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Podcast: Episode 7

Lukas ist ein bisschen erkältet und hat deshalb zum ersten Mal Husten gehört, die Indie-Supergroup von Gisbert zu Knyphausen, Moses Schneider und Tobias Friedrich. Außerdem spielt er neue Songs von ARXX, Arlo Parks, Muff Potter und The National und ein Lieblingslied von Japandroids:

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Alle Songs:

  • Husten feat. Sophie Hunger – Dasein
  • ARXX – The Last Time
  • Men I Trust – Ring Of Past
  • Arlo Parks – Impurities
  • Muff Potter – Beachbar
  • Gracie Abrams – Where Do We Go Now?
  • The National – Eucalyptus
  • Japandroids – Fire’s Highway
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Songs des Jahres 2012

Ich bin natürlich viel zu spät dran. Ich habe inzwischen mehrere Songs im Radio oder in Gaststätten gehört, die selbstverständlich noch auf die Liste gehört hätten, die ich aber schlichtweg vergessen habe. Und vermutlich habe ich die besten Sachen eh wieder nicht mitbekommen.

Egal.

Hier sind meine Songs des Jahres 2012:

25.The Killers – Runaways
“Battle Born”, das vierte reguläre Album der Killers, hat nicht die Übersongs wie “Hot Fuss”, es ist kein geschlossenes Meisterwerk wie “Sam’s Town”, aber auch nicht so unsortiert wie “Day & Age”. Kurzum: Es ist ein völlig okayes Album — und es hat “Runaways”, die neueste Springsteen-Hommage (Frau kennengelernt, schwanger geworden, geheiratet, Stimmung im Arsch — man kennt das) aus dem Hause Flowers. “We can’t wait till tomorrow”!

24. Calvin Harris feat. Example – We’ll Be Coming Back
Das Konzert von Example in der Kölner Essigfabrik war eines der besten und energiegeladensten, die ich 2012 besucht habe. Leider werde ich mit dem neuen Album “The Evolution Of Man” nicht richtig warm, aber diese Kollaboration mit Calvin Harris, die auf den Alben beider Künstler enthalten ist, ist schon sehr ordentlich geworden.

23. Frittenbude – Zeitmaschinen aus Müll
Ein Plädoyer für den Spaß, die Party, die Selbstzerstörung, ohne gleichzeitig gegen Spießertum und Bausparverträge zu hetzen. Die Kernaussage “Jeder Tag ist der beste Tag eines Lebens” ist vielleicht nicht sonderlich neu, aber sie rundet diesen melancholischen Carpe-Diem-Popsong wunderbar ab.

22. Santigold – Disparate Youth
Unseren jährlichen Mobilfunk-Werbesong gib uns auch heute wieder. Natürlich haben die sonnendurchfluteten Erlebnis-Bilder aus den Vodafone-Spots diesen ohnehin großen Song noch ein bisschen weiter mit Bedeutung aufgeladen, aber auch nach der Dauerbeschallung im Fernsehen (und mehr noch: im Internet) hat das Lied nichts von seiner Schönheit verloren.

21. Benjamin Gibbard feat. Aimee Mann – Bigger Than Love
Da veröffentlicht der Sänger von Death Cab For Cutie und The Postal Service das erste richtige Soloalbum unter eigenem Namen (“Former Lives”) und der beste Song ist wieder mal eine Kollaboration. Nach “Bigger Than Love” wünscht man sich, Gibbard und Mann hätten zusammen ein komplettes Album aufgenommen, so großartig harmonieren ihre beiden Stimmen und so schön ist das Ergebnis geworden.

20. The Gaslight Anthem – “45”
Ich würde sie ja gerne ignorieren, diese schrecklichen Kreationisten aus New Jersey, aber dafür machen sie leider immer noch viel zu gute Musik. “45” ist eben leider ein großartiger Opener zu einem ziemlich guten Album. Die Frage, ob man guten Künstlern nachsehen sollte, dass sie offensichtlich Idioten sind, klären wir dann eben später.

19. Kid Kopphausen – Das Leichteste der Welt
Seit dem 10. Oktober kann man Kid Kopphausen nicht mehr hören, ohne mitzudenken, dass Nils Koppruch, einer der zwei Köpfe dieser Band, starb, bevor es mit der Band richtig losgehen konnte. Hier singt nun die meiste Zeit Gisbert zu Knyphausen, der andere Kopf, und er singt so grandios Zeilen wie “Denn jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt”. Das ist so meilenweit weg von den Acts, die jedes Jahr den “Bundesvision Song Contest” unsicher machen, so sagenhaft gut, dass es wirklich keines Todesfalls bedurft hätte, um dieses Album noch besonderer zu machen. Aber so ist das Leben manchmal.

