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Das ist Bahnsinn

Die Gewerk­schaft der Lok­füh­rer (GdL) möch­te von Mitt­woch bis Sams­tag im Güter‑, Nah- und Fern­ver­kehr strei­ken.

Aller­dings droh­te GDL-Chef Schell im Gespräch mit der „Pas­sau­er Neu­en Pres­se“: „Wir kön­nen einen Streik län­ger durch­hal­ten, als es die Bun­des­re­pu­blik ver­kraf­tet“, sag­te er, „und vor allem deut­lich län­ger, als der Bahn­vor­stand dies glaubt“.

Zitat: Welt.de

Äh, okay. Alles klar.

Leu­te, wenn Eure Streik­kas­sen so der­ma­ßen gefüllt sind, dass Ihr schon ver­bal Fuf­fies im Club schmeißt, wie wäre es dann, wenn Ihr ein­fach alle Gewerk­schafts­funk­tio­nä­re wür­det, Euch qua­si selbst durch­füt­tert und die Füh­rer­stän­de für Leu­te räumt, die Spaß am Zug­fah­ren hät­ten?

Viel­leicht könn­te man auch ein­fach in irgend­ei­nem Stadt­thea­ter einen schmu­cken Bal­kon räu­men, Schell und Meh­dorn dort in die Ses­sel tackern und den gan­zen Tag im Kin­der­pro­gramm grum­meln las­sen, wäh­rend Gewerk­schaft und Unter­neh­men von weni­ger dick­köp­fi­gen Men­schen geführt wer­den.

Mit einer Inter­ven­ti­on des Bahn-Eigen­tü­mers (das sind Sie und ich, ver­tre­ten durch die Bun­des­re­gie­rung) ist bis auf wei­te­res übri­gens auch nicht zu rech­nen, denn in Ber­lin hat man gera­de ande­re Sor­gen.

(Höl­le, Höl­le, Höl­le!)

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Fast jede deut­sche Tages­zei­tung (und ich habe sie fast alle gese­hen) hat­te heu­te die ges­tern ver­stor­be­ne Eve­lyn Hamann auf dem Titel, was völ­lig rich­tig und ver­dient ist.

Vie­le Zei­tun­gen haben sich um Zita­te und Anspie­lun­gen auf ihre berühm­ten Sket­che mit Lori­ot bemüht, wirk­lich gelun­gen ist es nur der „WAZ“ – das aber dann direkt auf wirk­lich anrüh­ren­de Wei­se:

„Sagen Sie jetzt nichts!“

Man muss in die­sem Zusam­men­hang mal wie­der „Bild“ tadeln, die es über­haupt als ein­zi­ge Zei­tung für nötig hielt, die „kur­ze Krank­heit“, an der Frau Hamann ver­stor­ben ist, zu benen­nen – und das noch in rie­si­gen Let­tern auf der Titel­sei­te.

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Nächste Woche: Autobahnen

Der Lie­be Gott hat in Köln ein sehr schö­nes Haus, aber der aktu­el­le Haus­meis­ter ist ein Pro­blem:

Dort, wo die Kul­tur vom Kul­tus, von der Got­tes­ver­eh­rung abge­kop­pelt wird, erstarrt der Kult im Ritua­lis­mus und die Kul­tur ent­ar­tet.

(Zitiert nach „Spie­gel Online“)

Nach dem Raus­wurf von Eva Her­man fragt man sich jetzt natür­lich, ob und wie Katho­li­sche Kir­che, gleich­sam die ARD unter den Glau­bens­ge­mein­schaf­ten die­ser Welt, auf Kar­di­nal Meis­ners Ent­glei­sung reagie­ren wird.

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Klare Fronten und ’ne Schüppe voll Sand (Eurosport Revisited)

Als ich die Her­ren Migels, Jansch und Schulz vor zwei­ein­halb Wochen ken­nen­lern­te, war ich ja eher amü­siert. Es stell­te sich aber her­aus, dass die Kom­men­ta­to­ren bei ARD und ZDF nicht nur nicht bes­ser waren, sie waren letz­te Woche auch ein­fach weg. Und da die Sat.1‑Leute schlicht­weg nicht zu ertra­gen sind, habe ich dann doch die letz­ten Wochen mit Migels, Jansch und Schulz ver­bracht, sie sind mir inzwi­schen ans Herz gewach­sen. Am Sonn­tag ist die Tour zu Ende (und wer weiß, was im nächs­ten Jahr sein wird), des­halb habe ich heu­te noch ein­mal genau hin­ge­hört:

Jansch: Das Klos­ter und die Kir­che von Not­re Dame, gele­gen im klei­nen Ört­chen Simor­re, das in der Gas­cao­gne liegt – also heu­te ’n gan­zes Stück durch die­se Land­schaft, wir haben’s vor­ges­tern, Nein: ges­tern schon mal erwähnt, dass sie sich bis zum Nor­den der Aqui­taine erstreckt – von den Pyre­nä­en aus gese­hen. Hier die Namens­ein­blen­dung für die­se aus dem 13. Jahr­hun­dert stam­men­de kirch­li­che Ein­rich­tung – und wir wer­den in die­sem Bau­stil heu­te sicher­lich noch ’ne gan­ze Men­ge von Schlös­sern, Bur­gen und Kir­chen zu Gesicht bekom­men, in den nächs­ten Tagen wird’s dann ein biss­chen zisel­lier­ter, da ist der Bau­stil nicht mehr so grad­li­nig, die Stei­ne nicht mehr so wuch­tig und die Fron­ten nicht mehr so klar.

Beson­ders inter­es­sant wer­den man­che Gedan­ken­sprün­ge, wenn man nicht unent­wegt auf den Bild­schirm starrt und einem des­halb man­che Kon­text­wech­sel ver­schlos­sen blei­ben:

Jansch: Einer der bei­den Caisse-d’Éparg­ne-Kapi­tä­ne, näm­lich Val­ver­de, soll­te zugleich auch der bes­te Sprin­ter des Teams sein – ich weiß nicht, ob ihm viel­leicht die­se Nach­führ­ar­beit die­nen soll. [Ein rie­si­ges Son­nen­blu­men­feld kommt ins Bild] Mein Gott, hier wür­de van Gogh sicher­lich das Herz auf­ge­hen.

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Abiwitzig

Ges­tern las ich bei „Indis­kre­ti­on Ehren­sa­che“ die­sen schö­nen Satz:

Wie die Oster­ei­er­su­che durf­ten die Fans […] hin­ter jedes Sen­de­fens­ter lugen, irgend­wann kam halt mal wie­der ein Stück­chen.

„Nun ja“, dach­te ich als ers­tes, „da sind Herrn Knü­wer halt die Meta­phern ver­rutscht. Weiß doch jedes Kind, dass das mit den Fens­tern Advents­ka­len­der sind und die nichts mit Oster­ei­ern zu tun haben.“ Dann dach­te ich: „Und was mach ich jetzt mit dem Satz?“

Ver­un­glück­te, unge­wollt zwei­deu­ti­ge oder auch von vor­ne bis hin­ten sinn­lo­se Sät­ze wer­den von den eta­blier­ten Medi­en allen­falls stief­müt­ter­lich behan­delt. Wenn Edmund Stoi­ber nicht gera­de die Vor­zü­ge des Trans­ra­pids zu erklä­ren ver­sucht, ist „TV Total“ so ziem­lich die ein­zi­ge Platt­form, die sich am Schei­tern von Spra­che in der Öffent­lich­keit wei­det. Dabei hat bei­na­he jeder, der in die­sem Land über einen Schul­ab­schluss ver­fügt, sich schon als Kata­lo­gi­sie­rer von miss­glück­ten Aus­sprü­chen betä­tigt.

Kei­ne Abizei­tung kommt ohne eine Zita­ten­samm­lung aus, in der Leh­rern und Mit­schü­lern mit scho­nungs­lo­ser Bru­ta­li­tät Aus­sprü­che um die Ohren gehau­en wer­den, an die sich die Betref­fen­den oft genug gar nicht mehr erin­nern kön­nen. Wenig (nicht ein­mal die Abitur­klau­su­ren) bleibt im halb­öf­fent­li­chen Raum der Schu­le so lan­ge bestehen wie die aus Gedan­ken­lo­sig­keit for­mu­lier­ten und sofort mit­ste­no­gra­phier­ten Sät­ze, die zumeist wäh­rend der Ober­stu­fen­zeit fal­len. Ich weiß, wovon ich spre­che, denn ich war in unse­rer Jahr­gangs­stu­fe zustän­dig für das Sam­meln, Sor­tie­ren und schließ­lich auch Abdru­cken die­ser Zita­te.

