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Braungebrannt

Was auch immer es braucht, um in den braunen Fettnapf zu treten: es liegt dieser Zeit eine Menge davon in der Luft.

Vor knapp zwei Wochen hatte Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, einen äußerst unglücklichen Vergleich zwischen der aktuellen Pauschalkritik an Managern und der Situation der Juden nach der Weltwirtschaftskrise gezogen — und am Tag darauf sofort um Entschuldigung gebeten.

Gestern muss es dann mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff durchgegangen sein, der ausgerechnet in der Talkshow von Michel Friedman von einer “Pogromstimmung” gegen Manager gesprochen hat, wie “Spiegel Online” berichtet. Aber vermutlich lag ihm die Vokabel nur gerade so auf der Zunge, weil sich in wenigen Tagen die Reichspogromnacht zum siebzigsten Mal jährt. Auch Wulff hat seinen Vergleich heute bedauert.

Die schwerwiegendere Entgleisung dieser Woche kommt (wie irgendwie fast immer) aus Österreich: Dort hatte sich der pensionierte ORF-Journalist Klaus Emmerich in der Sondersendung zur US-Präsidentschaftswahl wie folgt geäußert:

Ich möchte mich nicht von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen. Wenn sie sagen, des ist eine rassistische Bemerkung: richtig, ist gar keine Frage.

Mit diesen unverhohlenen Ansichten schlägt Emmerich sogar Michael Heinrich, der in der anlässlich der Wahl Obamas in der Münchner “Abendzeitung” von “negroiden Lippen” und “Kopfformen” schwafelt.

Und dann war da noch der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der in seiner ersten Stellungnahme zur Wahl Obamas sagte, dieser sei “jung, hübsch und gebräunt”.

Sie alle haben sich einen Platz in meinem Buch “Schlimmer als Hitlerkrebs – Missglückte Rhetorik für Profis” verdient, das ich auf Grundlage dieser Liste nächste Woche zu Schreiben beginnen werde.

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Latte niedriger gelegt

heute-online.ch, 7. April:

Flotter Dreier mit Shakira auf Sextape?

orf.at, 9. April:

Shakira: Beim flotten Dreier gefilmt?

nachrichten.ch, 9. April:

Shakira beim flotten Dreier gefilmt?

mtv.de, 9. April:

Sexvideo - Jetzt auch Shakira?

rp-online.de, 9. April:

Erpressung mit Shakira-Sex-Video?

Alle diese Fragen lassen sich recht einfach beantworten:

NEIN!

Wenn die Menschen, die diese Überschriften in ihre Redaktionssysteme getippt haben, am gleichen Computer kurz eine Google-Anfrage (in etwa shakira sex tape oder artverwandtes) gestartet hätten, wären sie eventuell auf diese neuseeländische Nachrichtenseite gestoßen, auf dieses Blog bei sfgate.com oder auf diesen Beitrag bei popcrunch.com. Sie hätten binnen Sekunden herausgefunden, dass die “Gerüchte”, nach denen “angeblich” ein Video existieren “soll”, das Shakira bei einem “flotten Dreier” zeigt, auf einem Aprilscherz beruhen.

Als schweizer, österreischische und deutsche Medien die Geschichte am Mittwoch dieser Woche aufzugreifen begannen, war also schon vier bis sechs Tage klar, dass sie nicht stimmt. Bei mtv.de fragte ein Kommentator bereits am Mittwochabend, warum man dort einen aufgeklärten Aprilscherz verbreite – und erhielt wenig überraschend keine Antwort. Die schweizer Boulevard-Seite 20minuten.ch hat ihre Geschichte vom Dienstag ohne einen weiteren Kommentar aus dem Netz genommen, im Google-Archiv kann man sie aber noch nachlesen und sich darüber wundern, dass dem zuständigen Mitarbeiter bei seiner angeblichen Onlinerecherche nichts aufgefallen sein soll:

Wie der Onlinedienst und weitere Blogs berichten, soll das erotische Streifchen ein offizielles Beweisstück in einem Prozess sein, den Sanz gegen zwei ehemalige Angestellte führe.

Der “Berliner Kurier” geht gestern (10. April) zwar auf die Zweifel an der Geschichte ein

Pech nur, dass die Pop-Amazone und ihre zwei Galane von dem Dreier gar nichts mitbekommen haben wollen. Vertreter des Trios sagten: “Es gibt keine Möglichkeit, dass ein solches Video existiert. Es handelt sich um ein bösartiges Gerücht ohne Basis.”

schafft aber in der Überschrift kackendreist Fakten:

Shakira beim Sex mit zwei Männern gefilmt

Besonders beeindruckend ist natürlich das, was Radio NRJ schreibt, wo man die Meldung offenbar als erstes deutschsprachiges Medium verbreitete:

Sowohl Shakira als auch Antonio de la Rúa und Alejandro Sanz dementieren die Berichte. Von einem April-Scherz ist die Rede…

Ich weiß jetzt einen weiteren Grund, warum ich Aprilscherze hasse: Weil Journalisten den Blödsinn auch nach der Aufklärung noch weiterverbreiten.

[via die Kommentare bei Stefan Niggemeier]

Nachtrag, 16:55 Uhr: Bei RP-Online hat man’s bemerkt und reagiert entsprechend:

RP-Online entschuldigt sich.