18. Kendrick Lamar – Swimming Pools (Drank)
Es sind so viele Lobeshymnen über Kendrick Lamar und sein Debütalbum “good kid, m.A.A.d city” erschienen, dass ich keinerlei Ambitionen habe, dem noch etwas hinzuzufügen. Es ist ein wahnsinnig kluges Album, das vielleicht nicht im eigentlichen Sinne catchy ist, an dem wir aber vermutlich auch in 20, 30 Jahren noch unsere Freude haben werden. Und “Swimming Pools (Drank)” ist der beste Song darauf. Vielleicht.

17. Leslie Clio – Told You So
Während Thees Uhlmann solo Karriere macht, hat der Rest der letzten Tomte-Besetzung umgesattelt und ist jetzt Backing Band (bzw. im Falle von Niko Potthoff auch noch Produzent) von Leslie Clio, der – großer Gott, Musikjournalisten! – “deutschen Antwort auf Adele”. “Told You So” ist clever, knackig und entspannt und gemeinsam mit der Nachfolgesingle “I Couldn’t Care Less” lässt das Großes für das im Februar erscheinende Debütalbum “Gladys” erwarten.

16. Frank Ocean – Lost
Und noch so ein Album, das völlig zu Recht auf allen Bestenlisten weit vorne gelandet ist. Ich habe länger gebraucht, um mit “Channel Orange” warm zu werden, aber es wird tatsächlich bei jedem Hören noch besser. “Lost” ist der … nun ja: eingängigste Song des Albums, der ein bisschen schüchtern vor sich hin groovt.

15. Cro – Easy
Ja, der Song hätte auch schon 2011 auf der Liste stehen können. Ja, man kann das mit der Panda-Maske albern finden. Ja, die ständige Medienpräsenz (außer in der “WAZ”) nervt ein bisschen. Aber bitte: “Easy” ist immer noch ein großartiger Song. Die Zeilen mit “AC/Deasy” und “Washington, Deasy” zählen zum Cleversten, was im deutschsprachigen Hiphop je passiert ist — wobei die Konkurrenz da jetzt auch überschaubar ist.

14. Alex Clare – Up All Night
Keine Ahnung, warum die großen Hits von Alex Clare jetzt “Too Close” und “Treading Water” sind: “Up All Night” hat doch viel mehr Energie und ist viel abwechslungsreicher. Andererseits dürften die Auswirkungen auf den Straßenverkehr auch verheerend sein, wenn so ein Lied plötzlich im Formatradio läuft. Verglichen mit dem Rest des Albums, der zwischen Soul und Dubstep schwankt, ist der Refrain von “Up All Night” nämlich ein regelrechtes Brett. Andrew W.K., mit dem Drumcomputer nachempfunden.

13. Burial – Loner
Von der Radiovariante zum Untergrundhelden: Kaum ein Künstlername passt so gut zur Musik wie der von Burial. Die Doppel-EP “Street Halo / Kindred” ist das, was Massive Attack seit Jahren nicht mehr richtig hinbekommen, und “Loner” ist mit knackigen siebeneinhalb Minuten noch das zugänglichste Stück in diesem düsteren Gewaber. Unbedingt mit Kopfhörern und geschlossenen Augen genießen!

12. The Wallflowers feat. Mick Jones – Reboot The Mission
Nach sieben Jahren Pause und zwei sehr guten Soloalben von Jakob Dylan sind die Wallflowers zurück — und klingen plötzlich nach The Clash! Und, klar, wenn sie im Text Joe Strummer erwähnen, können sie für die Gitarre und den Gesang im Refrain gleich auch noch Mick Jones verpflichten. Und ich bin so einfach gestrickt, dass ich es grandios finde!

11. Kathleen Edwards – Change The Sheets
Ich glaube, wenn ich alles zusammenzähle, ist Kathleen Edwards meine Lieblingssängerin: Diese wunderschöne Stimme, diese Stimmungsvollen Songs und die Bilder, die ihre Musik entstehen lässt! Und dann ist “Voyageur”, ihr viertes Album, auch noch von Justin Vernon von Bon Iver produziert und enthält Songs wie “Change The Sheets”! Toll!

10. Bob Mould – The Descent
Gut, Bob-Mould-Alben klingen immer gleich und viel Abwechslung gibt es auch auf “Silver Age” nicht. Aber als einzelner Song kann so etwas wunderbar funktionieren und was der Ex-Sänger von Hüsker Dü und Sugar da mit 52 aus dem Ärmel schüttelt, kriegen manche Musiker unter 30 nicht auf die Kette. Die Formel “Gitarrengeschrammel plus hymnische Chöre” ist natürlich denkbar einfach, kriegt mich aber fast immer.

