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Musik

Songs des Jahres 2020

Hier Einstiegstext: Was für ein Jahr, Musik als Trost und Eskapismus, streng subjektiv, Stand 16:04, viel Spaß!

25. Janou – Sweet Love
Was für ein Geschenk das ist, talentierten Menschen dabei zusehen zu dürfen, wie sie ihre Kunst verfeinern! Ich kenne Janou jetzt schon seit fast zehn Jahren und habe erlebt, wie sie rumorende Kneipen zum Schweigen brachte, wenn sie ihre Stimme zur Akustikgitarre erhob. Seit einiger Zeit bekommt sie dabei elektronische Unterstützung und gleich die allererste Single des Duos klingt, als hätte sie 1994 auf der „Protection“ von Massive Attack dieses merkwürdige „Light My Fire“-Cover ersetzen sollen:

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24. Holly Humberstone – Deep End
Der Nachteil, wenn einem Spotify einfach so ein Lied vorschlägt, in das man sich dann verliebt, ist ja, dass man ihn manchmal ein Jahr lang hört, ohne irgendetwas über die Person zu wissen, die ihn singt. Andererseits haben wir ja im Studium gelernt, Biographie vom Werk zu trennen, und so können Formatradio-Moderator*innen gerne aus dem Wikipedia-Beitrag von Holly Humberstone vorlesen (als ob!) — ich bleibe einfach ganz ergriffen von diesem todtraurigen, aber irgendwie auch optimistischen Song:

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23. lovelytheband – Loneliness For Love
Erinnern Sie sich noch, als The Killers neu waren und wahlweise dafür gescholten oder gepriesen wurden, dass sie wie Joy Division, New Order und Duran Duran klangen? Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir es alle geschafft haben, so alt zu werden, dass junge Bands wie The Killers klingen! lovelytheband ist nun wirklich kein besonders gelungener Bandname, ich habe keine Ahnung, wie der Rest ihres Schaffens klingt, aber dieser 80’s pop song (und besonders sein Synthesizer-Riff) ist schon sehr chic:

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22. Darlingside – Green + Evergreen
„Fish Pond Fish“, das aktuelle Album von Darlingside, hat es knapp nicht in meine Top 10 geschafft — ich möchte es aber dennoch allen ans Herz legen, die opulent arrangierten Folk-Pop lieben, bei dem trotzdem kein Ton zu viel ist. Wer Fleet Foxes oder The Low Anthem mag, wird auch Darlingside zu schätzen wissen!

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21. Jacob Collier feat. Mahalia and Ty Dolla $ign – All I Need
Der Name Jacob Collier ist mir im letzten Jahr immer wieder in unterschiedlichsten Zusammenhängen untergekommen: Als Songwriter für u.a. Coldplay; als Testimonial, das in den Werbeblöcken auf CNN erzählt, welche Auswirkungen der Lockdown auf Musiker*innen hat; und als Gast in US-Late-Night-Shows. Ob er auch in Deutschland im Radio läuft? Keine Ahnung, ich hör ja kaum welches (eine kurze Recherche ergab allerdings, dass er zumindest innerhalb der letzten Woche nicht auf 1Live gespielt wurde). „All I Need“ ist ein R’n’B-Song, der immer wieder Haken schlägt und in Richtungen geht, die man einen Beat zuvor nicht erwartet hätte. Cool, mit Verweisen auf die Musikgeschichte und eigenem Sound. Zugegeben: Das ist zu viel fürs deutsche Formatradio!

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20. Agnes Obel – Island Of Doom
„Kate Bush“. Da wir das jetzt hinter uns haben, können wir uns ganz auf diesen … nun ja: ätherischen Popsong einlassen, in dem die Stimme von Agnes Obel in vielen Schichten über ein tänzelndes Klavier weht. Einfach mal durchatmen war 2020 gar nicht so leicht, dieser Song konnte dabei helfen. Und: Ja, so coole Sachen bekommen Sie im ARD-Morgenmagazin zu sehen, für das ich unter anderem arbeite!

