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Never Go To Work Again

Ich habe noch ziemlich lebhaft vor Augen, wie mein kleiner Bruder mir irgendwann Ende September 2005 ein paar MP3s mit dem Hinweis schickte: “Hier, das sind Kumpels von mir — hör Dir das mal an!” Ich hatte ungefähr 20 Sekunden gehört, als mein Unterkiefer buchstäblich herunterklappte. “Kumpels von Dir, ja? Aus Dinslaken?! Nicht aus New York?!”

Rund vier Wochen später sah ich die Band zum ersten Mal live, am vielleicht un-rock’n’rolligsten Ort der Welt: Im Bochumer “Haus der Freunde” auf einer Party des Modellstudiengangs Medizin. Neben einem kalten Buffet standen fünf Jungs mit ihren Instrumenten und ich weiß noch, dass ich damals dachte: “Das sind ja noch Kinder!” Gerockt haben sie damals aber schon wie die ganz Großen und so notierte ich am folgenden Tag in meinem Tagebuch:

The Kilians gestern waren so fein, wie ich es erwartet hatte. Mann, die werden hoffentlich mal richtig groß.

Vier Monate später spielte die Band im Vorprogramm von Tomte — ein Triumphzug durch die mittelgroßen Konzerthallen der Republik. Der Artikel aus dem Bandnamen verschwand, das Debütalbum wurde von der Musikpresse vorsichtig euphorisch aufgenommen, die Band wurde zwei Mal für die “Einslive-Krone” nominiert und erspielte sich als Support von Coldplay, auf den Festivals und in den Clubs der Republik eine treue Fangemeinde.

Aus den Kindern von damals sind inzwischen erwachsene Männer geworden und das ist auch der Grund, warum die Kilians jetzt den Stecker ziehen:

Job, Studium und Familie ließen sich kaum mit einer Festivalsaison oder gar einem neuen Album vereinen.

Bevor die Band in die ewigen Jagdgründe – oder in den Limbus vor der Comeback-Tour – geschickt wird und sich die Jüngeren nur noch an das Sample in Cros “Einmal um die Welt” erinnern können, haben die Kilians im Sommer eine Abschiedstour angekündigt.

Unter der knackigen Überschrift “Das letzte Mal live und in Farbe, fresh und unbekannt, die Strokes vom Niederrhein” geht es in zwei Wochen ein letztes Mal auf die Straße:

Tourplakat4. Dezember: Düsseldorf, Zakk
5. Dezember: Hamburg, Knust
6. Dezember: Dortmund, FZW (VISIONS Party)
7. Dezember: Bremen, Tower
8. Dezember: Berlin, Postbahnhof
10. Dezember: Hannover, Lux
11. Dezember: München, Backstage
12. Dezember: Stuttgart, Keller Klub
13. Dezember: Wiesbaden, Schlachthof
15. Dezember: Köln, Gebäude 9

Das “Haus der Freunde” in Bochum oder die Kathrin-Türks-Halle in Dinslaken sind diesmal also nicht dabei, aber für den Dortmunder Auftritt verlosen wir mit der freundlichen Unterstützung vom Grand Hotel van Cleef 2×2 Gästelistenplätze.

Beantworten Sie dazu bitte folgende Frage: Welchen Kilians-Song hat Cro bei “Einmal um die Welt” gesampelt?

Die Gewinner werden unter all denen gezogen, die die richtige Antwort bis zum 3. Dezember 2013, 23:59:59, an gewinnegewinnegewinne@coffeeandtv.de schicken, und anschließend benachrichtigt.

Kleingedrucktes: Die E-Mails und dazugehörigen E-Mail-Adressen werden nur für das Gewinnspiel verwendet und danach entsorgt. Jeder Teilnehmer darf nur eine E-Mail schicken. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

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You were the fighter, I was the kid against the world

An einem grauen Novembernachmittag des Jahres 2000 erreichte mich via Usenet die Nachricht, dass sich Ben Folds Five aufgelöst hätten — jene Band, an die ich gerade mit voller Hingabe mein jugendliches Herz verschenkt hatte. Es war nicht die erste Band, die aufhörte, als ich sie gerade für mich entdeckt hatte (da waren schon die New Radicals und die Smashing Pumpkins gewesen) und es war natürlich nicht die letzte: es folgten unter anderem Vega 4, muff potter., Oasis, a-ha und R.E.M. Und doch hat mich die Auflösung von Ben Folds Five damals schwer traumatisiert — wohl auch, weil ich im Jahr zuvor mit 16 die Chance nicht genutzt hatte, die Band in Köln live zu sehen.

