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Die, die mit den Wörtern tanzt

Mit neu­en Büchern ist es ja immer ein wenig so: Man meint, man müs­se ganz vor­sich­tig sein, um kei­ner Sei­te ein Esels­ohr zu ver­pas­sen oder einen Buch­sta­ben umzu­kni­cken – wehe wenn! Jedoch, um einem Buch Cha­rak­ter zu ver­lei­hen soll­te man es auch kni­cken, den Buch­rü­cken auf­klap­pen und es lesen. Es able­sen, ablie­ben. Von was ich spre­che?

Das aller­ers­te Buch einer jun­gen Frau, Lisa Rank. Aus Ber­lin, jetzt Ham­burg.
Schreibt, atmet, kom­po­niert, tanzt, träumt und erfin­det Wort­wel­ten. Ent­deckt sie hin­ter Müs­li­schach­teln oder unterm Bett. Begeg­net ihnen an Häu­ser­ecken, in der Nacht oder weil sie ganz genau hin­hört.
Weil sie schreibt, was vor­her noch nicht da war. Ihr Talent, ihre eige­ne Stim­me und die Gabe, Gefüh­le so ein­zu­fan­gen, dass man genau spürt, was in den Cha­rak­te­ren vor­geht. Man kann mit­füh­len, mit­wei­nen, mit­er­le­ben, man ist bei allem dabei.
Weil die Autorin es zulässt, aber – und das fin­de ich auch sehr wich­tig – man wird beim Lesen davor beschützt, dass die Trau­er einen erdrückt.
Im Gegen­teil: Man wird mit­ge­nom­men und man bekommt es gezeigt und erlebt, denn im Zwei­fel, wenn alles kei­nen Sinn mehr macht, macht man sol­che Rei­sen auch immer ein Stück­chen für sich selbst!

Von was ich hier erzäh­le?

Von Lisa Ranks ers­ten Roman „Und im Zwei­fel für dich selbst“.
Ein Buch, in dem zwei Freun­din­nen, Lene und Tonia, den Tod eines gelieb­ten Men­schen erle­ben und sich und die Welt nicht mehr ver­ste­hen. Das Leben, das sie bis­her hat­ten, gibt es so nicht mehr. Weil jetzt jemand fehlt, der bis­her immer da war. Sie machen sich auf eine Rei­se. Ein Road­mo­vie-Roman, der so viel Wahr­heit zwi­schen den Zei­len ver­steckt hält und so eigen­sin­nig auf dem Blatt steht. Oder der so viel über die Din­ge erzählt, wie sie pas­sie­ren und was man dann macht, dass es eigent­lich nur Sinn macht zu sagen: Kau­fen, lesen und sel­ber ent­de­cken!

Ich hab es fast zu Ende. Ein biss­chen hab ich mir noch auf­ge­ho­ben zum Schluss.
Wie es also aus­geht weiß ich nicht und wür­de es auch nicht ver­ra­ten. Macht man nicht. Was man aber tun soll­te: Sel­ber ent­de­cken!

Eli­sa­beth Rank – Und im Zwei­fel für dich selbst
Suhr­kamp, 200 Sei­ten
12,90 Euro

Lisa Rank im Inter­net

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Politik Gesellschaft

Sort Of Revolution

Bildungsstreik in Weingarten

Erwar­tet haben die Ver­an­stal­ter an mei­ner Uni nicht viel, zu gering war die Reso­nanz der Stu­den­ten an den Akti­ons­ta­gen. Zu gering das Enga­ge­ment, mit den immer­glei­chen Aus­sa­gen wird man als nai­ver Töl­pel abge­stem­pelt. Man sei ein Träu­mer oder zu links, die For­de­run­gen zu groß und über­zo­gen. Die Skep­ti­ker haben an jeder Ecke gelau­ert. „Wenn wir 200 Leu­te bekom­men, haben wir schon viel erreicht“, so eine Orga­ni­sa­to­rin.

Ich weiß nicht wie es Skep­ti­kern ging, aber als ich ges­tern an mei­ner Uni stand und als anstatt der erwar­te­ten 200 sich ganz plötz­lich uner­war­te­te 1.300 Men­schen auf­tauch­ten, konn­te man die Anspan­nung in den Gesich­tern wei­chen sehen. Das mag jetzt pathe­tisch klin­gen, aber man hat­te wirk­lich das Gefühl, dass man heu­te ein Zei­chen setzt.

