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Leute Häute

Vor vie­len, vie­len Jah­ren war „Dawson’s Creek“ mei­ne liebs­te Fern­seh­se­rie. Nicht nur, weil sie gut gemacht und sehr stim­mungs­voll war, und nicht nur, weil sie damals auf dem idea­len Sen­de­platz (Sonn­tag­nach­mit­tag) lief – die Serie hat­te auch viel mit mei­nem Leben gemein: Ich war ein­deu­tig Daw­son Leery (ich woll­te ja sel­ber lang genug Regis­seur wer­den), mein bes­ter Freund war ein­deu­tig Pacey Whit­ter und für einen hal­ben Som­mer hat­ten wir sogar eine Joey Pot­ter. Dann wech­sel­te „Dawson’s Creek“ in Deutsch­land den Sen­de­platz, die Serie wur­de immer dra­ma­ti­scher und merk­wür­di­ger und die letz­ten drei Staf­feln habe ich (bis auf das gro­ße Fina­le) nie gese­hen.

Wäh­rend Katie „Joey Pot­ter“ Hol­mes eine Bezie­hung mit Tom Crui­se begann und uns lehr­te, dass die tolls­ten Mäd­chen immer bei den größ­ten Freaks enden, lief eine neue Jugend­se­rie an: „O.C., Cali­for­nia“. Die hat­te mit mei­nem Leben schon weni­ger zu tun (mal von Seth Cohens, also mei­nem Musik­ge­schmack abge­se­hen), war aber immer­hin eine Staf­fel lang gut und unter­halt­sam. Dann wur­de sie erst schal, dann sehr, sehr schlimm, dann ein­ge­stellt.

Ich war zu alt gewor­den für Jugend­se­ri­en. Mei­ne neu­en Lieb­lings­se­ri­en hie­ßen „Scrubs“, „Dr. House“ und „Weeds“ und hat­ten vor­der­grün­dig nichts mehr mit mei­nem Leben als Nicht-Medi­zi­ner und Nicht-Kif­fer am Hut.

Und dann kam – Gott­sei­dank, wir haben soeben die Ein­lei­tung hin­ter uns gebracht! – „Skins“. Bei Julia hat­te ich etwas über die Serie gele­sen und da ich das unbe­stimm­te Gefühl hat­te, vor­her schon mal loben­de Wor­te ver­nom­men zu haben, guck­te ich mir die ers­te Fol­ge im Inter­net an.

Ich war so begeis­tert, dass ich – so viel zum The­ma „Copy kills irgend­was“ – Minu­ten spä­ter die DVDs der ers­ten bei­den Staf­feln bestell­te. Natür­lich bei amazon.co.uk, wo ja im Moment alles so herr­lich güns­tig ist, und sich Seri­en-Fans des­halb rei­hen­wei­se ins Unglück stür­zen. Ich hat­te vor­her noch nie das Bedürf­nis gehabt, Fern­seh­se­ri­en auf DVD zu gucken (mei­ne ers­te Staf­fel „Dawson’s Creek“ habe ich bis zur vier­ten oder fünf­ten Fol­ge geschafft), aber „Skins“ woll­te ich unbe­dingt sehen. Sonn­tag Abend hat­te ich bestellt, Mitt­woch früh war das Paket da.

Die Serie hat dabei den (für sozia­le Rest­kon­tak­te sehr nütz­li­chen) Vor­teil, dass die ers­ten bei­den Staf­feln zusam­men aus nur 19 Fol­gen á 45 Minu­ten besteht, was man theo­re­tisch locker an einem Wochen­en­de weg­gu­cken könn­te.

Aber wor­um geht’s eigent­lich? Um eine Grup­pe von Teen­agern in Bris­tol und ihre Pro­ble­me mit Schu­le, Eltern, Lie­be, Sex und sich selbst. Nun bin ich selbst nicht mehr 17 (ich war selbst mit 17 kein gro­ßer Par­ty­gän­ger) und ken­ne mich beson­ders mit bri­ti­schen Jugend­kul­tu­ren nicht hun­dert­pro­zen­tig aus, aber ich habe das Gefühl, die Serie könn­te zum Rea­lis­tischs­ten zäh­len, was man je auf dem Gebiet der Jugend­se­rie gese­hen hat. (Was wie­der­um am 23-jäh­ri­gen Jamie Brit­t­ain lie­gen könn­te, der die Serie gemein­sam mit sei­nem Vater Bryan Els­ley ent­wi­ckelt hat.)

