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Internet Gaga

Wer sich zaghaft der ganz eigenen Welt von Politikern annähern will, sollte folgende Worte ein paar Mal im Kopf hin- und herschieben:

Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken.

Das hat nicht etwa irgendein Kritiker der vor einer Woche beschlossenen Internetsperren gegen Kinderpornographie gesagt, sondern Dr. Martina Krogmann, Verhandlungsführerin der CDU/CSU bei genau diesem Gesetz.

Allerdings jetzt und zu einem etwas anderen Thema.

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Klickbefehl (22)

Heine: […] Die Unterzeichner der Petition haben gesehen, wie Entscheidungen in der Politik getroffen werden – und das wird sie nachhaltig prägen.

von der Leyen: Das ist doch etwas Tolles

Heine: Für uns war das nicht so toll.

Die “Zeit” hat Ursula von der Leyen, die das Gesetz für Internetsperren vorangetrieben hat, und Franziska Heine, die die Petition gegen dieses Gesetz gestartet hat, zusammengebracht.

Es ist ein beeindruckender Beleg dafür, dass es noch lange kein Dialog sein muss, wenn zwei Menschen miteinander reden. Ich bin mir sicher, in spätestens zehn Jahren werden wir szenische Lesungen dieses Treffens auf irgendeiner Theaterbühne erleben.

* * *

Die IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) plant, die Messgröße Page Impression ab 2010 nicht mehr öffentlich auszuweisen. Sie will auf ihrer Website nur noch die Visits bekannt geben.

Erleben wir im nächsten Jahr das Ende der Bildergalerie im Onlinejournalismus? Was werden “RP Online”, “Welt Online” und all die anderen Klickhurer machen? Erleben wir eine Renaissance der Tabelle?

All diese Fragen beantwortet die Meldung bei horizont.net noch nicht.

[via Katti]

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Mein anderes Protest-Problem

Ich habe kurz überlegt, ob ich all das, was ich gestern zum Thema Bildungsstreik, Demonstrationen und Besetzungsaktionen aufgeschrieben habe, heute noch mal zu den Programmpunkten “Zensursula”, “Unwählbarkeit” und “Mit Euch reden wir jetzt gar nicht mehr” aufschreiben soll.

Aber erstens finde ich langsam auch, dass ich mich ständig selbst wiederhole, und zweitens sagt ein Bild Screenshot ja immer noch mehr als tausend Worte:

Zensiert zurück! Das WordPress-Plugin, um Parteien und Fraktionen auszusperren.

Die Logik dahinter ist beeindruckend: “Ihr habt unsere Argumente nicht hören wollen, weswegen wir sie jetzt vor Euch verstecken — gut, wir können nicht überprüfen, ob das überhaupt klappt, aber wenigstens haben wir Euch noch eine pubertäre Trotzreaktion mit auf den Weg gegeben.”

Und bevor das jetzt wieder allgemein dieser “Internet-Community” in die Schuhe geschoben wird: Ich fühle mich von solchen Aktionen ziemlich exakt so gut repräsentiert wie von einem durchschnittlichen Abgeordneten von CDU/CSU und SPD. Nämlich gar nicht.

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Politik

Politiker sind auch nur Menschen

Es könnte doch noch was werden mit meiner Karriere als öffentlich-rechtlicher Polittalker. Diese Erkenntnis traf mich, als ich es nach einer Minute endlich geschafft hatte, Dieter Wiefelspütz zu unterbrechen.

Zwölf Minuten habe ich mich gestern mit dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion über falsche Zitate, Internetsperren und Zensur unterhalten und das Wichtigste aus dem Gespräch steht im BILDblog.

Für mich hat sich einmal mehr bewahrheitet, dass einzelne Politiker im direkten Kontakt durchaus vernünftig und sympathisch wirken können und ihre Positionen gar nicht mehr so seltsam klingen, wenn sie mal Gelegenheit haben, diese ausführlich – und nicht auf zwei Sätze verknappt – zu vertreten. Wiefelspütz hat mir jedenfalls lang und breit dargelegt, dass er und seine Partei keinerlei Ambitionen hätten, Internetsperren einzuführen, die über die jetzt geplanten gegen Kinderpornographie hinausgingen.

Erste Priorität habe aber sowieso die Bekämpfung von Verbrechen selbst, Sperren dürften erst ganz am Schluss zum Zuge kommen. Und wer nicht gegen Gesetze verstoße, dürfe so lange extremistische Meinungen vertreten, wie er wolle — alles andere sei ja Zensur, sagte mir der Politiker deutlich.