Im letzten Jahr haben Ben Folds Five zum ersten Mal seit damals wieder einen gemeinsamen Song aufgenommen (das schrecklich egale “House” für Ben Folds’ Retrospektive), dieser Tage erscheint ihr neues Album. ((Genau genommen warte ich stündlich auf die E-Mail mit dem Downloadlink, den ich als Co-Finanzier von “The Sound Of The Life Of The Mind” vorab erhal… Oh, mein Gott: Da ist er!!!!1)) Eine günstige Gelegenheit für die nächste Lieblingsband, die Bühne zu verlassen.

Und so kündigte Andrew McMahon dann auch pünktlich gestern an, das Kapitel Jack’s Mannequin nach einem letzten Konzert am 11. November zu beenden.

Vor zehn Jahren wäre wieder mal eine kleine Welt für mich zusammengebrochen, doch diesmal blieb mein Herz stark. Es zwickte kurz, weil ich es natürlich auch wieder nie geschafft hatte, die Band live zu sehen, aber diesmal ist alles nicht so schlimm.

Das liegt vor allem daran, dass Jack’s Mannequin schon die zweite Band ist, der Andrew McMahon vorstand: Something Corporate haben mich durch meine Studienzeit begleitet, auf Jack’s Mannequin war ich merkwürdigerweise erst vor drei Jahren gestoßen. Ihr Zweitwerk “The Glass Passenger” dürfte “The Man Who” von Travis, “Automatic For The People” von R.E.M. und “Rockin’ The Suburbs” von Ben Folds locker auf die Plätze der meist gehörten Alben verwiesen haben, obwohl die einen beträchtlichen zeitlichen Vorsprung hatten.

Die Songs haben mich durch die letzten Jahre begleitet wie sonst nur meine besten Freunde: Sie waren immer da, egal, ob es mir gut ging oder schlecht. Ich habe schwerste Stunden damit verbracht, die Kernaussage von “Swim” – “just keep your head above” – mantraartig vor mich hin zu singen, und bin in Momenten größter Euphorie zu “The Resolution” oder “Dark Blue” wie ein Flummi durch Straßen und Vergnügungslokale gehüpft.

Es ist eigentlich unwahrscheinlich, dass man sich mit über 25 noch mal derart in eine Band verknallt, aber bei Jack’s Mannequin war es so. Oder eigentlich: Bei beiden Bands von Andrew McMahon, denn auch die Alben von Something Corporate zählen zu denen, die vermutlich nie von meinem iPod fliegen werden. In den Texten finde ich so viel von mir und meinem Leben wieder, dass selbst kettcar und Tomte dagegen alt aussehen.

Und das ist auch der Grund, warum mich das Ende von Jack’s Mannequin so wenig trifft: Ich habe beide Bands immer hauptsächlich als “Andrew McMahon und ein paar andere Typen” wahrgenommen, auch wenn in beiden Bands die anderen Mitglieder durchaus Anteil am Songwriting hatten. So wie Andrew McMahon es jetzt formuliert, ((Und auch vorher schon angedeutet hatte.)) wird er sogar mit den gleichen Leuten weiter Musik machen. Vielleicht wird er bei zukünftigen Konzerten die besten Songs beider Bands spielen, was für mich natürlich ein absoluter Traum wäre. ((Die Konzerte sollten dann allerdings mindestens drei Stunden dauern, damit meine persönlichen Favoriten grob abgedeckt wären.))

Andrew McMahon hat gesagt, dass das Projekt Jack’s Mannequin, das eigentlich als Nebenprojekt zu Something Corporate gestartet war, immer sehr eng mit seiner Leukämie-Erkrankung verknüpft war, die kurz vor der geplanten Veröffentlichung des Debütalbums “Everything In Transit” festgestellt wurde. Andrew bekam eine Stammzellentransplantation von seiner Schwester und veröffentlichte die sehr bewegende Dokumentation “Dear Jack” über seine Zeit im Krankenhaus und seine Genesung. Fast alle Songs auf “The Glass Passenger” haben etwas mit dieser Zeit zu tun und wenn er in “The Resolution” singt: “I’m alive / But I don’t need a witness / To know that I survive”, dann hat er allen Grund dazu. Und weil es ja manchmal etwas abseitige Gründe braucht, um Vernünftige Dinge zu tun, war Andrew McMahons Geschichte für mich einer der Gründe, mich endlich mal bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei erfassen zu lassen, was ich Ihnen mit einiger respektvoller Bestimmung auch ans Herz legen würde.

