Kategorien
Musik

Alben des Jahres 2018

In Groß­bri­tan­ni­en ist der Absatz von CDs im ver­gan­ge­nen Jahr um 23% ein­ge­bro­chen. Wenn das in Deutsch­land ähn­lich aus­se­hen – und die Zah­len des ers­ten Halb­jah­res deu­ten dar­auf hin – trifft mich sicher­lich eine Mit­schuld, denn so weni­ge CDs gekauft wie im letz­ten Jahr habe ich bestimmt seit 20 Jah­ren nicht mehr.

Dafür habe ich (auch weil ich end­lich mal wie­der rich­tig musik­jour­na­lis­tisch tätig bin) so viel Musik gehört wie seit vie­len Jah­ren nicht mehr – und zwar über Spo­ti­fy, was sich für mich immer noch so anfühlt, wie an die­sen Hör­sta­tio­nen, die es frü­her im Saturn gab, kurz in die CD rein­zu­hö­ren, die man in der Hand hält, ohne die Hül­le öff­nen zu müs­sen.

Ich bin, wie schon mal ange­deu­tet, medi­al kon­ser­va­tiv: Ich mag linea­res Fern­se­hen, weil ich mich dort nur zwi­schen knapp 80 Sen­dern (rea­lis­ti­scher­wei­se für mich: zwölf) ent­schei­den muss und nicht zwi­schen zehn­tau­sen­den Strea­ming-Ange­bo­ten. ((Ich nut­ze gera­de einen Monat lang Net­flix, weil ich „Springsteen on Broad­way“ sehen woll­te, und ich fin­de die­se gan­ze Platt­form so schlimm, dass ich fast schon Angst vor gro­ßen, roten „N„s habe, wenn ich sie irgend­wo sehe.)) Ich lese Tex­te am Liebs­ten auf Papier, weil ich dann hin­ter­her wenigs­tens noch unge­fähr weiß, was drin stand. Und ich habe mei­ne Musik und Fil­me ger­ne auf klei­nen sil­ber­nen Schei­ben, die kaputt gehen kön­nen, wenn sie in die Hän­de von Klein­kin­dern gera­ten oder 30 Jah­re rum­ste­hen.

Und selbst, wenn im letz­ten Jahr nur weni­ge CDs zu mei­ner Samm­lung hin­zu­ge­kom­men sind, glau­be ich immer noch an die Idee des Albums, also eines in sich geschlos­se­nen Werks, bei dem die ein­zel­nen Stü­cke in einer Rei­hen­fol­ge ste­hen, die die Künstler*innnen kurz vor der Ver­öf­fent­li­chung als defi­ni­tiv erach­tet haben – wes­we­gen es mich auch wahn­sin­nig macht, wenn auf „Spe­cial Edi­ti­ons“ zum x. Jubi­lä­um eines Albums plötz­lich die Rei­hen­fol­ge oder gar die Aus­wahl der Songs geän­dert wer­den.

Lan­ge Rede, kur­zer Sinn: Hier sind mei­ne 10 Alben des Jah­res 2018!

10. Hay­ley Kiyo­ko – Expec­ta­ti­ons (Spo­ti­fy, Apple Music)
Am 1. Janu­ar 2018 rief Hay­ley Kiyo­ko via Twit­ter das Jahr „20GAYTEEN“ aus – und tat danach alles, damit sich ihre Vor­her­sa­ge bewahr­hei­tet. Ihr Debüt­al­bum „Expec­ta­ti­ons“ ist zu wei­ten Tei­len Rosé­wa­ve in Rein­form und damit genau das, was ich in die­sem unend­li­chen Som­mer hören woll­te!

9. Toco­tro­nic – Die Unend­lich­keit (Spo­ti­fy, Apple Music)
Viel, viel, viel zu sel­ten gehört: Ange­kün­digt als „Kon­zept­al­bum“ und „Auto­bio­gra­phie in 12 Kapi­teln“ (das Album ent­hält 16 Titel) durf­te man vor­ab ein biss­chen besorgt, aber auch gespannt sein. Toco­tro­nic haben alle Erwar­tun­gen pul­ve­ri­siert und ein Werk (ja: ein Werk!) vor­ge­legt, das in so vie­le Rich­tun­gen geht, in so vie­len Far­ben schil­lert und doch genau die Essenz die­ser Band wie­der­gibt.

8. Res­to­ra­ti­ons – LP5000 (Spo­ti­fy, Apple Music)
24 Minu­ten, sie­ben Songs – mehr braucht es nicht für ein beein­dru­cken­des Album, das Geschich­ten aus einem Ame­ri­ka erzählt, das ver­wirrt und gespal­ten ist. Mit heu­len­den Gitar­ren, Rock’n’Roll-Ges­ten und Pathos, mit Bruce Springsteen im Tank und The Gas­light Anthem, The Hold Ste­ady und Japan­dro­ids im Rück­spie­gel (wo die Din­ge ja immer fer­ner erschei­nen, als sie in Wirk­lich­keit sind).