Auch Begriffe wie “Server” oder “Provider” konnte er korrekt verwenden, was man bei Politikern ja leider immer noch hervorheben muss. Dass viele kinderpornographische Inhalte gar nicht auf chinesischen oder russischen Servern lagern wie mir Wiefelspütz erzählen wollte, sondern in Ländern, mit denen Deutschland beste Rechtshilfe-Beziehungen hat (darunter, äh: Deutschland), trübte das Bild etwas, aber als Erkenntnis blieb doch: Der Mann wirkt gar nicht wie ein wahnsinniger Fürst der Finsternis, sondern viel mehr wie einer, der sich Gedanken macht und sich ausdrücklich selbst als Teil der Internetgemeinde sieht.

Nach dem längeren Gespräch wollte ich Wiefelspütz nicht auch noch zum Thema Computerspiele befragen (es wäre auch nur noch persönliches Interesse gewesen). Womöglich hätten wir uns da böse in die Wolle gekriegt, vielleicht hätte ich aber auch ein Stück verstanden, was er eigentlich meint, wenn er sich mit Schlagworten wie “Gewalt ist jung und männlich” zitieren lässt.

Ich würde übrigens dennoch ungern einen öffentlich-rechtlichen Polittalk moderieren wollen. Diese Sendungen, in denen sich Politiker erst anschreien, bevor sie anschließend gemeinsam ein Bier trinken gehen, schaden der Demokratie mehr als ein paar extravagante Meinungen in einer aufrichtigen Debatte. Besser wäre, wenn Politiker und Bürger einfach mal wieder ins Gespräch kämen.

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Gesellschaft Politik

Wahl-Mäander

Wahlzettel zur Europawahl 2009

Weil ich bei den letzten Wahlen postalisch abgestimmt habe, war ich vorhin erst zum zweiten Mal in meinem Leben in einem Wahllokal. Ich hatte mir extra ein Hemd angezogen, um bei der Wahrnehmung meiner staatsbürgerlichen Pflichten auch halbwegs würdevoll auszusehen. Denn mal ehrlich: Viel mehr als Wählen tue ich ja nicht für unsere Gemeinschaft.

Das Argument vieler Nichtwähler, sie wüssten ja gar nicht, worum es bei den Europawahlen geht, ist nur oberflächlich betrachtet zutreffend. Ich möchte jedenfalls mal den Wähler erleben, der weiß, was in einem Landtag oder einem Stadtrat passiert — und trotzdem geht man dafür zur Wahl.

* * *

Politik ist mir eine Mischung aus suspekt und egal. Die meisten Politiker sind für sich betrachtet sympathische Gesprächspartner und sagen kluge Sachen, aber in der Summe ist es wie mit dem Volk: Der Dümmste bestimmt das Niveau der ganzen Gruppe. Nun bin ich weit davon entfernt, Politiker mit einem stammtischigen “Die da oben machen doch eh, was sie wollen” verdammen zu wollen, aber wenn ich Leute wie den SPD-Superhardliner Dieter “Gewalt ist jung und männlich” Wiefelspütz in Mikrofone sprechen höre, überkommen mich schon schwere Zweifel an dem Wort “Volksvertreter”.

Was ich dabei auch immer wieder vergesse: Die Binsenweisheit, wonach nichts so heiß gegessen werde, wie es gekocht wird, ist nicht in der Gastronomie am zutreffendsten, ((Wie oft hat man sich schon böse den Gaumen an einer Suppe oder einer Bratwurst verbrannt?)) sondern in der Politik. Und: Anders als in der Fußballnationalmannschaft sind im Bundestag und Kabinett ja nicht die Besten ihres Fachs versammelt, sondern die, die sich in den Intrigensportvereinen, die wir “Parteien” nennen, nach oben gemeuchelt haben; die, die prominente Politiker in der Familie hatten; und die, die zufällig gerade in der Gegend herumstanden, als ein Posten besetzt werden musste. Zwar sollen sie eigentlich die Meinung ihrer Wähler vertreten, aber dieses Prinzip wird schon durch das alberne Listen-Wahlrecht in Deutschland ad absurdum geführt. Wo es keinerlei Bindung zwischen Wählern und Abgeordneten gibt, können die Bürger ihren Parlamentariern auch nur unzureichend auf die Finger klopfen. ((Ich habe zum Beispiel keine Ahnung, wie eigentlich meine Abgeordneten heißen — geschweige denn, was für Positionen sie vertreten.))

* * *

Gewiss: Man könnte selbst in die Politik gehen, aber man könnte seinen Müll auch selbst zur Deponie fahren oder sein Grillfleisch selbst erlegen. Ich habe da keinerlei Ambitionen, also muss ich mit dem leben, was (politisch) im Angebot ist.