Es gibt also keinen Grund, jetzt einen Nachruf auf Jack’s Mannequin und die Musik von Andrew McMahon zu verfassen, aber es ist – nachdem ich seinen 30. Geburtstag letzte Woche verpasst habe – eine gute Gelegenheit, diesen inspirierenden Mann und seine großartigen Songs an dieser Stelle mal ein bisschen zu würdigen.

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Musik

Sweetness Follows

Mit siebzehn Jahren litt ich an wiederkehrenden Kopfschmerzen, so dass mich mein Hausarzt irgendwann zu einem Spezialisten schickte, der eine Computertomographie vornehmen sollte. Im Wartezimmer sah ich das ganze Elend der Welt: Kahle Männer, Frauen und ich glaube sogar Kinder, und mir wurde klar, dass sich mein ganzes Leben gleich innerhalb von einer Sekunde ändern könnte. Doch in meinem Kopf fand sich nichts, was dort nicht hingehört hätte, mein Papa fuhr mich wieder nach hause, die Sonne schien und im Radio lief “Imitation Of Life” von R.E.M.

Ein paar Wochen später spielte die Band ein kostenloses Konzert in Köln und obwohl ich sehr gern hingegangen wäre, entschied ich mich mit meinem besten Freund doch dagegen und sah mir das Konzert (oder das, was MTV davon zu übertragen beliebte) im Fernsehen an. Dass der Abend insgesamt doch noch legendär wurde, lag nicht ausschließlich an diesem Konzert, aber zu einem guten Teil.

R.E.M. sind tatsächlich eine dieser Bands, die immer da waren, deren Musik ich aus dem Radio kannte, lange bevor ich wusste, von wem sie ist. Für ihre Hochphase bin ich eigentlich zu jung (“Automatic For The People” erschien, als ich neun Jahre alt war), aber man kann ja auch später einsteigen und sich dann im Backkatalog zurück arbeiten — und dann als Teenager Abend um Abend in seinem Zimmer sitzen, “Everybody Hurts” und “Nightswimming” hören und sich soooo verstanden fühlen.

Gestern nun haben Michael Stipe, Mike Mills und Peter Buck bekanntgegeben, ihre Band aufzulösen. Genauer: Die Band ist schon aufgelöst, so ein Elend wie eine Abschiedstour wird es nicht geben. Das kommt einerseits ein bisschen unvermittelt, ist dann aber andererseits auch schlüssig, wenn auch nicht zwingend notwendig. Es gäbe andere Bands, die sich dringender auflösen sollten (U2, Stereophonics), oder besser nie gegründet hätten (Sunrise Avenue, Revolverheld).

R.E.M. haben nie ein schlechtes Album aufgenommen (obwohl “Up” verdammt nah dran war), zuletzt sogar wieder zwei gute. Nur: Was will man mit “Collapse Into Now”, wenn man “Automatic For The People” hat, eines der vielleicht perfektesten Alben des 20. Jahrhunderts? Neun bis zehn der insgesamt 12 Titel dieses Albums sind mindestens phantastisch und “Everybody Hurts” ist dabei fast noch das schlechteste, weil viel zu offensichtlichste, unter ihnen.

Sasha Frere-Jones schreibt dazu beim “New Yorker”:

There is an admirable mission at play: reassuring those who cry, who hurt, who need sustenance. That would be all of us, and we all turn to music when we need reassurance. But saying, “It’s all going to be O.K.” is your friend’s job, not your band’s. All of R.E.M.’s luminous oddness and nested beauty is turned into penny taffy.

(Bei dem Teil, es sei nicht Aufgabe einer Band, einem Trost zu geben, muss ich ihm allerdings entschieden widersprechen.)

