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Lokalredaktionsrunde

Sven Gös­mann, Chef­re­dak­teur der „Rhei­ni­schen Post“, erklärt im Inter­view mit dem Düs­sel­dorf Blog, war­um sei­ne Zei­tung gera­de neue Lokal­re­dak­tio­nen auf­ge­macht hat (was sonst eher sel­ten pas­siert), und erklärt ganz neben­bei das Erfolgs­ge­heim­nis des „mit Abstand erfolg­reichs­ten natio­na­len Online­por­tals einer deut­schen Regio­nal­zei­tung“ (gemeint ist „RP Online“):

Nur BILD, Süd­deut­sche und FAZ lie­gen mit ihren Online-Auf­trit­ten vor rp-online. Wie wol­len Sie sich online behaup­ten bzw. Ihre Posi­ti­on noch ver­bes­sern und die Zahl der Page Impres­si­ons (PI’s) von der­zeit 51 Mio. monat­lich stei­gern?

Sven Gös­mann: Durch gute Inhal­te, eine kon­ti­nu­ier­li­che tech­ni­sche und jour­na­lis­ti­sche Ent­wick­lung, eine intel­li­gen­te Bewer­bung des Auf­tritts in der Zei­tung (wie auf den neu­en Lokal­sei­ten). Online ist kein Kon­kur­rent der Zei­tung, son­dern bei­de Kanä­le ergän­zen sich.

In wel­che Rich­tung die kon­ti­nu­ier­li­che Ent­wick­lung gehen soll, hat er frei­lich nicht gesagt.

[via Medi­en­le­se]

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Keine Kausalität

„Spie­gel Online“ hat ein Inter­view mit dem Kri­mi­na­lis­ten Ste­phan Har­b­ort geführt, der gera­de ein neu­es Buch zum The­ma Seri­en­mör­der ver­öf­fent­licht hat.

Die Ein­lei­tung des Arti­kels sieht so aus:

Serienkiller-Buch: "Lotterie des Todes". Weiblich, ledig, arglos: Der Kriminalist Stephan Harbort analysiert in seinem neuen Buch, was für Menschen deutschen Serienmördern zum Opfer gefallen sind. Mit SPIEGEL ONLINE spricht der Polizist nun erstmalig darüber, welche Personen wo und wann besonders gefährdet sind.

Und so spricht der Poli­zist dar­über, wel­che Per­so­nen wo und wann beson­ders gefähr­det sind:

Harbort: In der Mehrzahl der Fälle sind die Opfer von Serienmördern weiblich, ledig und stammen eher aus dem sozial schwachen Milieu. Daraus sollte man jedoch keine Kausalität herleiten und sagen, wer diese Merkmale auf sich vereint, der ist besonders gefährdet. Dafür sind sie zu unspezifisch, außerdem spielt der Zufall eine zu große Rolle.

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Musik

Gar nicht nachdenken, so

Die Band Pan­da („Hit“: „Jeht Kacken“) steht nicht unbe­dingt ganz oben auf mei­ner Lis­te „Gute Nach­wuchs­bands aus Deutsch­land“. Sie steht nicht mal in der Mit­te mei­ner Lis­te „Mit­tel­gu­te Nach­wuchs­bands aus Ber­lin“. In Wahr­heit steht sie auf kei­ner sol­chen Lis­te, weil ich gar kei­ne füh­re.

Des­halb kom­men mir media­le Erwäh­nun­gen von Pan­da eher ver­se­hent­lich unter, so wie vor­hin, als ich per ICQ auf ein höchst ver­gnüg­li­ches Video auf­merk­sam gemacht wur­de, das das Jugend­ma­ga­zin „Flu­ter“ im ver­gan­ge­nen Dezem­ber mit Pan­da gedreht hat.

Dre­hen Sie ihre PC-Boxen etwas lau­ter (der Ton ist sehr lei­se) und … äh … hören Sie ein­fach zu:

[Direkt­link]

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Digital

You talkin‘ to me?

Ich fin­de es nach wie vor hoch­gra­dig selt­sam, wenn Leu­te mich um ein Inter­view bit­ten. Ich habe in mei­nem Leben bestimmt schon über hun­dert Inter­views geführt, da ist es eine merk­wür­di­ge Erfah­rung, plötz­lich auf der ande­ren Sei­te zu hocken.

Sophie von thekilians-anhaenger.de – einer, wie Sie rich­tig ver­mu­ten, Kili­ans-Fan­sei­te – hat aber nett nach­ge­fragt und da ich in Sachen Kili­ans ja vor bei­na­he nichts zurück­schre­cke, habe ich mich ger­ne in mei­ner Eigen­schaft als Kili­ans-Anhän­ger befra­gen las­sen.