09. Cloud Nothings – Stay Useless
Dieser Song ist erst ganz spät auf meiner Liste gelandet, als Stephen Thompson ihn in der Jahresbestenlistenshow von “All Songs Considered” gespielt hat und ich festgestellt habe, dass ich ihn schon das halbe Jahr über im Freibeuter gehört hatte. Natürlich auch denkbar einfach in seiner Wirkmächtigkeit, aber ich find’s gut, wenn ich weiß, was ich will, und das auch bekomme.

08. Carly Rae Jepsen – Call Me Maybe
Ich saß in Baku im Hotelzimmer, guckte russisches Musikfernsehen und sah dieses Video. Als der Song zu Ende war, zappte ich weiter und sah das Video auf dem nächsten Kanal direkt noch mal von vorn. “Komische Russen”, dachte ich, wollte den Song bei Facebook posten und stellte dann fest, dass ich bisher einen internationalen Hit verpasst hatte. “Call Me Maybe” mag mittlerweile ein ganz kleines bisschen nerven, aber es ist einer der besten Popsongs, der in diesem Jahrtausend geschrieben wurde (über die Produktion können wir uns streiten) und “Before you came into my life I missed you so bad” eine ganz rührende Zeile Teenager-Poesie. Popkulturtheoretisch spannend ist natürlich auch die Erkenntnis, dass die ganz großen Megahits (“Somebody That I Used To Know”, “Gangnam Style” und eben “Call Me Maybe”) inzwischen immer auch mit Webphänomenen einhergehen oder sogar aus ihnen entstehen.

07. Kraftklub – Songs für Liam
Noch so ein Song, den nicht mal Einslive totspielen konnte. So clever wurde Popkultur in deutschsprachigen Songtexten selten verhandelt, so wirkungsvoll wurden die Black Eyed Peas und Til Schweiger selten gedisst, so gut wurde der Wunsch, geküsst zu werden, selten begründet. Außerdem freut man sich ja über jede junge Band, die sich mal nicht von der Folkplattensammlung ihrer Eltern hat beeinflussen lassen.

06. First Aid Kit – Emmylou
… womit wir bei zwei schwedischen Teenagern wären, die maßgeblich von der Folkplattensammlung ihrer Eltern beeinflusst wurden. Ich verehre First Aid Kit, seit ich sie vor vier Jahren auf dem By:Larm in Oslo gesehen habe, und war etwas enttäuscht, dass ihr Debütalbum 2010 dann vergleichsweise egal ausfiel. Das haben sie jetzt mit “The Lion’s Roar” ausgeglichen, dem wundervollen Nachfolger. “Emmylou” wirft mit textlichen und musikalischen Referenzen nur so um sich und macht klar, dass sich Johanna und Klara Söderberg so intensiv mit der Materie beschäftigt haben, dass sie statt dieses Songs auch eine Habilitationsschrift hätten anfertigen können. Die wäre allerdings kaum so schön geworden.

05. kettcar – Rettung
Damit wäre jetzt auch nicht mehr zwingend zu rechnen gewesen, dass kettcar zehn Jahre nach ihrem grandiosen Debütalbum noch mal das beste Liebeslied veröffentlichen würden, das je geschrieben wurde. Doch, wirklich: Das muss man auch erst mal bringen, die besoffen kotzende Freundin zu besingen und mit “Guten Morgen, Liebe meines Lebens” zu schließen. “Liebe ist das was man tut”, lehrt uns Marcus Wiebusch hier ganz praktisch. Und musikalisch ist das auch eine der besten kettcar-Nummern.

04. Macklemore & Ryan Lewis – Thrift Shop
Wenn 2012 nicht ausgerechnet das erste Ben-Folds-Five-Album seit 13 Jahren erschienen und auch noch wahnsinnig gut ausgefallen wäre, wäre “The Heist” von Macklemore & Ryan Lewis mein Album des Jahres geworden. Auf der einen Seite gibt es dort unglaublich anrührende Songs wie “Same Love” und “Wing$”, auf der anderen so einen funkelnden Wahnsinn wie “Thrift Shop”, der eigentlich niemanden kalt lassen kann. Unbedingt auch das Video ansehen!

03. Japandroids – Fire’s Highway
Wie Sie gleich sehen werden, gab es 2012 für mich drei große Strömungen: Melancholische Klavierballaden, Hiphop und Garagenrockbretter. Hier der bestplatzierte Vertreter der letztgenannten Kategorie. “Celebration Rock” ist, wie Stephen Thompson bei “All Songs Considered” richtig bemerkt hat, das vielleicht am passendsten betitelte Album der Musikgeschichte: Acht Songs in 35 Minuten, ein durchgetretenes Gaspedal und Freude am eigenen Lärm. In allen anderen Bestenlisten taucht “The House That Heaven Built” auf, bei mir eben “Fire’s Highway”. Gitarrengeschrammel plus hymnische Chöre, Sie kennen das Prinzip.

