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Musik Leben

25 Jahre „Play“

Die­ser Ein­trag ist Teil 6 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Moby - Play (abfotografiert von Lukas Heinser)

Am Anfang waren die Songs. Ich weiß gar nicht, wel­che alle als Sin­gle aus­ge­kop­pelt wur­den und wo ich sie viel­leicht gehört habe – am Ende ist es auch egal, denn „Play“ ging ja auch des­halb in die Geschichts­bü­cher ein, weil es das ers­te kom­plett durch­li­zen­zier­te Album war: Jeder ein­zel­ne Track wur­de für (min­des­tens) einen Wer­be­spot, einen Film und/​oder eine Serie ver­wen­det. Im Radio und in Cafés lau­fen die Songs eh immer noch rauf und run­ter, als sei­en sie Teil des dor­ti­gen Sound-Designs. (Selbst als ich ver­gan­ge­ne Woche dem Deutsch­land­funk Kul­tur ein Inter­view zum ESC in Mal­mö gege­ben habe, lief vor dem Gespräch irgend­ein Song aus die­sem Album. Es zahlt ein biss­chen auf mei­ne hier auf­ge­stell­te Muzak-The­se ein, dass ich nicht sagen kann, wel­cher, aber ich bin mir abso­lut sicher, dass es einer von die­sem Album war.)

Gekauft hab ich „Play“ von Moby auch erst etwa andert­halb Jah­re nach dem Release – obwohl die­se Songs damals schon all­ge­gen­wär­tig schie­nen. Das Kon­zept, Musik zu „besit­zen“ ist im Jahr 2024 ja nicht nur Nach­ge­bo­re­nen schwer zu ver­mit­teln, son­dern fast allen, aber es war eben unab­ding­bar, 30,99 D‑Mark für die­se CD zu bezah­len, sie im Ruck­sack auf dem Rücken mit dem Fahr­rad vom R&K‑Markt nach Hau­se zu fah­ren und dann ins DVD-Rom-Lauf­werk des Com­pu­ters zu schie­ben, um sie über die PC-Boxen abzu­spie­len. Opa erzählt vom Frie­den.

Obwohl ich die vor­he­ri­gen Hit-Sin­gles von Moby schon aus „Hit-Clip“, von 1Live und von „Bra­vo Hits“ kann­te, umweh­te die­se Musik etwas Erwach­se­nes, ja, regel­recht: Kos­mo­po­li­ti­sches. So, dach­te ich damals, klingt Dins­la­ken nicht. Der Big Beat von „Body­rock“ und „Mache­te“, die Blues- bzw. Gos­pel-Samples von „Honey“ und „Run On“, die Kaf­fee­haus-Elec­tro­ni­ca von „7“ und „Down Slow“ – so etwas kann­te man in der Klein­stadt nur aus dem Fern­se­hen. (Heu­te hat Dins­la­ken sei­ne eige­nen Hips­ter-Sze­nen und ‑Knei­pen und die­se Ent­wick­lung ist durch­aus zu begrü­ßen, bremst sie doch die Gen­tri­fi­zie­rung in den Groß­städ­ten wenigs­tens mini­mal ab.)

Moby selbst war bekannt als der knuf­fi­ge, aus­ge­sucht freund­li­che, manch­mal ein ganz klei­nes biss­chen ner­ven­de Vega­ner mit der Glat­ze. Womög­lich hät­te man ahnen kön­nen, dass bei ihm nicht alles im Lot war und er mit psy­chi­schen Pro­ble­men, Alko­hol und ande­ren Dro­gen kämpf­te; „Play“ war ein eher melan­cho­li­sches Par­ty-Album, vor allem in der zwei­ten Hälf­te. Und allein die Song­ti­tel: „Why Does My Heart Feel So Bad?“, „Natu­ral Blues“, „My Weak­ne­ss“. Aber als schwer­mü­ti­ger 17-jäh­ri­ger Indi­vi­dua­list bezieht man das alles natür­lich aus­schließ­lich auf sich selbst und denkt nicht mal an den Künst­ler.

„Play“ war da schon lan­ge ein unfass­ba­rer welt­wei­ter Erfolg und alle Labels, die das Album abge­lehnt hat­ten, hat­ten sich viel­leicht kurz geär­gert. Moby, des­sen Out­put bis dahin eher eklek­tisch gewe­sen war, hat­te sei­ne Nische gefun­den und lie­fert seit­dem ver­läss­lich den Sound­track zu Wer­be­spots, Seri­en, Fil­men und Leben.

Moby – Play
(Mute/​PIAS; 17. Mai 1999)
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