Das Inter­view fin­den Sie hier.

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Rundfunk

Mehr Sauerstoff!

Bevor ich mor­gens das Haus ver­las­se, schaue ich ger­ne ein wenig unver­fäng­li­ches Fern­seh­pro­gramm. Heu­te Mor­gen blieb ich bei „Vol­le Kan­ne“ im ZDF hän­gen, wo das Volks­mu­si­kan­ten­duo Mari­an­ne & Micha­el zu Gast war. In die­ser gänz­lich unvolks­tüm­li­chen Atmo­sphä­re waren mir die bei­den – er der Typ ober­kor­rek­ter Hote­lier, sie die leicht über­dreh­te Mut­ter dane­ben – auf Anhieb sym­pa­thisch.

Nach kur­zem Geplän­kel über die Ver­lei­hung der „Gol­de­nen Hen­nen“ ging Mode­ra­to­rin Andrea Ball­schuh gleich zum trost­lo­sen Tages­ge­sche­hen über und bald ent­spann sich ein Gespräch vol­ler Über­ra­schun­gen und Weis­heit über Sau­er­stoff, Klapp­mes­ser und den Über­wa­chungs­staat.

Ein Pro­to­koll:

Ball­schuh: „Eine Sache, über die heu­te jeder spricht, Sie haben’s sicher auch in den Nach­rich­ten gehört: Die Poli­zei ver­ei­telt ein Mas­sa­ker an einer Köl­ner Schu­le. Und das ist ja nicht das ers­te gewe­sen: Am Don­ners­tag wur­de aus Angst vor ’nem Amok­lauf ’ne Schu­le in Mainz geschlos­sen, in Syke bei Bre­men gab’s Dro­hun­gen an einer berufs­bil­den­den Schu­le, wir den­ken alle auch noch an die­sen schreck­li­chen Amok­lauf in Finn­land, wo ein acht­zehn­jäh­ri­ger Schü­ler acht Men­schen erschos­sen hat. Da greift man sich doch annen Kopf und fragt sich: Was ist hier mit die­ser Jugend los, was pas­siert da? Ihr seid ja auch Eltern von zwei erwach­se­nen Söh­nen …“
Micha­el: „Ja!“
Ball­schuh: (seufzt)
Micha­el: „Man redet nicht mit denen.“
Ball­schuh: „Ja, nee, das isses wohl?“
Micha­el: „Ich glau­be, dass die sich unver­stan­den füh­len, dass viel­leicht auch die andern in der Dis­kus­si­on nicht die Ruhe haben um zuzu­hö­ren und das aus­ein­an­der zu klabus­tern, was das tat­säch­lich ist, son­dern man nimmt halt dann Alko­hol.“
Mari­an­ne: „Oder sie wach­sen in einer Welt auf, in Video­di­men­sio­nen, sie sehen irgend­et­was und haben dann noch die­ses fal­sche Umfeld, fal­sche Freun­de und … äh, ja, man, die Eltern, des ist ein­fach ’ne schwie­ri­ge Zeit, reden mit den Kin­dern net, ver­ste­hen sie auch nicht, ham gar kei‘ Zeit womög­lich und … öh …“
Micha­el: „Sie kön­nen sich auch nicht aus­ar­bei­ten.“
Mari­an­ne: „… da natür­lich …“
Micha­el: „Also kör­per­lich. Die Betä­ti­gung, die man kör­per­lich nor­ma­ler­wei­se macht, …“
Mari­an­ne: „Sport fehlt jetzt auch!“
