Machen wir’s schnell: Hier sind also 25 Songs, die ich gestern Abend um 21:57:26 in exakt dieser Reihenfolge für die besten des zurückliegenden Jahres hielt!
25. Loyle Carner – Loose Ends
Ich komme ja generell deutlich besser mit britischem Hip Hop klar als mit amerikanischem (oder deutschem, hahaha), aber Loyle Carner ist wirklich besonders gut, weil sein Sound so unglaublich tight und organisch groovend ist, während er traurige Geschichten erzählt.
24. J.S. Ondara – American Dream
Über das Album hab ich schon bei meinen Alben des Jahres geschrieben, hier also der Opener. Was ist der amerikanische Traum in Zeiten, in denen man mit den USA vor allem einen wahnsinnigen Reality-TV-Star verbindet, der irgendwie zum Präsidenten wurde? Hier klingt es fast nach einem Fiebertraum:
23. Maggie Rogers – Light On
Die große Frage bei Maggie Rogers Debütalbum war natürlich: Würde sie es schaffen, nach “Alaska” weitere große Songs zu schreiben? “Light On” beantwortet diese Frage ziemlich eindeutig mit “Ja!” (Bin ich der Einzige, der im Refrain einen Hauch von “Shut Up And Dance” hört?!)
22. Better Oblivion Community Center – Dylan Thomas
Wenn Phoebe Bridgers und Conor Oberst eine Indie-Folk-Supergroup gründen, ist das alleine natürlich schon mal super. Wenn dabei auch noch solche Songs rumkommen: Umso besser!
21. Bear’s Den – Only Son Of The Falling Snow
Ich bin ja immer vergleichsweise spät mit meinen Bestenlisten: Viele Leute und Redaktionen veröffentlichen ihre bereits Anfang Dezember. Sie haben dann womöglich die Drei-Song-Ep verpasst, die Bear’s Den am Nikolaustag veröffentlicht haben — und damit diesen wundervollen Folksong!
20. dodie – Monster
Ich glaube, es war mein erster oder zweiter “Mix der Woche” im Jahr 2019, auf dem Spotify diesen Song platziert hatte. Ich entnehme soeben der Wikipedia, dass dodie als YouTuberin groß geworden ist, was doch auch schön ist!
19. The Highwomen – Crowded Table
Schlechte Nachrichten für Männer, die glauben, dass ihnen Frauen alles wegnehmen wollen: Jetzt gründen sie schon Country-Supergroups! Gute Nachrichten für alle anderen (und nur die sollten uns interessieren): Das Album, was Brandi Carlile, Natalie Hemby, Maren Morris und Amanda Shires hier gemeinsam aufgenommen haben, ist wundervoll geworden — und “Crowded Table” womöglich der beste Song darauf! Jetzt möchte ich auch ein Haus irgendwo im ländlichen Amerika haben, um dessen Tisch sich Freunde und Familie sammeln!
18. Martha – Lucy Shone A Light On You
Klar: Supergroups, SoundCloud-Rap, große Songwriter und Produzenten — kann alles super sein! Aber manchmal reichen auch noch die klassischen Zutaten Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang, um einen richtig guten Song zu ergeben.
17. Lil Nas X feat. Billy Rae Cyrus – Old Twon Road
Trauen Sie niemandem, in dessen Jahresbestenliste dieser Song nicht auftaucht! Lesen Sie die Entstehungsgeschichte dieses Songs, so sie Ihnen noch nich bekannt ist, jetzt nach! Oh, jetzt ist er leider schon vorbei. Drücken Sie repeat! (Im Ernst: Solange junge Leute solche Songs zusammenkloppen, die nicht mal Billy Rae Cyrus zerstören kann, solange kann die Welt doch nicht so schlecht sein!)
16. Iris Gold – All I Really Know
Seit mehr als zehn Jahren wollte ich immer mal zum Eurosonic, jenem Showcase-Festival, bei dem im Januar in Groningen weite Teile der Line-Ups für die europäischen Sommerfestivals … nun ja: eingekauft werden. Es hat ein bisschen was von Viehmarkt, nur halt mit viel mehr Musik, Bier und Bitterballen. Über meinen Ausflug habe ich eine Reportage für “JWD” geschrieben — und mit den Entdeckungen den Rest des Jahres meine Musik-Kolumne gefüllt. Iris Gold sah ich am ersten Abend, es war ein beeindruckender Auftritt und – meine Güte! – was für ein Song!
