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Musik

Songs des Jahres 2022

Ich brauche traditionell immer ein bisschen länger, um meine Songs des Jahres zusammenzustellen, aber ich finde das besser, als das Jahr schon im November einpacken zu wollen; hier ist mein Blog mit meinen Regeln und außerdem ist ja noch Januar. Also: Hier sind – Stand jetzt – meine Lieblingslieder des Jahres 2022!

25. Death Cab For Cutie – Here To Forever
Ben Gibbards Lyrics sind ja mitunter so spezifisch, dass sie schon zum Meme taugen. Das muss natürlich nicht schlecht sein, im Gegenteil:

In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that everyone there on the screen
Yeah, everyone there on the screen
Well, they’re all dead now

Damit hat er einmal mehr einen Gedanken ausformuliert, den ich so oder so ähnlich selbst schon oft hatte. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Deiner Großmutter im Wohnzimmer des Großelternhauses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Großtanten und -onkel, dann knallen diese Zeilen noch mal ganz neu in die offene Wunde: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Meadows“ hat mich irgendwie nicht so richtig abgeholt, aber dieser Song wird immer Teil meiner Geschichte sein.

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24. Nina Chuba – Wildberry Lillet
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zunehmend schwer wird, mit den jungen Leuten Schritt zu halten — vor allem, wenn man keinen Bock hat, sich chinesische Spionage-Software aufs Handy zu laden. Ich habe dieses Lied also erst relativ spät in einem prähistorischen Medium namens Musikfernsehen entdeckt, aber mir war sofort klar, warum das ein Hit ist: Diese Hook, die gekonnt auf der Grenze zwischen „eingängig“ und „nervig“ hüpft; diese Lyrics, die im klassischsten Sinne das durchspielen, was wir musical theater kids den „I Want“-Song nennen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel“) abschöpfen, als auch fast rührend kindlich („Will, dass alle meine Freunde bei mir wohnen in der Straße“) daherkommen; diese fröhlich-rumpelige Pippi-Langstrumpf-Haltung, mit der wieder mal eine neue Generation ihren Teil vom Kuchen einfordert — oder hier gleich die ganze Bäckerei („Ich hab’ Hunger, also nehm’ ich mir alles vom Buffet“). Und mittendrin eine Zeile, die man als immer jugendlichen Trotz lesen kann — oder als wahnsinnig traurigen Fatalismus: „Ich will nicht alt werden“. Wenn man den Song feuilletonistisch naserümpfend neben den „Fridays For Future“-Aktivismus legt, wird man feststellen, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gerade noch im richtigen Alter für den Song) ganz schön widersprüchlich sein kann: „We’re the young generation, and we’ve got something to say“ hatten die Monkees ja schon 1967 gesungen — und darüber hinaus nichts zu sagen gehabt, während zeitgleich mal wieder eine Zeitenwende ausbrach.

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23. Harry Styles – As It Was
Damit hätte jetzt auch niemand rechnen können, dass ausgerechnet „Take On Me“ von a-ha mal zu einem der prägendsten Einflüsse auf eine neue Generation Popmusik werden würde: Schon „Blinding Lights“ von The Weeknd war von der legendären Keyboard-Hook … sagen wir mal: „inspiriert“ und auch „As It Was“ kann eine gewisse Verwandtschaft nicht bestreiten. Aber erstens bitte nichts gegen a-ha und zweitens passiert hier in 2:47 Minuten (während die Kinofilme immer länger werden, werden die Popsongs immer kürzer — die Menschen haben ja auch nicht unendlich viel Zeit) so viel, dass man kaum hinterher kommt. Und über Harry Styles muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigentlich Chris Pine angespuckt?))

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22. The National feat. Bon Iver – Weird Goodbyes
„What your favorite sad dad band says about you“ titelte McSweeney’s im Januar 2022, dabei war der Witz da schon mindestens viereinhalb Jahre alt. The National und Bon Iver sind natürlich auf beiden Listen und wenn sie nicht gerade mit Taylor Swift Musik machen, machen sie die halt gemeinsam (dass Aaron Dessner von The National und Justin Vernon von Bon Iver auch noch gemeinsam bei Big Red Machine spielen, verwirrt an dieser Stelle zwar nur, ich muss es aber erwähnen, weil sonst meine Mitgliedschaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochumer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei diesem Song, der nicht Teil des neuen The-National-Albums sein wird, das inzwischen angekündigt wurde und „First Two Pages of Frankenstein“ (man ahnt eine etwas umständliche Referenz, die da irgendwo als Witz im Hintergrund lauert) heißt. Es ist trotzdem ein schöner Song! Und die Band verkauft inzwischen „Sad Dad“-Merchandise.

