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Leben

Another Decade Under The Influence: 2013

Dieser Eintrag ist Teil 4 von bisher 10 in der Serie Another Decade Under The Influence

2013. Ein Anfang zu zweit. Und mit Hund. „Im Schneefall auf der Straße knutschen“ auf der bucket list abhaken. Eine Grimme-Preis-Nominierung fürs Dschungelcamp. Eine Dienstreise nach Budapest: In Ungarn über Pressefreiheit sprechen fühlt sich seltsam an. Partys, Kneipen, Wochenenden. Ein herrenloser Einkaufswagen. We’re up all night ’til the sun / We’re up all night to get some / We’re up all night for good fun / We’re up all night to get lucky. Renovierungen und Umzüge anderer Leute. Ein neuer Job beim ESC: Plötzlich sitze ich tatsächlich an der Seite von Peter Urban! Noch ein neuer Job: Plötzlich bin ich Social-Media-Hansel bei „Tagesschaum“ mit Friedrich Küppersbusch, den ich noch aus meiner Kindheit aus dem Fernsehen kenne. Ein Sommerurlaub, wie man halt Sommerurlaube macht: in Holland am Meer. Das war die schönste Zeit / Weil alles dort begann. Die Hochzeit meiner kleinen Schwester inkl. Autocorso (schon geil, wenn man Teil davon ist!) und kaum aufwendigem Hochzeitsfilm. Mein 30. Geburtstag auf dem Macklemore-Konzert und eine Party, die sich nach Abschied anfühlt. I don’t care / I love it. Mit dem Hund im Fernsehen. Ein im letzten Moment abgesagtes Travis-Konzert. Eigentlich sollten wir erwachsen werden: Die Kilians auf Abschiedstournee. Gemeinsam auf Wohnungssuche. Ein positiver Schwangerschaftstest. Mit Ansage: Zum letzten Mal Heiligabend feiern in Dinslaken.

Ein Jahr zwischen „growing up“ und „being grown up“, das sich eigentlich schon wieder nach so viel mehr anfühlt. Jede Menge Szenen für den Supercut meines Lebens. Die Erkenntnis, dass alles zu zweit noch bunter, lauter, schöner sein kann — aber auch anstrengender. Ein Tag in Amsterdam mit einer Grachtenrundfahrt in der Abenddämmerung und die Ansage der Reiseleiterin, dass man, wenn man sich unter der Magere Brug küsst, für immer zusammenbleibt. (Spoiler alert: Dies gilt offenbar nicht immer.) Und wir stehen auf unseren Brücken / Unter uns der Strom / Die Aussicht scheinbar endlos / Unser Thron.

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Musik

Einfach mal machen!

Ich bin verliebt. In diesen Song, das dazugehörige Album und ein bisschen auch in diese Frau:

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Die Frau ist Rae Morris und ihr Song “Don’t Go”, der im Serienfinale von “Skins” lief (also, “Serienfinale” in dem Sinne, wie “The Book Of Love” von Peter Gabriel das “Serienfinale” von “Scrubs” untermalte: danach kamen noch Folgen, aber wen interessieren die, denn das hier war der große Moment mit einem phantastischen Song, den ich vorher noch nicht kannte und anschließend hundert Mal auf Repeat hören musste und … ich schweife ab), war mein Lied des Jahres 2012.

2015 erschien ihr Debütalbum “Unguarded”, was … okay war, und am 2. Februar dann ihr Zweitwerk “Someone Out There”, was sehr, sehr gut geworden ist und musikalisch irgendwo zwischen Imogen Heap, Björk, Lily Allen und Emmy The Great changiert.

“Do It” ist bereits vor einem halben Jahr als 2. Vorabsingle erschienen, aber ich habe es erst jetzt mitbekommen. Auch ohne das Video hätte ich den Song synästhetisch so beschrieben: warmer Sommernachmittag, der in den Abend übergeht, Bier im Stadtpark (und ein Hauch von Beck’s-Reklame), Leute treffen, zu zweit sein und sich mit zunehmender Dunkelheit und Alkoholisierung immer weniger verstohlene Blicke zuwerfen, sich irgendwann angrinsen und vermutlich irgendwann knutschen.

Ein Lied, das klingt, wie der Moment, wenn man sich verliebt (welcher natürlich auf allerallerbeste Weise literarisch verewigt wurde von John Green in “The Fault In Our Stars” mit: “I fell in love the way you fall asleep: slowly, then all at once.”, aber das wusstet Ihr ja alle schon), und das eine ebenso simple wie oft unmöglich umzusetzende Botschaft enthält: einfach mal machen!

Dieser Text erschien ursprünglich in meinem Newsletter “Post vom Einheinser”, für den man sich hier anmelden kann.

