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Musik

Mixtape 9/​24

Andert­halb Jah­re lang, über 36 Aus­ga­ben, haben wir bei Spo­ti­fy unse­re klei­ne Musik­sen­dung ver­öf­fent­licht, die genau­so hieß wie die­ses Blog hier: Cof­fee And TV. Dann hat der böse, aus­beu­te­ri­sche Tech-Kon­zern die Mög­lich­keit abge­schafft, eine sol­che … nun ja: Radio­sen­dung im Inter­net zu pro­du­zie­ren.

Ich habe ein biss­chen gebraucht, um zu über­le­gen, wie wir wei­ter­ma­chen, denn es gehört ja zu mei­nen tiefs­ten Über­zeu­gun­gen, dass Schön­heit geteilt gehört – und Ihr soll­te ja wei­ter hören kön­nen, was ich gera­de so höre. Die nächst­ge­le­ge­ne Idee ist natür­lich eine Play­list – vor­erst erst­mal wei­ter bei Spo­ti­fy, weil der Absprung von so einem Strea­ming­dienst unge­fähr so kom­pli­ziert ist wie ein Umzug mit drei Kin­dern und fünf Haus­tie­ren ins Aus­land, aber auch bei Tidal, wo ich gera­de ein Pro­be-Abo abge­schlos­sen habe, und die Musik wirk­lich hun­dert Mal bes­ser klingt (außer­dem krie­gen die Künstler*innen mehr Geld).

Und weil eine Befra­gung auf Insta­gram ergab, dass Ihr ger­ne nicht nur Songs hin­ter­ein­an­der hören, son­dern auch Infor­ma­tio­nen und Mei­nun­gen dazu lesen wollt, habe ich jetzt ca. zwei Arbeits­ta­ge damit zuge­bracht, die­sen Blog-Ein­trag hier zusam­men­zu­bau­en. (Wenn Ihr mei­ne Arbeit finan­zi­ell unter­stüt­zen wollt, könnt Ihr mei­nen News­let­ter abon­nie­ren und dafür Geld bezah­len!)

Also dann: Herz­lich will­kom­men zum ers­ten CTV-Mix­tape!

Manic Street Pre­a­chers – Decli­ne & Fall

Ich bin jetzt seit fast 25 Jah­ren Fan der Manic Street Pre­a­chers; sie haben mich durch die Ober­stu­fen­zeit beglei­tet und poli­ti­siert. Ihr letz­tes rich­tig gutes Album ist jetzt auch schon vier­zehn Jah­re alt – und dann bal­lern die plötz­lich so eine Sin­gle raus: eine Pia­no-Hook wie bei ABBA, Gitar­ren wie bei Guns ’n‘ Roses und eine Gesangs­me­lo­die, die unge­fähr so ein­gän­gig ist wie ein gelun­ge­ne­rer Schla­ger.

Der Text han­delt davon, im Ange­sicht einer ver­fal­len­den Welt die klei­nen Wun­der zu fei­ern – viel­leicht ein biss­chen fata­lis­tisch für eine Band, die die meis­te Zeit ihrer Kar­rie­re die sozia­lis­ti­sche Welt­re­vo­lu­ti­on anzet­teln woll­te, aber in Zei­ten, in denen sich so vie­le immer radi­ka­ler äußern, ist es auch auf eine Art radi­kal, das Gegen­teil zu tun. Und wenn es dar­um geht, sich an den klei­nen Din­gen zu erfreu­en, bin ich natür­lich dabei! Der bes­te Song einer Band „von frü­her“ seit Jah­ren!

Ider – You Don’t Know How To Dri­ve

Wir waren bei Cof­fee And TV schon gro­ße Fans von Ider, bevor das bri­ti­sche Elek­tro­pop-Duo über­haupt 2019 sein Debüt­al­bum „Emo­tio­nal Edu­ca­ti­on“ ver­öf­fent­licht hat­te. Der Bild­spen­der für den Titel die­ser Sin­gle ist die männ­li­che Unfä­hig­keit, sich im Stra­ßen­ver­kehr zu ori­en­tie­ren, aber immer gute Rat­schlä­ge zu geben – und das ist nur die ers­te Stro­phe, denn die burns wer­den danach noch viel, viel gemei­ner.