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21. Rae Morris – No Woman Is An Island
Rae Morris ist der erste und bisher einzige Act, der schon zwei Mal meine Liste der „Songs des Jahres“ angeführt hat: 2012 und 2018. Rechnerisch wäre sie also erst 2024 wieder dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natürlich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehörten) gefunden, die ich 2022 besser fand als diese leicht theatralische (im Sinne von Bühnenaufführung, nicht im Sinne von übertrieben) Feminismus-Ballade.

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20. Me & Reas feat. Austin Lucas – Confessions
Natürlich sind Algorithmen an sich erstmal böse. Außer, sie werfen einem Songs vor die Füße, die man toll findet, aber sonst nie gefunden hätte. Das funktioniert erstaunlicherweise nicht nur bei Spotify, sondern auch bei Instagram, wo ich ein- bis zweimal im Jahr Werbung für irgendwelche Songs/Musikvideos angezeigt bekomme, die mich sofort abholen. Me & Reas sind, so entnehme ich der Wikipedia, eine deutsche Indie-Band aus Nürnberg, über die ich sonst nichts weiß, und „Confessions“ klingt schon arg, als habe man in einer Garage hinter einem Irish Pub versucht, einen Frank-Turner-Song nachzubauen, aber – hey! – es funktioniert! Der Refrain kommt mir vor, als würde ich ihn bereits seit zwanzig Jahren kennen, aber auch fast ein Jahr des Hörens und Grübelns haben mich diesbezüglich nicht weitergebracht. Egal!

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19. Kevin Morby – This Is A Photograph
Bei manchen Songs ist es so, dass ich sie erst richtig zu schätzen weiß, wenn ich ihre Entstehungsgeschichte kenne. Das ist eine Art der Hermeneutik, die nicht überall gut ankommt, aber das hier ist meine Liste und ich mache die Regeln! Also: Nachdem Kevin Morby bei „Song Exploder“ erklärt hatte, was es mit diesem Song, seiner Familie und Erinnerungen auf sich hatte, lag er mir deutlich näher am Herzen. Er war Teil meines Jahres 2022, in dem es so viel um Abschied und Erinnerungen ging, aber man muss auch sagen: Wie sich dieser Song musikalisch immer weiter steigert von dem kleinen Riff zu diesem großen Stampfer, das ist auch für sich genommen eine Wucht!

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18. Sharon Van Etten – Porta
Warum singt die Frau über eine Billig-Einrichtungs-Kette? Entschuldigung! Es ist nur so, dass ich „Porta“ so gut finde, dass mir dazu gar nicht viel einfällt. Es ist ein Song, der so nach den 1980er Jahren klingt wie die wenigsten Songs der 1980er Jahre, die heute noch im Radio laufen: groß, düster und doch an jeder Ecke funkelnd. Ein Song wie eine U-Bahn-Station!

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17. Barrie – Frankie
„Dream pop aus Brooklyn“ klingt natürlich schon fast so sehr nach Klischee/Meme wie „Sad dad rock“, aber wir haben uns ja heute hier versammelt, um auch in den eigenen Schubladen mal ordentlich aufzuräumen. Also: Barrie Lindsay macht seit mehr als zehn Jahren Musik, die irgendwie immer unter dem Radar (auch meinem eigenen) geblieben ist. Letztes Jahr erschien dann ihr Album „Barbara“ (ratet mal, was Barries richtiger Vorname ist), das sehr, sehr gut ist — und Frankie, mit seinen Keyboardflächen, rumpelnden Beats und „Oh, yeahs“ ist mein Lieblingssong daraus. Und diese bei „Dancing In The Dark“ entlehnte Melodie ist natürlich auch phantastisch!

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16. Dashboard Confessional – Burning Heart
„A Mark, A Mission, A Brand, A Scar“ von Dashboard Confessional wird dieses Jahr 20. Daran können wir nichts ändern; ich hatte im letzten Sommer 20-jähriges Abi-Treffen. Ungefähr die letzten 15 Jahre habe ich die aktuellen Veröffentlichungen der Band nicht mehr verfolgt (offenbar gab es sie auch zwischenzeitlich gar nicht mehr), aber letztes Jahr tauchte dann dieser Song in meinen Spotify-Empfehlungen auf und wenn Chris Carraba zu einer Akustik-Gitarre „It might just kill me“ singt, ist das natürlich fast schon zu viel „Hands Down“, aber wir sind jetzt in einem Alter, wo wir ja schon fast froh sein müssen, wenn die Helden unserer Jugend überhaupt noch leben, von daher ist „Burning Heart“ vor dem Hintergrund des großen Emo-Revivals schon ein schöner kleiner Gruß Richtung eigene Adoleszenz.

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15. Koffee – Pull Up
„Gifted“ von Koffee ist ein phantastisches Album. Offiziell gilt das als Reggae, es hat aber wahnsinnig wenig mit kiffenden Mitbewohnern zu tun, die Tobias heißen, Dreadlocks tragen (heute eh undenkbar) und Bob-Marley-Poster im Klo aufhängen wollen. Die Musik von Koffee klingt nach tief stehender Sonne im Sommer und nach der (vielleicht nur eingebildeten) Coolness, die man mit Ende Dreißig noch erlangen kann, wenn man diese Musik beim Grillen mit anderen Eltern auflegt. „Pull Up“ ist ein Lied über Partys, auch wenn gerade keine Party ist (manche erinnern sich vielleicht noch an diese Pandemie).

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14. Casper – Billie Jo
Achtung: Trauma & Suizid
Caspers Cousine war mit einem US-Soldaten verheiratet, der schwer traumatisiert aus dem Irak-Krieg zurückkehrte und nach Jahren des struggle schließlich die gemeinsamen Kinder, seine Frau und dann sich umbrachte. Uff! So eine Geschichte muss man erstmal in einem Song erzählen wollen und können, aber Casper kann das natürlich. Und dass ich letztes Jahr mit „Hometown Hero“ von Emily Scott Robinson schon einen Song mit ganz ähnlicher Geschichte auf der Liste hatte, zeigt, dass Popmusik eben auch solche schweren Themen verarbeiten kann. Der Song war schon raus, bevor Russland die Ukraine angegriffen hat, aber dass wir plötzlich wieder einen Krieg so dominant in den Nachrichten und im eigenen Alltag hatten, hat den Blick auf die Leben der Traumatisierten sicherlich noch mal verschärft. Ich kann „Billie Jo“ nicht einfach so nebenbei hören; bei der dritten Strophe kommen mir jedes einzelne Mal die Tränen. Aber manchmal ist das Leben eben einfach so.

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13. First Aid Kit – Angel
Durchatmen! First Aid Kit finde ich ja toll, seit ich sie vor 13 Jahren zum ersten Mal gesehen habe — das ist jetzt auch fast das halbe Leben der Söderberg-Schwestern her. „Angel“ war die erste Single ihres letztjährigen Albums „Palomino“ und ähnlich wie das titelgebende Pferd galoppiert auch dieser Song voran, die Stimmen von Klara und Johanna wehen im Wind und wenn sie „I love you even if you don’t love me“ singen, klingt das seltsamerweise gar nicht so traurig und resigniert, wie es auf dem Papier sollte. An anderer Stelle fragen sie: „What has that fear ever done for me / But hold me back?“, und genau darum geht es ja, in der Liebe wie im Leben.

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12. Shitney Beers – Peaches Style
Im November/Dezember haben meine Homies vom Grand Hotel van Cleef an vier aufeinanderfolgenden Freitagen vier sehr gute bis sensationelle Alben veröffentlicht: Erst „nichts“ von FJØRT, dann das tolle finale Pale-Album (dazu später mehr), dann ein Livealbum von Thees Uhlmann und Band und schließlich „This Is Pop“, das zweite Album von Shitney Beers. Hinter dem halb-witzigen Künstlernamen steckt Maxi Haug, die Halb-Kanadierin und Wahl-Hamburgerin ist und den Vergleich mit den ganz großen Namen (weiblich wie männlich, falls es da überhaupt noch welche gibt) im Indierock nicht scheuen muss. „Peaches Style“ ist dann natürlich auch eine direkte textliche Referenz auf Peaches, musikalisch klingt das aber mehr nach Lucy Dacus, Phoebe Bridgers und sehr traurigen Lemonheads.

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11. Lou Turner – I’ve Got The O’s
Algorithmen hin oder her: Die wichtigste Quelle, um neue Musik zu entdecken, ist für mich immer noch „All Songs Considered“ von NPR. Und wenn Ann Powers dort ein Album mit Joni Mitchell vergleicht und die lyrischen Qualitäten der ersten Zeile („Like the bird’s nest in the Valero sign / I’ve been making my home in the O’s I can find“) eines Songs herausarbeitet, spitze ich sofort meine Ohren: „I’ve Got The O’s“ ist ein wunderschöner, filigraner, aber auch cleverer Song, so wie das ganze Album „Microcosmos“ von Lou Turner voller wunderschöner und kluger Songs ist. Song und Album sind eine Meditation darüber, was „Zuhause“ und „unterwegs sein“ bedeutet, und ich für mich muss sagen: In dieser Musik fühle ich mich sehr zuhause!

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10. Beyoncé – Break My Soul
Überall bekamen wir erzählt, dass die Neunziger zurück sind — dabei waren doch gleichzeitig auch ungefähr alle anderen Jahrzehnte wieder da. Beyoncé jedenfalls hatte sich vorgenommen, der frühen House-Szene ein Denkmal zu setzen, was ihr mit „Renaissance“ sicherlich auch gelungen ist: Es ist eines dieser Alben, wo ich die Idee und den Aufwand total zu schätzen weiß, aber dann auch denke „Danke, aber zwei-, dreimal Hören reicht mir irgendwie auch!“ Die Vorab-Single „Break My Soul“ hingegen begeistert mich auch beim wiederholten Hören — wirft sie mich doch musikalisch direkt in jene Zeit zurück, in der ich Dank der legendären Musikvideoshow „Hit-Clip“ im WDR-Fernsehen erstmals Musik unabhängig von meinen Eltern gehört habe (klar: der Song nutzt ja auch ausgiebig ein Sample aus „Show Me Love“ von Robin S aus dem Jahr 1993).

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9. Maro – Saudade, Saudade
2007 habe ich mich erstmals musikjournalistisch mit dem Eurovision Song Contest auseinandergesetzt, 2010 war ich erstmals vor Ort, seit 2013 begleite ich diese Veranstaltung nun an der Seite von Dr. Peter Urban, aber erst im Jahr 2022 hat es ein ESC-Beitrag in meine Top 10 geschafft (Top 25 hatten wir 2017 immerhin schon mal). Das könnte nun ein Beweis für sehr langsam voranschreitendes Stockholm- (oder in diesem Fall: Turin-) Syndrom bei mir sein, oder dafür, dass die musikalische Qualität (was auch immer das für ein „objektives“ Kriterium sein soll) beim europäischen Wettsingen inzwischen extrem hoch ist. Mariana Secca aus Portugal, jedenfalls, hat ein wunderschön-trauriges Lied darüber geschrieben und gesungen, dass sie ein bestimmtes Gefühl der Traurigkeit nur mit einem muttersprachlichen Wort ausdrücken könne, und das holt mich dann nicht nur auf der emotionalen Ebene ab, sondern auch auf der linguistischen.

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8. Pale – New York
Pale aus Aachen hatten sich um die Jahrtausendwende einen sehr soliden Stand als Alternative/Emo/Indie-Band erspielt. 2006 erschien zuletzt neue Musik, drei Jahre später löste sich die Band auf. 2019 wurde dann bei ihrem ehemaligen Gitarristen Christian ein Gehirntumor diagnostiziert, was die Mitglieder auf die Idee brachte, wieder gemeinsam Musik zu machen. Schlagzeuger Stephan hatte mit einer eigenen schweren Erkrankung zu kämpfen, dann kam die Pandemie und im Frühjahr 2021 ist Christian leider gestorben. Aus diesen Sessions und Erfahrungen ist aber das phantastische finale Album „The Night, The Dawn And What Remains“ entstanden, auf dem die Band nahezu verschwenderisch mit Hymnen um sich wirft. Ich musste wirklich lange überlegen, was mein Favorit ist, habe mich dann aber für „New York“ entschieden: Ein euphorisches Brett, das klingt, als hätten sich Jimmy Eat World und die E-Street-Band in einer U-Bahn-Station zu einer gemeinsamen Jam-Session getroffen. Lebensfreude als Trotz, die Großstadt als Verheißung.

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7. Lizzo – 2 Be Loved (Am I Ready)
Spätestens mit ihrem vierten Album „Special“ ist Lizzo 2022 dort angekommen, was gerne als „Pop-Olymp“ bezeichnet wird. Zu Recht, denn einen Song wie „2 Be Loved (Am I Ready)“ muss man erstmal schreiben! Wer da nicht zumindest ans Tanzen denkt, braucht mehr positive Energie im Leben.

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6. Taylor Swift – Anti-Hero
Ich hatte ehrlich gesagt ein bisschen Angst vor dem ersten Taylor-Swift-Album nach ihrem Doppelschlag „Folklore“/„Evermore“: Die eher organisches Lockdown-Alben aus dem Jahr 2020 waren mir so ans Herz gewachsen, dass ich einer Rückkehr zum „normalen“ Pop skeptisch gegenüber stand. Nun: „Midnights“ ist diesmal kein Meisterwerk geworden und ich habe ehrlich gesagt nicht sooo viel Zeit mit dem Album verbracht, aber „Anti-Hero“ ist nicht umsonst Taylor Swifts bisher größter Hit. Ob es Absicht war, mit „It’s me, hi, I’m the problem, it’s me“ direkt Meme-Material der höchsten Güteklasse in den Refrain zu packen? Bei Taylor Swift: wahrscheinlich. Ist das ein Problem? Im Gegenteil!

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5. Bülow – Playin’ Me Back
Seit ich vor vier Jahren beim Eurosonic Norderslaag in Groningen war, um für das inzwischen eingestellte Magazin „JWD“ darüber zu schreiben, singe ich das Loblied auf Megan Bülow. Geboren 1999 in Berlin ist sie im Vereinigten Königreich, den USA, den Niederlanden und Kanada aufgewachsen und erregte schon mit 17 große Aufmerksamkeit mit ihrer Musik. Gerade ist sie nach Deutschland zurückgekehrt, aber vorher hat sie im Frühjahr 2022 noch ihre EP „Booty Call“ veröffentlicht, die voller Hits ist. „Playin’ Me Back“ läuft gerade 1:49 Minuten und bricht an der Stelle ab, wo man erwartet, dass es richtig losgeht, aber bis dahin ist schon so viel passiert, als hätten Beck und Feist zusammen einen Country-Song durch den Häcksler gedreht.

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4. Janou – Rosemary
Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre „Rosemary“ der Sommerhit des Jahres 2022 geworden: laid-back, groovy und ein bisschen horny. (Erzähler: „Es ging nicht nach ihm.“) Dass dieser geile Scheiß nicht in Bristol, Brooklyn oder Toronto zusammengeschraubt wurde, sondern in Bochum, hat keinen Einfluss auf die Platzierung gehabt, aber: Entschuldigung, schaut mal, was hier abgeht! Wenigstens Dr. Peter Urban hat den Song einmal im Radio gespielt.

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3. Anaïs Mitchell – On Your Way (Felix Song)
Wieder einmal war „All Songs Considered“ der Ort, an dem ich einen Song entdeckt habe: Schon im Januar 2022 stellte Bob Boilen dort „On Your Way“ von Anaïs Mitchell vor, ein Lied über ihren 2020 verstorbenen musikalischen Wegbegleiter Felix McTeigue, und das Lied hat mich das Jahr über begleitet. Aufs erste Ohr ist es ein einfacher, kleiner Song, der sich aber immer weiter ausbreitet und von der Liebe zur Musik erzählt, um vielsinnig zu schließen: „You get one take“. Eben.

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2. Philine Sonny – Same Light
Ich möchte nicht zu sehr darauf rumreiten, aber auch diese Künstlerin hat im vergangenen Jahr den Sprung von Unna in die große Stadt Bochum geschafft, was unseren Ruf als Musikmetropole einmal mehr unterstreichen dürfte. Die einzige Verbindung zu Herbert Grönemeyer ist aber das Saxophon, das bei „Same Light“, wie auch bei „Bochum“ einen recht prominenten Platz einnimmt (übrigens auch bei „New York“ von Pale), womit ich für das Jahr 2022 wirklich nicht mehr gerechnet hätte, aber es ist überraschenderweise auch nicht schlimm. Die Musik von Philine Sonny, jedenfalls, klingt nach großer weiter Welt, nach Surfer Blood, The War On Drugs und Fleetwood Mac in cool.

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1. King Princess – Cursed
Trennungssongs gibt es in der Musikgeschichte jede Menge. Songs über Freundschaften, die sich irgendwann auseinanderleben, sind allerdings eher selten — dabei ist das ein Thema, das einen eigentlich das ganze Leben lang begleitet: Wenn die Menschen, mit denen man aufgewachsen ist, in andere Richtungen gewachsen sind als man selbst; wenn man Kinder bekommen hat und bestimmte Freund*innen ohne Kinder mit ihrer Lebenswirklichkeit plötzlich nicht mehr zur eigenen passen oder andere Freund*innen zwar Kinder haben, aber man ehrlich gesagt weder die Kinder noch deren Eltern sehen möchte; aber auch im Alter, wenn sich Mit-Boomer durch „Welt“ und Gabor Steingart radikalisiert haben und meinen, ihre gefühlte Freiheit auf Autobahnen verteidigen zu müssen. Von solch verfluchten Freundschaften handelt „Cursed“, aber voller Liebe und Respekt. und weil das darüber hinaus auch noch ein großartiger Song mit erstaunlichem musikalischen Sog ist, ist dieser Song aus dem zweiten Album von King Princess, „Hold On Baby“ mein Song des Jahres 2022!

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Und hier sind die 25 besprochenen Songs und 50 weitere:

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