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Gesellschaft

Liebe ist …

… über die eigene Partnerin zu schreiben, es sei “schon sehr beängstigend” gewesen, “nicht zu wissen, wie die Leute und die Medien reagieren”, wenn man sich mit ihr “als Paar outen” würde.

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Politik Gesellschaft

Liebe ist …

… über die eigene Frau zu sagen, man habe sie “als eine überzeugende Repräsentantin eines menschlichen und eines modernen Deutschlands wahrgenommen”.

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Musik

Ich sang die ganze Zeit von Dir

Im Frühjahr 2001 waren Ash groß. “Shining Light” lief auf Viva 2 rauf und runter und die Band spielte bei der guten alten Osterrocknacht in der Düsseldorfer Philipshalle. Alan Bangs fragte Sänger Tim Wheeler damals, ob er eigentlich noch mit der Frau zusammen sei, über die er das Lied geschrieben habe, und Wheeler antwortete: Ja, das sei ja auch sonst komisch, den Song jeden Abend spielen zu müssen. Inzwischen ist Tim Wheeler mit Emmy The Great zusammen, die beiden veröffentlichen in Kürze ein gemeinsames Weihnachtsalbum. “Shining Light” spielen Ash aber immer noch.

Man darf in der Musik wie in der Literatur das Lyrische Ich nie mit dem Verfasser verwechseln. Johnny Cash hat (nach allem, was wir wissen) nie einen Mann in Reno erschossen, nur um ihn sterben zu sehen. Und doch erwartet man besonders bei Liebesliedern oft einen Zusammenhang zwischen Werk und Realität — zumal, wenn der performende Künstler sie selbst geschrieben hat.

Andererseits wird es natürlich auch schnell uninteressant, für wen ein Liebeslied gedacht war, weil alle den Song auf ihren jeweils aktuellen Schwarm oder Partner projizieren. Und irgendwo in der Welt sitzt dann eine alleinerziehende Mutter, die damit leben muss, dass ihr früherer Lebensgefährte immer noch ein Heidengeld damit macht, sie zu besingen, obwohl er sie schon nach drei Monaten betrogen hat, und für hunderttausende Pärchen ist ihr Lied (also das der Frau) jetzt “ihr Lied” (also das der Pärchen).

In Nick Hornbys “High Fidelity” erklärt der Ich-Erzähler Rob Flemming:

All my life I have wanted to go to bed with — no, have a relationship with — a musician: I’d want her to write songs at home, and ask me what I thought of them, and maybe include one of our private jokes in the lyrics, and thank me in the sleeve notes, maybe even include a picture of me on the inside cover, in the background somewhere, and I could watch her play live from the back, in the wings (although I’d look a bit of a berk at the Lauder, where there are no wings: I’d be standing on my own, in full view of everybody).

Die Idee ist vermutlich nur so lange romantisch, wie die Beziehung noch intakt ist.

Auf seinem letzten Album erzählt Ben Folds in “Belinda” die Geschichte eines alternden Musikers, der jeden Abend seinen einzigen Hit spielen muss, den er vor Jahren für seine Ehefrau geschrieben hatte, bevor er sie für eine jüngere Frau (“big breasts / a nice smile / and no kids either”) verließ. Der Text zu “Belinda” stammt aus der Feder von Nick Hornby und lange dachte ich, dass er damit auf eine verquere Art Folds’ persönlichsten Text geschrieben hätte.

Denn auch Folds spielt bei Konzerten immer noch “The Luckiest”. Als dieses zauberhafte Liebeslied vor zehn Jahren auf “Rockin’ The Suburbs” erschien, musste man annehmen (“I don’t get many things right the first time”), dass er das Lied für seine dritte Frau und die Mutter seiner Zwillinge (“my collaborator, partner and wife”, wie er sie im Booklet bezeichnet) geschrieben hatte. Im Jahr 2006 ließen sich die beiden scheiden.

In den Liner Notes zu seinem Retrospektive-Album “The Best Imitation Of Myself” (auf dem auch drei neue Ben-Folds-Five-Songs sind, die ich hier sträflicherweise noch gar nicht gewürdigt habe) erklärt Folds nun, das Lied extra für einen Film geschrieben zu haben, in dem es dann doch keine Verwendung fand.

Folds schreibt:

Anyway, I didn’t understand completely what I was writing abaout until years later when I met my Fleur [seine vierte Ehefrau].