Auch Deutsch­land­weit wur­de die Zahl der tat­säch­lich Mit­wir­ken­den unter­schätzt, über 240.000 Stu­den­tIn­nen, Schü­le­rIn­nen waren auf der Stra­ße in mehr als 80 Groß­städ­ten. Die Bilanz kann sich sehen las­sen.

Vom Cam­pus aus zogen alle Demons­tran­ten durch die Wein­gärt­ner Innen­stadt zum Löwen­platz, dem hie­si­gen Markt­platz. Dort wur­den die Zwi­schen­kund­ge­bun­gen abge­hal­ten, nicht nur die AstA und UstA hiel­ten Anspra­chen, son­dern auch einer der Hoch­schul­pro­fes­so­ren der PH hielt eine sehr ein­dring­li­che Rede, in der er den Demons­tran­ten die Sicht der Pro­fes­so­ren schil­der­te, dass es auch für die Hoch­schu­le nicht ein­fach ist mit den Beschlüs­sen der Poli­tik und dem Bolo­gna Pro­zess aus­zu­kom­men, als letz­tes sprach auch eine Kan­di­da­tin der Grü­nen.

Es war eine sehr fried­li­che und den­noch ein­dring­li­che Stim­mung. Nach den Zwi­schen­kund­ge­bun­gen lief die Demons­tra­ti­on wei­ter, auf der Haupt­stra­ße ent­lang zurück zum Unige­län­de. Dort hiel­ten der Schü­ler­spre­cher der zwölf­ten Klas­se sowie ein Abge­ord­ne­ter der SPD die bei­den letz­ten Anspra­chen des Tages.

Nach den Kund­ge­bun­gen spiel­ten die unie­i­ge­nen Bands für die Demons­tran­ten. Bis in den frü­hen Abend wur­den nicht nur gefei­ert, son­dern auch dis­ku­tiert. Aus­schrei­tun­gen oder Kra­wal­le gab es kei­ne. Von Sei­ten der Poli­zei und Hoch­schu­le gab es gro­ßes Lob, die Demons­tra­ti­on in Wein­gar­ten war ein Erfolg, vor allem auch die Beson­nen­heit der Demons­tran­ten wur­de gelobt.

Bildungsstreik in Weingarten

Hier noch eini­ge Stim­men:

„Ich hät­te nie im Leben damit gerech­net, dass 20 Men­schen über 1.000 ande­re moti­vie­ren kön­nen!“, Stef­fen H.

„Die Art und Wei­se der Demons­tra­ti­on hat hof­fent­lich allen Skep­ti­kern gezeigt, dass man doch noch etwas Bewe­gen kann. Man muss jetzt nur am Ball blei­ben!“, Lena E.

„Ich glau­be wirk­lich, das es ein Zei­chen gesetzt hat, zumin­dest weiß die Hoch­schu­le sowie die Poli­tik jetzt, dass wir uns nicht alles gefal­len las­sen. Und wird in Zukunft bei ihren Beschlüs­sen anders ent­schei­den“, Julia A.

„Ich bin total stolz auf alle, die mit­ge­lau­fen sind. Ich hät­te damit nie gerech­net. Mei­ne gan­zen Zwei­fel sind ein Stück­chen geschrumpft. Ich hof­fe das es so wei­ter geht und die Poli­tik sowie die Hoch­schu­le sich bewusst wird, wel­che Ver­ant­wor­tung sie haben“, San­dra P.

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Wo bitte geht’s zur Bildung?

Es wer­den momen­tan wich­ti­ge Wei­chen gestellt. Nicht nur in der Welt­wirt­schaft, son­dern auch in der Bil­dung. Denn nicht nur in Deutsch­land muss Bil­dung iro­ni­scher Wei­se zuguns­ten der Wirt­schaft zurück­ste­cken, euro­pa­weit lei­den Uni­ver­si­tä­ten an den Beschlüs­sen der Poli­tik zuguns­ten der Wirt­schafts­kri­se.

Es wer­den Ban­ken unter­stützt, Mil­li­ar­den­be­trä­ge für Auto­mo­bil­kon­zer­ne auf­ge­bracht und auf der ande­ren Sei­te wer­den sozia­len Ein­rich­tun­gen, Schu­len, Kin­der­gär­ten und Uni­ver­si­tä­ten Zuschüs­se gekürzt oder fal­len ganz weg.