7. Clue­so – Hand­ge­päck I (Spo­ti­fy, Apple Music)
Da hät­te ich jetzt auch nicht unbe­dingt mit gerech­net: Dass Clue­so ein Album raus­bringt, das mich so abholt und mit­nimmt. Dar­über, wie es ist, unter­wegs zu sein und an zuhau­se zu den­ken, über die Welt und die eige­ne Rol­le dar­in – sehr redu­ziert und sehr anrüh­rend. Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re schwärm­te von „Clue­sos ‚Sea Chan­ge‘ “, mich hat es in sei­ner Wirk­mäch­tig­keit an Tom Liwas „St. Amour“ erin­nert. (Fun fact: Clue­so ist inzwi­schen ziem­lich genau so alt wie Tom Liwa, als der „St. Amour“ auf­ge­nom­men hat. Uff!)

6. Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness – Upsi­de Down Flowers (Spo­ti­fy, Apple Music)
Okay, okay: Andrew McMa­hon ist mir so nahe wie sonst nur Ben Folds, kett­car und R.E.M. (und viel­leicht noch ein, zwei Dut­zend ande­re Acts), aber nach dem letz­ten Album „Zom­bies On Broad­way“ hat­te ich ehr­lich gesagt nicht mehr mit viel gerech­net. Umso erfreu­ter war ich, dass sich „Upsi­de Down Flowers“ als Rück­kehr zu alten Höhen ent­pupp­te. Viel­leicht habe ich das Album nach sei­nem Erschei­nen im Novem­ber ein biss­chen über­do­siert, aber: Es ist auch wirk­lich gut!

5. Meg Myers – Take Me To The Dis­co (Spo­ti­fy, Apple Music)
Sie moch­ten Gar­ba­ge, Hole, Fio­na Apple, Gar­ba­ge, Tori Amos und Skunk Anan­sie und sind trau­rig, dass die 1990er Jah­re vor­bei sind? Ver­zwei­feln Sie nicht: Zie­hen Sie sich Ihr Holz­fäl­ler­hemd an, legen Meg Myers‘ zwei­tes Album auf und dre­hen die Laut­stär­ke hoch! So viel Druck, so viel Inti­mi­tät und so ver­dammt klu­ge Tex­te! (Letzt­lich also auch irgend­wie für Leu­te, denen Tay­lor Swifts „Repu­ta­ti­on“ nicht kon­se­quent genug war.)

4. Leo­ni­den – Again (Spo­ti­fy, Apple Music)
Da hät­te ich jetzt auch nicht mit gerech­net: Dass aus Deutsch­land noch mal ein rich­tig gutes Indie­rock-Album kommt – auf Eng­lisch! 32 Minu­ten, zehn Songs, aber Ideen für knapp 50: Auf „Again“ pas­siert so viel, dass man eigent­lich Buch füh­ren müss­te – was lei­der nicht geht, weil das Album so sehr groovt. Ich scheue mich nicht, Leo­ni­den in der Tra­di­ti­on der ganz gro­ßen deut­schen Indiero­cker wie Pale und Miles zu sehen. Viel­leicht klappt’s ja dies­mal mit dem gro­ßen Erfolg!

3. Oh Pep! – I Wasn’t Only Thin­king About You… (Spo­ti­fy, Apple Music)
Irgend­wo zwi­schen Folk und Indie­rock ruht das zwei­te Album des aus­tra­li­schen Frau­en­du­os Oh Pep! (Fun Fact: Pepi­ta Emme­richs [Vio­li­ne, Man­do­li­ne] hat in der Ver­fil­mung von „Wo die wil­den Ker­le woh­nen“ die gro­ße Schwes­ter von Max gespielt – und man muss ja alle Men­schen, die irgend­et­was mit die­sem abso­lut wun­der­vol­len Film zu tun hat­ten, eigent­lich schon des­halb toll fin­den!) Ich höre Melan­cho­lie, Trost, Anflü­ge von Sar­kas­mus und Wut und zehn gran­dio­se Songs.

2. DJ Koze – Knock Knock (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wäh­rend die meis­ten Alben hier auf mei­ner Lis­te die Halb­stun­den-Mar­ke nicht signi­fi­kant über­schrei­ten, ist „Knock Knock“ eher unkna­cki­ge 78 Minu­ten lang. So viel Zeit brau­chen die Tracks aber auch, um sich auf­zu­bau­en, aus­zu­brei­ten und die Hörer*innen ein­zu­wi­ckeln wie in eine war­me Decke. Mit illus­tren Gäs­ten wie Rói­sín Mur­phy, José Gon­za­les und Kurt Wag­ner hat DJ Koze ein abwechs­lungs­rei­ches Album zusam­men­ge­baut, das auch schon 20 Jah­ren alt sein könn­te – was hier aus­drück­lich als Kom­pli­ment gemeint ist.

1. Rae Mor­ris – Someone Out The­re (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wenn ich im März begeis­tert bin, kann sich das auch mal bis in den Dezem­ber hal­ten: Rae Mor­ris hat mit ihrem zwei­ten Album ein­fach mein Album des Jah­res auf­ge­nom­men – leicht, ver­spielt, melan­cho­lisch, humor­voll, warm­her­zig und sexy. Kurz­um: Wäre die­ses Album ein Mensch, wäre es der per­fect crush.

Kategorien
Musik

In memoriam Prince

Jetzt also Prin­ce.