„I wan­na throw your shit in the midd­le of the street /​ Real­ly make a big sce­ne and burn your red SG /​ Dele­te the files of your solo EP, yeah no ones gon­na hear it now“, sin­gen Megan Mark­wick und Lily Somer­ville im Refrain und viel­leicht muss man ein paar Musi­ker im Bekann­ten­kreis haben, um die Tie­fe und Schär­fe die­ser Zei­len voll wür­di­gen zu kön­nen, aber lasst es mich so sagen: Das hier ist die nuklea­re Opti­on – aber sehr, sehr lus­tig!

Ider haben gera­de ihr drit­tes Album „Late To The World“ ange­kün­digt, das am 21. Febru­ar 2025 erschei­nen soll. Ende März spie­len sie in Ham­burg, Ber­lin und Köln.

Chris­ti­an Lee Hut­son – After Hours

Seit dem Release Anfang Juli lie­ge ich mei­ner gesam­ten peer group in den Ohren, dass sie sich bit­te, unbe­dingt, kei­ne Zeit zu War­ten, die­sen Song anhö­ren sol­len. Nein: müs­sen!

„After Hours“ klingt, als wür­de ich es seit 25 Jah­ren ken­nen, aber ich kann nicht genau sagen, an was mich Stim­me und Musik erin­nern: Nick Dra­ke? Nein. The Wea­k­erthans? Auch nicht. Vor allem war Chris­ti­an Lee Hut­son vor 25 Jah­ren gera­de acht und hat (hof­fent­lich, denn das Wort „fuck“ kommt auch drin vor) noch nicht sol­che Songs geschrie­ben. Refrains gibt’s kei­ne, dafür Stro­phen, die sich frei asso­zia­tiv von Spät­is im Him­mel über die Schau­spie­le­rin Cathe­ri­ne O’Ha­ra bis zur Fest­stel­lung „The good stuff is behind a pay­wall“. Das Album „Para­di­se Pop. 10“ erscheint am 27. Sep­tem­ber und ich bin sehr gespannt!

Anna Erhard – Not Rick

Stellt Euch einen jun­gen, weib­li­chen Wer­ner Her­zog vor, der einen cle­ve­ren, aber nicht zu cle­ve­ren Text rezi­tiert, in dem es unter ande­rem um den legen­dä­ren Musik­pro­du­zen­ten Rick Rubin geht, wäh­rend im Hin­ter­grund die Band Cake ein Mas­hup von Becks bes­ten Songs, die nicht „Loser“ hei­ßen, spielt. Okay, ich bin nicht hilf­reich.

Ihr müsst mir ein­fach glau­ben, dass die­ser Song von Anna Erhard, die in der Schweiz auf­ge­wach­sen ist und jetzt in Ber­lin lebt, eini­ge der bes­ten Indie­rock-Trends der letz­ten vier Jahr­zehn­te ent­hält. Oder bes­ser: es hören!

Pete Yorn – Real Good Love

Pete Yorn war der Sound­track der letz­ten Mona­te vor mei­nem Abi — und zwar gleich dop­pelt: zum einen war er in den Jah­ren 2000 bis 2002 auf gefühlt jedem zwei­ten Sound­track-Album von „Dawson‘s Creek“ bis „Spi­der-Man“ dabei (so ver­such­ten Major-Labels damals, ihre Acts groß zu machen), zum ande­ren war sein Debüt-Album „Music­for­the­mor­ning­af­ter“ damals ein treu­er Beglei­ter.