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19. Ethan Gruska feat. Phoebe Bridgers – Enough For Now
Jedes Jahr beginnt ja mit einem weißen Blatt Papier. Irgendein Song ist dann derjenige, der die Spotify-Playlist eröffnet, aus der später mal eine Jahreshitparade wie diese hier gewonnen werden soll. „Enough For Now“ begleitet mich seit dem 13. Januar 2020, stammt also noch aus der Welt davor, und der Refrain „Maybe I’ll try / Maybe I’ll die trying / To let this be enough / For now, for now, enough“ entwickelte im Laufe eines Jahres, in dem man sich mit ziemlich viel abfinden und zufrieden geben musste, natürlich noch einmal eine viel tiefere Bedeutung:

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18. Amilli – Alone In The Rain
Wir schalten noch einmal zurück nach Bochum, um zu zeigen, welch hochklassige Nachwuchsacts wir hier haben — wobei Amilli in diesen schnelllebigen Zeiten mit der zweiten EP vielleicht schon gar nicht mehr als „Nachwuchs“ gilt. Jedenfalls: Ein Song, der klingt wie ein Sommernachmittag im Chateau Marmont!

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17. Christine And The Queens – People I’ve Been Sad
Ich merke gerade, dass sich eine gewisse Grundmelancholie durch diese Rangliste zieht und es – trotz einzelner Partyhits – nach vorne hin auch nicht zwingend besser werden wird. Hier also schleppende Beats, brummende Bässe, Emotionalität auf Englisch und Französisch (der ESC ist 2020 ja auch ausgefallen!) und eine merkwürdige Mischung aus Schwüle und Kälte von einem der spannendsten Acts der letzten Jahre. You know the feeling!

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16. DMA’s – Never Before
Jedes Mal, wenn dieser Song auf Radioeins lief, dachte ich: „Oh, cool, ein Stone-Roses-Song, den ich nicht kenne!“ Jedes Mal hieß es dann in der Abmoderation, das seien DMA’s mit ihrer aktuellen Single gewesen. Das ganze Album klingt, als sei es eigentlich 1995 veröffentlicht worden, auf dem Höhepunkt der Britpop-Welle, irgendwo zwischen besagten Stone Roses, Charlatans, The Farm, Blur, Lightning Seeds und The Verve. Ja, ich bin jetzt so alt. Ja, mir gefällt’s.

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15. The Weeknd – Blinding Lights
Gleicher Effekt, anderes Jahrzehnt: Die ersten 20 Radio-Begegnungen mit „Blinding Lights“ begannen bei mir mit der Frage, welcher Song aus meiner Kindheit das noch mal war, der so cool gealtert ist. Keiner, natürlich. Songs aus meiner Kindheit werden einfach mit einem minimal veränderten Beat zur Radio-Wiederaufführung gebracht. Aber zum Glück gibt es ja noch Künstler wie Abel Tesfaye alias The Weeknd, die sich das Beste vergangener Zeiten nehmen und es mit zeitgenössischen Ideen anreichern (sehr schön erklärt, natürlich, bei „Switched On Pop“).

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14. Vistas – Sucker
Das Album von Vistas hatte ich ja schon in meiner Alben-Top-10 gefeiert. Hier ist der Song, der die unbändige Energie dieses Albums am Besten einfängt — und das wahrscheinlich rührendste Musikvideo des Jahres:

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13. Kathleen Edwards – Options Open
Sie hatte fünf Jahre nicht gesungen, dann kehrte die großartige Kathleen Edwards zurück mit einem Song darüber, wie es ist, sich immer alle Optionen offen halten zu wollen.

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12. Khruangbin – So We Won’t Forget
Wenn es im Jahr 2020 einen richtigen Sommer gegeben hätte mit Menschen, Festivals, Baggerseen, Parks und Alkohol, dann wäre dieser Song der Soundtrack dazu gewesen. So ruft er Erinnerungen hervor an Dinge, die nie passiert sind. Wie dieser hypnotisch vor sich hingroovende Song entstanden ist, erklären die Bandmitglieder bei „Song Exploder“.)