Ich wür­de lügen, wenn ich jetzt behaup­te­te, dass der Mann und sei­ne Musik eine gro­ße Rol­le in mei­nem Leben gespielt hät­ten. Mein iTu­nes zeigt exakt zwei sei­ner Songs („Pur­ple Rain“, natür­lich, und „Cin­na­mon Girl“), aber wäh­rend ich die Son­der­sen­dung auf Radio Eins höre, stel­le ich fest, dass da doch eini­ge sehr fei­ne Songs in sei­nem Œuvre vor­kom­men – und eini­ge völ­lig aus­ufern­de, über­pro­du­zier­te, mit­hin selbst­ver­lieb­te und damit für mich eher unhör­ba­re.

Mei­ne Ver­bin­dung zu Prin­ce ist eher zwei­ter Hand: Ein Bekann­ter mei­ner Eltern arbei­te­te im War­ner-Press­werk in Als­dorf, was ich im Alter von etwa acht Jah­ren wahn­sin­nig auf­re­gend fand, denn: „Manch­mal kom­men auch die Musi­ker vor­bei, um sich das Werk anzu­se­hen. Mari­us Mül­ler-Wes­tern­ha­gen war mal da und Phil Coll­ins auch.“ Die­ser Mann nun erzähl­te am Kaf­fee­tisch mei­ner Eltern die Geschich­te, dass Prin­ce ein Album habe ver­öf­fent­li­chen wol­len, des­sen kom­plett schwar­ze Hül­le mit schwar­zem Text bedruckt wer­den soll­te – eigent­lich soll­te nicht mal ein Bar­code drauf zu sehen sein. Am Frei­tag vor der geplan­ten Ver­öf­fent­li­chung habe es einen Anruf gege­ben, dass Prin­ce das Album nicht mehr ver­öf­fent­li­chen wol­le und so hät­ten die Ange­stell­ten an einem Sams­tag auf dem Werks­hof gestan­den und die Ton­trä­ger unter eine Pla­nier­rau­pe (oder ein ähn­li­ches Gerät) gewor­fen. Aller­dings sei­en bei die­ser Akti­on nicht alle Exem­pla­re (ich kann mich wirk­lich nicht erin­nern, ob in der Geschich­te von LPs oder CDs die Rede war oder der Bekann­te die­ses Detail aus­ließ) ver­nich­tet wor­den: Ein paar sei­en auch in den Schreib­tisch­schub­la­den der Mit­ar­bei­ter ver­schwun­den und andern­orts wie­der auf­ge­taucht.

Die­se Geschich­te kann man heu­te – mit leicht abwei­chen­den Fak­ten – in der Wiki­pe­dia nach­le­sen. Im Jahr 1991 aber war es bei­na­he exklu­si­ves Spe­zi­al­wis­sen, das für einen Jun­gen, der gera­de in die Welt der Pop­kul­tur hin­ein­stol­pert, einen unschätz­ba­ren Wert hat­te – und des­halb bis zum heu­ti­gen Tag von mir nie wei­ter­ge­ge­ben wur­de. Bit­te­schön!

Mei­ne zwei­te zen­tra­le Prin­ce-Erin­ne­rung ist die, wie Sascha Lobo eines Tages ins BILD­blog-Büro kam, im Tür­rah­men die Zei­le „My name is Prin­ce“ sang und sag­te, er müs­se die­ses Album jetzt sofort hören. Wie noch­mal unser W‑Lan-Pass­wort sei.

Na ja – und dann natür­lich das hier:

08.Prince.-.1999 from Mau­ricio Ona­te on Vimeo.

Kategorien
Digital Gesellschaft

Old man yells at cloud

Seit mei­ne Fami­lie ihre Som­mer­ur­lau­be in den Nie­der­lan­den ver­bringt (also seit kurz nach Ende des Wie­ner Kon­gress), ist es lieb gewon­ne­ne Tra­di­ti­on, bei Aus­flü­gen ins Nach­bar­land die dor­ti­gen Super­märk­te auf­zu­su­chen und all jene klei­nen Köst­lich­kei­ten in gera­de noch haus­halts­üb­li­chen Men­gen raus­zu­schlep­pen, die in Deutsch­land rät­sel­haf­ter­wei­se nicht zu haben sind: Pinda­kaas, Pas­ta Cho­ca, Kren­ten­bol­len, Vla und Hagels­lag. Erst letz­ten Monat nutz­te ich eine Fami­li­en­fei­er im Grenz­ge­biet, um anschlie­ßend noch mal ordent­lich was fürs hol­län­di­sche Brut­to­in­lands­pro­dukt zu tun. ((Wie das unge­fähr aus­sieht, hat­te ich vor sie­ben Jah­ren hier im Blog schon­mal gezeigt.)) In Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung sind die­se gro­cery shop­ping sprees aller­dings zuneh­mend sym­bo­li­scher gewor­den: Scho­ko­la­denstreu­sel bekommt man hier schon lan­ge, seit eini­ger Zeit auch Vla und seit kur­zem bekommt man bei jedem Dis­coun­ter abge­pack­te Rosi­nen­bröt­chen, die den nie­der­län­di­schen Ori­gi­na­len zumin­dest in Kon­sins­tenz und Optik zum Ver­wech­seln ähneln. Das nimmt den Pro­duk­ten den Reiz der begrenz­ten Ver­füg­bar­keit und sorgt neben­her für so ernüch­tern­de Erkennt­nis­se wie die, dass ich eigent­lich gar kei­nen Pud­ding mag.