Wenn Frere-Jones schreibt, R.E.M.s Trennung käme zehn Jahre zu spät (eine Meinung, die von vielen geteilt wird), ist mir das ein bisschen zu pointiert, hätten wir doch “Bad Day”, “Leaving New York”, “Supernatural Superserious” oder “ÜBerlin” verpasst — Songs, die bei vielen anderen Bands zu den Höhepunkten ihres Schaffens zählen würden. Aber nach 31 Jahren darf es dann ruhig auch mal gut sein, wenn es nicht sowieso irgendwann zur unvermeidlichen Reunion kommen sollte.

Was bleibt ist, neben der Musik, natürlich vor allem Michael Stipe. Einer der charismatischsten Menschen im weltweiten Mediencircus. Einer der gezeigt hat, wie wunderschön ungelenkes Rumhampeln wirken kann. Einer, den ich immer nennen würde, wenn man mich nach Prominenten fragte, die mich beeinflusst haben.

Peter Flore schreibt bei intro.de, mit R.E.M. trete die “größte Indieband der Welt” ab, und das stimmt, denn trotz gut gefüllter Stadien waren R.E.M. eigentlich immer eine Spur zu eckig und zu verschroben.

Noch mal Sasha Frere-Jones:

Their good stuff is durable and gorgeous, and they pulled off a trick that indie rock has struggled with ever since: How do you stay weird if you also like singable songs? How do you get the pretty without joining Club Obvious? R.E.M. never let their live show slip, and they gave a huge number of people an option that still works.

Keine “Imitation Of Life”, sondern das Leben selbst.

Mein Lieblingssong von R.E.M. ist übrigens inzwischen dieser hier:

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Musik

They’ll be gone in a year or two

Nur fürs Protokoll:

a-ha werden im nächsten Jahr eine Abschiedstour rund um den Erdball machen und am 4. Dezember 2010 (zehn Jahre und zwei Tage nach dem “Abschiedskonzert” der Smashing Pumpkins — aber das hat nichts zu bedeuten, außer dass ich mir definitiv zu viele Daten merke) in Oslo ihr letztes Konzert spielen.

Das ist einerseits schade, anderseits finde ich es immer beachtlich, wenn Bands nach 25 Jahren sagen “Jetzt war gut”, bevor sie in die Rolling-Stones-Falle tappen. Morten Harket wird dann 51 Jahre alt sein und frischer aussehen als irgendwelche Rockmusiker Anfang Zwanzig. Alle drei Bandmitglieder werden vermutlich weiter Musik machen und sie werden das weiterhin sehr ordentlich tun, wie die bisherigen Solo- und Nebenprojekte zeigen. Zwar wäre das übersehene Meisterwerk “Analogue” das noch würdevollere Abschiedsalbum gewesen als “Foot Of The Mountain”, aber so treten sie wenigstens mit sattem Chart-Erfolg ab.

* * *

Bon Iver lösen sich nicht auf, sondern machen nur Pause. Und zwar … irgendwie länger — oder auch eben nicht:

During a packed stand at the Riverside Theater in Milwaukee last night, Bon Iver’s Justin Vernon told the home state crowd that the show would be the Bon-tourage’s last as a full band for an “indefinite” period of time or at least “until next year.”

[The Tripwire, via Paste]

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Please brother take a chance

Damit die Oasis-Reunion, die auch Wolfgang Nostradamus Doebeling (ich glaube, den zweiten Vornamen hat er sich ausgedacht) im aktuellen “Rolling Stone” prophezeit (und zwar für den 15. Mai 2011), kommen kann, muss die Band ja erst Mal aufgelöst werden.

Das hat Liam Gallagher jetzt dankenswerterweise in einem Interview mit der “Times” getan. Er wollte eigentlich nur über seine Modelinie “Pretty Green” sprechen, aber dann erklärt er die Band für beendet.

Luke Leitch gelingt es, in dem Artikel ein Bild von Liam Gallagher zu zeichnen, das sehr viel differenzierter ist als das meiste, was man bisher über den jetzt Ex-Oasis-Sänger gelesen hat. Am Ende spricht er sogar davon, außerhalb des Rock’n’Roll-Circus irgendwann seinen Frieden mit Noel zu machen. Eventuell.

Liam Gallagher: a semi-scary, tightly wound wind-up merchant — absolutely. But also serious, sensitive, impassioned and, from the look that flitted across his face at the end there, a man who misses his brother. Furthermore, a producer of rocking clobber for men. Who knew?