Es wur­de kei­ne enge, dau­er­haf­te Bezie­hung (sein gemein­sa­mes Album mit Scar­lett Johans­son hab ich bis heu­te nie gehört), aber wenn er neue Musik ver­öf­fent­licht, höre ich immer wie­der ger­ne rein. (Und im Gegen­satz zu Ryan Adams, dem ande­ren gro­ßen lie­bes­trun­ke­nen Trou­ba­dour jener Tage, hat er sich, soweit ich weiß, nichts zu Schul­den kom­men las­sen.) Sein neu­es Album „The Hard Way“ ist kein Meis­ter­werk, über das man in zehn Jah­ren noch begeis­tert spre­chen wird, aber es kann die Zeit zwi­schen „Nicht mehr Som­mer“ und „Noch nicht Herbst“ unter­ma­len wie eine akus­ti­sche Über­gangs­ja­cke. Und so eine soli­de Freund­schaft ist doch auch viel wert!

PRONOUN – In The Still

Viel­leicht gar nicht so doof, das eige­ne Musik­pro­jekt nach der viel­leicht pola­ri­sie­rends­ten Wort­gat­tung aller Zei­ten zu benen­nen. Aly­se Vell­turo beschreibt sich selbst als „Brook­lyn-based indie label mana­ger by day, bed­room artist by night“ und „In The Still“ ist mein Erst­kon­takt mit ihrem Schaf­fen.

Wenn Jim­my Eat World und The Pains Of Being Pure At Heart eine gemein­sa­me Toch­ter hät­ten und die dann mit ihren Freun­din­nen von bri­ti­schen 80er-Jah­re-Bands (und zwar nicht Pet Shop Boys oder Wham!, son­dern The Cure und New Order) inspi­rier­te Musik machen wür­de, dann könn­te das Ergeb­nis so klin­gen.

Japan­dro­ids – Chi­ca­go

Für alle, die immer schon Bruce Springsteen und Hüs­ker Dü geliebt haben, gibt es das kana­di­sche Duo Japan­dro­ids. Ihr zwei­tes Album „Cele­bra­ti­on Rock“ aus dem Jahr 2012 ist eines der am pas­sends­ten beti­tel­ten Alben aller Zei­ten und bevor ich für „Lucky & Fred“ oder mei­ne klei­ne ESC-Show auf die Büh­ne gegan­gen bin, hab ich immer ihren Songs „Fire’s High­way“ gehört, um ange­mes­sen pum­ped für einen Abend vor Live-Publi­kum zu sein.

Nach sie­ben Jah­ren Pau­se haben sie im Juli für Okto­ber ihr vier­tes Album „Fate & Alco­hol“ ange­kün­digt, das gleich­zei­tig ihr letz­tes sein soll. Wenn man sich bei einer Band kei­ne Sor­gen machen muss, dass sie mit einem Knall gehen wer­den, dann bei Japan­dro­ids. Sor­ry, baby, we call it like we see it in Chi­ca­go!

Suzan Köcher’s Supra­fon – Living In A Bad Place

Brin­gen wir‘s kurz hin­ter uns: Ja, das ist die Band, wäh­rend deren Auf­tritt der Atten­tä­ter auf dem Solin­ger Stadt­fest sei­ne furcht­ba­re Tat beging. Das war natür­lich ein grau­sa­mer Zufall und die denk­bar beschis­sens­te Art, um Gegen­stand natio­na­ler Bericht­erstat­tung zu wer­den, von daher freut es mich sehr, dass die Vier schon eine Woche spä­ter die Kraft hat­ten, wie­der auf einer Büh­ne zu ste­hen und zu bestehen.

„Living In A Bad Place“ ist ein groo­ven­der Ame­ri­ca­na-Stamp­fer, der an die spä­ten Car­di­gans oder Bran­di Car­l­is­le erin­nert, aber gleich­zei­tig auch ein­deu­tig Suzan Köcher’s Supra­fon ist (wie schon in Sen­dung Nr. 35 zu hören). Im Okto­ber erscheint das Album „In The­se Dying Times“ und das mag jetzt zynisch klin­gen, aber: Wenn die­se gan­ze Schei­ße dazu führt, dass jetzt ein paar mehr Men­schen eine gute Band ken­nen und hören, ist das alle­mal bes­ser, als wenn des­we­gen Gren­zen geschlos­sen und Men­schen­rech­te geschlif­fen wer­den. (Das war jetzt poli­tisch. Bla­me the Manic Street Pre­a­chers!)