Holländische Spezialitäten.

Ich habe Pro­ble­me, mich zu ent­schei­den. Des­we­gen mei­de ich Restau­rants mit gro­ßen Kar­ten, ((Ich ver­fü­ge näm­lich auch nicht über eine die­ser Lebens­mit­tel­un­ver­träg­lich­kei­ten, die einem die Aus­wahl mas­siv ein­grenzt – solan­ge kei­ne Wal­nüs­se im Essen sind oder es sich um gefüll­te Nudeln han­delt, kann und mag ich alles essen.)) Kauf­häu­ser und die­se Bars mit 246 Sor­ten Gin. Noch schlim­mer sind Früh­stücks­büf­fets und „All you can eat“-Läden, weil ich da immer das Gefühl habe, ich müss­te jetzt wirk­lich alles pro­bie­ren und ver­zeh­ren – ich hab ja schließ­lich dafür gezahlt und das Zeugs steht da jetzt rum und darf eh nicht zurück in die Küche. Und wäh­rend ich beim Betre­ten von Buch­hand­lun­gen seit jeher leicht depres­si­ve Schü­be bekom­me, weil ich den­ke: „Das wer­de ich bis zum Ende mei­nes Lebens nie­mals alles lesen kön­nen“, sind Leih­bü­che­rei­en noch schlim­mer, denn da kann ich ja nicht mal mehr auf eine Inter­ven­ti­on mei­nes Kon­to­stands hof­fen. Lau­ter offe­ne Türen, also Zeit, klaus­tro­pho­bisch zu wer­den.

Und so kom­me ich dann auch mit dem Kon­zept „Strea­ming“ über­haupt nicht klar: Seit ich Kun­de bei Musik­strea­ming­diens­ten bin (erst Spo­ti­fy, dann Apple Music) habe ich weni­ger Musik gehört als je zuvor in mei­nem Leben. Jede Woche wer­den mir dut­zen­de neue Songs und Alben ange­zeigt, von denen ein Algo­rith­mus glaubt, dass sie mir gefal­len könn­ten – also höre ich lie­ber das, was ich ken­ne, und kau­fe die neu­es­ten Wer­ke der Künst­ler, von denen ich sonst schon alles habe. ((Tol­le neue Alben von Weezer und den Pet Shop Boys, übri­gens!)) Natür­lich auf CD, denn das ist ja mein ande­res Dilem­ma: Ich will den gan­zen Kram natür­lich auch besit­zen. Ins Regal stel­len. Anfas­sen kön­nen. Haben. MP3s waren irgend­wie auch noch okay, denn da „habe“ ich ja die Datei auf der Fest­plat­te. Strea­ming ist da wie Auto lea­sen: zah­len, aber am Ende nichts besit­zen.

Glei­ches Dilem­ma bei Fern­seh­se­ri­en: Weil ich es mag, wenn mei­ne Ama­zon-Bestel­lun­gen noch am sel­ben Tag ver­schickt wer­den, damit ich sie am über­nächs­ten Werk­tag im Post­amt abho­len kann, bin ich „Prime“-Kunde – und bekom­me unge­fragt die Opti­on, hun­der­te Fern­seh­se­ri­en jeder­zeit kos­ten­los anschau­en zu kön­nen. So könn­te ich die Stun­den, in denen Pro­Sie­ben kei­ne Wie­der­ho­lun­gen von „The Big Bang Theo­ry“ zeigt, mit Wie­der­ho­lun­gen von „The Big Bang Theo­ry“ über­brü­cken. Wenn ich denn „The Big Bang Theo­ry“ gucken wol­len wür­de – oder irgend­ei­ne ande­re Fern­seh­se­rie.

Fern­se­hen ist für mich wie für ande­re Leu­te Sport: Wenn jemand mit­kommt und mich dazu zwingt, ist es meist ganz okay. Allei­ne fal­len mir meist hun­dert Sachen ein, die ich drin­gen­der erle­di­gen müss­te. ((Sport, zum Bei­spiel.)) Dann möch­te ich aber ger­ne auch, dass die Pro­gramm­pla­ner mir gna­den­los vor­ge­ben, was ich wann zu gucken habe. So wie frü­her, als ich jeden Mon­tag­abend zu mei­nen Groß­el­tern gegan­gen bin, um „Akte X“ zu gucken, weil mei­ne Eltern kei­ne Satel­li­ten­schüs­sel hat­ten. Der 50 Meter lan­ge Rück­weg durch einen nächt­li­chen Gar­ten gewinnt für einen 12-Jäh­ri­gen deut­lich an Span­nung, wenn er sich vor­her mit Ali­ens, Zom­bies oder Ver­schwö­run­gen beschäf­tigt hat. Wenn ich Fern­se­hen nicht line­ar (oder, wie ich es nen­ne: „nor­mal“) gucken kann, will ich es gar nicht sehen. Und dann die­se Men­gen! „Guck Dir ‚Brea­king Bad‘ an!“ – alles klar: 62 Fol­gen, ((Und damit noch für ame­ri­ka­ni­sche Seri­en noch ver­gleichs­wei­se wenig.)) sehe ich aus, als hät­te ich so viel Zeit?! Ich habe bei mei­nen Eltern noch einen lau­fen­den Meter VHS-Kas­set­ten mit über hun­dert Fol­gen „Nash Bridges“ ste­hen, die ich Ende der 1990er Jah­re auf Vox mit­ge­schnit­ten habe!