Mein Lieblings-Gallagher bleibt trotzdem Noel, so wie mein Lieblings-Beatle Paul McCartney und mein Lieblings-Libertine Carl Barât war. Aber das können Sie jetzt selbst tiefenpsychologisch auswerten.

[via Christian]

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You and I, we’re gonna live forever

Von mehreren Seiten wurde der Wunsch an mich herangetragen, ich möge mich in diesem Publikationsorgan doch bitte zum Ausstieg Noel Gallaghers bei Oasis äußern. Normalerweise wäre das ein guter Grund, gar nicht erst über einen Text nachzudenken, sondern den Bittstellern den Vogel und den Weg zur Tür zu zeigen. Aber Oasis sind ja nicht irgendeine Band und die Diskussionen der letzten Tage legen den Verdacht nahe, dass das Thema uns Popkulturgeschädigte mindestens so sehr beschäftigt wie der Tod von Michael Jackson.

Touristenfotos aus der Brtipop-HölleAlso, zunächst einmal: Ich glaube nicht, dass der Ausstieg von Dauer sein wird. Noel Gallagher ist zwar das letzte Bandmitglied, das vom Durchbruch bis vor kurzem dabei war (wir erinnern uns: auch Liam war ja zwischenzeitlich irgendwie mal ausgestiegen), insofern wiegt das vielleicht etwas schwerer, aber bei Licht besehen sind Oasis doch wie diese Pärchen im Freundeskreis, die sich immer wieder trennen und immer wieder zusammenfinden — beides zum Leidwesen aller Unbeteiligten. Ein Nachruf wird das hier also nicht werden.

Schon gar nicht auf eine Band, die selbst wunderbar in Worte packte, woran sich nie jemand gehalten hat:

Please don’t put your life in the hands
Of a rock ‘n’ roll band
Who’ll throw it all away

Alle Diskutanten haben einhellig die Meinung vertreten, dass der letzte richtig gute Oasis-Song schon länger her sei — nur über den genauen Zeitpunkt und Titel ist man sich uneins. Ich würde vor sieben Jahren ansetzen, auf “Heathen Chemistry” mit den letzten Über-Balladen “Stop Crying Your Heart Out” und “Little By Little” und dem Kleinod “She Is Love”. “Falling Down” auf dem letztjährigen “Dig Out Your Soul” war auch nicht schlecht, aber das darf man alles nicht mit den alten Sachen vergleichen.

Ich habe in den letzten Tagen einen Vergleich bemüht, von dem ich vergessen hatte, dass ich ihn schon beim großen Jahresrückblick verwendet hatte: Nämlich den, dass es mit Oasis sei wie mit einem alten Schulfreund — “das Wiedersehen ist herzlich, man denkt an alte Zeiten, trinkt zwei Bier und geht wieder getrennter Wege”.

Oasis waren ja ungefähr zwei Sommer lang so groß, wie die Ultras sie heute noch sehen. Auf dem Höhepunkt abzutreten haben nicht mal Nirvana geschafft. Danach kommt eben die Verwaltung der eigenen Errungenschaften und dafür kann man dann ruhig den Rolling-Stones-Weg einschlagen. Und denen ging es ja in den Achtzigern auch nicht besonders.

Ich kam (wie ungefähr jeder andere) über “Wonderwall” zu Oasis. Auf “Bravo Hits 12” und das ist ja Grund genug, den Song heute zu hassen. “Soloalbum” von Benjamin von Stuckrad-Barre – und Sie dachten, wir sprechen bei Oasis von einem Absturz in die Bedeutugnslosigkeit – hämmerte mir die Band ins Bewusstsein, danach wurden alle bisher erschienenen CDs gekauft und bei jeder Neuerscheinung das Geld brav in den Laden getragen.

Die Pflichtschuldigkeit, immer noch jedes neue Album kaufen und irgendwie mögen zu müssen, habe ich bei Oasis gelernt. Eine objektive Beurteilung von Künstlern, von denen ich mehr als drei Platten habe, ist mir bis heute unmöglich. (Einzige Ausnahme: “Intensive Care” von Robbie Williams. So eine Scheißplatte muss man wirklich erst mal machen.)