Da „Skins“ kei­ne ame­ri­ka­ni­sche Serie ist, dür­fen die jun­gen Haupt­per­so­nen hem­mungs­los flu­chen, Dro­gen kon­su­mie­ren, in Unter­wä­sche rum­lau­fen und Sex haben. Und trotz­dem ist „Skins“ nicht nur eine Jugend­se­rie, sie funk­tio­niert auf vie­len Ebe­nen: Die Dia­lo­ge sind oft­mals bril­lant, Kame­ra­ar­beit und Ton­schnitt fügen eine eige­ne Erzähl­ebe­ne hin­zu und über­haupt ist die gan­ze Serie so voll von lite­ra­ri­schen Anspie­lun­gen (und ein paar auf „Dawson’s Creek“ und „The O.C.“), dass man selbst mit einem Magis­ter in grie­chi­scher Mytho­lo­gie noch sei­nen Spaß dar­an haben kann.

Gro­ße Kon­flik­te um Loya­li­tät, Reli­gi­on, Sexua­li­tät und Ent­schei­dun­gen wer­den holz­schnitt­ar­tig, aber gar nicht mal so plump ver­han­delt. Die Dar­stel­ler sind durch die Bank gut, im glei­chen Alter wie ihre Rol­len und nicht über­trie­ben hübsch (man sieht regel­mä­ßig deut­lich ihr not­dürf­tig über­pu­der­ten Pickel). Nicho­las Hoult, der den coo­len Tony spielt, kennt man noch aus „About A Boy“, alle ande­ren wird man sicher­lich noch in irgend­wel­chen gro­ßen Film­pro­jek­ten wie­der­se­hen. Sogar ich habe mit dem nerdi­gen Sid wie­der eine Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur.

Das ein­zi­ge, was ich an „Skins“ kri­ti­sie­ren könn­te, ist der klas­si­sche Seri­en-Fluch: In der zwei­ten Staf­fel sind ein paar Kon­flik­te zu viel in die Dreh­bü­cher gerutscht. Zwar bewegt sich alles noch im rea­lis­ti­schen Rah­men (Schick­sals­schlä­ge tre­ten ja bekannt­lich immer in Grup­pen auf), aber ein klei­nes biss­chen weni­ger wäre auch okay gewe­sen. Und dann ist am Ende von Staf­fel 2 plötz­lich Schluss mit den alt­be­kann­ten Gesich­tern der ers­ten bei­den Staf­feln und in der drit­ten (die im Moment im UK im Fern­se­hen läuft) geht es um ganz ande­re Per­so­nen. Das ist ein guter Kunst­griff, den die Autoren da gemacht haben, um ihre Cha­rak­te­re nicht tot­zu­er­zäh­len, aber nach allem, was man gemein­sam „durch­ge­macht“ hat, schmerzt der Abschied schon.

Sie ent­neh­men mei­nen unge­wohnt eupho­ri­schen Schil­de­run­gen, dass „Skins“ eine Serie ist, die jeder, wirk­lich jeder, von Ihnen gese­hen haben soll­te (ein­zi­ge Aus­nah­me: Eltern von Kin­dern, die gera­de zwi­schen 15 und 18 Jah­re alt sind). Ich habe in mei­nem Leben kei­ne Fern­seh­se­rie gese­hen, die so wit­zig, auf­rich­tig, rea­lis­tisch, trau­rig, sexy, wahr und groß­ar­tig ist, wie „Skins“ – und dann haben die Macher auch hand­werk­lich noch alles rich­tig gemacht.

Bei aller Ver­eh­rung für die ame­ri­ka­ni­sche Pop­kul­tur: Das haben die Bri­ten wirk­lich ver­dammt gut hin­ge­kriegt.

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Musik Rundfunk

A TV Script Ending

„Spie­gel Online“ hat einen Repor­ter zum Kon­zert von Death Cab For Cutie in Ham­burg geschickt. Neben aller­lei Cold­play- und Nir­va­na-Ver­glei­chen schli­chen sich auch fol­gen­de Pas­sa­gen in den Text:

Im Seat­tle von 2008 freut man sich bei Sub­Pop, wenn die Label-Mus­ter­schü­ler The Shins wie­der ein­mal mit einem Song in der Teen­ager­lie­bes­kum­mer-unter-Pal­men-Sei­fen­oper „O.C., Cali­for­nia“ zu hören sind.