The Kil­lers – Bright Lights

Wenn ich alle Fak­ten zusam­men­tra­ge, sind The Kil­lers ver­mut­lich mei­ne Lieb­lings­band unter all jenen, die noch aktiv sind. Ich denk da nur auch nicht immer dran.

Und dann kam Anfang August eine neue Sin­gle raus und ich hab sie mir extra auf­ge­ho­ben, um sie abends, bei Son­nen­un­ter­gang auf unse­rem Cam­ping­platz, zum ers­ten Mal zu hören. Es ist natür­lich kein „Mr. Brights­ide“ oder „When You Were Young“, es ist nicht­mal ein „Cau­ti­on“ (obwohl es erstaun­lich danach klingt). Es ist nur ein Lebens­zei­chen einer Band, die es auch nach 20 Jah­ren noch schafft, mir mit jedem neu­en Album eine klei­ne Freu­de zu berei­ten — und das ist doch auch viel wert!

Bess Atwell – Whe­re I Left Us

Ich mer­ke, dass ich immer weni­ger Alben höre – gera­de, weil ich so ungern Alben anma­che, wenn ich weiß, dass ich sie nicht kom­plett hören kann. Wenn ich 20 bis 30 Minu­ten brau­che, bis das Abend­essen fer­tig ist, reicht das nicht – gera­de, wenn ich erst­mal zehn Minu­ten brau­che, um über­haupt Musik aus­zu­su­chen, wäh­rend das Nudel­was­ser schon kocht. Des­halb habe ich Bess Atwells drit­tes Album „Light Slee­per“ auch noch nicht gehört (auch nicht die zwei davor), obwohl es von Aaron Dess­ner von The Natio­nal pro­du­ziert wur­de, der seit Tay­lor Swifts „Folk­lo­re“ ja der Mann ist, der melan­cho­lisch-schwel­gen­de Pop­songs jun­ger Frau­en den letz­ten Grob­schliff gibt.

„Whe­re I Left Us“ ist da aber auch gar nicht drauf, son­dern Teil neu­en Mate­ri­als, das die Eng­län­de­rin aktu­ell ver­öf­fent­licht. Wenn all ihre Songs so eine herbst­li­che Kuschel­de­cken-Fluf­fig­keit haben, muss ich aber wirk­lich mal in ihre Alben rein­hö­ren!

The Dead­no­tes – Reser­voir

Ich ver­traue mei­nen Bud­dies vom Grand Hotel van Cleef ja erst­mal blind – ein Ver­trau­en, das sie sich vor zwei Jahr­zehn­ten mit kett­car, Tom­te, Marr und Death Cab For Cutie eher leicht­fü­ßig erar­bei­tet haben (war natür­lich trotz­dem eine Men­ge Ener­gie und Geld, die in sol­che Releases gegan­gen ist), das durch gemein­sa­me Kili­ans-Zei­ten noch enger wur­de und das sie in den letz­ten Jah­ren mit Ver­öf­fent­li­chun­gen von Pale, Mari­ya­ka, Fjørt und Arxx wei­ter gestützt haben.

Wenn mei­ne Bud­dies also eine Band signen, die schon zwei Alben in Eigen­re­gie ver­öf­fent­licht hat, dann höre ich mir das natür­lich auf­merk­sam an: „Reser­voir“ ist ein Hauch The Kil­lers, Night­ma­re Of You und Hel­lo­good­bye, also Rock­mu­sik mit Syn­the­si­zern – und das Grand Hotel van Cleef hat mal wie­der recht gehabt.

Alex The Astro­naut – Cold Piz­za

„I Think You’­re Gre­at“ von Alex The Astro­naut war einer der ers­ten Songs, die ich gehört habe, nach­dem im März 2020 der ers­te Covid-Lock­down aus­ge­ru­fen wor­den war – und es soll­te mein Song eines sehr, sehr spe­zi­el­len Jah­res wer­den.