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11. Rhys Lewis – When Was The Last Time?
Warum sind Menschen, die 1993 geboren wurden, schon 27? Warum kriegt mich dieser kleine, schlichte Popsong jedes Mal aufs Neue? Warum denke ich immer, dass man damit auch den ESC gewinnen könnte? Und wie kriegt Rhys Lewis es hin, die Frage „When was the last time that you loved me?“ so zu singen, dass sie nicht komplett cheesy klingt?

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10. HAIM – Summer Girl
Okay: Streng genommen kam „Summer Girl“ schon 2019 raus. Und irgendwie firmiert er auf „Women In Music Pt. III“ (Album Nr.3 auf meiner 2020-Liste) auch als „Bonus Track“. Aber was für ein großartiger, entspannter Song, dessen durchaus dramatische Hintergründe und spannende Entstehungsgeschichte die Haim-Schwestern bei „Song Exploder“ erzählen!

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9. Michael Stipe & Big Red Machine – No Time For Love Like Now
Was man im Lockdown ja auf keinen Fall wollte, waren irgendwelche Songs, in denen diese empfindsamen Locken-Lyriker deutscher Bauart die Situation besangen, in der wir alle gefangen waren. Was den Lockdown hingegen zumindest jedes Mal für vier Minuten ein ganzes Stück erträglicher machte, war dieser Song: Eines der ersten musikalischen Lebenszeichen von Michael Stipe, mehr als acht Jahre nach dem Ende von R.E.M., gesungen auf einen backing track von Aaron Dessner von The National und Big Red Machine (der 2020 als Co-Autor und -Produzent der beiden Taylor-Swift-Alben auch the time of his life gehabt haben dürfte), konnte man dem Song sogar ein Stück weit bei seiner Entstehung zuschauen — zumindest war das erste Video, in dem Michael Stipe noch leicht brüchig in seinem Wintergarten einfach über die Musik aus seinen Laptop-Boxen singt, der Einstieg in die völlige ästhetische Dekonstruktion von Live-Performances, die seitdem unser TV-Programm bestimmt.

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8. Phoebe Bridgers – Graceland Too
Ich hatte schon einen Text über „Destroyer“, das zweite Album von Phoebe Bridgers, geschrieben, als mir auffiel, dass elf Alben irgendwie zu viel sind für eine Top 10. Es ist wirklich ein wunderschönes Album und auch, wenn „Kyoto“ überall als einer der besten Songs des Jahres gefeiert wird: Es ist „Graceland Too“ mit seinem Banjo und seiner Pumporgel, das mir jedes Mal wieder Gänsehaut verursacht.

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7. Gordi – Sandwiches (aO2Sk Mix)
Es ist ein bisschen wild, dass ich einen alternative mix auf meine Liste packe und dann hier das Video zur „Normal-Version“ zeige. Egal: „Sandwiches“ ist ein gigantischer Song über den Abschied von einer geliebten Person, der die Trauer musikalisch in ein befreiendes Feuerwerk verwandelt. „When I think of you a movie-reel of moments plays“ beschreibt ziemlich genau mein Gefühl, wenn dieser Song läuft.

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6. OSKA – Distant Universe
Ich habe einen soft spot für leicht naive Popsongs über die Gefühle junger Menschen — schließlich sind weite Teile meiner Vorstellungen davon, was „Romantik“ bedeutet, von „Dawson’s Creek“ und „The O.C.“ beeinflusst. Insofern ist „Distant Universe“, das sich musikalisch und inhaltlich zwischen den Frühwerken von Emmy The Great und Madeline Juno bewegt, ein Song, der wie für mich geschaffen ist. Im Januar hat die junge Frau, die eigentlich Maria Burger heißt und aus dem Burgenland stammt, ihre erste EP „Honeymoon Phase“ veröffentlicht, die mir auch sehr gut gefallen hat.

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5. Sevdaliza – Oh My God
Ich weiß noch, wie ich eines Morgens nach der Arbeit die große Freitreppe, die die Kölner Domplatte mit dem Eingang des Hauptbahnhofs verbindet, herunterging, und bei „All Songs Considered“ diesen Song hörte. Wie ich mich erst mal sammeln musste, weil ich so etwas noch nie gehört hatte, und wie ich das Lied dann den Rest des Tages immer wieder hören und an Freund*innen schicken musste. Was für ein weirder Sound, was für ein charmantes Video!