Wie soll jedoch die Gesell­schaft von mor­gen opti­mal auf all die Pro­ble­me der Zukunft vor­be­rei­tet wer­den, wenn Schu­len geschlos­sen wer­den? Wenn kein Geld in Bil­dung inves­tiert wird? Wenn die Qua­li­tät der Leh­re nicht ver­bes­sert, son­dern gar nicht erst ernst genom­men wird?

Wer wird ein Kon­to bei einer Bank eröff­nen, ein Auto oder im Kauf­haus etwas kau­fen kön­nen, wenn er kein eige­nes Geld ver­die­nen kann, weil er kei­ne Aus­bil­dung anfan­gen kann? Wenn für das Stu­di­um und die Aus­bil­dung zu einem Beruf immer weni­ger Zeit bleibt?

Wie sol­len Schü­ler und Stu­den­ten aus­pro­bie­ren und ihre Nische fin­den, ihr Wis­sen fes­ti­gen und sich in ihrem Beruf sicher füh­len, wenn sie in 6 Semes­tern durch die Uni kata­pul­tiert wer­den? Was, wenn sie ihr Stu­di­um wegen feh­len­der finan­zi­el­le Unter­stüt­zung erst gar nicht anfan­gen kön­nen?

Es sind Fra­gen, die viel­mehr auch dar­auf auf­merk­sam machen, wie die Stu­den­ten bis jetzt mit ihrer Situa­ti­on umge­gan­gen sind: Der Groß­teil der Stu­den­ten nahm brav hin und zahl­te die Stu­di­en­ge­büh­ren, nahm einen Kre­dit auf oder brach das Stu­di­um ab.

Es tat sich nicht viel. Der gro­ße Ruck ging nicht durchs Land. Ein paar Pro­tes­te in den grö­ße­ren Uni-Städ­ten, ver­ein­zel­te Aktio­nen gegen Stu­di­en­ge­büh­ren, aber die gro­ße Mas­se an Stu­den­ten konn­te bis­her nicht mobi­li­siert wer­den, alle Mühen der Demons­tra­tio­nen blie­ben ver­ge­bens.

Jedoch gab es auch die Grün­dung ver­schie­de­ner Orga­ni­sa­tio­nen, die sich für eine bes­se­re Bil­dungs­lob­by ein­set­zen woll­ten und dies auch taten!

Und es scheint, dass die Initia­ti­ve – Bil­dungs­streik 09 – in die­sen Tagen die Früch­te ihrer Arbeit ern­ten kann. In bis zu 80 gro­ßen und klei­nen Städ­ten in Deutsch­land wird ab nächs­ter Woche in Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten gestreikt. Ab dem 15. Juni sind ver­schie­de­ne Aktio­nen geplant die ein Zei­chen set­zen sol­len – von Pla­kat­ak­tio­nen bis zu Debat­ten.

Chan­cen­gleich­heit in der Bil­dung, selbst­be­stimm­tes Ler­nen und die Ver­ant­wor­tung des Lan­des gegen­über der Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten sind nur ein Teil der For­de­run­gen.

An der Demons­tra­ti­on am 17. Juni wer­den rund 100.000 Schü­le­rIn­nen und Stu­den­tIn­nen erwar­tet. Auch Attac und die Bil­dungs­ge­werk­schaft GEW gab ihre Unter­stüt­zung bekannt.

Natür­lich ist auch ein Hauch von Skep­sis ange­bracht, ob die Demons­tra­tio­nen ihre Wir­kung nicht ver­feh­len? Ob vie­le weni­ge etwas aus­rich­ten kön­nen?

Ich sage, ja! Es ist an der Zeit und ange­bracht, sich ver­ant­wor­tungs­voll zu enga­gie­ren. Denn es muss ein Stein ins Rol­len gebracht wer­den. Nur dann nimmt die Öffent­lich­keit davon auch Notiz.