Ich weiß nicht viel über Alex The Astro­naut und habe auch nicht vie­le ihrer ande­ren Songs gehört. Aber wenn man einen Song nach dem bes­ten Essen der Welt benennt, kann das alles schon mal nicht so falsch sein – und tat­säch­lich ist „Cold Piz­za“ ein char­man­ter klei­ner Indie­rock-Schun­k­ler.

Clip­ping – Run It

Dave­ed Diggs kennt Ihr alle als Mar­quis de Lafay­et­te und Tho­mas Jef­fer­son aus „Hamil­ton“ (Ihr kennt „Hamil­ton“ nicht? Oh. Ändert das! Sofort!) Er ist aber auch Mit­glied der expe­ri­men­tel­len Hip-Hop-Band Clip­ping, über die ich nicht viel mehr weiß, als dass Dave­ed Diggs dort Mit­glied ist und sie eine zeit­lang mal für das Hald­ern Pop Fes­ti­val 2023 ange­kün­digt waren, bis sie wie­der aus dem Line-Up ver­schwan­den.

Jetzt habe ich zum ers­ten Mal einen Song von Clip­ping gehört und ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich inzwi­schen wie­der voll­stän­dig davon erholt habe, aber „Run It“ ist schon ein beein­dru­cken­der Track, der ein biss­chen klingt, als wäre man mit dem Geräusch im Kopf auf­ge­wacht, das ein 56k-Modem beim Ein­wäh­len macht.

Joy Ola­do­kun – I‘ Miss The Birds

Wenn ich noch so was küren wür­de wie ein Album des Jah­res, wäre es letz­tes Jahr „Pro­of Of Life“ von Joy Ola­do­kun gewe­sen, wie ich in unse­rer 2023-Sen­dung schon erzählt habe. Seit­dem hat sie in regel­mä­ßi­gen Abstän­den neue Songs ver­öf­fent­licht, die alle­samt wun­der­bar sind.

In „I’d Miss The Birds“ singt sie davon, dass sie Nash­ville, die Haupt­stadt der ame­ri­ka­ni­schen Musik­in­dus­trie, ver­las­sen und aufs Land zie­hen will. Zwar wür­de sie die Vögel ver­mis­sen, für die die Stadt auch berühmt ist, aber selbst die Vögel wüss­ten ja, wann es Zeit ist zu gehen.

„I’d Miss The Birds“ wird auf „Obser­va­tions From A Crow­ded Room“ ent­hal­ten sein, Joy Ola­do­kuns fünf­tem Album, das sie selbst pro­du­ziert hat und das am 18. Okto­ber erschei­nen soll.

New Radi­cals – Lost Stars

„You Get What You Give“ von New Radi­cals ist ein Song, der mein Leben in ein „Davor“ und „Danach“ teilt. Zum ers­ten Mal seit mei­ner eher kind­li­chen Die-Prin­zen-Pha­se war ich Fan einer Band — die sich weni­ge Wochen, nach­dem ich ihr Album gekauft hat­te, auf­lös­te. Ihr Sän­ger Gregg Alex­an­der hat seit­dem zahl­rei­che Hits für ande­re Acts geschrie­ben (die ich, inkl. Demos, alle auf mei­ner Fest­plat­te habe), aber die Band tauch­te erst zur Amts­ein­füh­rung von Joe Biden ganz über­ra­schend wie­der in der Öffent­lich­keit auf. 

Jetzt gibt es zum ers­ten Mal seit 25 Jah­ren neue Songs — wobei „neu“ dabei ein biss­chen umge­deu­tet wer­den muss, denn es han­delt sich um die eige­nen New-Radi­cals-Ver­sio­nen von „Mur­der On The Dance­f­lo­or“ (bekannt gewor­den durch Sophie Ellis-Bex­tor) und „Lost Stars“ (aus dem Film „Begin Again“). Gregg Alex­an­der hat in einem offe­nen Brief an Kama­la Har­ris’ Ehe­mann Doug Emhoff, der offen­bar ein eben­so gro­ßer Fan der Band ist wie ich, erklärt, dass es sich nicht um ein „Come­back“ hand­le, son­dern um einen Ver­such, die Demo­kra­ten im Wahl­kampf zu unter­stüt­zen. Das ver­leiht die­sen viel­leicht etwas obsku­ren Songs eine Aura von gesell­schaft­li­cher Bedeu­tung und Hoff­nung und macht mich noch glück­li­cher, sie hören zu dür­fen. Ich habe sogar zum ers­ten Mal seit neun Jah­ren einen Song im iTu­nes Store gekauft!