Im Wesent­li­chen gibt es vier Klas­sen von Abizei­tungs­zi­ta­ten. Die belieb­tes­ten sind natür­lich die zwei­deu­ti­gen, „ver­sau­ten“:

SoWi-Leh­rer: „Der Sven ist in den letz­ten Stun­den gar nicht schlecht gekom­men.“

Dann gibt es die, die an der fach­li­chen Kom­pe­tenz der Leh­rer zwei­feln las­sen:

Erd­kun­de­leh­re­rin: „Wart Ihr schon mal auf Mal­lor­ca oder einer ande­ren grie­chi­schen Insel?“

Es gibt Aus­sprü­che, bei denen man das Kna­cken in den Hirn­win­dun­gen der Spre­cher hören zu kön­nen glaubt:

Geschichts­leh­rer: „In Wirk­lich­keit haben wir es nicht mit Fik­tio­nen zu tun, son­dern mit Rea­li­tät!“

Und dann gibt es natür­lich noch die Schü­ler, die glau­ben, durch beson­ders vor­lau­te und alber­ne Ant­wor­ten in Erin­ne­rung zu blei­ben – oder es wenigs­tens in die Abizei­tung zu schaf­fen:

Deutsch­leh­re­rin: „Gebt mal ein Bei­spiel für ’schein­bar‘!“
Schü­ler: „Er woll­te mit Münz­geld bezah­len, aber die Bedie­nung sag­te: ‚Dies ist eine Schein­bar‘!“

Eini­ge Leh­rer haben ein Stan­dard­re­per­toire an Sprü­chen, mit denen sie es in bei­na­he jede Abizei­tung schaf­fen, weil die mit­schrei­ben­den Schü­ler nicht über aus­rei­chend Recher­che­wil­len oder Lebens­er­fah­rung ver­fü­gen. So ein Ver­hal­ten ist ver­gleich­bar mit dem hal­bi­ro­ni­schen Rum­ge­ei­er, das Bands wie die Toten Hosen pro­du­zie­ren, wenn sie bei einer „Award Show“ aus­ge­zeich­net wer­den, und äußert sich in Sät­zen wie:

Phy­sik­leh­rer: „Letz­te Stun­de stan­den wir vorm Abgrund, heu­te sind wir einen Schritt wei­ter!“

Selt­sa­mer­wei­se kommt außer­halb des Bio­tops Ober­stu­fe kaum jemand auf die Idee, die Aus­sprü­che sei­ner Mit­men­schen auf­zu­schrei­ben und zu ver­öf­fent­li­chen. Vor­ge­setz­te, Fami­li­en­mit­glie­der, ja sogar Uni­ver­si­täts­do­zen­ten kön­nen sich trotz Video­han­dys in Sicher­heit wie­gen: Nie­mand wird mehr lei­se kichern und mit der Über­schreib­sei­te eines Tin­ten­kil­lers hek­ti­sche Noti­zen auf einem Col­lege­block vor­neh­men, wenn mal wie­der ein denk­wür­di­ger Aus­spruch im Raum hängt wie ein gro­tes­ker Papa­gei auf der Schul­ter einer rosa­ge­wan­de­ten, über­schmink­ten alten Dame.

Aber es gibt ja noch genug ande­re Bei­spie­le für Din­ge, die man nach sei­nem Abitur klu­ger­wei­se nie wie­der macht: Sich mit dem Brut­to­in­lands­pro­dukt Litau­ens aus­ein­an­der­set­zen; sich mit eigent­lich unbe­kann­ten, davor und danach ver­hass­ten Alters­ge­nos­sen ver­brü­dern; auf dem Schul­hof mit Bier rum­sprit­zen und sich alber­ne Wort­spie­le ein­fal­len las­sen. Vor allem letz­te­res wäre eigent­lich mal ein Fall für irgend­ei­ne noch zu grün­den­de Auf­sichts­be­hör­de: Jede „Abi“-Verballhornung soll­te pro Jahr maxi­mal drei­ßig Mal und mit einem Sicher­heits­ab­stand von 120 Kilo­me­tern zwi­schen den betei­lig­ten Schu­len ver­wen­det wer­den dür­fen. Und nach ein paar Jah­ren wer­den Slo­gans wie „Kohl­rA­BI – Wir machen uns vom Acker“, „Can­nA­BIs – Der Stoff ist durch!“ oder „Abiged­don“ dann voll­stän­dig ver­bo­ten.

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Digital

Pferd 2.0

Bei Indis­kre­ti­on Ehren­sa­che und beim Han­dels­blatt selbst kann man seit eini­gen Wochen das schö­ne Essay „Web 0.0“ lesen, in dem Tho­mas Knü­wer anhand eini­ger Bei­spie­le auf­zählt, war­um Wirt­schaft und Poli­tik auf der einen und Inter­net auf der ande­ren Sei­te immer noch nicht unter einen Hut zu krie­gen sind.

Die Kern­aus­sa­ge lau­tet:

Nun ist klar: Die digi­ta­le Spal­tung ist da – doch sie ver­läuft quer durch die Gesell­schaf­ten der indus­tria­li­sier­ten Natio­nen.