Die­se moder­nen Fern­seh­se­ri­en sind aber eh nichts für mich: Hand­lungs­strän­ge, die sich über Wochen und Mona­te ent­fal­ten, „hori­zon­ta­les Erzäh­len“, Chro­no­lo­gie­sprün­ge – urgs! Genau­so schlimm wie die­se unend­li­chen Kino­fil­me von Chris­to­pher Nolan und Zack Sny­der! Ich lese auch am liebs­ten Bücher mit weni­ger als 300 Sei­ten, dann kann ich mehr ver­schie­de­ne lesen. Wie dem älte­ren Herrn im War­te­zim­mer beim Arzt, der sehr detail­liert, aber völ­lig poin­ten­frei erzählt, was er neu­lich im War­te­zim­mer beim Bür­ger­bü­ro erlebt hat, möch­te ich sonst immer rufen: „Komm zum Punkt!“ Aber ich schwei­fe ab.

Neu­lich woll­te ich „Sols­bu­ry Hill“ von Peter Gabri­el hören. Zu Schul­zei­ten hät­te ich dazu erst mei­nen Vater befragt und wäre dann in die Stadt­bi­blio­thek gefah­ren. ((Musik aus der Stadt­bi­blio­thek ging übri­gens immer total in Ord­nung, die konn­te man ja erst auf Kas­set­te und spä­ter dann auf die Fest­plat­te kopie­ren, also „haben“ – ver­su­chen Sie das mal mit einem Buch!)) Wenn das ent­spre­chen­de Album dort auch nicht ver­füg­bar gewe­sen wäre, hät­te ich nach­ein­an­der die – mitt­ler­wei­le natür­lich alle geschlos­se­nen – Plat­ten­lä­den mei­ner Hei­mat­stadt abklap­pern müs­sen. Ich erin­ne­re mich, wie ich Anfang 2000 bei bit­te­rer Käl­te mit mei­nem Fahr­rad jeden Ort in Dins­la­ken ansteu­er­te, an dem ich Ton­trä­ger hät­te käuf­lich erwer­ben kön­nen – sogar den Kar­stadt und die drei Video­the­ken. ((Video­the­ken! „Wie Net­flix, nur mit Kos­ten für Mie­te und Per­so­nal.“)) Nir­gend­wo gab es den Sound­track zu „Fight Club“. Andert­halb Wochen spä­ter fuhr ich mit mei­nen Freun­den mit dem Zug nach Essen, um die CD dort, in der gro­ßen Stadt, end­lich zu erwer­ben. Das glei­che ein paar Mona­te spä­ter mit dem Album „St. Amour“ von Tom Liwa. Was mei­nen Sie, wie eupho­risch ich jeweils war, als ich die CDs end­lich nach hau­se schlep­pen und dort hören konn­te? Heu­te: drei Klicks – Mega-Span­nungs­bo­gen! Und so habe ich dann neu­lich auch blitz­schnell das (wirk­lich phan­tas­ti­sche) ers­te selbst­be­ti­tel­te Album von Peter Gabri­el ((Oder „Car“, wie wir Nerds sagen.)) hören kön­nen. Und seit­dem nie wie­der, denn es wäre ja theo­re­tisch jeder­zeit ver­füg­bar, genau­so wie fast jedes ande­re Album der Musik­ge­schich­te. Kein „Ich hab das jetzt gekauft, da muss ich es auch jeden Tag hören“-Rechtfertigungszwang mehr, kein „Ich hab doch nur sound­so vie­le CDs“-Ressourcenmangel. Kein Wun­der, dass Kon­zep­te wie Poly­amo­rie und Offe­ne Bezie­hung plötz­lich näher lie­gen als auf dem Dorf.

Musiksammlung.

Dou­glas Adams hat über das Ver­hält­nis von Men­schen und Tech­no­lo­gie geschrie­ben:

I’ve come up with a set of rules that descri­be our reac­tions to tech­no­lo­gies:

1. Any­thing that is in the world when you’­re born is nor­mal and ordi­na­ry and is just a natu­ral part of the way the world works.

2. Any­thing that’s inven­ted bet­ween when you’­re fif­teen and thir­ty-five is new and exci­ting and revo­lu­tio­na­ry and you can pro­ba­b­ly get a care­er in it.