15. Carly Rae Jepsen – Now That I Found You
Einmal so verliebt sein wie Carly Rae Jepsen in ihren Songs! Ach so: Been there, done that. Dann besser weiter Musik hören!
14. Keane – The Way I Feel
Das wird jetzt ein bisschen peinlich: Keane waren natürlich schon vor 15 Jahren nicht cool, als sie ihre anderthalb Hits hatten. Jetzt sind sie 15 Jahre älter (und, sorry: attraktiver) und haben halt irgendwie einen The-Killers-Klon rausgehauen, der bei mir leider alle Knöpfe drückt. Das ist so ESC, so camp, so Roséwave — I’m all up for it!
13. kettcar – Palo Alto
Nach dem großartigen “Ich vs. Wir” gab’s Nachschlag in Form einer EP, Ende Januar gehen kettcar jetzt erstmal in eine Pause. Marcus Wiebusch erzählt von vier Menschen, die zu den Verlierer*innen der Digitalisierung gehören. Klingt nach angestrengtem Sozialkundelehrer-Kitsch? Entschuldigung: Nein! Irgendwann wird man eine direkte Linie ziehen können von diesem Song über Sacha Baron Cohens öffentliche Abrechnung mit Facebook bis hin zur Zerschlagung der Internet-Giganten und Mark Zuckerbergs Verurteilung wegen Hochverrats. Burn, Palo Alto, Burn!
12. Pkew Pkew Pkew – Passed Out
Wie bin ich jetzt auf diese Band aufmerksam geworden? Über The Hold Steady auf Social Media? Würde Sinn ergeben, ist aber auch total egal: Ein Zweieinhalb-Minuten-Punk-Rock-Song übers Betrunkensein — inklusive Rückung! Also quasi Kneipen-ESC-Material. Ein Traum, aber: “I don’t dream when I’m passed out”.
11. Pet Shop Boys – Burning The Heather
Ungefähr alle zehn Jahre verwandeln sich die Pet Shop Boys kurzzeitig in eine Britpop-Band mit Akustikgitarren und schwelgender Melancholie. Es geht (natürlich) um Einsamkeit, um Herbst und … Oh mein Gott, es ist mir fast egal, worum es hier geht: Ich liebe diesen Song!
10. bülow – Sweet Little Lies
Noch so eine Eurosonic-Entdeckung: Geboren in Deutschland, aufgewachsen in Großbritannien, Kanada, den USA und den Niederlanden, gerade eben 20 geworden — das sind die Zutaten für lesenswerte Porträts! Bringt natürlich nur was, wenn die Musik auch was taugt, aber, meine Güte: Das tut sie!
9. Bon Iver – U (Man Like)
Ein Klavier! Justin Vernon! Und dann auch noch Bruce Hornsby (auf dessen 2019er Album “Absolute Zero” Justin Vernon wiederum einen Gastauftritt hat)! Und ein Chor! Das ist so grandios, dass mir völlig egal ist, dass sich der Song eigentlich schon bei der Zwei-Minuten-Marke wieder verabschiedet!
8. Billie Eilish – Bad Guy
Ich bin ein bisschen stolz, dass ich Billie Eilish selbst “entdeckt” (also, wenn ich mich recht erinnere: in einem Tweet von Thees Uhlmann zum ersten Mal von ihr gelesen) habe, und mich nicht mein Sohn auf ihre Musik aufmerksam gemacht hat (im Kindergarten feiert man gerade vor allem Mark Forster und “Mama Lauda”). Klar: Hören jetzt natürlich alle Teenager auf der Welt und wir alten Säcke hören es mit, damit wir auch noch ein bisschen cool erscheinen können. Aber: Alter! Was für ein Brett ist bitte dieser Song?! Und den haben Billie Eilish und ihr Bruder Finneas da mit 17 bzw. 21 Jahren aufgenommen! Wahnsinn!