Man konn­te es in mei­ner Uni, der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Wein­gar­ten ganz deut­lich füh­len, dass die Zeit reif ist, sich für sei­ne Idea­le und sei­ne Zukunft ein­zu­set­zen. In der Voll­ver­samm­lung letz­te Woche fan­den knapp 300 Stu­den­ten zusam­men. Das sind immer­hin 10% der imma­tri­ku­lier­ten Stu­den­ten­schaft. Mit gro­ßem Inter­es­se hör­te man den Initia­to­ren des Bil­dungs­streiks 09 zu, die uns dar­über infor­mier­ten, wie der Stand der Din­ge ist und was zu erwar­ten ist, wenn die Situa­ti­on so bleibt wie sie ist. Sogar Pro­fes­so­ren waren von der Stim­mung wäh­rend der Kund­ge­bung begeis­tert und gaben durch die Blu­me ihre Unter­stü­zung bekannt.

Rücken­de­ckung gibt es nicht nur von Sei­ten der Gewerk­schaf­ten, auch die Uni­ver­si­tä­ten und Schu­len haben für den Bil­dungs­streik die Regeln gelo­ckert, aber auch kla­re Ver­hal­tens­re­geln fest­ge­legt! Nur mit Rücken­de­ckung kann der Bil­dungs­streik ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung sein.

Was sich im Bil­dungs­streik 09 alles live tun wird, kann man ab nächs­ter Woche nicht nur hier nach­le­sen!

Wer sich infor­mie­ren möch­te was in sei­ner Stadt geplant ist: bs.risiko09.de

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Besuch an der Ostküste

„Bet­ter late than never“, sagt der Nost­al­gi­ker. Oder der Bücher­jun­kie, der Bücher im Regal ste­hen hat, von deren Exis­tenz er bis dato gar nicht mehr wuss­te.

So gesche­hen bei Ricky Moo­dys „Gar­den Sta­te“.

Sein Roman­de­büt, das er Anfang der 90er schrieb, spielt in New Jer­sey, dem typi­schen Hei­le-Welt-Vor­ortstaat mit all sei­nen Gär­ten, den Häu­sern mit den wei­ßen Zäu­nen und den brach lie­gen­den Indus­trie­ge­bäu­den. Mit alten Lager­hal­len­rui­nen und alten Bars, die ver­raucht und vor allem ver­braucht sind. Irgend­wie zwi­schen New Eco­no­my und etwas ande­rem, was einen unter­schwel­lig ein biss­chen auf­rüt­telt, man aber nicht kon­kret benen­nen kann.

Es ist kein typi­sches „Coming of Age“-Romandebüt, die die Läu­te­rung des tra­gi­schen Losers zum Held beschreibt. Es ist eine eigen­wil­li­ge Milieu­stu­die, die das Leben von Mitz­wan­zi­gern so erzählt, wie es ist. Ali­ce, Den­nis und Lane leben das Vor­ort­le­ben, sind stän­dig unzu­frie­den und träu­men davon, eine Band zu haben. Musik als Kon­trast zum Leben in einem Vor­ort, der urba­nen War­te­schlei­fe.

Der Blick hin­ter die Fas­sa­de von Gar­den Sta­te ist unge­müt­lich und real beschrie­ben. Moo­dy beschö­nigt nichts und gera­de des­halb lohnt sich die­se klei­ne Buch so.

Wie lebt man zwi­schen dem Traum, eine Band zu grün­den, und der Rea­li­tät, sich im All­tag zurecht­fin­den? Was pas­siert, wenn Par­ties nicht so ganz lau­fen wie sie sol­len? Was pas­siert, wenn kei­ne Per­spek­ti­ve so rich­tig passt?

Direkt und unver­kitscht erschafft Moo­dy Wort­land­schaf­ten wie Pola­roids, deren ganz Moo­dy-typi­sche Lako­nie die Geschich­te einer Gene­ra­ti­on erzählt, die man bis­her über­se­hen hat, denn wer kann sich schon wirk­lich an die Neun­zi­ger erin­nern?

Erschie­nen im Piper Ver­lag ( € 8.90), bei jedem Bücher­dea­ler erhält­lich. Mit dem Film von Zach Braff hat das Buch nur den Titel gemein.

Wenn man dann ein klein wenig aus der Vor­stadt drau­ßen ist, lan­det man unwei­ger­lich auch in New York und damit am nächs­ten Schau­platz der „Ten­der Bar“ von J.R. Moeh­rin­ger.

Es han­delt sich hier­bei nicht um die Auto­bio­gra­phie von Dal­las oder J.R. und wer sein Mör­der war (Wer eigent­lich?), son­dern um eine sehr sphä­ri­sche, wit­zi­gen und schö­nen Geschich­te über das Erwach­sen­wer­den eines Jun­gen auf Long Island in den 60ern Ame­ri­kas.