02. Ben Folds Five – Away When You Were Here
Ich will ganz ehrlich sein: Ich hatte nicht damit gerechnet, dass “The Sound Of The Life Of The Mind” überhaupt ein gutes Album werden würde. 13 Jahre Warten waren einfach zu viel. Dass es letztlich ein sehr gutes Album geworden ist, liegt an Songs wie “Away When You Were Here”: Die Melodie klingt schon beim ersten Hören, als kenne man das Lied seit seiner Kindheit, und dass Ben Folds ein Lied an einen verstorbenen Vater singt, während sein eigener Vater noch lebendig und bei bester Gesundheit ist, untermauert seine Songwriter-Qualitäten. Jeder Depp kann besingen, was er fühlt oder sieht, aber mit fiktiven Geschichten derart zu Herzen zu rühren, das können nur wenige. Ben Folds kann es, natürlich.

01. Rae Morris – Don’t Go
Ich habe nicht viele TV-Serien komplett gesehen. Wenn ich es dann doch ausnahmsweise mal tue, sind die Abschlusslieder gleich mit besonderer Bedeutung aufgeladen. Das war mit Peter Gabriels “The Book Of Love” am Ende von “Scrubs” so (die Unzumutbarkeiten der neuen Folgen verschweigen wir einfach) und so war es auch mit “Don’t Go” am Ende von “Skins”. Dass auch diese Serie jetzt noch einen Appendix bekommt (der hoffentlich/mutmaßlich nicht so schlimm wird wie der von “Scrubs”), können wir an dieser Stelle getrost unterschlagen, so berührend und emotional verdichtet ist die Montage zu diesem Lied, das ich seitdem rauf und runter gehört habe — obwohl das zunächst gar nicht so einfach war. Ein schlichtes Lied einer jungen Singer/Songwriterin aus England, aber auch ein sehr schönes.

Jetzt nachhören: Meine Top 25 bei Spotify.

Und weil ich hier eh schon so viel über die Alben geschrieben habe, gibt’s deren Bestenliste diesmal unkommentiert.

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Spexen für Anfänger

Wir Sind Helden haben ein Album veröffentlicht, das unsere Autoren spaltet: Katharina Schliebs ist begeistert von seiner Tiefe, Lukas Heinser wollte es nach zwei Durchgängen eigentlich nie wieder auflegen. Gemeinsam haben sie sich noch einmal durch “Bring mich nach Hause” gehört und ihre Eindrücke in ein Chatfenster geschrieben.

Herausgekommen ist so etwas ähnliches wie ein Text:

Katharina: “In den Bibliotheken städtischer Ballungen / stapeln sich Bücher über läppische Wallungen / neben Bänden voller Lieder über Beulen und Schräglagen / und die Wände hallen wieder vom Heulen und Wehklagen.” — Was für ein großer Text über die Kleinigkeiten, die zur Soap des Lebens aufgeblasen werden.
Lukas: Den Song würde ich glaub ich skippen, wenn ich das Album hören würde.
Katharina: Der ist unglaublich schön in seiner zarten Subtilität. Gänzlich undramatisch fließt es so dahin, und diese Trompete ist wunderbar. (Ist es eine Trompete?) Ich hab den gestern im Zug immer wieder auf repeat gehört. Dieses Album ist eben etwas schwerer zugänglich.
Lukas: Ich find dieses “Drama-Dramatiker” im Refrain so unfassbar nervtötend.
Katharina: Ja, aber da haben wir eine Überschneidung von Text/Musik/Aussage. Das ist so fein aufgebaut: Die Mädchen regen sich über die Jungs auf, die Jungs über die Mädchen, und die Renter stehen für die Zuschauer, die dann auch noch einen guten Rat parat haben – Frühvergreisung der Besserwisser Anfang 20… ach! Und alles ist immer so dramatisch, dabei pupst das Leben einfach unspektakulär vor sich hin. Und Judith Holofernes sagt im Interview: Es ist Zeit, mal weniger zu wollen und die Dinge einfach mal geschehen zu lassen.
Lukas: Das sagt sich natürlich leicht, wenn man gerade ein Album aufgenommen hat, auf dem man definitiv zu viel gewollt hat.
Katharina: Hat man? Ich find nicht!
Lukas: Das dritte Album war ja schon ein bisschen überambitioniert, aber das neue lässt mich noch ratloser zurück als Tocotronic. Vielleicht bin ich auch einfach nicht gebaut für Intellektuellen-Pop.
Katharina: Ja, das ist schade, dass es vielleicht zu “intellektuell” und damit schwerer zugänglich ist… andererseits müssen WsH auch keine Ansprüche erfüllen. Judith hat auch gesagt, sie hätte schon beim 3. Album etwas dämonisch gedacht: “Mal gucken, wer da jetzt noch mitkommt.”
Lukas: Was natürlich eine schöne Weiterentwicklung vom Slogan-Pop des ersten Albums ist. Wobei die Slogans ja nur verschachtelter geworden sind.
Katharina: Das ganze Album ist im Prinzip das erste und das zweite Album nur in besser! Die Themen sind die gleichen, immer!
Lukas: Na, die Themen sind bei ungefähr jeder Band immer dieselben.
Katharina: “Dramatiker” wäre zum Beispiel “Geht auseinander”.
Lukas: Dieser Sprachwitz, der bei “Die Zeit heilt alle Wunder” noch charmant und unverbraucht war (obwohl das im Rückblick auch näherungsweise albern ist), ermüdet mich auf die Dauer. Das wird so Christian-Morgenstern-mäßig, Heinz-Erhardt-esk.
Katharina: Ja, aber irgendwie find ich das immer noch lustig: Dramatiker, Batiker, Statiker, Talarsticker, Starkicker. “Wer zu viel frisst aus Frust verlässt danach oft die Bar dicker” — ich muss immer grinsen. Und das ist ja nur das eine Lied! Warte mal die anderen ab!