Bris­ke­by – The First Time

Wei­ter geht’s mit „Opa erzählt vom Frie­den“! Bris­ke­by waren die ers­te Vor­band, die ich jemals bei einem Kon­zert gese­hen habe: Im Herbst 2000 im Vor­pro­gramm von a‑ha in der Are­na Ober­hau­sen und ich war sofort schwer ver­knallt in ihre Sän­ge­rin Lise Karls­nes. Der Zufall will es, dass ich ein paar Mona­te spä­ter mei­ne aller­ers­te Musik­re­zen­si­on jemals für plattentests.de über „Jeans For Onas­sis“, das Debüt­al­bum der Band, geschrie­ben habe – das Album hat­te also immer einen ganz beson­de­ren Platz in mei­nem Her­zen und ich habe mei­nen Text nur des­halb ver­linkt, denn es ist grau­en­haf­tes Gewäsch von einem Teen­ager, der noch weit davon ent­fernt war, sei­ne Stim­me gefun­den zu haben, nicht bes­ser gemacht von einer Redak­ti­on, die auf kna­cki­ge Über­schrif­ten und Oneli­ner aus war, und kön­nen wir bit­te über­haupt ganz grund­sätz­lich mal auf­hö­ren, Kunst irgend­wie auf einer Ska­la („5/​10“) quan­ti­fi­zie­ren zu wol­len?!

Bris­ke­by, jeden­falls, haben danach wei­ter Musik gemacht, die kom­plett an mir vor­bei­ging: Ihr letz­tes Album ist aus dem Jahr 2005, was fast 20 Jah­re her ist, die letz­te Sin­gle von 2015. Und jetzt sind sie wie­der da, mit einem Song, der „Like The First Time“ heißt und auch so klingt: Es ist exakt der glei­che groo­ven­de, leicht ange­rock­te skan­di­na­vi­sche Elek­tro­pop zwi­schen Car­di­gans und Annie – und was ist so falsch dar­an?! Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich zwar immer noch Wert dar­auf lege, Chap­pell Roan, Char­li XCX und Sabri­na Car­pen­ter grob zu ken­nen (und: Mein Gott, ist „Espres­so“ ein Meis­ter­werk!), aber ich über­las­se ihre Musik ger­ne den jun­gen Leu­ten, denn die haben ja sonst – Hash­tag Kli­ma­kri­se, Hash­tag Ren­ten­kas­se, Hash­tag Austeri­täts­po­li­tik – sonst gar nichts.

Bon Iver – Spey­si­de

Und plötz­lich war da noch ein neu­er Song von Bon Iver: Nur Jus­tin Ver­non und sei­ne Gitar­re, wie damals in der legen­dä­ren Wald­hüt­te, als er „For Emma, Fore­ver Ago“ auf­nahm (was auch schon wie­der ewig her ist). Die gan­zen Elek­tro­spie­le­rei­en der letz­ten Alben: ver­schwun­den; das Duett mit Tay­lor Swift: woan­ders (aber tief in unse­ren Her­zen); die ein­zi­ge wei­te­re Zutat nur die Brat­sche von Rob Moo­se, die dem gan­zen den Anstrich von wei­ter, ame­ri­ka­ni­scher Land­schaft ver­leiht.

Am 18. Okto­ber wird „Sable“, eine EP mit „Spey­si­de“ und zwei wei­te­ren Songs erschei­nen. Dann wis­sen wir, ob Bon Iver full cir­cle gegan­gen sind. Solan­ge reicht aber auch die Schön­heit die­ses Songs.

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