Was bleibt einem Jun­gen anders übrig, wenn man eine Mut­ter hat, die mit Lügen die Moral auf­recht erhält, als sich in einer Bar vol­ler lie­bens­wür­di­ger Gestal­ten das Erwach­sen­wer­den bei­brin­gen zu las­sen?

J.R., der Prot­ago­nist, nimmt uns mit zu sei­nem ers­ten Base­ball­spiel, zum Strand mit den Män­nern aus dem „Dickens“, zeigt uns sei­nen ers­ten Job, sei­nen ers­ten Kuss und die ers­ten Träu­me. Erzählt uns von sei­nem Vater, der für ihn nur „die Stim­me“ aus dem Radio ist.

Man geht mit ihm zum ers­ten Mal in den Big Apple und erlebt die gro­ße Hek­tik der Stadt und wie es ist, für einen gro­ßen Traum alles zu ver­su­chen. Und vor allem, dass Tap­fer­keit und Träu­men doch hilft.

Erschie­nen im Fischer Ver­lag (9,95 €)

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Reimemonster

In mei­ner klei­nen Stadt pas­sie­ren ab und zu doch erstaun­lich tol­le Din­ge. Denn mei­ne klei­ne Stadt besitzt ein klei­nes Kul­tur­ki­no und macht die klei­ne Stadt etwas weni­ger pro­vin­zia­lisch als mache (also ich) immer den­ken.

Mei­ne klei­ne Stadt ist bekannt in der Sze­ne, in der Sze­ne namens Poet­rys­lam. Poet­ry­what? Poet­rys­lam, oder zu deutsch: Gedich­te­schlacht.

Poet­rys­lams sind Dich­ter­wett­kämp­fe, die es schon seit dem Mit­tel­al­ter und in moder­ner Form seit 1984 gibt. Meist fin­den sie auf klei­nen Büh­nen in klei­nen oder gro­ßen Städ­ten statt. Die Slam­mer tra­gen ihre eige­nen Tex­te vor und aus dem Publi­kum wird die Jury gemacht. Zack Bum!

Die Jury kann Punk­te von 0 – 10 für den Slam­mer geben und dar­aus ergibt sich dann die Punkt­zahl der jewei­li­gen Run­de. Die Punkt­zahl ent­schei­det, wer eine Run­de wei­ter ist. Wer eine Run­de wei­ter ist, ist meis­tens im Fina­le, bei dem das gesam­te Publi­kum schließ­lich durch ohren­be­täu­ben­den Applaus und Jubel den Sie­ger bestimmt.

Der Sie­ger ver­dient nicht nur Ruhm und Dich­ter­eh­re, nein, er gewinnt auch tra­di­tio­nell eine Fla­sche Whis­ky und in Zei­ten der Rezes­si­on so viel Geld, dass die Heim­rei­se gesi­chert ist.

Das Prin­zip ist ein­fach, der Weg zum Sieg aber nicht. Das schö­ne bei einem Slam ist: man wird 3 Stun­den lang mit Kopf­ki­no vom feins­ten unter­hal­ten. Das schlech­te dar­an: nicht jeder Kopf­ki­no­film ist auch ein Hit!

Es gibt Slam­mer, die sich vor­züg­lich dar­auf ver­ste­hen, ihr Publi­kum mit ihrem Text an die Hand und auf eine Rei­se mit­zu­neh­men, ihnen neu­en Wel­ten zei­gen und sie hin­ter­her am Aus­gang wie­der unbe­scha­det, aber glück­lich zurück­zu­ge­ben. Sie kön­nen mit Wör­ter spie­len, Sät­ze aus­ein­an­der klau­ben, alle Wort­wit­ze fin­den und so ver­pa­cken, dass man nicht denkt „Kenn ich schon, nächs­ter bit­te!“

Nein, man­chen Slam­mern gelingt es ganz oft, Sprach­ge­fühl, Rhyth­mus und Wort­akro­ba­tik so in eine Geschich­te zu ver­pa­cken, dass man ganz gebannt einem Men­schen sie­ben Minu­ten lang ins Gesicht glotzt und das einen gan­zen Abend lang.