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Gesammelte Platten Mai 2010

Dieser Eintrag ist Teil 5 von bisher 8 in der Serie Gesammelte Platten

Band Of Horses – Infinite Arms
Bei “All Songs Considered” sprechen sie längst nur noch von “bärtiger Musik”, wenn bärtige junge Männer auf ihre Gitarren eindreschen und mehrstimmig melancholische Songs schmettern. Band Of Horses halten diese Grundregeln auch auf ihrem dritten Album ein, was sich aber bedeutend langweiliger liest, als es sich anhört. Musikalisch irgendwo zwischen Nada Surf, Built To Spill und Fleet Foxes wird eher geschwelgt als gerockt: Weitgehend sehr entspannt pendelt “Infinite Arms” zwischen Entspanntheit und Melancholie und wäre damit tendenziell eher ein Herbst-Album, aber gute Musik ist jahreszeitlos schön.
Anspieltipps: “Factory”, “On My Way Back Home”, “Evening Kitchen”, “Bartles + James”. (LH, Rezensionsexemplar)

Beach Fossils – Beach Fossils
Beach Fossils klingen wie vor vierzig Jahren oder wahlweise eben auch wie Real Estate, die Produktion ist rauschig und vermumpft, und so richtig Drive ist da auch nicht drin. Und trotzdem sind sie großartig. Andauernd muss ich sie hören, was vielleicht etwas weniger mit der Musik zu tun hat als viel mehr mit einem in mir lange verloren geglaubten Entspannungsgefühl beim Hören lahmer, halbpsychedelischer Trend-Indiemusik zusammen hängt. So ein Meta-Moment, in dem mir relativ wurscht wird, ob das, was ich höre, hochgradig innovativ ist oder nicht. Ein bisschen wie Velvet Underground auch und Joy Division, falls Sie da Referenzen brauchen.
Anspieltipps: “Daydream”, “Window View”, “Wide Awake”. (MS)

The Black Keys – Brother
Man bräuchte ein Beamgerät. Das denke ich so oft. Einfach rein und zack! ist man am gewünschten Ort und muss nicht der Bahn das Geld in den Rachen werfen. Diese Institution transportiert eh nur noch Millionäre, dieser Tage. Leider gibt es noch kein Beamgerät, aber das neue Album der Gebrüder Black Keys ist ein kleiner Versuch.
Wenn man auf Play drückt, ertönt ein bluesiger Gitarrensound aus den 70ern und beamt sich dann mal schnell ins Zeitalter des Garagenrock um dann weiter zu hüpfen ins Jetzt. Sie nehmen aus den Jahren des Rock einfach das Beste mit.
“Brothers”, das sechste Werk mit dem super Cover, das nur den Titel trägt: “This is an album by The Black Keys. The name of the album is Brothers.”, ist vielleicht das smootheste bis jetzt. Dan Auerbach und Patrick Carney liefern ab.
Sie haben den dreckigen Sound ihrer Vorgängeralben mit ein wenig funky Smooth gekoppelt, “Sinister Kid” drischt und macht lust auf Tanzen bis man nicht mehr kann. Bei “Tighten Up” haben die beiden sich Danger Mouse ins Studio gebeamt und meinen unglaublich langwierigsten Ohrwurm erschaffen (auch das Video dazu ist nur zu Empfehlen).
Oder man beamt sich ein wenig in ein Zeitkontinuum, in dem man die Zeit mal vergisst und einfach diese super Platte genießt.
Highlights: “Tighten Up”, “Sinister Kid”. (AK)