3. Any­thing inven­ted after you’­re thir­ty-five is against the natu­ral order of things.

Die Zahl „thir­ty-five“ kann man bei mir bequem durch „twen­ty-five“ erset­zen. Mit 13 war ich online, ((Wenn auch anfangs nur sehr wenig, sehr lang­sam, dafür aber sehr teu­er.)) es ist für mich so nor­mal wie elek­tri­scher Strom oder ana­lo­ges Anten­nen­fern­se­hen. Mit 15 habe ich mei­ne ers­ten Tex­te ins Inter­net geschrie­ben und das war so, wie eine eige­ne Zei­tung her­aus­zu­ge­ben: toll. Des­we­gen habe ich dann mit 23 einen Blog auf­ge­macht. Und obwohl ich hier in den nach unten offe­nen Kom­men­tar­spal­ten ((Die Älte­ren erin­nern sich viel­leicht noch an die­ses Bon­mot aus der guten, alten Zeit.)) eini­ge Freun­de gefun­den habe, muss ich zuge­ben, dass ich die­sen Rück­ka­nal gar nicht zwin­gend gebraucht hät­te. Und hier sind ja zumeist total ver­nünf­ti­ge Leu­te unter­wegs! Stel­len Sie sich mal vor, Sie arbei­ten für die „Tages­schau“, hal­ten Ihre Zuschau­er für eini­ger­ma­ßen auf­ge­klärt und müs­sen dann erle­ben, was die auf Ihrer Sei­te oder gar bei Face­book kom­men­tie­ren. Da wird der Betreu­ungs­schlüs­sel nahe­ge­le­ge­ner The­ra­pie­ein­rich­tun­gen schnell über­reizt!

Ich hät­te des­halb ger­ne mein Inter­net von 2010 zurück: Blogs statt Face­book, ICQ statt Whats­App und E‑Mail statt Slack. Auch die Com­pu­ter waren damals noch bes­ser: Mac­Books hat­ten ver­schie­de­ne Anschlüs­se für ver­schie­de­ne Gerä­te und ein CD/DVD-Lauf­werk, Mobil­te­le­fo­ne pass­ten noch in Hosen­ta­schen und auch die Betriebs­sys­te­me waren noch bedeu­tend bes­ser als nach dem 17. Upgrade. „Online gehen“ setz­te, wenn schon nicht mehr die leicht umständ­li­che Ein­wahl per Modem, so doch zumin­dest einen Com­pu­ter vor­aus, der zumeist auch noch an einen Platz gebun­den war. Heu­te „geht“ man ja nicht mehr online, man ist es. Immer, über­all. Kein drin­nen und drau­ßen mehr. ((Vie­le Leu­te wis­sen dabei nicht mal, dass sie das Inter­net nut­zen, die nut­zen nur Face­book.)) Das Foto, gera­de gemacht, ist jetzt schon auf allen Gerä­ten, die mit dem Kon­to ver­bun­den sind – oder, wenn Sie pro­mi­nent sind, beim Hacker.

Neu­es­ter Trend: Live-Vide­os. Jour­na­lis­ten, glei­cher­ma­ßen geblen­det vom Moment des Dabei­seins und den neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten, strea­men wie besof­fen von Par­tei­ta­gen, Kon­fe­ren­zen und Fes­ti­vals, ((Wenn’s gut läuft. Wenn’s schlecht läuft, strea­men sie live aus Poli­zei­ope­ra­tio­nen.)) die sie eigent­lich besu­chen, um zu beob­ach­ten, zu ana­ly­sie­ren und ein­zu­ord­nen. Posi­ti­ver Neben­aspekt von so viel Live-Leben aller­dings: Der frü­her oft so gefürch­te­te Dia- oder Video­abend nach einer gro­ßen (oder auch klei­nen) Rei­se ist zurecht fast kom­plett aus­ge­stor­ben.

Mag sein, dass ande­re Men­schen mit die­ser per­ma­nen­ten Ver­füg­bar­keit von allem, inkl. ihrer selbst, bes­ser klar­kom­men als ich. Gesprä­che mit Psy­cho­lo­gen und Sozio­lo­gen legen aller­dings nahe, dass dem nicht so ist. Aber man kann sich ja jeder­zeit sein Ent­schleu­ni­gungs-Maga­zin mit Land­haus­flair und Laven­del­duft auf dem iPad angu­cken oder die Medi­ta­ti­ons-App star­ten. Oder halt ein­fach durch­dre­hen, die Möbel aus dem Fens­ter schmei­ßen und den Kopf gegen die Wand schla­gen.

Kategorien
Musik Leben

In Bochum riecht der Frühling nach Bratwurstbude

Ich habe heu­te (also ges­tern) Früh­jahrs­putz gemacht. Mein Zim­mer hat­te in ohren­be­täu­ben­der Laut­stär­ke, schril­ler Stimm­la­ge und in den häss­lichs­ten Dia­lek­ten der mir bekann­ten Spra­chen danach geschrien. Durch eine geschick­te, mir immer noch nicht voll­stän­dig ver­ständ­li­che Umschich­tung ist es mir gelun­gen, die Bücher so im Regal zu ver­tei­len, dass die aller­meis­ten von ihnen auf­recht ste­hen – die seit andert­halb Jah­ren vor­herr­schen­de Sta­pe­lung war schon lan­ge nicht mehr halt­bar gewe­sen. Außer­dem habe ich die DVD-Samm­lung aus dem Bücher­re­gal unter den DVD-Play­er ver­frach­tet und die dort lagern­den Bücher lie­ber ins Regal gestellt.