Insofern nervt mich auch immer wieder das Gezetere in Blogs und bei Twitter, diese oder jene Partei sei wegen einer einzelnen Person oder Äußerung “unwählbar”. Natürlich scheiden dadurch schnell sämtliche existenten Parteien aus und man missachtet dabei eines der grundlegenden Ziele einer Demokratie: das Streben nach einem Kompromiss. ((Wobei einem da natürlich immer wieder Volker Pispers ins Gedächtnis kommt, der schon vor zehn Jahren fragte, ob das kleinere Übel wirklich immer so groß sein müsse.)) Perfektion wird man nirgends finden, weder bei Parteien noch bei Lebenspartnern. ((Zyniker würden an dieser Stelle fragen, ob es im Web 2.0 nicht übernatürlich viele Singles gebe.)) Und spätestens, wenn es zur Wahlwerbung kommt, wird man beide Augen zudrücken müssen.

“Unwählbar” aber ist ein kreischendes, absolutes Urteil, das damit in der langen Reihe von Schlagworten wie “Faschismus” und “Zensursula” steht und die Frage, warum sich eigentlich kaum ein Politiker für die Interessen der Netzgemeinde interessiere, von selbst beantwortet. Wäre ich Politiker und würde auf einer Wahlkampfveranstaltung von drei am Rande stehenden Nerds als “ahnungslos” und “Faschist” beschimpft, wäre mein Interesse an einem Dialog auch gedämpft. Insofern stehen viele – nicht alle – Diskutanten im Web 2.0 den von ihnen kritisieren Politikern in nichts nach, wenn sie nur auf Lautstärke 11 kommunizieren. Wenn sich zwei auf niedrigem Niveau begegnen, ist das nur noch technisch betrachtet ein Dialog auf Augenhöhe.

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Ein einziges Mal hat es unsere Bundesregierung ((Ich habe es schon oft gesagt und wiederhole mich da gerne: Nach dem Stuss, den die große Koalition in den letzten vier Jahren verzapft hat, hat es meines Erachtens keine der beteiligten Parteien verdient, im Herbst weiterzuregieren. Aber solange FDP und Grüne gemeinsam keine Regierung stellen können oder wollen, werden wir wohl auch dort wieder mit einem kleineren Übel leben müssen.)) geschafft, dass ich mich gewissermaßen politisch engagiert habe und in einer E-Mail Verwandte, Freunde und Bekannte gebeten habe, sich das Thema “Internetsperren” doch bitte einmal genauer anzuschauen und sich gegebenenfalls an der Petition dagegen zu beteiligen. Aber Wut und Fassungslosigkeit scheinen mir auch kein besserer Antrieb zu sein als Angst und Panikmache auf der anderen Seite.

Parteien selbst sind mir in höchstem Maße suspekt, weil ihre Mitglieder zu einer Linientreue tendieren, die jeden Fußballfan staunend zurücklässt. Die Respektlosigkeit, mit der schon die Jugendorganisationen ((Dass die Mitgliedschaft in “Jugendorganisationen” von Parteien bis zu einem Alter von 35 Jahren möglich/verpflichtend ist, sagt eigentlich schon alles.)) den “politischen Gegner” behandeln, empfinde ich als höchst verstörend, und die Tatsache, dass wichtige Entscheidungen einfach nicht gefällt werden, weil die Anträge von der “falschen” Partei eingebracht wurden, lässt meinen Blutdruck wieder in gesundheitsgefährdende Bereiche steigen.

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Statt Inhalten interessiert mich bei Wahlen seit jeher eher das Drumherum, vor allem die erste Prognose bei Schließung der Wahllokale. Bei der Bundestagswahl 1994 führte ich mit einem Mitschüler Wahlumfragen in unserer Klasse durch und präsentierte hinterher stolz die Hochrechnung für die Klasse 6c. Am Wahltag selbst hatte ich mir im Keller mit Tüchern und Pappen ein Hauptstadtstudio (natürlich Bonn) eingerichtet und präsentierte von 15 Uhr an im Halbstundentakt immer neue Vorhersagen. Rudolf Scharping wäre sicher ein interessanter Bundeskanzler gewesen.

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Rundfunk Politik

Voll ins Schwarze betroffen

Mein Arzt und mein Rechtsanwalt haben mir geraten, mich zurückzuhalten. Der Bluthochdruck bekomme mir nicht und die von mir gedachten Begriffe seien alle justiziabel.

Sehen Sie sich also nur den nun folgenden Ausschnitt der “Tagesschau” von 14 Uhr an und achten Sie besonders auf die Unterschiede zwischen dem, was Claus-Erich Boetzkes am Anfang und Nicht-Wilhelm von und zu Guttenberg am Ende sagen:

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Hier können Sie sich übrigens den Text der angesprochenen Petition durchlesen (was der Minister offenbar verabsäumt hatte) und bei Interesse gleich unterschreiben.