The Divine Comedy – Bang Goes The Knighthood
Ich bin ein wenig in Sorge, dass ich schon sehr bald nur noch neue Alben von Bands kaufen werde, die ich sowieso schon kenne und schätze, dass ich diese Alben ein paar Mal hören und dann sagen werde: “Ja, schön, aber die hatten auch schon bessere …” Nun ja, wer ein Divine-Comedy-Album kauft, weiß, was ihn erwartet und genau das bekommt er auch: Luftigen Pop mit eher barocker Instrumentierung, intelligente Texte und viel britischen Stil — also ein bisschen wie die Pet Shop Boys in analog. Neil Hannon macht also ungefähr da weiter, wo er vor vier Jahren auf “Victory For The Comic Muse” aufgehört hat (kulminierend im großen Selbstzitat “The Lost Art Of Conversation”), und das ist ja nicht das Schlechteste. Die richtig herausragenden Songs fehlen bis auf die Single “At The Indie Disco” ein wenig, dafür ist der Opener “Down In The Street Below” so laid back wie kaum etwas seit der “Regeneration”.
Anspieltipps: “Down In The Street Below”, “At The Indie Disco”, “When A Man Cries”, “I Like”. (LH)

Foals – Total Life Forever
Dass ich mal was über Mathe schreiben würde. Aber die Herren Foals aus dem Vereinigen Königreich haben mit ihrer neuen Platte “Total Life Forever” und ihrem Math-Rock einfach mitten in mein derzeitiges Elektro-Rock-Herz getroffen. Seit zwei Wochen lauf ich jetzt schon mit der Platte durch die Straßen und grinse in mich rein, wenn ich von den Beats im Ohr angefeuert werde.
Bei “Spanish Sahara” halte ich dann inne, weil ich jedes mal sowas von überrumpelt werde, wenn bei 4:12 ein Sound einsetzt, der wie Sommerregen und Wunderkerzen klingt. Jedesmal bleib ich stehen oder schließe die Augen und lass dieses Lied über mich regnen. Das Konzept geht auf, wahnsinnig genial komponierte Melodien gepaart mit einem super Schlagzeug und der Stimme von Sänger Yannis Philippakis erzeugen einfach eine perfekte Gänsehaut.
Es ist diese Mischung aus futuristischer Weltanschauung und trotzdem an alten Dingen festhalten. Das Album passt als Gesamtwerk wunderbar zusammen. Die Songs nehmen sich nichts weg, sondern zeigen verschiedenen Persepektiven und werfen neues Licht auf die Welt. Schöne Welt da, bei den Foals.
Anspieltipps: “Black Gold”, “Spanish Sahara”, “Alabaster”. (AK)

Gisbert zu Knyphausen – Hurra! Hurra! So nicht
Menschen kommen und gehen und die wenigsten bleiben. Die meisten gehen wieder und die allerwenigsten lassen etwas zurück. Mit Herrn zu Knyphausen war das ähnlich. Ihn brachte mir jemand mit, der dann wieder ging, und er war einer der wenigen, die gingen und etwas da ließen, und so denk ich immer auch ein wenig an ihn, wenn ich Gisbert höre.
Wenn wir jetzt in die neue Platte reinspringen, dann merkt man, dass Herr Knyphausen ein wenig verschmitzer geworden ist (“Es ist still auf dem Parkplatz Krachgarten”). Ähnlich wie Damien Rice, der einmal in einem Interview sagte, er würde nicht ewig nur traurige Lieder schreiben können, weil er gar nicht so melancholisch ist. Und so geht es mir mit Gisberts zweitem großen Album “Hurra! Hurra! So nicht”. Natürlich sind die Töne nachdenklich und beschreiben diese Gefühlsnostalgie und Momente, aber es schwingt jetzt auch Optimismus in den Liedern mit. Auch das typische Knyphausen-jajajaja ist dabei und das Talent, die irrwitzigen Momente des Lebens ins Bilder umzubasteln.
Es ist jetzt nicht mehr nur Gisbert mit seiner Gitarre, nein, es ist auch ein Schlagzeug und ein Bass dabei! Und wenn mir auch die alten Lieder deshalb so gefallen haben, weil es nur er, die Gitarre und du waren, so muss ich doch sagen, dass das Arrangement sehr gut geworden ist! Die Lieder packen an der richtigen Stelle, das Schlagzeug morst die kleinen musikalischen Botschafen direkt ins Ohr und ins Herz. Die neue Platte ist gut, richtig gut!
Anspieltipps: “Grau Grau Grau”, “Es ist still auf dem Parkplatz Krachgarten”, “Kräne”. (AK)