Neben­bei habe ich den Kühl­schrank unse­rer WG abge­taut. Dies hat­te man (ich) zuletzt vor zwei Jah­ren gemacht und wenn mir jemand erzäh­len will, das ewi­ge Eis bil­de sich rapi­de zurück, dann soll die­ser jemand mal einen Blick in unse­re Bade­wan­ne wer­fen, wo die letz­ten Eis­schol­len gera­de Rich­tung Abfluss trei­ben. Noch­mal wer­de ich die­se Arbeit in die­ser Küche hof­fent­lich nicht machen müs­sen – der Kühl­schrank mei­ner dann Ex-Mit­be­woh­ner wird also nach mei­nen Berech­nun­gen im Sep­tem­ber 2011 von einem Eis­pan­zer auf­ge­sprengt wer­den. Haus­halts­tipp am Ran­de: Wenn man das Eis­wür­fel­fach vor der Wie­der­in­be­trieb­nah­me mit Spü­li ein­reibt, soll das angeb­lich einer schnel­len Eis­bil­dung ent­ge­gen­wir­ken.

Die­se Haus­ar­bei­ten ver­rich­te­te ich bei geöff­ne­tem Fens­ter. Auch wenn es heu­te nicht so warm war wie ges­tern ((Was mir ange­denk der Zwi­schen­la­ge­rung diver­ser Lebens­mit­tel auf dem Bal­kon ziem­lich ent­ge­gen kam.)), lag ein Hauch von Früh­ling in der Luft. In Bochum riecht der Früh­ling übri­gens, wie ich ges­tern bei einer klei­nen Foto­sa­fa­ri fest­stel­len durf­te, nach Brat­wurst­bu­de. Eben­falls ver­rich­te­te ich die Arbei­ten zum Klang ver­schie­de­ner Pop­mu­si­ken. Zwar hat­te mich WDR 5 am Mor­gen in der Küche noch recht pas­send mit einer Repor­ta­ge über Haus­halts­ge­rä­te für Män­ner und Frau­en unter­hal­ten, aber für den work­out woll­te ich lie­ber auf Bekann­tes zurück­grei­fen, des­sen Text ich ein­fach selbst wei­ter sin­gen könn­te, wenn der Staub­sauger mal wie­der die PC-Boxen über­tön­te.

Dabei fiel mir zum wie­der­hol­ten Male auf, wie vie­le CDs sich in mei­nem Regal befin­den, die ich sel­ten bis nie gehört habe. Beson­ders das Jahr als Musik­chef von CT das radio hat sich erheb­lich auf mei­ne Samm­lung aus­ge­wirkt: Da kamen jede Woche etwa 10 Kilo­gramm Ton­trä­ger ((Was extrem wenig ist, ver­gli­chen zum Bei­spiel mit dem, was man als A&R eines Plat­ten­la­bels täg­lich von der Post­stel­le abho­len muss.)) in der Redak­ti­on an, die unter den Musik­re­dak­teu­ren auf­ge­teilt wer­den woll­ten. Das sen­der­ei­ge­ne Archiv war kurz nach dem Erschei­nen des Strokes-Debüts an sei­ne Gren­zen gesto­ßen.

In die­se CDs wur­de jeweils kurz rein­ge­hört ((Außer in die, die in Folie ein­ge­schweißt waren.)), dann durf­te der Redak­teur mit dem ent­spre­chen­den Schwer­punkt sie ein­ste­cken und damit machen, was er woll­te: In der eige­nen Sen­dung spie­len, eine Rezen­si­on drü­ber schrei­ben, sie auf einem manns­ho­hen Sta­pel auf (bes­ser noch: neben) dem eige­nen Schreib­tisch ein­stau­ben las­sen. Ich habe wirk­lich vie­le CDs gespielt, aber eben meist genau ein Lied, in das ich kurz vor der Sen­dung rein­ge­hört hat­te. Bei vie­len Künst­lern hät­te ich schon am Tag dar­auf nicht mehr sagen kön­nen, wie sie geklun­gen hat­ten. Dann wan­der­ten die CDs ins Regal, wo sie sich mit den Andenken an eine fünf­jäh­ri­ge Rezen­sen­ten­tä­tig­keit für „Plat­ten­tests Online“ und den selbst gekauf­ten Ton­trä­gern erst auf drei, dann auf vier, dann auf fünf „Ben­nos“ ver­teil­ten. ((Die drei Ben­nos waren noch inklu­si­ve Sin­gles gewe­sen, inzwi­schen war­ten Sin­gles und EPs in einer unrühm­li­chen Kis­te auf den nächs­ten Umzug.))

Ver­kau­fen darf man die Pro­mo-CDs nicht, dann kom­men die Plat­ten­fir­men vor­bei und hacken einem die Fin­ger ab (oder schlim­me­res). Das will aber natür­lich eh nie­mand, denn am Aus­maß der Plat­ten­samm­lung eines Man­nes erkennt man sei­ne Unlust, die Wän­de mit etwas ande­rem als CD-Rega­len (und Kon­zert­pla­ka­ten und Set­lis­ten) ver­schö­nern zu wol­len. ((Man muss nur dar­auf ach­ten, dass einem sol­che Sachen wie Nickel­back, Within Tempt­a­ti­on oder Revol­ver­held gar nicht erst ins Haus kom­men.)) So kommt es, dass ich Dut­zen­de CDs im Regal habe, von denen ich nicht weiß, wie sie klin­gen. Sogar sol­che, die ich im 2nd-Hand-Laden oder auf dem Ramsch­tisch bei „Saturn“ selbst gekauft habe, weil ich dach­te, die­se oder jene CD müss­te man doch mal unbe­dingt im Regal haben („We Can’t Dance“ von Gene­sis wäre um ein Haar die ers­te CD gewor­den, die ich mir dop­pelt gekauft hät­te ((Also ver­se­hent­lich dop­pelt gekauft. Absicht­lich dop­pelt gekauft zwecks Spe­cial Edi­ti­on oder Neu­auf­la­ge habe ich schon ein paar.))). Und genau sol­che CDs habe ich heu­te und in den letz­ten Tagen ein­mal ver­stärkt ein­ge­legt und mich gefreut, was ich doch für tol­le Musik im Regal ste­hen habe.

Kategorien
Leben

Scheitern als Chance

Da schrei­be ich ges­tern noch über die Musik­in­dus­trie und die tol­le Idee, zah­len­den Kun­den funk­ti­ons­lo­se „Ton­trä­ger“ zu ver­kau­fen, und was mache ich qua­si zeit­gleich? Gehe zu Saturn und kau­fe an einer idio­ti­schen SB-Kas­se eine CD mit Kopier­schutz.

Das aller­dings fiel mir erst auf, als ich die CD zum Anhö­ren in den hei­mi­schen Com­pu­ter schob: iTu­nes woll­te die Schei­be in kei­nem der bei­den Lauf­wer­ke wie­der­ge­ben und nicht mal Win­dows konn­te das Ding erken­nen. Das ist für ein End­an­wen­der-Pro­dukt neu­er Rekord, bis­her kann­te ich der­ar­ti­gen Digi­tal­müll nur als Rezen­si­ons­exem­pla­re für die schwer­kri­mi­nel­len Musik­jour­na­lis­ten. Das Kopier­schutz-Logo war übri­gens erstaun­lich gut getarnt, die CD „The Sin­gles“ von Base­ment Jaxx aus dem Jahr 2005 (was den Kopier­schutz im Nach­hin­ein erklärt). Da an eine gemein­sa­me Zukunft aus nahe­lie­gen­den Grün­den nicht zu den­ken war, schlepp­te ich die CD zurück zu Saturn.

An der Info­the­ke im Erd­ge­schoss muss­te ich nur drei Minu­ten war­ten, dann füll­te die (wirk­lich freund­li­che) Dame einen „Mit­bring­schein“ aus, kopier­te mei­nen Kas­sen­bon von ges­tern und schick­te mich an die Infor­ma­ti­on der CD-Abtei­lung im zwei­ten Stock.

Die dor­ti­ge Infor­ma­ti­on, an der ich zunächst vor­sprach, war die fal­sche, man schick­te mich zu einer wei­te­ren am ande­ren Ende des Gebäu­des. Dort trug ich mein Anlie­gen ein drit­tes Mal vor:

Ich: „Guten Tag, ich habe ges­tern die­se CD gekauft. Da ist ein Kopier­schutz drauf und ich kann sie nicht hören!“
Typ: „Auf dem Com­pu­ter …“
Ich: „Äh, ja.“
Typ: „Das steht da aber auch drauf, nicht?“
Ich: „Oh Gott, Sie wol­len doch auch nicht, dass ich hin­ter­her im Blog so Sachen wie ‚mei­ne Hals­schlag­ader schwoll an‘ oder ‚dürf­te ich bit­te Ihren Vor­ge­setz­ten spre­chen‘ schrei­ben muss, oder? Ich habe ein paar Dut­zend CDs zuhau­se, auf denen Kopier­schutz­lo­gos drauf sind. Bis­her konn­te ich jede ein­zel­ne davon hören – und auf eini­gen war noch nicht mal wirk­lich ein Kopier­schutz drauf.“
Typ: (mur­melt unver­ständ­lich)

Im Fol­gen­den wur­de ich gebe­ten, mei­nen Namen und mei­ne Anschrift zu nen­nen. Ich war natür­lich viel zu ver­wirrt, irgend­wel­chen Blöd­sinn zu erzäh­len, und wuss­te auch nicht, ob mir das Geld nicht viel­leicht bar per Post zuge­stellt wer­den soll­te. Wur­de es aber nicht: Es wur­de ein wei­te­res Blatt Papier bedruckt (der Laden muss eine beein­dru­cken­de Öko-Bilanz haben) und mir mit den Wor­ten „Damit gehen Sie jetzt wie­der zur Kas­se und krie­gen Ihr Geld!“, in die Hand gedrückt wur­de.

Noch ein­mal kurz zum Mit­schrei­ben: Um einen Ton­trä­ger umzu­tau­schen, der die Töne zwar tra­gen mag, aber nicht mehr her­ge­ben will, muss­te ich bei drei Per­so­nen (vier, wenn man die fal­sche Info-The­ke mit­zählt, was ich ger­ne mache, denn die war ja nicht mein Feh­ler) auf zwei Eta­gen vor­spre­chen und bekam nach nur einer Vier­tel­stun­de mei­ne 8,99 Euro zurück.

Und jetzt will ich kei­ne Argu­men­te für die CD mehr hören. Die Zukunft gehört der MP3!