Doch bei eini­gen Slam­mern kommt man schon ins Zwei­feln, denn Tex­te über sei­nen „Lieb­lings­dö­ner­frit­zen“ in schwä­bi­scher Mund­art kann bei so man­chem dann schon eine run­zeln­de Stirn her­vor­ru­fen. Man könn­te an die­ser Stel­le die­sen Tex­te „Lieb­lings­dö­ner­frit­zen“ zitie­ren, wor­auf ich aber zu Guns­ten der Leser­schaft bes­ser ver­zich­te.

Aber hier gilt, wie in so vie­len Berei­chen: Es ist noch kein Meis­ter vom Him­mel gefal­len und die meis­ten  Slam­mer wach­sen an ihren Wett­kämp­fen. Zumal auch der Poet­rys­lam nur durch ein demo­kra­ti­sches Sys­tem funk­tio­niert, was jedem die Chan­ce bie­tet, sich der Jury/​dem Publi­kum zu stel­len. Mit oder mit ganz viel Talent.

Soll­te in Eurer klei­nen oder gro­ßen Stadt ein Poet­rys­lam statt­fin­den, dann kann ich Euch nur emp­feh­len, die­ses Ereig­nis zu besu­chen. Denn es macht wirk­lich Spaß, ein­fach mal zu zuzu­hö­ren und sich auf einen Kopf­ki­no­film ein­zu­las­sen.

Wer nicht gern aus dem Haus geht, kann sich in regel­mä­ßi­gen Abstän­den im WDR am Sonn­tag­abend nach „Zim­mer frei!“ mit Kopf­ki­no, Dich­ter­wett­kämp­fen und sons­ti­gen Wort­spie­le­rei­en ver­gnü­gen.

Wer nicht gern fern­sieht, aber im Inter­net surft, fin­det auf You­tube die schöns­ten Poet­rys­lam-Per­len.

Rei­me­mons­ter 1: Sebas­ti­an Krä­mer

Rei­me­mons­ter 2: Phi­bi Reich­ling (der Gewin­ner in mei­ner klei­nen Stadt) 

In die­sem Sin­ne: Poe­ti­sche Weih­nach­ten!

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Wünsch Dir was

Ich bin ja immer ganz ent­zückt, wenn ich schö­ne Din­ge fin­de. Irgend­wie klar, ich bin ja auch ne Frau. Was aber nicht hei­ßen soll, dass Män­ner nicht ent­zückt sein müs­sen von schö­nen Din­gen. Die sagen dann halt, cool oder ähhh knor­ke, ne, ham­mer­geil dazu ;)

Jeden­falls, hab ich ges­tern mal ein wenig rum­ge­stö­bert und bei vimeo, dem sty­li­schen Äquvi­va­lent zu You­tube, ein sehr schö­nes Video gefun­den.

„What would you wish for, that should hap­pen by the end of today?“


Fif­ty Peo­p­le, One Ques­ti­on: Res­to­red from Ben­ja­min Reece on Vimeo

Was wür­de man sich denn wün­schen, was pas­sie­ren soll­te bis zum Ende die­ses Tages?

Ich wür­de mir glaub ich einen Geschich­ten-Vor­le­ser wün­schen, oder einen Unter­richts­stun­den-Pla­ner, oder Welt­frie­den und äh Eis für alle!

Mehr von Ben­ja­min Reece

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Tagewerk

Klas­si­ker oder kei­ne Klas­si­ker? Spie­gel-Best­sel­ler­lis­te oder doch lie­ber im Buch­la­den stö­bern? Eigent­lich ganz egal – die Haupt­sa­che ist doch: Bücher sol­len Freu­de machen und einen auf irgend­ei­ne Wei­se berei­chern.

Des­halb hier mein Buch­tipp für den Som­mer!

„Alle Tage“ von Teré­zia Mora

Nun, der Titel ver­rät – eigent­lich gar nichts, es wirft eher mehr Fra­gen auf. Auch das Cover ist außer tau­ben­grau nicht wirk­lich hilf­reich. Nein. Man muss sich schon selbst auf Ent­de­ckungs­rei­se bege­ben um her­aus­zu­fin­den war­um „Alle Tage“ so heißt, wie es heißt.