The National – High Violet
Eigentlich hatte ich ja bereits Anfang Mai ein paar hundert lobpreisende Absätze über dieses Album geschrieben und eigentlich nicht gedacht, dass da noch etwas hinzuzufügen sein könnte. An meiner persönlichen Wertung, die objektiv irgendwo bei 100 von 5 Sternen liegt, weil das halt einfach so ist, hat sich auch nichts geändert. Vielleicht ist es aber ganz gut, meinen Anfangseindruck nach mittlerweile fast mehrmonatigem Hören und auch mal Nichthören auf den neuesten Stand zu bringen: Entgegen aller meiner Erwartungen überspringe ich den untypischen Opener “Terrible Love” immer noch nicht, wenn ich das Album höre. Was für ein Knaller, mit einer Demo-Aufnahme anzufangen, wenn man seine fünfte LP veröffentlicht. In der Süddeutschen Zeitung stand über “High Violet”: Konsensrock. Mit schlechter Note. Ich mag mich irren, aber ist etwas von vornherein als langweilig zu verurteilen, wenn jeder es irgendwie hören kann, ohne sich übergeben zu müssen? Oder weil die Gitarren einem nicht das Gehör zersägen, sondern man sie sozusagen erstmal suchen muss? Weiter möchte ich mich gar nicht aufregen. Super Sache, das Album! (MS)

The New Pornographers – Together
Einmal Kanadier sein! Man stellt sich auf die Straße vor die eigene Haustür, hebt kaum merklich für ein bis zwei Sekunden die Hand, sagt etwas wie “Ich habe eine Gitarre da drin, möchte von euch vielleicht irgendwer mitspielen?” und schwupps, hat man ein Orchester in der Hütte. Keine Beschwerden bitte, diese Vorstellung bestätigt sich quasi alleine, also ohne Stützräder, sozusagen von selbst, ungefragt, wenn Sie mögen, wenn man sich nur mal Broken Social Scene anschaut und den Baum von Querverweisen, Zitaten, Mitgliederwechseln, Aushilfsgitarristen, Sängerinnen und Sängern und so weiter versucht nachzuvollziehen, ohne dabei zumindest einen Notizblock zu haben. Ein kaum überwindbarer Arbeitsberg. Zurück zum Thema. The New Pornographers bestehen, lässt man die haltlose Anschuldigung, es handele sich dabei um Sänger Carl Newman mit Gästen, aus drei hauptsächlich mit Songwriting und Singen beschäftigten Menschen, von denen A.C., oder Carl, Newman nur einer ist, und einer Reihe weiterer Musiker. Die übrigen beiden Songschreiber der Band sind Neko Case, die vor nicht allzulanger Zeit mit dem Soloalbum “Middle Cyclone” ein ganz schön tolles Ding abgeliefert hat, und Daniel Bejar, dem einzigen festen Mitglied der auch gar nicht so marginal bekannten Band Destroyer. Hätte ich das Bedürfnis, geohrfeigt zu werden, würde ich für die New Pornographers also ein Wort benutzen, das mit S anfängt und mit upergroup aufhört, aber ich bin ja nicht von allen guten Geistern verlassen. Was soll diese ganze Einleitung? Man erwartet von einer Band mit solch einem Kaleidoskop der Eigenköpfigkeit und Soloplattenerfahrung möglicherweise eine verkopfte, anstrengende, überkandidelte Veröffentlichung nach der anderen. Das Bemerkenswerte ist, dass “Together” weniger eitel nicht sein könnte. Es klingt, als wäre Carl Newman damals nicht nur einfach auf die Straße gelaufen, um Leute zu suchen, die mit ihm musizieren wollen, sondern hätte in der Frage auch ganz eindeutig noch die Formulierung “Bitte bringt eine Tüte gute Laune pro Person mit!” benutzt. Ein hochgradig erheiterndes und schönes Album ist das hier. Wenn hier überhaupt ein Konzept durchgezogen werden sollte, dann vermutlich einfach das, einen Riesenspaß zu haben. Hat man die Band einmal live gesehen, verdichtet sich dieser Eindruck zusätzlich, was leider manchmal zu einem Hauch Schülerbandgefühl führt. Muss ja aber auch nichts Schlimmes sein.
Anspieltipps: “Valkyrie In The Roller Disco”, “Crash Years”, “We End Up Together”. (MS)

Mitarbeit an dieser Ausgabe:
AK: Annika Krüger
LH: Lukas Heinser
MS: Markus Steidl

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Haldern Rock im Saal

Sieben mal bin ich schon mit dem Auto von Dinslaken nach Haldern und zurück gefahren, bevor ich zum ersten Mal Google Maps nach dem kürzesten Weg befragt habe. Und siehe da: Der führt nicht etwa über die Autobahn, sondern strunzlangweilig die ganze Zeit die B8 entlang.

