochum Total” aufgetaucht war, aber vielleicht darf man von Lokaljournalisten auch nicht zu viel erwarten.

Jetzt ist die Nachricht jedenfalls offiziell in der Welt und es bahnt sich das an, was sie im Internet einen “Shitstorm” nennen, weswegen ich die Gelegenheit nicht ungenützt verstreichen lassen möchte, für diesen Zweck den/die/das Hashtag “Saufschrei” vorzuschlagen.

Die Empörung ist nachvollziehbar und zielt zugleich weitgehend ins Leere: Die Annahme, ein Volksfest dieser Größenordnung hätte irgendwas mit dem Volk zu tun, wäre naiv. Natürlich geht es bei “Bochum Total”, dem Münchener “Oktoberfest”, dem Hamburger “Hafengeburtstag” und womöglich selbst beim Karneval heutzutage vor allem ums Geld. Zwar würden sie beim Oktoberfest vermutlich eher nicht auf die Idee kommen, das Bier aus dem Umland zu beziehen, aber so viel Tradition hat “Bochum Total” dann auch noch nicht anhäufen können. Selbst wenn alle Lokalpatrioten, die die ausrichtende Agentur “Cooltour” gerade auf Facebook beschimpfen, im kommenden Jahr tatsächlich zuhause blieben, dürfte das bei den vielen hunderttausend Besuchern, die sich alljährlich durch die Bochumer Innenstadt schieben, kaum ins Gewicht fallen. Vielleicht kommen sogar wieder ein paar mehr, um sich das banale Musikprogramm, das oft wie direkt von Plattenfirmen und Medienpartnern zusammengestellt aussieht, die Bratwurstbuden und – dann neuen – Bierstände anzuschauen.

Die Veranstalter beeilten sich, sogleich noch ein Statement der mutmaßlich geschassten Fiege-Brauerei zu veröffentlichen, in dem der Inhaber Hugo Fiege den – für meinen Geschmack etwas zu sehr an gefeuerte Fußballtrainer erinnernden – Satz sagt, es sei “es an der Zeit, neue Perspektiven zu suchen und zu finden”. Das klingt ehrlich gesagt nicht sehr überzeugend, kann aber auch völlig ernst gemeint sein.

Partnerschaften auf diesem Gebiet gehen oft genug mit dem Adjektiv “strategisch” einher. Das darf man nicht mit Tradition verwechseln: Auch beim Haldern Pop Festival wird seit 2012 König Pilsener ausgeschenkt und damit die mehr als 15 Jahre währende “niederrheinische Freundschaft” zwischen dem Festival und der Diebels-Brauerei beendet. Diebels kommt theoretisch aus Issum, gehört aber zum global player Anheuser-Busch InBev und wer weiß, was dessen Controller von “niederrheinischer Freundschaft” verstehen.

Auch die Veranstalter des Haldern Pop zeigten sich ein Stück weit flexibel und erklärten:

Bier ist Heimat. Und so musste es ‘das König der Biere’ aus dem nahen Duisburg-Beek sein.

Eine Kernzielgruppe von “Bochum Total” sind – überspitzt gesagt – Jugendliche, die mit etwas Glück schon legal Bier trinken dürfen und dies vermutlich eher nicht an Bierständen tun — die sind eher für eine andere Kernzielgruppe: die Familien und Vereine, für die die überfüllte Innenstadt ein beliebtes Ausflugsziel ist. Wenn beide jetzt bei Facebook ihrem Ärger Luft machen, zeigen sie damit ein Verständnis für Traditionen, das es andernorts schon nicht mehr gibt. So kann man das sehen.

Man könnte aber auch sagen: Die Leute sind so unflexibel wie jene Leserbriefschreiber, die mit Abo-Kündigung drohen, wenn ihre Tageszeitung nach zehn Jahren mal wieder ein neues Layout bekommen hat. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es dann, aber er gewöhnt sich auch erstaunlich schnell um.

Fiege schmeckt mir trotzdem bedeutend besser als “Köpi”.

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Unterwegs Politik

Unter Grünen: New Aufmerksamkeitseconomy

Grünen-Parteitag in Erfurt

Ich fürchte, das Privatfernsehen und der Shuffle-Modus von iTunes sind schuld daran, dass meine Aufmerksamkeitsspanne immer kleiner wird. Bei Uni-Vorlesungen merke ich, wie nach ziemlich exakt 45 Minuten nur noch “Blubb, Blubb, Blubb” bei mir ankommt. Insofern sind Parteitage natürlich genau das richtige für mich.

Ich hatte mir wirklich Mühe gegeben und wollte zuhören, was die verschiedenen Rednerinnen und Redner zum Finanzmarkt zu sagen hatten. Und anfangs lief das auch noch ganz gut: Antragsteller Gerhard Schick verglich den “Wahnsinn” auf den Finanzmärkten mit dem Rinderwahnsinn vor acht Jahren. Er kritisierte Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) und schloss sich Reinhard Bütikofers Forderungen nach einem “Grünen New Deal” an. Kerstin Andreae wünschte sich gleich einen neuen Wirtschaftsminister, weil Michael Glos eine Aussetzung der Umweltabgaben für Firmen gefordert hatte.

Das nächste, was ich wieder mitbekommen habe, war der vorletzte Redner Fritz Kuhn, der “Scheiße bleibt Scheiße” sagte. Denn selbst wenn man sich auf die Reden der einzelnen Delegierten konzentriert, fehlt einem der Blick fürs große Ganze: man hätte sämtliche Anträge und Änderungsanträge lesen und verstehen müssen. Und auch da rächt sich wieder meine Aufmerksamkeitsspanne, die schon meine Juristen-Karriere zerstört hat: nach drei Absätzen steht da nur noch “Blubb, Blubb, Blubb”.

Anträge und Antragänderungsanträge (Auswahl)

Und sowas hier erinnert mich dann fatal an die Mathe- und Physikkurse meiner Schulzeit:

Änderungsantrag zu FM-01

Zeile 63-65 “Die Politik darf sich nicht scheuen” bis “handlungsunfähig werden lässt” streichen

Grundsätzlich kann man aber glaub ich vor der gleich folgenden Abstimmung zusammenfassen: Wer eine völlig frei vor sich hin wirtschaftende Finanzwelt will, ist bei der FDP wohl besser aufgehoben als bei den Grünen.

Beachten Sie für alle Parteitags-Beiträge bitte die Vorbemerkungen.

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Wissensvorsprung

Mir wird ja hin und wieder vorgeworfen, ich würde immer alles so schrecklich negativ sehen und mich völlig in meinen “Hass” auf “RP Online” verrennen.

Kommen wir deshalb nun mal zu etwas Positivem: der globalen Finanzkrise.

Rashida Jones (“The Office”) und Natalie Portman (tollste Frau der Welt) haben eine Lösung dafür gefunden, die nicht “42” lautet, die sie aber auf funnyordie.com der Weltöffentlichkeit mitteilen.

Bitte sehr:

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[via natalieportman.com]

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Politik Gesellschaft

Geld verbrennen leicht gemacht

Ich hatte es letzte Woche schon mal erwähnt: Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (kurz: AStA) ((Hat eigentlich schon mal jemand darüber philosophiert, dass besonders linke Studentengruppen, die sich gerne Studierendengruppen nennen, einen ähnlich grotesken Hang zu Abkürzungen haben wie die Nazis mit ihren StuKas und GröFazen?)) der Ruhr-Uni Bochum hat eine große Party veranstaltet, um mal richtig Geld zu verbrennen. Jetzt hat Niels darüber geschrieben und da dachte ich mir: “Wenn man sich schon in Kiel über ‘unseren’ AStA auslässt, muss ich da auch noch mal nachtreten …”

Vor langer, langer Zeit, als ich noch nicht Student der Ruhr-Universität war, fanden angeblich “legendäre” Parties in der damals noch unrenovierten Mensa statt, die einen enormen Ruf hatten und wohl – ähnlich wie die Fachschaftsparties heute noch – hauptsächlich als Geldquelle für die Arbeit des AStA dienten. Insofern hätte man schon mehr als gewarnt sein müssen, als der aktuelle AStA-Vorsitzende Fabian Ferber noch vor der diesjährigen Neuauflage in den “Ruhr Nachrichten” sagte:

“Wir haben von Anfang an nicht damit gerechnet, Gewinn einzufahren.” Jahr für Jahr hätten die Vorgänger-ASten Überschüsse erwirtschaftet, “wir haben Rücklagen von 170.000 Euro.” Da hält Ferber es für legitim, den Studierenden eine große Show zum kleinen Preis zu bieten – selbst wenn sie am Ende Verluste bringt. 35 Euro (ermäßigt 28 Euro) kostet der Eintritt zur Party.

Und, in deed: Das Line-Up konnte sich sehen lassen. Auf Schulhöfen oder bei der “MTV Campus Invasion”, zu der ja vermutlich auch mehr Schüler als Studenten kommen, hätte man mit Juli, 2raumwohnung, Culcha Candela oder Joy Denalane sicher große Erfolge feiern können. Wenn die nicht sowieso ständig an jeder Ecke spielen würden.

200.000 Euro hat die Veranstaltung ungefähr gekostet, was schon erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass ein “großes Open-Air-Rockfestival” mit mehreren Bühnen, an die hundert Bands, Dixie-Klos und Campingplätzen angeblich “nur” sechs Millionen kosten soll. Dort kalkuliert man freilich auch mit mehr als 5.000 Besuchern, von denen dann noch nicht mal die Hälfte kommt.

Ich gebe zu, mich immer ebenso wenig für Hochschulpolitik interessiert zu haben wie 85% meiner Kommilitonen. Die Studentenvertreter, das waren eben immer diese Freaks, die man in jeder SPD-Ortsgruppe ausgelacht hätte. Die ganz linken Gruppen, die in ihren Flugblättern die Hälfte des Platzes für politisch korrekte Postenumschreibungen (“die VertreterInnen des AusländerInnenreferats”) und seit vierzig Jahren veraltete Klassenkampfparolen verwendeten, konnte man noch weniger ernst nehmen. Aber was sollten die auch groß (falsch) machen? Hilflose Aktionen gegen Studiengebühren unternehmen und dafür sorgen, dass die Nazi-Parolen auf den Klowänden alle paar Monate überpinselt werden, vielleicht. Es konnte ja keiner ahnen, dass die im Stillen an der Verpulverung meines Geldes arbeiten. ((Interessant: Um das im Studentenausweis enthaltene Semesterticket kann man sich mit etwas Mühe drücken, falls man auf dem Unigelände wohnt und nie Zug fahren will. Den AStA muss jeder Student unterstützen, ob er das will oder nicht.))

Nun ist die Organisation von Großveranstaltungen eine durchaus komplexe, verantwortungsvolle Aufgabe, die man alleine schon deshalb Profis überlassen sollte, weil man dabei so viel falsch machen kann. Der AStA der Ruhr-Uni Bochum ((Der RCDS, eigentlich auch AStA-Mitglied, nennt das Ganze einen “Listen-egoistischen Alleingang der Juso-Rubrosen”)) entschied sich offenbar dazu, so ziemlich jeden Fehler selbst zu machen. Das reichte von der Bandauswahl, die sicherlich zu einem gewissen Teil auch Geschmackssache ist, über den Umfang der Veranstaltung (statt acht Bands und zehn Stunden Livemusik von mittags bis abends hätte es vielleicht auch eine Nummer kleiner getan), bis hin zu einem umfangreichen PR-Desaster: Das Uni-eigene Campusradio, von so ziemlich jedem bisherigen AStA geschnitten, wurde im Vorfeld außen vor gelassen und das Eingeständnis des finanziellen GAUs geriet zu dem, was man in der Politik (oder eben bei Vattenfall) eine “Salami-Taktik” nennt. Der AStA-Vorsitzende Fabian Ferber von den “RUB-Rosen” ((Die ganz linken Gruppen würden jetzt noch schreiben, dass es sich dabei um eine “SPD-nahe Studentengruppe” handelt, was einerseits eine hilfreiche Information ist, bei den Ganzlinken aber nur heißen soll: “Iiiih, bah, Politik mit möglichen Fernzielen!”)) empfahl sich dabei auch gleich für die große Politik, indem er bei seinem Rücktritt die “volle Verantwortung” übernahm. “Volle Verantwortung” heißt natürlich nicht, dass er jetzt den Fehlbetrag ausgleichen würde – ja, es soll noch nicht mal heißen, dass er wirklich für das Desaster verantwortlich ist, wie die “RUB-Rosen” klarstellen wollen:

Wenn man selbst von den eigenen Fehltritten ablenken will, dann sucht man sich halt einen Sündenbock und der heißt in diesem Monat Fabian Ferber. Wie einfach, wie billig und wie schmutzig!

Es ist der klassische Fall, wo ich alle doof finde: Bekerner und Herman, Schell und Mehdorn, AStA, RCDS und Ganzlinke.

Nachtrag 19. Dezember: Jetzt erst gesehen: Sogar die “Süddeutsche Zeitung” hat schon über den Fall berichtet.