Man braucht aber ein wenig Geduld damit, um sich an einen ganz wun­der­bar neu­en und fil­mi­schen Schreib­stil zu gewöh­nen. Kur­ze Sät­ze. Bil­der und Emo­tio­nen pras­seln auf den Leser nie­der. Ver­wir­rend, mäan­dern­de Pas­sa­gen, selt­sa­me Geschich­ten und merk­wür­di­ge Men­schen kreu­zen den Weg. Ein klein wenig David Lynch hier und da. Aber man wird belohnt, belohnt mit einem Gefühl von Zufrie­den­heit. Man hät­te es schon viel frü­her lesen sol­len. Wirk­lich!

Es gab in mei­ner bis­he­ri­gen Leser­kar­rie­re kein Buch das einen schö­ne­ren und melo­di­sche­ren Anfang hat­te als die­ses, kön­nen Bücher melo­di­sche Anfän­ge über­haupt haben? Well… lest hier und urteilt selbst:

„Nen­nen wir die Zeit jetzt, nen­nen wir den Ort hier. Beschrei­ben wir bei­des wie folgt…“

Der Prot­ago­nist mit dem melo­di­schen Namen Abel Nema wird eines Tages, in einem Hin­ter­hof in einer Stadt die im Osten des Lan­des steht, tot auf­ge­fun­den. Nicht nur tot, son­dern kopf­über hän­gend von einem Gelän­der, ein wenig Fle­der­maus-like. Geüb­te Kri­mi­na­lis­ten oder sol­che die Kri­mis eher im Fern­sehn ver­fol­gen oder auch lesen, fra­gen sich natür­lich gleich. Wer wars? Und war­um? Und wie?

Nun, geklärt wird alles. Es ist aber mit­nich­ten ein Kri­mi im her­kömm­li­chen Sin­ne. Es ist über­haupt kein Kri­mi. Denn es gibt kei­nen Ermitt­ler oder einen Mord aus Lei­den­schaft oder graue Mafio­si oder Hin­ter­män­ner. Nein.

Der Ermitt­ler, nen­nen wir ihn Ent­de­cker von Abels Welt, ist der Leser selbst.

Man ent­deckt also die­sen Abel Nema und auch das er ein Genie ist. Er stammt aus dem Osten der Welt, aller­dings kann nicht mehr zurück, denn dort herrscht Krieg. Er lernt Spra­chen wie ande­re das Lau­fen, am Ende sind es zehn. Er fin­det eine Frau mit Namen Mer­ce­des und begibt sich mit ihr in eine Schein­ehe. Sein ein­zi­ger Freund ist Omar, Mer­ce­des‘ Sohn.

Doch Abel Nema fin­det kei­ne Ruhe, denn die Sehn­sucht ist immer stär­ker als er, sie lässt ihn nicht los und bringt ihn immer wei­ter weg und wie­der zurück. Bis es zu Ende ist. Auf sei­nem Weg begeg­net er vie­len Men­schen und man­che keh­ren immer mal wie­der zurück. Doch was man immer spürt, ist die Ein­sam­keit die Abel Nema ver­spürt, ob er gera­de in Beglei­tung ist oder in einem Zug sitzt, oder in einem Park.

Doch das soll jetzt nicht nach Depres­si­on klin­gen oder nach Dau­er­me­lan­cho­lie. Nein. Es ist eher eine Geschich­te die dem Leser eine Welt, jen­seits unse­rer zeigt, die es gibt und in der Geschich­ten wie Abels pas­sie­ren kön­nen. Bücher, die einem einen Mensch beschrei­ben, der so ganz ander ist als die Prot­ago­nis­ten, die wir toll fin­den. Es ist eher der Anti-Prot­ago­nist, den man gern hat und man weiß nicht so genau war­um.

Noch schnell was zur Autorin: Teré­zia Mora, ist in Ungarn gebo­ren und stu­dier­te Hun­ga­ro­lo­gie und Thea­ter­wis­sen­schaf­ten in Ber­lin. Arbei­tet heu­te als Schrift­stel­le­rin und Dra­ma­ti­ke­rin.

Noch schnell was zum Buch: Mit 10 Ören ist man dabei. Gibt es im Han­del, seit kur­zem auch auf Eng­lisch – dort heißt es „Day in Day out“. Und natür­lich als Hör­buch für ein paar mehr Öre.

Was war euer schöns­ter Buch­an­fang? Kennt ihr das Buch schon?  Habt ihr Buch­tipps? Immer her damit!

Auf wie­der­le­sen, eure Nischen-Anni­ka! Schö­nen Som­mer =)

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Literatur Kultur

Nischenkultur

Nischen. Klin­gen so nach Eck­sitz­bank im Rei­hen­haus, oder?