Micha­el: „In der Schu­le fehlt der Sport, in der Schu­le fehlt Gesang, Musik, was auch immer. ’s ist ganz wich­tig, weil das macht frei. Da kommt genü­gend Sau­er­stoff in die Zel­len, das macht dann locke­rer, leich­ter und viel­leicht auch nicht so aggres­siv.“
Ball­schuh: „Wie seid Ihr mit Euern, ich mein Eure Söh­ne sind inzwi­schen erwach­sen, ja …“
Mari­an­ne: „Es war auch ’ne schwie­ri­ge Zeit, eine ganz schwie­ri­ge Zeit.“
Ball­schuh: „Inwie­fern?“
Mari­an­ne: „Ja, die war’n natür­lich auch auf­müp­fig gegen uns und … Na klar, und wir hat­ten auch unse­re Sor­gen und Nöte und waren froh, als sie wie­der ver­nünf­tig wur­den, dass sie die­se Zeit eini­ger­ma­ßen unbe­scha­det über­stan­den haben. Äh, da kommt auch ’n schlech­ter Ein­fluss von Freun­den, da kannst Du dich gar net weh­ren, wenn die die wol­len, wenn die mit die­sen Leu­ten rum­ren­nen, äh, und …“
Micha­el: „Ja und die Kin­der sind ab Acht­zehn voll­jäh­rig, das heißt sie sind für alles selbst haft­bar, das heißt sie kön­nen machen, was sie wol­len. Obwohl sie …“
Ball­schuh: „Aber Ihr seid zumin­dest noch durchs Reden an sie ran­ge­kom­men?“
Micha­el: „Ja!“
Ball­schuh: „Genau, dar­um geht’s: das Reden.“
Micha­el: „Das ist mir auch ganz, ganz wich­tig!“
Mari­an­ne: „Ach, es ist ganz schwie­rig, also es ist ganz, ganz schwie­rig und ich kann mir auch vor­stel­len, die Situa­ti­on jetzt in den Schu­len, die wer­den ja alle über­wacht, mir ham ja jetzt a‘ schon Über­wa­chungs­staat, …“
Micha­el: „Ja.“
Mari­an­ne: „… jetzt sind die Video­ka­me­ras schon, Du musst ja schon Angst haben, was Du sagst!“
Micha­el: „Nein, nein, son­dern man nimmt jetzt ja jeden Jugend­li­chen in irgend­ei­ner Form ins Visier und sagt da, jeder ist a poten­ti­el­ler Geg… äh: Täter.“
Mari­an­ne: „Des ist a Kata­stro­phe!“
Ball­schuh: „Mmmm-hhhhh …“
Micha­el: „Des find ich auch a bissl, also total für mich über­trie­ben, also ich glau­be, dass da scho‘ was dran war, aber so, so, so Soft­pis­to­len oder sonst irgend­was, also da san die meis­ten Kin­der und Jugend­li­chen, die die­ses Ding dahoam ham, ent­we­der kaufen’s die Eltern oder Oma und Opa, oder sie kaufen’s vom Taschen­geld, also …“
Mari­an­ne: „Ich kann mi no‘ erin­nern, da ging’s um die­ses komi­sche Klapp­mes­ser.“
Micha­el: „Ja.“
Mari­an­ne: „Was ham wir mit unse­ren Buben damals in der Puber­tät dis­ku­tiert, aber jeder woll­te so ’n dep­per­tes Klapp­mes­ser haben, was da so raus …“
Micha­el: „Ja, alle hat­ten eins, also auch mei­ne.“
Ball­schuh: „Ja, heu­te hat man kein Klapp­mes­ser, heu­te hat man Pis­to­len, ja?“
Mari­an­ne: „Ja, furcht­bar …“
Micha­el: „Ja ja, so unge­fähr.“