Im Gegensatz zu anderen Britpop-Fans glaube ich auch heute noch an den Glaubenskrieg Oasis vs. Blur. Ich war immer Oasis-Fan, von Blur habe ich nur das Best Of. Coffee And TV heißt natürlich trotzdem nach einem Blur-Song, auch wenn die Band wenig ausschlaggebend war für die Wahl. Und es ist natürlich die ganz besondere Ironie der Popkultur, dass ausgerechnet im Jahr 2009 – rund 15 Jahre nach den Golden Years of Brit-Pop – Blur plötzlich ein gefeiertes Comeback hinlegen und bei Oasis das Mastermind aussteigt. Besser tanzen konnte man freilich immer schon zu Blur.

Oasis werden wiederkommen, daran habe ich keinen Zweifel. Die Band hat in ihrer Karriere vermutlich mehr Konzerte abgesagt, als die Babyshambles je gespielt haben. Sich klammheimlich aus einem Festival-Line-Up zu stehlen, ist mies, denn das Geld kriegt man nicht wieder — auch nicht, wenn stattdessen Deep Purple spielen.

Und wenn Noel Gallagher nicht in ein, zwei Jahren wieder auf der Bühne steht, als sei nichts geschehen, dann gilt immer noch, was ein guter Freund und Ex-Oasis-Fan meinte: “Eine Band ist doch nicht weg, wenn sie sich auflöst. Die Platten wird es immer geben.”

In diesem Sinne: “You and I, we’re gonna live forever!”

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Das kann’s doch nicht gewesen sein

Muff Potter beim Fest van Cleef 2009 in Essen.

Den Tag “bandauflösungen” hatten wir auch lange nicht mehr.

Das hätte aber ruhig so bleiben können:

liebe freunde von muff potter,

vor fast zehn jahren sangen wir in dem “siegerlied”:
“tapferkeit ist nicht gottgegeben, wer will schon lernen wie man sowas macht.”
und weil wir nie gelernt haben wie man sowas macht machen wir es kurz:

WIR LÖSEN UNSERE BAND AUF!

wir glauben, daß wir nach gut 16 jahren an einem schlusspunkt angekommen sind. wir glauben, daß wir dieses jahr mit “gute aussicht” eine der besten randale platten des ganzen jahrzehnts abgeliefert haben. wir glauben, daß wir in all den jahren, nicht zuletzt 2008/2009, phänomenal viel energie in diese band gesteckt haben.
muff potter, ein monster, larger than life. manche von uns spielen jetzt seit der hälfte ihres lebens in dieser band. das muss man sich mal vorstellen!

irgendwann ist auch mal schluss.
der besiegte sieger macht platz für etwas neues.

alle angekündigten konzerte werden gespielt, und im dezember sagen wir nochmal eine woche lang tschüs. die termine werden in wenigen wochen bekannt gegeben.

danke an alle die uns in den letzten 16 jahren unterstützt haben.
danke am allermeisten an uns selbst für 16 jahre fahrtwind.
wir gehen erhobenen hauptes, in demut und stolz. besser können wir uns einen abgang nicht vorstellen.

muff potter forever.
auf wiedersehen,
sagen nagel, shredder, dennis und brami.

[muffpotter.de, via GHvC-Newsletter]

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(Fast) geschenkt!

Ein Dollar

Heutzutage muss man sich ja immer wieder was neues einfallen lassen, um mit seiner Musik wahrgenommen zu werden. “Zahlt was ihr wollt” ist seit Radiohead durch, aber “Ein Album für einen Dollar” hatten wir soweit ich weiß noch nicht.

Fanfarlo sind eine schwedisch-englische Band, deren Debütalbum “Reservoir” im Februar erschienen ist — und das man jetzt und bis zum 4. Juli für nur einen Dollar (umgerechnet 71 Eurocent, zahlbar per Paypal oder Kreditkarte) auf fanfarlo.com herunterladen kann.

Die Musik erinnert ein bisschen an Arcade Fire, Beirut, Sigur Rós und Stars und vier Bonustracks gibt’s noch dazu, so dass der einzelne Song noch 14,2 4,7 Eurocent kostet. Den Opener “I’m A Pilot” kriegt man bei last.fm direkt geschenkt.

Ob sich das Ganze für die Band rechnet? Zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit ist ihnen sicher. Und die nächste Tour ist bestimmt ausverkauft.