[…]

Ein Gast­auf­tritt bei „O.C.“ ist in den Staa­ten mitt­ler­wei­le eine ähn­li­che Erfolgs­ga­ran­tie wie hier­zu­lan­de ein Gig bei „Wet­ten, dass…?“ oder frü­her bei „Geld oder Lie­be“.

Im „Seat­tle von 2008“ wäre man aber wohl eher erstaunt, wenn man noch einen neu­en Song bei „O.C., Cali­for­nia“ plat­zie­ren könn­te – lief doch die letz­te Fol­ge der Serie am 22. Febru­ar 2007. Also eher „eine ähn­li­che Erfolgs­ga­ran­tie“ wie „Geld oder Lie­be“ heut­zu­ta­ge.

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Musik

Lieder für die Ewigkeit: Phantom Planet – California

California (Highway No 1)

Ich höre gera­de ein Mix­tape, das ich mir vor ziem­lich exakt fünf Jah­ren auf­ge­nom­men hat­te, weni­ge Tage nach mei­nen schrift­li­chen Abitur­prü­fun­gen. Die­se Zeit war (im Gegen­satz zur Zeit des Stu­di­en­ab­schluss jetzt) von der Aura des Beson­de­ren geprägt, ent­spre­chend Bedeu­tungs­be­la­den wir­ken die dort ver­sam­mel­ten Lie­der auch heu­te noch auf mich. Unter den 24 Songs war einer, der es beson­ders in sich hat­te: „Cali­for­nia“ von Phan­tom Pla­net.

Ich hat­te das Lied (und das dazu­ge­hö­ri­ge, sehr emp­feh­lens­wer­te Power­pop-Album „The Guest“) im Früh­jahr 2002 ent­deckt. „Cali­for­nia“ war eine Hym­ne, Musik­ge­wor­de­ne Lebens­freu­de mit einem win­zi­gen Schuss Melan­cho­lie, kurz­um: ein Lied, das per­fekt in die­se Zeit pass­te. Trotz­dem brach­te es Phan­tom Pla­net nicht den erhoff­ten und ver­dien­ten Durch­bruch in Deutsch­land, auch das selbst­be­ti­tel­te (und längst nicht so gute) Nach­fol­ge­al­bum ging unter.

Ent­spre­chend über­rascht war ich, als „Cali­for­nia“ vor zwei Jah­ren plötz­lich über­all lief: Im Vor­spann der (zumin­dest in der ers­ten Staf­fel ziem­lich unter­halt­sa­men) US-Serie „O.C., Cali­for­nia“ und infol­ge­des­sen auch in allen Radio­sta­tio­nen und Charts. Mei­ne Freu­de, dass end­lich mal ein von mir für gut befun­de­nes Lied so wei­te Ver­brei­tung erfah­ren hat­te, erlitt auf dem Abi­ball mei­ner Schwes­ter einen klei­nen Dämp­fer: Da waren jun­ge Men­schen, die drei Jah­re nach mir ihren Abschluss mach­ten, und auf ihrer Abschluss­fei­er mein Lied gröl­ten, das sie aus einer doo­fen Fern­seh­se­rie kann­ten. Ich fühl­te mich in gewis­ser Wei­se mei­ner Jugend beraubt.

Im ver­gan­ge­nen Jahr war ich für drei Mona­te in San Fran­cis­co und natür­lich durf­te „Cali­for­nia“ auf mei­nem extra für die­sen Auf­ent­halt zusam­men­ge­stell­ten Sam­pler nicht feh­len. Als mich ein Freund aus Deutsch­land besuch­te und wir im Auto den High­way No. 1 Rich­tung San­ta Cruz hin­ab­fuh­ren, sprang der CD-Wechs­ler des Autos auf „The Guest“ um. Die ers­ten Tak­te von „Cali­for­nia“ erklan­gen und obwohl wir uns über das Kli­schee amü­sier­ten, das die­se Sze­ne umgab, pass­te der Song gleich­zei­tig doch per­fekt zu der male­ri­schen, son­nen­durch­flu­te­ten Land­schaft der Pazi­fik­küs­te. Und so san­gen wir „Cali­fooooo­or­nia­aaaaaaaaaaa, here we coooooooooooo­me!“