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4. Taylor Swift feat. Bon Iver – Exile
Ich schwöre, ich hätte ungefähr jeden Song von „Folklore“ (und einige von „Evermore“) weit vorne in meine Liste packen können. Besonders „Betty“ und „The Last Great American Dynasty“ standen bis zuletzt in der engeren Auswahl. Aber wenn Taylor Swift schon mal mit Justin Vernon singt und so ein Meisterwerk von Trennungs-Song herauskommt, das wegen seines Dialog-Charakters auch jedes (gute) Musical schmücken würde, dann entscheide ich mich doch dafür!

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3. The Killers – Caution
Wenn es etwas gibt, auf das man sich in dieser Welt noch verlassen kann, dann, dass wirklich jedes Killers-Album mindestens einen Übersong abwerfen wird. „Exploding The Mirage“ ist sogar das beste Album seit „Day & Age“ und „Caution“ kam genau so raus, dass es der Soundtrack zu meinen ersten Lockdown-Wochen werden konnte. Wie oft ich zu diesem Song durch die Nachbarschafts gestapft bin, auf einem kleinen Hügel auf die Bochumer Skyline geschaut und mir vorgestellt habe, endlich wieder auf Konzerte gehen zu können! Und welch Ironie, die Welt herunterzufahren zu den Klängen eines Songs, der davon handelt, alle Vorsicht über Bord zu werfen! Da zeigt sich eben wieder Mal der Unterschied zwischen individueller Lebensplanung und dem Überleben in einer Gemeinschaft.

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2. Darren Jessee – Never Gonna Get It
Auch bei diesem Song weiß ich noch, wie ich ihn zum ersten Mal gehört habe: Auf dem Weg zur Nachtschicht, am Herner Hauptbahnhof (2020 war ja auch das Jahr, in dem der Nahverkehr im Ruhrgebiet von einem betrunkenen LKW-Fahrer zurück in die Steinzeit gefackelt worden war), als gerade der Zug Richtung Köln einfuhr. Und danach direkt noch mal. Und noch mal. Darren Jessee ist bekanntlich seit Jahrzehnten tief in meinem Herzen und dieser Song kam mit seiner eher nebensächlichen Melancholie dann mal wieder genau passend. Inzwischen fahren die Züge wieder über Bochum, aber den Song liebe ich immer noch sehr.

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1. Alex The Astronaut – I Think You’re Great
Es war Sonntag, der 15. März 2020: Vor zwei Tagen hatten sie verkündet, dass Schulen, Kindergärten und Geschäfte geschlossen und wir die Zeit „bis Ostern“ (von einem Jahr war schon damals nicht die Rede gewesen) zuhause verbringen würden. Ich ging spazieren, hatte eine Atmosphäre wie in „28 Days Later“ erwartet und wurde von einem Andrang wie auf der Strandpromenade von Cannes (oder zumindest Domburg) überrascht. Aber ich hielt Abstand und hörte „All Songs Considered“, wo mich dieser Song ansprang: „Have you been playing your guitar much lately? / You don’t get to see the sky too much of the time / You’re inside, nine to five now“ — schon die ersten Zeilen nahmen all das vorweg, was uns die Wochen und Monate danach begleiten würde.

Und dann dieser Refrain, der pep talk und das Verbot von Selbstoptimierung zugleich war: „You don’t always have to smile / You don’t only have to cry at night“. Ein Song der wörtlich sagte: „Es ist alles kompliziert, Du bist großartig und ich werde da sein, um Dir das immer wieder zu sagen!“ Hab ich das oft genug getan mit den Menschen, die ich für großartig halte?

Dieses abgefuckte, komplett wahnsinnige, unberechenbare, ermüdende, stressende, langweilende, zwischendurch aber auch einfach nur großartige Jahr 2020 kann keinen passenderen Song und kein besseres Schluss-Statement haben!

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Und hier sind sogar 60 Songs in einer praktischen Spotify-Playlist, die man gut shuffeln kann und die sehr, sehr gut ist:

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