Aber warum fährt man außerhalb der Festival- und Spargel-Saison eigentlich ins Lindendorf am schönen Niederrhein? Na, um Konzerte zu gucken, natürlich.

“Rock im Saal”, den kleinen Bruder des Haldern Pop gibt es mittlerweile auch seit 15 Jahren. Am vergangenen Samstag trafen sich die Halderner Dorf- und die nordrhein-westfälische Indiejugend wieder im Gasthof Tepferdt, um in der gemütlichsten mir bekannten Atmosphäre Livemusik zu genießen.

Enno Bunger

Enno Bunger
Glaubt man jenen Quellen, denen man im Bezug auf sowas immer trauen sollte, sind Enno Bunger das nächste größere Ding. Die Mischung aus Keane (die Musik, die fehlenden Gitarren) und Blobkanal/Janka (die Texte, der Gesang) dürfte eigentlich ein Hit werden, auch wenn es den natürlichen Lebensraum für solche Musik, Sarah Kuttners Shows auf Viva bzw. MTV, seit Jahren nicht mehr gibt.

Die rockigen Nummern, die die Band um Sänger, Pianist und Namensgeber Enno Bunger am Samstag gespielt haben, gefielen mir ausgesprochen gut und erinnerten ein bisschen an die guten Sachen von Virginia Jetzt! Die ruhigeren Songs sind vermutlich auch nicht schlecht, waren aber einfach nicht das, was ich in dem Moment hören wollte.

Hören kann man Enno Bunger bei MySpace und live. Die letzten Exemplare der EP wurden am Samstag verkauft, bis zum Debütalbum dauert es noch ein bisschen.

Kilians

Kilians
Ich hatte Sie gewarnt — Kilians-Content ist der neue Obama-Content hier im Blog.

Der Auftrittsapplaus hätte Robbie Williams neidisch gemacht, die Stimmung während des Konzerts erinnerte ein bisschen an Kindergeburtstag (was vor allem am Durchschnittsalter des Publikums lag) und wenn eine Band vier neue Songs hintereinander raushauen kann, ohne dass die Begeisterung der Zuhörer nachlässt, dann haben sich da zwei gefunden. (Das war eine Metapher, denn die Band war wie üblich zu fünft und das Publikum zu ein paar Hundert.)

Was nicht funktioniert, ist Ironie in Song-Ansagen: “Wir waren seit Jahren nicht mehr hier”, hat angesichts des fünften Konzerts auf Halderner Boden in knapp zweieinhalb Jahren kein Schwein verstanden.

Hören kann man die Kilians bei MySpace, live und auf CD — aber das erzähl ich Ihnen bis zum Release von “They Are Calling Your Name” eh noch ein paar tausend Mal.

Gisbert zu Knyphausen

Gisbert zu Knyphausen
Willkommen zu unserer neuen Serie “Hypes ignorieren mit Herrn Heinser”. Die erste Folge (Glasvegas) entfällt, wir machen direkt weiter mit Gisbert zu Knyphausen, über den ich vorher eigentlich nur wusste, dass der wirklich so heißt.

Gisbert zu Knyphausen macht, das muss man unumwunden sagen, Mädchenmusik. Aber Mädchenmusik, die von tollen Mädchen gehört wird und deshalb auch von Jungen gut gefunden werden kann. Außerdem kann er – was mir vorher gar nicht klar war – auch sehr ordentlich rocken und erinnert dann fast an die frühen Tocotronic.

Da der Begriff “Liedermacher” durch Reinhard Mey und Wolf Maahn bis ans Ende der deutschen Sprache verbrannt ist, muss man sich mit dem (angesichts deutscher Texte etwas deplatziert wirkenden) Begriffspaar “Singer/Songwriter” behelfen. Zur Orientierung seien noch zwei Namen genannt, die vermutlich den wenigsten Gisbert-zu-Knyphausen-Hörerinnen noch etwas sagen werden: Tom Liwa und Thommie Bayer.

Hören kann man Gisbert zu Knyphausen auf MySpace, live und auf CD.

Alle Fotos: © Martina Drignat für mainstage.de. Mit freundlicher Genehmigung.