In Nischen fin­den sich jedoch aller­hand Sachen wie­der, ver­ges­se­ne Cent Stü­cke, wich­ti­ge Zet­tel auf denen noch wich­ti­ge­re Din­ge notiert sind, Keks-Krü­mel oder die letz­ten Pani­ni-ein­kle­be-Bil­der der WM. Doch Nischen kön­nen auch wah­re Fund­gru­ben sein.

Nun, genau für die­se Fund­gru­ben wur­de ich gefragt, zu schrei­ben. Ich soll was über Kunst, Kul­tur und Lite­ra­tur schrei­ben, die man so im Netz oder auf der Stras­se oder beim stö­bern im Regal fin­det.

Also sowas wie ein Fund­gru­ben­spür­hund oder so?

Nun, mit der Kunst und der Kul­tur ist das ja so eine Sache. Was der eine mag, fin­det der ande­re dane­ben, und umge­kehrt. In der Kunst ist das meis­te näm­lich alles Inter­pre­ta­ti­ons­sa­che.

Well, um es dem Leser und auch mir ein wenig ein­fa­cher zu machen, fan­gen wir ein­fach am Anfang an – und am Anfang der Kunst war der Gedan­ke – die Inspi­ra­ti­on. Das ist sozu­sa­gen das wich­tigs­te für krea­ti­ve Pro­zes­se im All­ge­mei­nen und das ent­ste­hen von Kunst über­haupt!

Inspi­ra­ti­on lässt sich „Künst­ler-sei-Dank“ in vie­len Berei­chen fin­den, eigent­lich unter jedem Stein wenn man so will. Sei es das Graf­fi­ti an der Haus­wand gegen­über, alte Kind­heits­hel­den oder eben doch Künst­ler über die man irgend­wo gestol­pert ist.

Eine Künst­le­rin über die ich die­ses Jahr gestol­pert bin, hat ihre gan­ze eige­ne Art Inspi­ra­ti­on zu wecken. In meh­re­ren, wirk­lich bezau­bern­den Bücher, auf ihre­re Web­site oder auch dem Bild­por­tal Flickr hält sie ihre Kunst fest. Sie heißt – Keri Smith.

Die kana­di­sche Künst­le­rin hat ihre Anfän­ge als Illus­tra­to­rin gesam­melt und arbei­tet heu­te für vie­le renom­mier­te Ver­la­ge und Agen­tu­ren. Vor allem aber arbei­tet Sie als akti­ve Künst­le­rin. Sie selbst, bezeich­net sich als Gue­ril­la Artist.

Was Keri Smith so beson­ders macht, ist ihr Ver­ständ­nis von Kunst und die Art und Wei­se mit der sie nicht nur ihre Kunst­wer­ke her­stellt, son­dern auch Kunst zugäng­lich für ande­re macht und anregt selbst krea­tiv zu sein! Do Art!

Des­halb ist ihr Buch/​Journal „Wreck This Jour­nal“ ein klei­nes Geschenk an jeden, der mit Büchern alles das anstel­len möch­te, was es mög­lichst krea­tiv kaputt macht. Es ist gar nicht so ein­fach die Auf­ga­ben zu erfül­len, weil das Buch fast zu scha­de ist um es zu zer­stö­ren – aber genau das ist der Punkt!

So schön wie jetzt sieht es bald nicht mehr aus. Nach dem man Löcher durch die Sei­ten gebohrt hat, eine Sei­te beer­digt, die Sti­cker von Früch­ten dar­in gesam­melt, mit Essens­res­ten drin rum­ge­saut und mit dem Buch geduscht hat – wird es wohl dop­pelt so groß sein und nicht mehr so schön im Regal aus­se­hen.

Ist nicht schlimm, ist ja alles für die Kunst und für die Inspi­ra­ti­on sel­ber noch mehr sol­che Sachen zu erfin­den.

Wreck This Journal (Foto: Annika Krüger) Wreck This Journal (Foto: Annika Krüger)

Soviel zur ers­ten erkun­de­ten Nische. Auf Wie­der­le­sen, Ihr Fund­gru­ben­spür­hund!!!

Keri Smith – Wreck This Jour­nal
Pen­gu­in Books
12,95 $ (ca. 7 €)

www.wreckthisjournal.com