Den gan­zen Talk kann man sich auch noch ein­mal in der ZDF-Media­thek anse­hen.

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„My Rice“: Travis werfen Sack um

Haben Sie sich je gefragt, wie eigent­lich die­se idio­ti­schen Mel­dun­gen „Pro­mi X hat Y gesagt“ auf der „Vermischtes“-Seite Ihrer Tages­zei­tung und auf der Start­sei­te von „Spie­gel Online“ ent­ste­hen?

Ich erklär Ihnen das mal gera­de anhand eines Bei­spiels: Der „Mann­hei­mer Mor­gen“ hat anläss­lich des anste­hen­den Tra­vis-Kon­zerts in Mann­heim ein Inter­view mit Tra­vis-Sän­ger Fran Hea­ly geführt. Dar­in kam auch der fol­gen­de Dia­log vor:

Sie sind mit einer Deut­schen ver­hei­ra­tet. Besu­chen Sie Deutsch­land auch pri­vat?

HEALY: Sie wer­den lachen: Nächs­tes Jahr zie­hen wir nach Ber­lin. Unser Sohn ist in einem Alter, wo Müt­ter gern zuhau­se sein wol­len. Der Boss hat also gespro­chen. Wir fol­gen.

Ber­lin war ja ein span­nen­des Pflas­ter für bri­ti­sche Musi­ker. Man den­ke an David Bowie oder U2 …

HEALY: Ja, wir wer­den uns die Han­sa Stu­di­os auch mal anschau­en. Über­haupt zie­hen jetzt vie­le Künst­ler nach Ber­lin. Mein Freund Anton Cor­bi­jn, mein Lon­do­ner Stu­dio-Nach­bar Her­bert Grö­ne­mey­er und sein Pro­du­zent Alex Sil­wa. Das ver­än­dert eine Stadt. Bis jetzt spü­re ich immer viel Trau­rig­keit in Ber­lin, da kann die Injek­ti­on von Krea­ti­vi­tät viel­leicht Abhil­fe schaf­fen. Viel­leicht wird Ber­lin – wie in der Ver­gan­gen­heit schon mal – das New York von Euro­pa.

Die Redak­ti­on des „Mann­hei­mer Mor­gens“ fand die­se Aus­sa­ge wohl eini­ger­ma­ßen span­nend und gab über dpa eine Pres­se­mit­tei­lung her­aus, in der im wesent­li­chen genau die­se Zita­te drin ste­hen.

Nun kann man sol­che Mel­dun­gen als Grund­la­ge nut­zen, selbst noch ein biss­chen recher­chie­ren und schon hat man einen infor­ma­ti­ven klei­nen Text, den man z.B. im „Tages­spie­gel“ ver­öf­fent­li­chen kann. Man kann aber auch ein­fach die Mel­dung mehr oder weni­ger modi­fi­ziert dafür nut­zen, sei­ne Zei­tung zu fül­len oder sei­ne Zugriffs­zah­len zu erhö­hen. Und dann fra­gen sich hin­ter­her alle, war­um die­ser ein­ge­bil­de­te Rock­star sei­ne per­sön­li­chen Umzugs­plä­ne für so wich­tig hält, dass er sie in jeder Zei­tung her­aus­po­sau­nen muss.

Es geht aber noch unspek­ta­ku­lä­rer: Fran Hea­ly hat in einem Inter­view mit dem Radio­sen­der XFM „zuge­ge­ben“, dass die Akkor­de zu „Wri­ting To Reach You“ vom ’99er Tra­vis-Album „The Man Who“ von Oasis‘ „Won­der­wall“ abge­schrie­ben sei­en. Und – Zack! – ist auch das eine Mel­dung wert.

Das wäre wohl kaum jeman­dem auf­ge­fal­len. Außer den Lesern von Q Magazine’s 1001 Grea­test Songs (Novem­ber 2003), den Hörern von Dean Grays „Bou­le­vard Of Bro­ken Songs“ (Okto­ber 2004), den Nut­zern der Indiepe­dia (Okto­ber 2005) und irgend­wel­chen Men­schen, die kei­nen Broc­co­li in den Ohren haben.

P.S.: Völ­lig rat­los sit­ze ich noch vor die­ser Über­schrift: „Tra­vis: „Mei­ne Augen“ nun auch drau­ßen“

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Rundfunk Sport Radio Musik

Die Schönheit des Scheiterns

Bei man­chen Musi­kern sind die Inter­views, die sie zur Ver­öf­fent­li­chung eines neu­en Albums geben, span­nen­der als die Musik selbst. Bei ande­ren Musi­kern ist die Musik so toll und ein­zig­ar­tig, dass sie gar nichts mehr zu sagen bräuch­ten – und manch­mal auch gar nichts zu sagen haben.

Die­se Erfah­rung muss­te auch Luke Bur­bank von NPR machen, der Sigur Rós im Stu­dio hat­te. Zuge­ge­ben: Sei­ne Fra­gen waren nicht unbe­dingt die bes­ten (man lernt doch am ers­ten Tag, dass man kei­ne Fra­gen stel­len soll, auf die man mit „Ja“ oder „Nein“ ant­wor­ten könn­te), aber das, was sich aus die­sem „Gespräch“ ent­wi­ckelt, ist schon ziem­lich desas­trös und somit unter­halt­sam.

Any­way, last Fri­day the band show­ed up prompt­ly at 11am (EDT) and com­men­ced to give what is pos­si­bly the worst inter­view in the histo­ry of elec­tro­nic media.

Serious­ly.

It was that bad.

Zwar bin ich mir nicht sicher, ob Bur­banks Ein­schät­zung rich­tig ist, aber „nicht son­der­lich gut“ war das Inter­view auf alle Fäl­le.

Und weil NPR so mul­ti­me­di­al und zukunfts­wei­send ist, kann man sich das Radio-Inter­view nicht nur anhö­ren, son­dern auch anse­hen. Und das alles hier.

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Musik Rundfunk

Sternstunden der Hörfunkgeschichte

Bratwurst, Messdiener, Photosynthese, Körperfettwaage

Simon den Har­tog hat am Mon­tag­abend einen Kas­ten Bier gewon­nen.

Die obi­gen Begrif­fe erreich­ten den Sän­ger der Kili­ans kurz vor sei­nem Live-Inter­view bei „Eins­Li­ve Plan B“ per SMS. Wenn er alle vier ins Gespräch ein­flie­ßen las­se, bekom­me er von mir einen Kas­ten aus­ge­ge­ben, schrieb ich ihm. Er ant­wor­te­te nur „Dann hör genau hin mein lie­ber!“, und hau­te sie alle nach­ein­an­der raus.1 Da der Kon­text mit­un­ter etwas gewagt war, wer­den ihn eini­ge Hörer nun für völ­lig durch­ge­knallt hal­ten. Für mich ist er mein Held des Tages.

Und für den Kas­ten zitie­re ich ger­ne einen wei­te­ren Hel­den, näm­lich den gro­ßen Ben Folds, der sei­ne Sach­be­schä­di­gung am Flü­gel in der Ber­li­ner Colum­bia­hal­le vor zwei Jah­ren wie folgt kom­men­tier­te: „I’m hap­py to pay for it!“

1 Ger­ne wür­de ich auf einen Pod­cast der Sen­dung oder einen ähn­li­chen Audio­be­weis ver­lin­ken, aber Eins­Li­ve, der cra­zy-coo­le Jugend­sen­der des WDR, hat sol­che tech­ni­schen Spie­le­rei­en offen­bar noch nicht im Ange­bot.

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„You can say ‚you‘ to me!“

Die Anre­de im Eng­li­schen öff­net Miss­ver­ständ­nis­sen Tür und Tor. Da ist zum einen die Sache mit den Vor­na­men, die kürz­lich in mei­nem neu­en Lieb­lings-Blog USA Erklärt sehr anschau­lich beschrie­ben wur­de (nun ja, ‚anschau­lich‘ ist das fal­sche Wort für einen Sach­ver­halt, der in sei­ner Kom­ple­xi­tät der Kern­spal­tung in nichts nach­steht – dann eben ‚gut beschrie­ben‘). Zum ande­ren ist da die Sache mit dem Per­so­nal­pro­no­men „you“, das Deut­sche schon mal als „Du“ ver­ste­hen, und sich des­halb freu­en oder wun­dern, dass sich die Nati­ve Spea­k­er des Eng­li­schen alle duzen. Die Wahr­heit ist ungleich kom­ple­xer. Ganz knapp: Der eng­li­schen Spra­che ist das „Du“ („thou“/„thy“) im Lau­fe der Jahr­hun­der­te abhan­den gekom­men und exis­tiert heu­te nur noch in Shakespear’schen Dra­men, der Bibel und ähn­li­chen Tex­ten frü­he­rer Tage.

War­um die­se läng­li­che Ein­lei­tung aus dem Bereich der Sprach­wis­sen­schaf­ten? Zum einen habe ich vor weni­gen Tagen einen Stu­di­en­ab­schluss in Anglis­tik erlangt, zum zwei­ten muss man sich die­se Situa­ti­on vor Augen füh­ren, wenn es um die schwie­ri­ge Arbeit der Inter­view-Über­set­zung in deutsch­spra­chi­gen Redak­tio­nen geht.

Dirk Peitz hat für jetzt.de ein Inter­view mit Fran Hea­ly und Dou­gie Pay­ne von Tra­vis geführt. Die Musi­ker wer­den sich mit „Hi, I’m Fran“ bzw. „Hel­lo, I’m Dou­gie“ vor­ge­stellt haben (obwohl sie davon aus­ge­hen kön­nen, dass ein Inter­view­er wenigs­tens die Namen sei­ner Gesprächs­part­ner kennt – sie sind eben gut erzo­gen) und im Gespräch wird man sich, wie all­ge­mein üblich, mit „you“ ange­spro­chen haben. Da Inter­views grund­sätz­lich in über­setz­ter Form gedruckt wer­den, muss­te nun das eng­li­sche Gespräch in einen deutsch­spra­chi­gen Text umge­wan­delt wer­den, und irgend­je­mand kam bei der frü­he­ren Jugend­bei­la­ge der SZ auf die Idee, man kön­ne doch die Musi­ker in der Über­set­zung ein­fach mal sie­zen.

Das kann man machen, um sich so von vor­ne­her­ein vom Vor­wurf der Anbie­de­rung frei­zu­ma­chen. Man kann es auch machen, um sei­nen Gesprächs­part­nern den nöti­gen Respekt zu erwei­sen (schon Max Goldt hat sich in sei­nem Text „Was man nicht sagt“ dafür aus­ge­spro­chen, Musi­ker nicht als „Jungs“ und „Mädels“ zu bezeich­nen – sie zu sie­zen wäre also auch nur kon­se­quent). Man kann es sogar machen, um zu bewei­sen, dass man das mit dem „Du“ und „Sie“ im Eng­li­schen sehr, sehr gut ver­stan­den hat. Aber egal, wie die Grün­de gelau­tet haben mögen, sie wer­den bei den (zumeist jugend­li­chen) Lesern Ver­wir­rung aus­lö­sen:

SZ: Sie haben sich fast vier Jah­re Zeit gelas­sen, um Ihr neu­es Album auf­zu­neh­men. Was haben Sie so lan­ge getrie­ben?

Fran Hea­ly: Es gibt die­ses Sprich­wort im Musik­ge­schäft: Für dein ers­tes Album brauchst du 23 Jah­re, doch für jedes wei­te­re geben dir die Plat­ten­fir­men nur noch sechs Mona­te.

„Mut­ti, war­um siezt der Jour­na­list die­sen ver­eh­rens­wer­ten Musi­ker und die­ser Rock­star-Stof­fel duzt dann ein­fach zurück?“, wer­den natür­lich die wenigs­ten Zahn­span­gen­trä­ge­rin­nen mor­gen am Früh­stücks­tisch ihre Stu­di­en­rä­tin-Mut­ter fra­gen. Täten sie es nur! Die Mut­ti wür­de erst den gan­zen Ser­mon, den ich oben schon geschrie­ben habe, wie­der­ho­len, und dann erklä­ren, dass „you“ ja auch für „man“ ste­hen kann und das Sprich­wort von wirk­lich umsich­ti­gen Redak­teu­ren des­halb mit „Für sein ers­tes Album braucht man 23 Jah­re, doch für jedes wei­te­re geben einem die Plat­ten­fir­men nur noch sechs Mona­te“, über­setzt wor­den wäre. Viel­leicht wür­de sie aber auch nur sagen: „Gabrie­le, iss Dei­ne Cerea­li­en und frag das Dei­nen Eng­lisch­leh­rer, den fau­len Sack!“

Absur­der als das auf­ge­führ­te Bei­spiel ist übri­gens die Ange­wohn­heit der Redak­ti­on des sehr guten Inter­view­ma­ga­zins Galo­re, jede auf­kom­men­de Anre­de in ein „Sie“ umzu­wan­deln. Die­se auto­ma­ti­sier­te Anglei­chung flog spä­tes­tens auf, als Cam­pi­no, der ja nun wirk­lich jeden duzt, den Inter­view­er plötz­lich mit „Sie“ ansprach.
Noch absur­der war der Auf­tritt von Jan Ull­rich bei Rein­hold Beck­mann. Aber das lag nicht nur an der Schief­la­ge in den Anre­den.

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„Es gibt doch nichts Schlimmeres als nervende B‑Promis.“

Wie jeder Fuß­ball- und Nicht-Bay­ern-Fan, so habe natür­lich auch ich eine ordent­li­che Abnei­gung gegen den FC Bay­ern Mün­chen. Wie vie­le ande­re Nicht-Bay­ern-Fans hege aber auch ich gro­ße Sym­pa­thien für Meh­met Scholl. Der Mit­tel­feld­spie­ler, der sich auch als Sam­pler-Kom­pi­lie­rer einen Namen gemacht hat, been­det heu­te sei­ne Kar­rie­re als Pro­fi­fuß­bal­ler.

Grund genug für die Süd­deut­sche Zei­tung, noch ein­mal ein aus­führ­li­ches Inter­view mit ihm zu füh­ren – auch wenn er sonst ungern Inter­views gibt:

Ich woll­te mich eben nur dann äußern, wenn ich auch etwas zu sagen habe. Ich woll­te das Gefühl haben, dass mir jemand zuhört. Vie­le Leu­te geben Inter­views nicht, weil sie was zu sagen haben, son­dern weil sie wo erschei­nen möch­ten. Sie bezie­hen ihren Markt­wert daher und wer­den mit Wer­be­ver­trä­gen belohnt. Das ist in Ord­nung. Aber nichts für mich.

Es ist ein Anek­do­ten­rei­ches, selbst­kri­ti­sches und ver­söhn­li­ches Inter­view, das ein­mal mehr das Bild bestä­tigt, das man von Meh­met Scholl all­ge­mein so hat: Ein Typ, den man in einer Knei­pe erst auf den zwei­ten Blick ent­deckt, dem man ein Bier aus­ge­ben und sich nett mit ihm unter­hal­ten wür­de.

Mir ging es um den Erhalt einer gewis­sen Lebens­qua­li­tät – und zudem dar­um, den Leu­ten nicht auf die Ner­ven zu gehen. Es gibt doch nichts Schlim­me­res als ner­ven­de B‑Promis.

Es ist aber auch nicht zuletzt des­halb ein tol­les Inter­view, weil man sich die Sze­ne­rie (zwei­ein­halb Stun­den im Restau­rant, am Neben­tisch sitzt Ste­fan Effen­berg nebst Gat­tin) so leb­haft vor­stel­len kann – inklu­si­ver der ungläu­bi­gen Bli­cke der SZ-Redak­teu­re bei die­ser Sze­ne:

Meh­met Scholl: Stellt’ euch mal vor, ich täusch’ an und lau­fe auf Uli Hoe­neß auf. Dann sin­ke ich wie die Tita­nic!

SZ: Das will ja kei­ner. Wo wer­den Sie dann künf­tig Ihren Spiel­trieb aus­le­ben?

Meh­met Scholl: Kegeln wer­de ich.

SZ: KEGELN?

Ich wün­sche Meh­met Scholl, dass er heu­te noch mal ein Tor schießt (es wäre sein ers­tes in die­ser Sai­son) – und nur sei­net­we­gen dür­fen die Bay­ern heu­te aus­nahms­wei­se mal gewin­nen.

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Musik Print

„Viel schlimmer ist doch, dass mittlerweile jede Putzfrauenstelle übers Fernsehen gecastet wird.“

Wer sich für groß­ar­ti­ge Sät­ze von groß­ar­ti­gen Musi­kern begeis­tern kann, dem sei der aktu­el­le Musik­ex­press (Mai 2007) wärms­tens ans Herz gelegt. Auf lei­der nur einer Sei­te befragt Jan Wig­ger Peter Hein von den Fehl­far­ben – und der sagt so vie­le tol­le Sachen, dass man gar nicht mehr weiß, wel­chen Spruch man sich dem­nächst auf ein T‑Shirt (wohl vor­sichts­hal­ber in XXXXXL) dru­cken las­sen soll.

Zum The­ma Fuß­ball-WM und dem sog. „posi­ti­ven Patrio­tis­mus“ (Fah­nen­schwen­ken):

Ich habe natür­lich gegen die deut­sche Mann­schaft gehal­ten, das mache ich immer. Zum Fah­nen­schwen­ken: Natür­lich geht das. Die Hälf­te der Leu­te mit den Fah­nen konn­te ja kaum Deutsch, die leben halt hier und konn­ten ihrem von zu Hau­se gewohn­ten Fah­nen­schwen­ken mal frei­en Lauf las­sen. Ich fand es auch in Ord­nung, wie man sich mit die­sen Wink­ele­men­ten an den Autos lächer­lich gemacht hat.

Über Franz Josef Wag­ners Kolum­ne in der „Bild“-Zeitung:

„Post von Wag­ner“ fand ich frü­her nur blöd. Aber seit­dem mir mal jemand plau­si­bel gemacht hat, dass der wirk­lich „amt­lich durch­ge­knallt“ ist, blei­be ich dar­an hän­gen. […] Also ab und zu schreibt der auch was Wah­res, und ich lese das mit Belus­ti­gung.“

Auf die Fra­ge, ob Pete Doh­erty Punk sei:

Also Pete Doh­erty ganz bestimmt nicht, der ist eher Sid Vicious. Und das ist nicht Punk, son­dern (über­legt) … Depp.

Als ihm der Pro­mo­ter eine Bröt­chen­tü­te reicht:

Mensch, da ist ja gar nichts von dem drin, was ich bestellt habe. Kein Ei, kein Sand­wich, nur so’n Kör­ner-Kack. Wenigs­tens ist das Tier tot, was auf dem Bröt­chen ist.

Über MP3s:

Das ist im Prin­zip nur Schei­ße, da gehst du ein­mal mit nem Magnet vor­bei, und dann haben sie ihre Musik mal gehabt. Ich stel­le mir immer vor, wie die jetzt 30-Jäh­ri­gen in zwan­zig Jah­ren auf dem Floh­markt ste­hen und da ihre Chips ver­hö­kern (ver­stellt die Stim­me): „Ey, hal­lo, 30 Giga­byte, ey voll krass, mus­su hören!“

Der Rest des Hef­tes ist auch zu emp­feh­len, die neue Fehl­far­ben-Plat­te offen­bar auch.

