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You were the fighter, I was the kid against the world

An einem grauen Novembernachmittag des Jahres 2000 erreichte mich via Usenet die Nachricht, dass sich Ben Folds Five aufgelöst hätten — jene Band, an die ich gerade mit voller Hingabe mein jugendliches Herz verschenkt hatte. Es war nicht die erste Band, die aufhörte, als ich sie gerade für mich entdeckt hatte (da waren schon die New Radicals und die Smashing Pumpkins gewesen) und es war natürlich nicht die letzte: es folgten unter anderem Vega 4, muff potter., Oasis, a-ha und R.E.M. Und doch hat mich die Auflösung von Ben Folds Five damals schwer traumatisiert — wohl auch, weil ich im Jahr zuvor mit 16 die Chance nicht genutzt hatte, die Band in Köln live zu sehen.

Im letzten Jahr haben Ben Folds Five zum ersten Mal seit damals wieder einen gemeinsamen Song aufgenommen (das schrecklich egale “House” für Ben Folds’ Retrospektive), dieser Tage erscheint ihr neues Album. ((Genau genommen warte ich stündlich auf die E-Mail mit dem Downloadlink, den ich als Co-Finanzier von “The Sound Of The Life Of The Mind” vorab erhal… Oh, mein Gott: Da ist er!!!!1)) Eine günstige Gelegenheit für die nächste Lieblingsband, die Bühne zu verlassen.

Und so kündigte Andrew McMahon dann auch pünktlich gestern an, das Kapitel Jack’s Mannequin nach einem letzten Konzert am 11. November zu beenden.

Vor zehn Jahren wäre wieder mal eine kleine Welt für mich zusammengebrochen, doch diesmal blieb mein Herz stark. Es zwickte kurz, weil ich es natürlich auch wieder nie geschafft hatte, die Band live zu sehen, aber diesmal ist alles nicht so schlimm.

Das liegt vor allem daran, dass Jack’s Mannequin schon die zweite Band ist, der Andrew McMahon vorstand: Something Corporate haben mich durch meine Studienzeit begleitet, auf Jack’s Mannequin war ich merkwürdigerweise erst vor drei Jahren gestoßen. Ihr Zweitwerk “The Glass Passenger” dürfte “The Man Who” von Travis, “Automatic For The People” von R.E.M. und “Rockin’ The Suburbs” von Ben Folds locker auf die Plätze der meist gehörten Alben verwiesen haben, obwohl die einen beträchtlichen zeitlichen Vorsprung hatten.

Die Songs haben mich durch die letzten Jahre begleitet wie sonst nur meine besten Freunde: Sie waren immer da, egal, ob es mir gut ging oder schlecht. Ich habe schwerste Stunden damit verbracht, die Kernaussage von “Swim” – “just keep your head above” – mantraartig vor mich hin zu singen, und bin in Momenten größter Euphorie zu “The Resolution” oder “Dark Blue” wie ein Flummi durch Straßen und Vergnügungslokale gehüpft.

Es ist eigentlich unwahrscheinlich, dass man sich mit über 25 noch mal derart in eine Band verknallt, aber bei Jack’s Mannequin war es so. Oder eigentlich: Bei beiden Bands von Andrew McMahon, denn auch die Alben von Something Corporate zählen zu denen, die vermutlich nie von meinem iPod fliegen werden. In den Texten finde ich so viel von mir und meinem Leben wieder, dass selbst kettcar und Tomte dagegen alt aussehen.

Und das ist auch der Grund, warum mich das Ende von Jack’s Mannequin so wenig trifft: Ich habe beide Bands immer hauptsächlich als “Andrew McMahon und ein paar andere Typen” wahrgenommen, auch wenn in beiden Bands die anderen Mitglieder durchaus Anteil am Songwriting hatten. So wie Andrew McMahon es jetzt formuliert, ((Und auch vorher schon angedeutet hatte.)) wird er sogar mit den gleichen Leuten weiter Musik machen. Vielleicht wird er bei zukünftigen Konzerten die besten Songs beider Bands spielen, was für mich natürlich ein absoluter Traum wäre. ((Die Konzerte sollten dann allerdings mindestens drei Stunden dauern, damit meine persönlichen Favoriten grob abgedeckt wären.))

Andrew McMahon hat gesagt, dass das Projekt Jack’s Mannequin, das eigentlich als Nebenprojekt zu Something Corporate gestartet war, immer sehr eng mit seiner Leukämie-Erkrankung verknüpft war, die kurz vor der geplanten Veröffentlichung des Debütalbums “Everything In Transit” festgestellt wurde. Andrew bekam eine Stammzellentransplantation von seiner Schwester und veröffentlichte die sehr bewegende Dokumentation “Dear Jack” über seine Zeit im Krankenhaus und seine Genesung. Fast alle Songs auf “The Glass Passenger” haben etwas mit dieser Zeit zu tun und wenn er in “The Resolution” singt: “I’m alive / But I don’t need a witness / To know that I survive”, dann hat er allen Grund dazu. Und weil es ja manchmal etwas abseitige Gründe braucht, um Vernünftige Dinge zu tun, war Andrew McMahons Geschichte für mich einer der Gründe, mich endlich mal bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei erfassen zu lassen, was ich Ihnen mit einiger respektvoller Bestimmung auch ans Herz legen würde.

Es gibt also keinen Grund, jetzt einen Nachruf auf Jack’s Mannequin und die Musik von Andrew McMahon zu verfassen, aber es ist – nachdem ich seinen 30. Geburtstag letzte Woche verpasst habe – eine gute Gelegenheit, diesen inspirierenden Mann und seine großartigen Songs an dieser Stelle mal ein bisschen zu würdigen.

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