Und ob man sich in Sachen Com­pu­ter­durch­su­chung nun kei­ne oder gleich rie­si­ge Sor­gen machen soll­te, kann jeder nach die­sem Zitat für sich selbst ent­schei­den:

Oder Jörg Zier­ke. Dem Chef des Bun­des­kri­mi­nal­am­tes wur­de bei einem Fach­ge­spräch der Grü­nen zum The­ma Bür­ger­rech­te vom Dresd­ner Daten­schutz­pro­fes­sor Andre­as Pfitz­mann vor­ge­wor­fen: „Mit die­ser Unbe­fan­gen­heit über Infor­ma­tik reden kann nur jemand, der nicht mit Infor­ma­tik arbei­tet.“ Zier­kes ent­waff­nend nai­ve Ant­wort: „Ich sage auch nur, was mein Mit­ar­bei­ter auf­schreibt.“

War­um erzäh­le ich das? Zum einen ist der/​die/​das Essay recht lesens­wert, zum ande­ren mel­de­te die Net­zei­tung heu­te:

Deut­sche Medi­en­ma­na­ger zwei­feln an Web 2.0

Das passt schön zu Knü­wers Beob­ach­tun­gen:

Und Grün­der erhal­ten nur Geld, wenn sie ein Geschäfts­mo­dell aus den USA kopie­ren. Ori­gi­nä­re Ideen wer­den von Kapi­tal­ge­bern abge­lehnt mit eben­die­ser Begrün­dung: es gebe kein US-Vor­bild.

Im Net­zei­tungs-Arti­kel steht aber auch der Absatz:

In einem Punkt waren sich indes deut­sche und aus­län­di­sche Mana­ger in der Befra­gung einig: Blogs und nut­zer­ge­ne­rier­te Inhal­te wer­den eta­blier­te und hoch­wer­ti­ge Por­ta­le und Nach­rich­ten im Inter­net nicht ver­drän­gen.

Ich glau­be auch nicht, dass Blogs „Por­ta­le und Nach­rich­ten im Inter­net“ (was immer das genau sein soll) ver­drän­gen wer­den – wenn, dann machen die das schon selbst, z.B. durch fort­schrei­ten­de Bou­le­var­di­sie­rung und nach­las­sen­de Qua­li­tät.

Trotz­dem wür­de ich so einen Satz nie sagen. Mei­ne Angst wäre viel zu groß, eines Tages im „Lexi­kon der größ­ten Fehl­ein­schät­zun­gen“ oder wie sowas hei­ßen mag, abge­druckt zu wer­den. Gleich hin­ter den tot­zi­tier­ten Wor­ten von Wil­helm II.:

Ich glau­be an das Pferd. Das Auto­mo­bil ist eine vor­über­ge­hen­de Erschei­nung.

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Digital Politik

Mostly Harmless

Wir alle ken­nen Godwin’s Law:

As an online dis­cus­sion grows lon­ger, the pro­ba­bi­li­ty of a com­pa­ri­son invol­ving Nazis or Hit­ler approa­ches one.

Weil die immer­glei­chen Ver­glei­che natür­lich irgend­wann lang­wei­lig wer­den und die deut­sche Geschich­te ja noch mehr dunk­le Kapi­tel auf Lager hat, heißt die neue Königs­dis­zi­plin der Kra­wall­rhe­to­rik „Sta­si-Ver­glei­che“.

So kamen der­ar­ti­ge Ver­glei­che jüngst im Zusam­men­hang mit den ein­ge­sam­mel­ten Geruchs­pro­ben von G8-Geg­nern auf (wobei die Bezeich­nung „Sta­si-Metho­den“ da gar nicht mal so abwe­gig ist, immer­hin hat die Sta­si Geruchs­pro­ben gesam­melt). Gene­ral­bun­des­an­wäl­tin Moni­ka Harms sieht aber offen­bar weder den Ver­gleich, noch die Akti­on an sich beson­ders eng:

Nur weil eine Metho­de von der Sta­si in ganz ande­rem Zusam­men­hang ein­ge­setzt wur­de, heißt das noch nicht, dass sie für uns schon des­we­gen tabu ist.

Die­ser Satz wird umso beun­ru­hi­gen­der, je öfter man ihn liest – aber so viel Zeit haben wir gar nicht, denn die neu­es­te Sta­si-Äuße­rung (hier stän­dig frisch) kommt von Sil­via Schenk, der ehe­ma­li­gen Prä­si­den­tin des Bun­des Deut­scher Rad­fah­rer:

Eine Chan­ce hat der Rad­sport nur, wenn wie bei der Sta­si rigo­ros alle Schul­di­gen aus­sor­tiert wer­den.

Da kann man ja schon froh sein, dass (noch) nie­mand „Ent­do­ping­fi­zie­rungs­la­ger“ for­dert …