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Musik Digital

„Die Kunst ist dazu da, beim Zuhörer Jammern und Schaudern zu erwecken.“

Manch­mal ist es schreck­lich, Musik­jour­na­list zu sein und Musi­ker zu inter­view­en: Sie sind aus irgend­wel­chen Grün­den schlecht gelaunt, ant­wor­ten nur sehr knapp oder gar nicht und am Ende hat man viel­leicht drei, vier Sät­ze, mit denen man etwas anfan­gen kann.

Manch­mal ist es schreck­lich, Musi­ker zu sein und von Musik­jour­na­lis­ten inter­viewt zu wer­den: Sie haben sich kul­tur­theo­re­tisch kom­ple­xe Fra­ge­blö­cke aus­ge­dacht, stel­len völ­lig ver­que­re Fra­gen oder schwei­gen plötz­lich ein­fach.

Sven Rege­ner von Ele­ment Of Crime, der sehr gute Sachen sagt, wenn man ihm die rich­ti­gen Fra­gen stellt, beweist in einem Inter­view mit der Net­zei­tung, dass er fast noch bes­se­re Sachen sagt, wenn man ihm die fal­schen Fra­gen stellt:

War­um heißt es in einem Song, «Wo Dei­ne Füße ste­hen, ist der Mit­tel­punkt der Welt»?

Ja, war­um denn nicht. Weil es rich­tig ist und weil es zu dem­je­ni­gen gehört, des­sen Rol­le er ein­nimmt.

Ste­pha­nie Weiß, die sich sicher irre vie­le Gedan­ken gemacht hat, was sie den von ihr hoch­ver­ehr­ten Musi­ker so fra­gen könn­te, fragt sich um Kopf und Kra­gen – bis sie schließ­lich gar nichts mehr sagt:

(Lan­ges Schwei­gen)

Ja, ich mei­ne, INTERVIEW, Frau Weiss! Haben Sie noch Fra­gen?

Das erstaun­li­che an die­sem Inter­view ist zum Einen, dass es offen­bar nicht „glatt­ge­bü­gelt“ wur­de, d.h. die Inter­viewe­rin ihre Fra­gen im fer­ti­gen Text nicht fre­cher oder intel­lek­tu­el­ler (bzw. in die­sem Fall: weni­ger intel­lek­tu­ell) for­mu­liert oder für sie unvor­teil­haf­te Stel­len und Ant­wor­ten ent­fernt hat. Ein sol­ches Doku­ment des eige­nen Schei­terns öffent­lich zu machen, erfor­dert Mut und ver­dient Respekt. Zum Ande­ren funk­tio­niert das Inter­view aber trotz sol­cher Sze­nen und diver­ser Wie­der­ho­lun­gen immer noch erstaun­lich gut. Es gibt Künst­ler, die wären irgend­wann ein­fach gegan­gen und hät­ten das Gespräch damit wohl auto­ma­tisch einer media­len Ver­wer­tung ent­ris­sen. Sven Rege­ner aber blieb und for­mu­lier­te zum drit­ten, vier­ten, fünf­ten Mal (als Ant­wort auf die drit­te, vier­te, fünf­te Fra­ge zum The­ma) sein Anlie­gen, den Hörern kei­ne Inter­pre­ta­ti­on sei­ner Tex­te vor­schrei­ben zu wol­len:

Kunst kennt kei­ne Bei­pack­zet­tel. Wenn man ein Kunst­werk schafft, dann kann man den Leu­ten nicht sagen, so oder so habt ihr es zu ver­ste­hen.

Nach der Lek­tü­re glaubt man zu wis­sen, war­um Sven Rege­ner so groß­ar­ti­ge Tex­te und auch so fan­tas­ti­sche Bücher („Herr Leh­mann“, „Neue Vahr Süd“) schreibt: Er hat ein­fach ein Gespür für Spra­che und denkt einen Moment län­ger als ande­re dar­über nach, wie er etwas for­mu­liert.

Netzeitung.de: Ein wei­te­rer Erklä­rungs­ver­such: Sie schaf­fen es, mit einer schwe­ren Leich­tig­keit oder leich­ten Schwe­re aktu­el­le Befind­lich­kei­ten zu tref­fen.

Rege­ner: Das Wort Befind­lich­keit fin­de ich gar nicht gut.

Netzeitung.de: Ist Zeit­geist bes­ser?

Rege­ner: Nein.

Netzeitung.de: Hm (Schwei­gen)