Es erscheint auf den ersten Blick recht unglaubwürdig, dass ausgerechnet so ein großartiger Lovesong “einfach so” entstanden sein sollte. Andererseits ist das ja genau die Magie von Pop und womöglich sind “I’ll Catch You” (The Get Up Kids), “The Book Of Love” (The Magnetic Fields) oder “Balu” (kettcar) in Wahrheit auch für niemand speziellen geschrieben. Dafür sind dann die Menschen echt, die sich in “Song For The Dumped” (Ben Folds Five) oder “Not Fair” (Lilly Allen) ihre menschlichen bzw. sexuellen Unzulänglichkeiten vorwerfen lassen müssen.

Jedenfalls hat Ben Folds die Geschichte mit dem Film auch den Leuten vom “A.V. Club” noch einmal erzählt, die ihn in seinem Studio in Nashville, TN besucht haben. Den Song gespielt hat er bei der Gelegenheit auch:

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Ben Folds discusses and performs “The Luckiest”

“The Luckiest” funktioniert übrigens auch sehr schön als Sample in Novels “I Am” und Ben Folds Five planen, gemeinsam ein neues Album aufzunehmen.

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Musik

Die Narben der Liebe

Nothing compares,
no worries or cares,
regrets and mistakes
they’re memories made.
Who would have known how bittersweet this would taste?

(Adele – Someone Like You)

Musikalisch machen ja gerade zwei Frauen besonders von sich reden: Einmal Lady GaGa, die letzten Freitag mit viel Bums und Rums ihre neue Single “Born This Way” veröffentlichte, inklusive Countdown und selbst ausgerufenem (nordamerikanischen) Nationalfeiertag (#bornthiswayfriday), die sich am folgenden Sonntag in einem riesigen Plastik-Ei bei den Grammys über den roten Teppich tragen ließ — und Adele. Beide überaus erfolgreich in den Charts der westlichen Welt, verdrängt nun die eine die andere von der Nummer eins der meistverkauftesten Singles. Und doch könnten sie verschiedener nicht sein: Während Lady GaGa ihre Profession über alles stellt und Fleiß und Disziplin als Weg zum Erfolg ernennt, Authentizität predigt und einfordert und den amerikanischen Traum ein weiteres Mal bewirbt, scheint Adele zumindest zeitweise ganz anderen Prinzipien zu folgen. 2008 sagte sie kurzerhand ihre komplette Tour durch Nordamerika ab. Grund: Liebeskummer. Das wäre Lady GaGa nicht passiert.

“I was drinking far too much and that was kind of the basis of my relationship with this boy. I couldn’t bear to be without him, so I was like, ‘Well, OK, I’ll just cancel my stuff then.'” Das ist natürlich alles andere als professionell und besonders gesund klingt es auch nicht, aber erstens war Adele zu der Zeit erst 20 und zweitens haben Menschen mit Gitarren und musikalischem Talent einen unbestrittenen Vorteil, wenn es ihnen schlecht geht: Um zu heilen, können sie das Leid in ein Lied kreativ nutzen. Und während Adeles erstes Album 19 irgendwie ganz nett war, ist 21, der Nachfolger, der momentan so überaus erfolgreich ist, ein episches Album, thematisch komplett auf die zerstörerische Beziehung gerichtet, und reiht sich ganz geschmeidig in eine Reihe klassischer Trennungsalben ein, soll heißen: Im Rückblick werden alle Phasen noch mal durchlebt. Die erste Verliebtheit, die schönen Momente, das Ewigkeitsgefühl. Dann die ersten Risse, Unstimmigkeiten, die erste Trennung, die Versöhnung, die Zweifel dabei, dann das zweite Ende (diesmal aber wirklich!), eine selbstauferlegte Kontaktsperre, und dann, ganz bitter: Die Nachricht, dass der immer noch geliebte Mensch in einer neuen Beziehung ist und, in Adeles Fall, sogar heiratet.

Es ist eine alte Geschichte, doch immer wieder neu. Brauchen Menschen so was? Unbedingt.

Wir leben in weltkriegslosen Zeiten, in ereignislosen Zeiten, Ägypten hin oder her. Max Goldt machte diesen Zustand einst für den Jungmännerzynismus verantwortlich, für verhärtete Herzen, zur Biografielosigkeit verdammt. Das einzige, was den meist betäubten Menschen dieser Zeiten wirklich aufbricht und verändern kann, ist oft ein ordentlicher Liebeskummer, der alle sicher geglaubten Überzeugungen raubt und alles neu denken lässt. Ist das melodramatisch? Aber sicher. Nur: Was sollte man 2011 sonst wohl tun? Adele hat, davon ist auszugehen, ein Dach über dem Kopf und genug zu essen, ist also in der Position, sich ordentlich in das Leid zu begeben und zu fühlen, was es zu fühlen gibt. Textlich hat sie sich nicht reinreden lassen, musikalisch jedoch war sie beraten von Rick Rubin (Johnny Cash, Red Hot Chili Peppers) und Paul Epworth (Plan B, Bloc Party) – das Ergebnis ist ein Album, das nebenher beim Bügeln laufen kann, textlich und musikalisch aber so groß ist, dass es als permanenter Lebensbegleiter taugt. Denn Adele hat was zu sagen.

