“That will literally blow your mind” sagte Fyfe Dangerfield während seines Auftritts im Spiegelzelt am Donnerstag, als er sich an sein Keyboard setzte. Wie viel Wahrheit in diesem Satz vor allem im Bezug auf die Erlebnisse des Festivalwochenendes stecken würde, konnte ich noch gar nicht ahnen.
Seit 2001 in regelmäßigen Abständen beim Haldern Pop Festival gewesen gab es in jedem Lineup mindestens vier Bands, die ich unbedingt sehen wollte, doch in diesem Jahr war es anders: Ich kannte vielleicht 50% der gebuchten Acts, lediglich zwei standen auf meiner “unbedingt angucken!”-Liste. Trotzdem kein Grund, nicht hinzufahren – in Haldern stimmt eben das Gesamtpaket, selbst wenn das Wetter schlecht ist. Und am Ende hat man einige neue Bands auf seiner Favoritenliste, die da vorher nicht gestanden haben. Dies war auch in diesem Jahr so.
Freitag:
Erster Act für mich beim Haldern Pop, nachdem man sich abends gegen den Besuch im völlig überfüllten Spiegelzelt entschied: Fyfe Dangerfield, seines Zeichens Frontmann der Guillemots. Nicht ganz so verschroben wie seine eigentliche Band, teilweise etwas kitschig. Neben ihm auf der Bühne waren lediglich zwei Streicherinnen, die ihn, sein Effektgerät sowie die Gitarre unterstützten. Und am Ende blieb ein großes Seufzen.
Während auf der Hauptbühne der Überraschungact Philipp Poisel mit seiner Band auftrat, ging das Programm im Spiegelzelt mit Laura Marling weiter, die vor dem Beginn des Konzerts noch einen Liebeskreis mit ihren Mitmusikern initiierte. Geholfen hat das Einschwören auf jeden Fall: Was da an wundervoller Folkmusik aus den Lautsprechern kam, verzauberte die anwesenden Zuschauer – und auch mich.
Nächstes Konzert für mich an diesem Tag: Delphic. Sehr elektronisch, etwas verschroben, nicht so ganz mein Ding. Ein gewisser Herr Heinser sah das übrigens anders und erzählte noch das komplette Restwochenende davon, wie geflasht er von dem Auftritt war.
Next on: Mumford and Sons. Noch vor einem Jahr ließen sie sich im Spiegelzelt feiern, dieses Mal strömten die Massen zur Hauptbühne, das erste Mal, dass der Platz an diesem Wochenende so voll werden würde. Ich wusste nur bedingt, auf was ich mich einlasse, aber es war wunderbar. Und nicht nur ich verließ hinterher ein wenig glücklicher den Platz.
Mein Abschluss des Tages, zumindest auf der Hauptbühne. Ein wenig Balkan, ein wenig Kaizers Orchestra, irgendwie nicht mein Fall – viele anwesende Fans sahen das aber offenbar anders und tanzten in die Nacht. Von den nachfolgenden Serena Maneesh hörte ich am Folgetag nur, dass der Sänger irgendwann mitten im Set von der Bühne geholt wurde.
Schon fast schlafen gelegt kam die Idee, die sich am Ende als unheimlich gut herausstellte: Jose Gonzales spielte mit seiner Band Junip um 2:40 als letzte Band im Spiegelzelt, fast schlafwandelnd zog ich dorthin los, die Kamera leider im Zelt zurückgelassen, deshalb fehlt an dieser Stelle die Impression. Neben einigen Songs der alten EP “Rope & Summit” gab es einige neue Songs vom im September kommenden Album “Fields”. Der Sound ist schwer zu beschreiben, etwas düster und dezent akustisch passte er aber perfekt zu diesem ausklingenden Abend.
Samstag
Tag zwei sollte für mich mit Portugal. The Man beginnen. Irgendwo zwischen Soul und improvisierten Gitarrensequenzen liegend bildete die Band den perfekten Einstieg in den Tag, wenn ich auch geistig schon bei der dann folgenden Band, Fanfarlo, war.
Fanfarlo erfüllten meine Erwartungen vollkommen, besonders beeindruckend war die vielseitige Benutzung verschiedenster Instrumente. Leider wirkten sie an diesem sommerlichen Tag am Nachmittag auf der Hauptbühne dezent deplatziert – im Spiegelzelt wären sie bei weitem besser aufgehoben gewesen.
Ein weiterer großer Unbekannter war die Band Frightened Rabbit. Bekannte hatten sie mir wärmstens ans Herz gelegt, ich solle sie mir unbedingt anschauen. Und es hat sich gelohnt, hinzugehen: Der Indiepop passte vom Gefühl her perfekt in diesen großartigen Sommertag.
Blood Red Shoes hätten mir egaler nicht sein können, auch wenn sie ganz okay dahinrockten. Besonders kurios war übrigens der Einsatz der Ventilatoren, der die Haare der durchaus gutaussehenden Sängerin Laura zum fliegen brachten. Einige Männerherzen dürften dahingeschmolzen sein.
Die Dänen waren mein persönliches Highlight des Festivals, und das mit großem Abstand. Man hat es der Band angesehen, dass sie unheimlichen Spaß an dem hatten, was sie da auf der Bühne so taten. Der Sound: Teils experimentell, teils orchestral, teils poppig, aber immer irgendwie verschroben. Es war die Athmosphäre, die den Auftritt so besonders machte. Plötzlich wirkte die große Hauptbühne ganz klein und alle um einen herum stehenden Zuschauer wie eine große Familie. So sollte es immer sein.,
Am liebsten hätte ich den Abend nach diesem fulminanten Auftritt von Efterklang beendet, einen Zwangstermin gab es aber dann doch noch, nachdem mir alle anderen Mitreisenden von ihnen vorschwärmten. The National reisten mit einer Bühne voll Instrumenten an, das Licht war hell und beeindruckend, die Musik in einer umfangreichen Bandbreite, von leise-akustisch bis laut-stampfend. Und obwohl mir die Musik nur so mittel zusagte, war der Auftritt von The National ein großartiger Abschluss eines noch großartigeren Festivalwochenendes.
Wie immer hat das Haldern bewiesen, wie wichtig das Gesamtpaket eines Festivals ist. Nicht nur die Musik stimmte an diesem Wochenende zu weiten Teilen ziemlich gut mit dem überein, was man sich erhofft hat, auch das ganze Drumherum sorgte für gute Stimmung, die sich nicht zuletzt auch auf dem Zeltplatz niederschlug. Wie in jedem Jahr war die Fahrt nach Haldern auch 2010 ein wenig wie der Besuch bei sehr guten, langjährigen Freunden, die sich um einen kümmern und einem eine schöne Zeit bereiten. Ich bedanke mich bei allen, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dieses Wochenende zu einem der wenigen unvergesslichen zu machen. Bis nächstes Jahr in Haldern.
Kleiner Zusatz am Rande: Mehr Fotos neben den hier abgebildeten gibt es hier.