* * *

Ein ganzes Album verschenken Pale, die sich gerade aufgelöst haben. 17 Demos, Outtakes und Remixe haben sie zu ihrem Nachlass “Extras” zusammengestellt, den man direkt auf der Bandhomepage herunterladen kann.

Ich muss gestehen, dass ich von Pale bisher nur ihr letztes Album “Brother. Sister. Bores!” kannte (weil es vor drei Jahren beim Grand Hotel van Cleef erschienen ist), aber das muss ich dringend ändern. Neben jeder Menge feiner eigener Sachen beeindrucken auf “Extras” vor allem zwei Coverversionen: “Gold” (im Original von Spandau Balett, weswegen ich das Lied bei jeder Berlinreise beim Halt im Bahnhof Spandau anstimme) und das atemberaubende “Time Is Now” (Moloko).

Während es Pale nicht mehr gibt, bleiben einem die Bandmitglieder natürlich erhalten: Schlagzeuger Stephan Kochs bloggt bei Randpop und sein Bruder und Sänger Holger Kochs hat unter anderem das sehr gelungene Artwork zum neuen Kilians-Album erstellt.

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Your Redneck Past

“Ich würde nach Chapel Hill fliegen, wenn es eine einmalige Reunion-Show von Ben Folds Five gäbe”, war immer mein Standardspruch, wenn es um Fandom ging. Ich habe halt nie verwunden, dass ich meine Lieblingsband nie live gesehen habe.

So wie es aussieht, muss ich nun mein Sparschwein schlachten und sämtliche Freunde anpumpen, denn am 18. September steht meine Lieblingsband zum ersten Mal seit neun acht Jahren gemeinsam auf der Bühne, um mein Lieblingsalbum zu spielen:

Ben Folds Five

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MySpace launcht damit offenbar eine neue Konzertreihe.

Aaaaaaaaaaaaaaaaaarrggggghhhhhh!!!!!!!1

[via The Magical Armchair]

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Burn & Fade

Nachdem es in den letzten Jahren erstaunlich ruhig zuging, hat sich endlich mal wieder eine meiner Lieblingsbands getrennt. Dieses Mal: Vega4.

Das konnte ja auch nicht gut gehen: Schon im Jahr 2001 behängte die Musikpresse das Quartett mit Vorschusslorbeeren, die Veröffentlichung der ersten EP “Better Life” wurde einigermaßen groß angegangen. Interessiert hat die Musik zwischen U2, Embrace und den frühen Radiohead dann aber die wenigsten. Mich schon: “Satellites” fiel in die extrem prägende Zeit zwischen Abitur und Zivildienst, “Radio Song” war eines dieser Lieder, bei denen man schon beim ersten Hören weiß, dass sie einen lange begleiten werden. Dann war lange Stille.

2006 kamen Vega4 dann plötzlich wieder. Auf ihrer MySpace-Seite, wo sie jetzt ihre Auflösung verkündet haben, stand damals der neue Song “You And Me”. Jacknife Lee, einer der besten Produzenten dieser Tage, hatte der Band den gradlinigen Rock beigebracht und als das Album “You And Others” endlich in England erschien, musste ich es natürlich sofort als Import haben. Es war ein gutes Album, das sich eigentlich ähnlich gut hätte verkaufen müssen wie das sehr ähnliche “Eyes Open” von Snow Patrol. Aber irgendwie klappte es nicht, trotz des Einsatzes von “Life Is Beautiful” bei “Grey’s Anatomy”. Die Band kam auf Tour und spielte vor 120 Leuten mit einer Inbrunst, als würden sie gerade ein Stadion rocken.

Wie auch immer die eigentlichen Beweggründe ausgesehen haben mögen (die Band hält sich in ihrem … nun ja: pathetischen Statement mit Andeutungen zurück), irgendwie schienen Vega4 immer zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Und mal ehrlich – im Nachhinein sprachen die Songtitel doch schon immer Bände: So Long Forever, Drifting Away Violently, Love Breaks Down, The Love You Had, Burn & Fade, Nothing Ever Comes Without A Price, Tearing Me Apart, Let Go, If This Is It, Boomerang, Time Of Our Lives …

Was bleibt, sind wieder mal die Songs und Erinnerungen. Und neuerdings auch die YouTube-Videos von den Konzerten, auf denen man war:

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[“Radio Song”, Direktlink]