Alle Phasen einer Trennung werden hier durchlebt: “Rollin’ In The Deep”, die erste Single und aktuell noch Platz1 der deutschen Charts (bevor es nächste Woche von “Born This Way” der fleißigen, authentischen, pflichtbewussten Lady GaGa verdrängt werden wird), ist in bester Alanis Morissette-Tradition sehr klar und zornig an den ehemals Geliebten gerichtet: “We could have had it all!”, aber anders als Alanis im Trennungsklassiker “You Oughta Know”, verweist Adele auf ihre Wunden, auf ihre Verletzungen, die Narben, die die Liebe hinterlassen hat – es ist Krieg, der ganz persönliche Weltkrieg. Sympathischerweise ist das Album dann auch thematisch nicht in klassische Trennungsphasen aufgeteilt, sondern schwankt von Lied zu Lied zu unterschiedlichsten, widersprüchlichsten Gefühlen – von Wut zu tiefster Trauer, zum Leugnen, zur Kultivierung der schönen Gefühlen, vom Selbsthass zur Selbstüberhöhung – gleich der zweite Track “Rumour Has It” kommt mit einem Grundton daher, der an das Fallen von Bomben erinnert, Einschläge der Wortfetzen, die man so hört: Ich hab gehört, du liebst sie nicht mehr, verlässt sie für mich, aber haha, ich verlasse dich für ihn!

Und so geht es weiter, es wird geschluchzt und geklagt: Erinnerst du dich nicht mehr an unsere Liebe, warum du mich mal geliebt hast? (“Don’t You Remember?”), wenn du gehst, dann nimmst du mich mit, dann bin gar nichts mehr (“Take It All”), und so weiter. Der Höhepunkt des Album ist aber der letzte reguläre Track: “Someone Like You”, der das scheinbar endgültige Ergebnis des hin und her markiert: Der geliebte Mensch ist nun verheiratet, und es bleibt nur, ihm und der neuen Frau das allerbeste für die Zukunft zu wünschen, wenn man nicht das Gesicht verlieren will. Der Zurückgebliebenen bleibt nur das Beharren auf den eigenen Schmerz, das Zurückgewinnen der Souveränität durch das Ausrichten der besten Glückwünsche. Die Bitte, nicht vergessen zu werden, ist natürlich fürchterlich unemanzipiert und gipfelt im Trost, das man jemanden finden wird, der dem Geliebten ähnlich ist — anstatt den Kopf zu heben und zu sagen: Nee, der nächste wird sehr anders als du! Aber Liebeskummer folgt keiner Logik. Es kommt immer alles ganz überraschend und es ist immer wieder neu. Denn wer hätte je gedacht, dass das alles so bittersüß endet?

Hinzu kommt, dass Adele eine fantastische Sängerin ist, ein Beweisvideo sei hier zum Schluss eingefügt. Bitte leiden Sie mit Adele und werden ein besserer Mensch.

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Musik Digital

Songs For The Dumped

Aus Anlass des heutigen Valentinstags haben sich die Macher der besten Musikshow der Welt, “All Songs Considered”, mal was besonderes einfallen lassen: Nachdem es im letzten Jahre ein paar weniger bekannte Liebeslieder gab, geht es diesmal um breakup songs, also Lieder rund um Beziehungsenden.

Sympathischerweise ist es wieder einmal eine Show in großer Runde, das heißt neben Standard-Moderator Bob Boilen sind auch Produzent Robin Hilton, sowie die Redaktionskollegen Stephen Thompson und Carrie Brownstein mit dabei. Wie immer, wenn die Vier gemeinsam eine Sendung schmeißen, sind die Dialoge und die zwischenmenschlichen Neckereien fast genauso schön wie die Musik.

Die Songauswahl schwankt zwischen naheliegend und abwegig. Die ganzen wütenden Abrechnungen (s. Überschrift) wurden weggelassen, dafür gibt es viel Herzschmerz — und eine musikalische Bandbreite, die von den Ramones zu Justin Timberlake, von Stars zu Vic Chesnutt reicht. Dazwischen: Beck und The Replacements.

Ein bisschen positiver geht es dagegen beim Valentins-Geschenk von Enno Bunger weiter: Deren schmucke Single “Herzschlag” kann man heute (ganz ohne Anmeldung) kostenlos herunterladen.