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Musik

Vom Ziehen und Jagen der alten Liebe

Musikalisch ist das Jahr 2007 für mich bisher eine andauernde Zeitreise zurück in die Tage, als ich Rockmusik für mich entdeckte. Zahlreiche Bands, die mich seit Beginn dieses Jahrzehnts (oder noch länger) begleiten, haben neue Alben veröffentlicht, darunter Travis, Manic Street Preachers, Smashing Pumpkins, Foo Fighters und Weakerthans, Radiohead und Crowded House. Dazu noch Air und The Ataris und bevor ich mich bis zu Joni Mitchell und Bruce Springsteen rüberhangel, krieg ich mal besser die Kurve und sage: Wirklich viele Bands.

In den letzten Wochen kamen noch zwei Bands mit ihrem jeweils sechsten Album dazu: Stereophonics mit “Pull The Pin” am 12. Oktober und Jimmy Eat World mit “Chase This Light” am letzten Freitag.

Ich hatte es schon mal erwähnt: Mit den Stereophonics verbindet mich eine ganz besondere Hassliebe. Als die letzten beiden Studioalben erschienen, konnte ich damit überhaupt nichts anfangen und schrieb jeweils recht harsche Verrisse. Inzwischen habe ich mir beide Alben einigermaßen schöngehört, zumindest habe ich auf beiden noch Songs entdecken können, die für mich inzwischen beinahe in einer Liga mit “A Thousand Trees”, “Traffic” oder “Just Looking” spielen.

Auch “It Means Nothing”, die Vorabsingle aus “Pull The Pin”, brauchte einige Durchläufe, aber sie wuchs mit jedem Mal und ist inzwischen auch in meinem Herzen angekommen – allerdings nur auf Platz 2 hinter “Daisy Lane”. Beide Songs folgen der gleichen Blaupause, die auch schon “Maybe Tomorrow”, “I’m Alright” und “Rewind” so unwiderstehlich machten: Hypnotischer Breitwandrock in Endlosschleife, U2 und Rollingstones im Quadrat. Dass “Daisy Lane” nicht mal einen Refrain, sondern nur ein langgezogenes “Babadabada ba ba ba” hat, macht den Song eigentlich nur noch schöner.

Aber auch auf der anderen Seite, dem deutlichen Rocksong, haben die Phonics endgültig wieder Boden unter den Füßen: “Bank Holiday Monday” mag ein bisschen schlicht, “Ladyluck” ein bisschen zu kalkuliert Snow-Patrolig sein, aber allein ein Stampfer wie “Lose Ya”, der mit herrlich schlichtem Inhalt und gradlinigem Geschrammel an die Anfangstage der Band erinnert, gleicht das wieder aus.

Die Stereophonics werden wohl nie wieder so gut sein wie auf ihren ersten beiden Alben, aber nach den insgesamt doch recht schwachen letzten Werken ist ihnen mit “Pull The Pin” endlich mal wieder ein Album gelungen, das man von beruhigt durchhören kann.

Durchhören kann man sicherlich auch “Chase This Light” von Jimmy Eat World, allerdings frage ich mich auch mehreren Tagen des intensiven Hörens, was man davon hat. Zwölf gefällige Rocksongs, glattpoliert bis alles glitzert und nichts mehr hängen bleibt – so kannte man das Quartett aus Arizona eigentlich gar nicht. Zwar hatten sie sich nach ihrem Überalbum “Clarity”, das heute zu den Meilensteinen des Emo zählt, den etwas poppigeren Songs zugewendet – diese waren aber wenigstens eingänglich. “Futures” vor drei Jahren gefiel nicht allen, aber ich mochte es. Bei “Chase This Light” bin ich mir immer noch nicht sicher.

Vielleicht liegt es an Executive Producer Butch Vig, der seit mehr als zehn Jahren kein gutes Album mehr produziert hat, vielleicht liegt es am Songwriting, dass Jimmy Eat World inzwischen wie Vega4, The Upper Room oder The Feeling klingen – oder mindestens wie Weezer ab dem grünen Album. Schlecht ist das Album deshalb nicht unbedingt, aber irgendwie egal. “Let It Happen” und “Gotta Be Somebody’s Blues” wären auf früheren Alben Beiwerk gewesen, hier zählen sie schon zu den Highlights.

Das merkwürdige daran: Einerseits tut es weh, eine ehemals so spannende Band so zu hören, andererseits sind es die immer mal wieder durchschimmernden Überreste der alten Jimmy Eat World (bzw. die wachgerufene Erinnerung an alte Großtaten), die das Album überhaupt erst hörenswert machen. Ich weiß nicht, ob ich “Chase This Light” als Werk einer anderen (neuen) Band besser fände – oder wirklich langweilig. “Here It Goes” wäre ein charmanter Popsong, wenn er von einer jungen britischen Band käme, aber zu Jimmy Eat World passen Handclaps und “Hey, hey, hey!”-Chöre irgendwie nur bedingt. Der Titeltrack macht es deutlich: Die Ideen, die sie auf “Chase This Light” verarbeitet haben, hatten Jimmy Eat World alle schon mal – und früher klangen sie besser.

Eigentlich ist es aber fast egal, wie “Pull The Pin” und “Chase This Light” klingen: Beide Bands stehen auf der Liste meiner Teenage-Lieblinge. Und so, wie man die Mädchen, für die man zu Schulzeiten schwärmte, nie richtig doof finden können wird, so findet man halt auch bei Bands, die einen schon so lange begleiten, immer irgendwas zum Mögen.