7. Leif Vollebekk – Hot Tears
Bis ich diese Zeile hier schrieb, hielt ich Leif Vollebekk für einen Skandinavier, er ist aber Kanadier (was womöglich irgendwie aufs Selbe rauskommt). Ich weiß also nichts über diesen Mann, außer dass ich beim ersten Hören kurz dachte, einen Song von Ryan Adams vor mir zu haben, den ich ja dann leider nicht mehr hätte gut finden und hören können. “Hot Tears” klingt aber nur so — und darüber hinaus natürlich ganz phantastisch!
6. Lizzo – Juice
Wer zum Henker ist Prince? Was Lizzo hier in diesem Song abfackelt, hat in einem Takt mehr Funk als die Bigband der Bundeswehr an einem Abend! (In meinem Kopf ergab dieser Satz noch Sinn.)
5. Juice WRLD – Fast
Irgendwann meinte mein Spotify-Algorithmus: “Hier, hör Dir das mal an!” Ich mochte den Song, weil er mich vom Sound sehr an den R’n’B und Hip Hop der ganz späten 1990er Jahre (TQs “Westside”, TLCs “No Scrubs”, …) erinnerte. Das Album hab ich ein, zwei Mal gehört, “Fast” blieb mein Liebling darauf. Dann kam Anfang Dezember die Nachricht, dass Jarad Higgins, so Juice WRLDs richtiger Name, kurz nach seinem 21. Geburtstag gestorben ist. Fuck! In “Legends” rappte er: “What’s the 27 Club? / We ain’t making it past 21”, in “Fast” “Time really moves fast, fast, fast, fast”. Ja. Puh! So schnell können Songs ganz anders klingen. Aber was für ein Hit das immer noch ist!
4. Thees Uhlmann – Fünf Jahre nicht gesungen
Was macht man, wenn man aus einem Album (Album des Jahres!) gleich zehn der zwölf Songs auf seine Bestenliste packen könnte? Man entscheidet sich für die Vorab-Single, deren Text einem beim ersten Hören teilweise den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Mein nächstes Tattoo: “Menschen wie ich bleiben besser allein”. Vielleicht.
3. Vampire Weekend – Harmony Hall
Wer alle 40 Sekunden einen neuen Song hören will (und zwar: Afro-Folk-Ballade, “Sympathy For The Devil”-Hommage und 90er-Big-Beat-Hymne nacheinander), ist hier richtig! Zwischendurch kommt noch ein Piano-Break, der von Sgt.-Pepper-Bläsern abgerundet wird, aber wer an dem Punkt noch nicht tanzt, hat eh andere Sorgen als über die verschiedenen Sound-Einflüsse Buch zu führen.
2. Sigrid – Sight Of You
Dass ich das noch erleben darf: Eine Künstlerin, die wie meine Oma heißt! Sigrid kommt aus Norwegen (meine Oma aus Duisburg-Hamborn), ihr Debütalbum “Sucker Punch” ist sehr gut und “Sight Of You” ist hart an der “Viva La Vida”-Grenze, aber es geht hier um Liebe, Vertrauen und Trost und wenn man irgendwo außerhalb meines Wohnzimmers zu diesem Song tanzen könnte, würde ich es jedes zweite Wochenende tun!
1. Feeder – Youth
Großer Gott: Ein Song von alten Männern (Grant Nicholas ist inzwischen 52!) darüber, wie es damals war, als man jung war, am Wasser saß, Rockmusik hörte und von Kalifornien träumte. Verfickt noch mal: Es ist ein Song über meine eigene Jugend, der vom Schlagzeug-Sound bis zum Gitarrensolo exakt so klingt, als ob er auf meinem Abi-Mixtape gewesen wäre. (Und dann noch der Junge mit dem Walkman im Maisfeld im Video!) Ja: Das ist ganz, ganz billige Nostalgie, aber es ist meine Nostalgie! Ich liebe diesen Song vom ersten Moment an und wenn es irgendwas gibt, was alte und junge Menschen in diesen Zeiten noch verbinden kann, dann ist es ja wohl Musik! Mein Sohn hat mitgesungen!
Und hier sind sogar 60 Songs in einer praktischen Spotify-Playlist, die man gut shuffeln kann und die sehr, sehr gut ist: