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Musik

Listenpanik (4): Knietief im Pop

Dank der zu Anfang etwas kruden Abrechnungszeiträume war Teil 3 unserer Serie für den Mai gedacht, dieser (vierte) befasst sich also mit den Alben und Singles des Monats Juni. Wie immer streng subjektiv und ohne den Hauch eines Anspruchs auf Vollständigkeit – und diesmal besonders poppig:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Crowded House – Time On Earth
Crowded House war trotz der großen Hits (“Weather With You”, “Don’t Dream It’s Over”, “Four Seasons In One Day”, …) die Band, die kaum jemand kannte. Das änderte sich auch nicht groß, als sich die Band 1996 auflöste und ihr Kopf Neil Finn alleine und mit seinem Bruder Tim schöne bis großartige Pop-Alben veröffentlichte. Jetzt hat sich die Band in Beinahe-Originalbesetzung (Schlagzeuger Paul Hester beging 2005 Selbstmord) wieder zusammengetan und ihr fünftes reguläres Album veröffentlicht. Und man muss sagen: Wenn es je eine Band verdient hat, das musikalische Erbe der Beatles anzutreten, dann Crowded House. Die wunderschönen, oft melancholischen Melodien purzeln nur so aus den Boxen und Songs wie die Single “Don’t Stop Now” hätten es verdient, mindestens so berühmt zu werden wie “Weather With You”.

2. Jupiter Jones – Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich
Zweieinhalb Jahre nach ihrem Debüt sind Jupiter Jones zurück und machen beinahe da weiter, wo sie aufgehört haben. Zu den grandiosen Texten über Liebe und Einsamkeit, Aufbruch und Aufgeben hat sich die Band musikalisch weiterentwickelt und beeindruckt jetzt mit Bläsern, Streichern und natürlich auch weiterhin mit jede Menge Feuer unterm Arsch. Nenn’ es Punkrock, nenn’ es Deutschrock oder Emo – das ist eigentlich egal, denn es ist und bleibt gut: Musik mit kathartischer Wirkung.

3. Mark Ronson – Version
Mark Ronson ist DJ und Produzent (Lily Allen, Robbie Williams, …) und das, was er auf seinem zweiten Soloalbum betreibt, ist das, was ein DJ und Produzent eben so macht: Songs ineinander übergehen lassen und überraschende Klänge hervorzaubern. Neun Coverversionen gibt es, zwei Remixe und drei Instrumentaltracks und die Gaststars geben sich die Klinke in die Hand: Die charmante Lily Allen gewinnt “Oh My God” von den Kaiser Chiefs ein weibliche Londoner Komponente ab, Daniel Merriweather schmachtet sich durch “Stop Me” von The Smiths, Phantom-Planet-Sänger Alex Greenwald bezwingt (wie schon auf diesem Tribute-Sampler) Radioheads “Just” und Robbie Williams darf bei “The Only One I Know” von den Charlatans zeigen, dass er immer noch singen kann. Dazu gibt’s fette Beats und satte Bläser und schon hat man etwas ganz seltenes: ein Album, dass man auf einer Party durchlaufen lassen kann.

4. Ryan Adams – Easy Tiger
Fast anderthalb Jahre lagen zwischen der Veröffentlichung von “29” und “Easy Tiger” – Ryan Adams hatte doch nicht etwa eine Schreibblockade? Iwo: Der leicht verpeilte Alt.-Country-Rocker hat nur Anlauf genommen und will dieses Jahr noch ein Boxset mit Outtakes und Raritäten veröffentlichen. Vorher gibt es aber “Easy Tiger”, das so ziemlich alle Qualitäten des früheren Whiskeytown-Sängers vereint: Rock’n’Roll-, Folk-, Country- und Popsongs stehen nebeneinander wie Geschwister, die sich nicht so hundertprozentig ähnlich sehen, aber doch den gleichen Papa haben. Es ist Adams’ abwechslungsreichstes Album seit dem phantastischen “Gold” und vielleicht auch sein bestes seitdem. Das merkt man u.a. daran, dass bei “Two” noch nicht mal Sheryl Crow stört.

5. Ghosts – The World Is Outside
Jedes Jahr kommen junge britische Bands zu uns, die die Nachfolge von a-ha oder wenigstens der New Radicals antreten wollen. Bei manchen (Keane) klappt das, andere laufen zwar im Radio, schaffen den Durchbruch dann aber doch nicht (Orson, The Feeling, Thirteen Senses. …). Wozu Ghosts gehören werden, ist noch nicht abzusehen. Man kann aber schon sagen, dass sie schicke Popmusik machen, die uns durch den Sommer begleiten soll – egal, wie das Wetter noch wird. Das klappt vielleicht nich über die volle Albumdistanz und ist auch alles andere als neu, aber eben doch sehr nett gemacht. Wer jetzt sagt: “Na, das ist aber kein besonders überzeugendes Plädoyer”, dem sage ich: “Kann schon sein. Aber hören Sie sich das einfach mal an, es könnte Ihnen gefallen.”

Singles (inkl. iTunes-Links)
1. Beatsteaks – Cut Off The Top
Das dazugehörige Album hatte ich hier schon sträflich vernachlässigt, die Single muss aber rein. Die Beatsteaks machen mal wieder alles richtig und hauen einen schwer zu kategorisierenden Song (und ein tolles Video) raus. “Damage! Damage!”

2. Smashing Pumpkins – Tarantula
Dafür bringt man als 16-Jähriger all sein Taschengeld zum Tickethändler und geht auf ein Konzert der “Abschiedstournee”, damit sich die Band sieben Jahre später reformiert. Oder: Damit sich Billy Corgan ein paar neue Banddarsteller auf die Bühne stellt und Paris Hilton aufs Single-Cover klatscht. Der Song ist aber schon recht beachtlich, der einzige andere Ur-Pumpkin Jimmy Chamberlin knüppelt sich durch mindestens vier verschiedene Rhythmen und ich muss gleich dringend los und mir das Album kaufen. Bleibt nur die Frage: Was ist mit dem “The” im Bandnamen passiert?

3. Mika – Relax (Take It Easy)
Mika habe ich ja schon einige Male gefeiert (z.B. hier sein Album), “Relax” kann man ruhig aber noch mal extra erwähnen. Für alle, die keine Cutting-Crew-Samples und keine Kopfstimmen mögen, ist der Song natürlich eine Zumutung, für mich eine charmant durchgeknallte Disco-Nummer, die auch durch die Verwendung im Werbefernsehen keinen großen Schaden nimmt.

4. Ghosts – Stay The Night
Schon wieder Ghosts. Ja, das ist halt eingängiger Radiopop und “Stay The Night” das, was man wohl als “Gute-Laune-Musik” bezeichnen würde, wenn das nicht ein absolut widerlicher, bescheuerter Begriff wäre. Mal darüber nachgedacht, dass diese Singles-Liste immer so poplastig sein könnte, weil so wenig Mathcore- oder Experimental-Bands Singles veröffentlichen? Ist mir auch gerade erst aufgefallen.

5. Take That – Reach Out
Jawoll, ich bin endgültig wahnsinnig geworden und packe Take That auf meine Liste. Aber wieso eigentlich wahnsinnig? Das ist doch wohl einfach ein schöner Popsong, sauber geschrieben und gut gesungen. Und um mich gleich richtig lächerlich zu machen: Bin ich der einzige, den die Strophen an “Die Tiere sind unruhig” von Kante erinnern?