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Musik

I’m serious, so come on

Der Früh­ling ist da: Die Son­ne scheint vom wol­ken­lo­sen Him­mel, Vögel und Mäd­chen sind aus dem Win­ter­schlaf erwacht und es ist wie­der an der Zeit, eines mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­al­ben zu hören.

Das war Quatsch: Es ist natür­lich immer an der Zeit, eines mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­al­ben zu hören, aber im Moment macht es noch viel mehr Spaß.

Das Album, um das es geht, stammt von der bri­ti­schen Band A (ein Name aus der Zeit, als Band­na­men noch nicht such­ma­schi­nen­op­ti­miert waren), heißt „Hi-Fi Serious“ und ist vor ziem­lich genau zehn Jah­ren erschie­nen. Theo­re­tisch müss­te ich die Band damals auch bei der Oster­rock­nacht in der Düs­sel­dor­fer Phil­ips­hal­le gese­hen haben, aber ich kann mich beim bes­ten Wil­len nicht dar­an erin­nern.

Damals hat­te ich zunächst aller­dings auch nur ein, zwei MP3s von dem Album, wie man das in Zei­ten von soge­nann­ten Netz­werktref­fen und Tausch­bör­sen damals eben so hat­te. Einer die­ser Songs, „Paci­fic Oce­an Blue“, war aller­dings auf mei­nem Mix­tape „05/​02“, das ich mir nach den letz­ten schrift­li­chen Abitur­prü­fun­gen auf­ge­nom­men hat­te und dann stän­dig gehört habe. Mit Zei­len wie „And the sum­mer is fore­ver /​ It’s the end­less sum­mer“ pass­te der Song aller­dings auch wie der sprich­wört­li­che Arsch auf Eimer zu den nai­ven All­machts­phan­ta­sien, die man als jun­ger Mensch eben hat, wenn man sechs bis acht Wochen kei­nen ande­ren Grund zum Auf­ste­hen hat, außer sich mit sei­nen Freun­den zu tref­fen, um wahl­wei­se Schwim­men, Gril­len oder Trin­ken zu gehen. ((Theo­re­tisch ist auch alles drei gleich­zei­tig mög­lich, aber ich bin am Nie­der­rhein auf­ge­wach­sen und der liegt – nun ja – am Rhein.))

Das gan­ze Album hat­te ich dann erst zwei Jah­re spä­ter und viel­leicht liegt es dar­an, dass auch damals grad Früh­ling war, aber „Hi-Fi Serious“ ist seit­dem mein aller­liebs­tes Son­nen­schein­al­bum. Schon bei den ers­ten Tak­ten von „Not­hing“ möch­te ich sofort los­ge­hen und mir ein Skate­board kau­fen. ((Ich habe mir mein ers­tes Skate­board mit 19 gekauft, als ich nach dem Zivil­dienst wie­der nichts zu tun hat­te. Nach eini­gen Fahr­ver­su­chen mit mei­nen gleich­alt­ri­gen, etwa gleich talen­tier­ten Freun­den, die wir alle immer­hin unver­letzt über­stan­den, hat sich mein klei­ner Bru­der das Ding gezockt und ich habe es seit­dem nicht mehr pro­biert.)) Ich könn­te über jeden ein­zel­nen Song schrei­ben, über das ver­knall­te „Something’s Going On“, die nied­li­che Kon­sum­kri­tik von „Star­bucks“ und über „Going Down“, das die letz­ten Minu­ten an Bord eines abstür­zen­den Flug­zeugs beschreibt, ((Auch kein The­ma, was man im Früh­jahr 2002 zwin­gend in einem Rock­song erwar­tet hät­te.)) oder über das wüten­de „W.D.Y.C.A.I.“, aber es ist das Album in sei­ner Gesamt­heit, das so groß­ar­tig ist.

„Hi-Fi Serious“ ist ein musik­ge­wor­de­ner Som­mer­nach­mit­tag. Ich lie­be die posi­ti­ve Ener­gie und die hör­ba­re Spiel­freu­de, die einem aus den Lie­dern ent­ge­gen­schlägt und die ich an Künst­lern wie The Hold Ste­ady, Andrew W.K. oder eben A so sehr schät­ze. Die Musik sorgt dafür, dass ich bei fast jedem Song (ein paar ruhi­ge­re sind ja auch dabei) durch die Gegend und am Liebs­ten mit einem lebens­ge­fähr­li­chen Stunt in den nächs­ten Swim­ming Pool hüp­fen möch­te.

Natür­lich sind wäh­rend mei­ner Jugend musi­ka­lisch anspruchs­vol­le­re, his­to­risch bedeut­sa­me­re Alben erschie­nen – aber kein Album die­ser Welt erin­nert mich so dar­an, wie es sich anfühlt, jung zu sein, wie „Hi-Fi Serious“ von A. In den Liner Notes schreibt Sän­ger Jason Per­ry über „Paci­fic Oce­an Blue“, für ihn hät­ten die Beach Boys den Som­mer erfun­den. Für mich waren es A.

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Literatur

Eine spezielle Begabung

Schon als Alex­an­der ganz klein war, wuss­ten sei­ne Eltern, dass er etwas ganz Beson­de­res war. Das den­ken die aller­meis­ten Eltern von ihrem Nach­wuchs, aber Alex­an­ders Eltern wuss­ten es. Manch­mal ver­nah­men sie einen ganz leich­ten Licht­schein, wenn sie nachts an sei­nem Kin­der­bett vor­bei­gin­gen, doch wenn sie nach­se­hen woll­ten, ob die Roll­lä­den viel­leicht einen Spalt offen stan­den, ver­schwand das Leuch­ten. Dann wie­der­um gab es Tage, an denen sie mein­ten, lei­se eine Glo­cke klin­gen zu hören, wenn Alex­an­der in ihrer Nähe war.

Alex­an­der war ein hüb­sches Kind mit sanf­ten Zügen, meer­blau­en Augen und blon­den Locken und als sei­ne Groß­mutter noch leb­te, nann­te sie ihn immer ihren „Engel“. Doch als er in die Puber­tät kam, änder­te sich sein Leben: Er begann, Punk­rock zu hören, Bier zu trin­ken und nachts lan­ge weg zu blei­ben. Sei­ne Eltern mach­ten sich Sor­gen, ver­häng­ten Haus­ver­bo­te, deren Nicht-Ein­hal­tung sie aller­dings nicht ahn­de­ten, und erkun­dig­ten sich im Bekann­ten­kreis, wie es um das Ver­hal­ten der Gleich­alt­ri­gen bestellt war. Aber tief in ihrem Inne­ren wuss­ten sie, dass Alex­an­der für höhe­re Auf­ga­ben bestimmt war und sie ihn zie­hen las­sen muss­ten.

So folg­te Alex­an­der dem Ruf der Groß­stadt und trieb sich in zwie­lich­ti­gen Läden her­um, in denen bri­ti­sche Punk- und ame­ri­ka­ni­sche Hard­core-Plat­ten gespielt wur­den, in denen Män­ner und Frau­en und Män­ner und Frau­en unge­schütz­ten Sex auf den dre­cki­gen Toi­let­ten hat­ten und in deren Kel­lern oder Neben­räu­men zu beson­de­ren Fei­er­ta­gen Crack vom Blech geraucht wur­de. Alex­an­der lieb­te die Musik, aber er hat­te kaum Sex und nahm kei­ne Dro­gen. Es reich­te ihm, immer ein fri­sches Bier in der Hand zu hal­ten und die Men­schen zu beob­ach­ten, die sich um ihn her­um gehen lie­ßen. Er wohn­te in besetz­ten Häu­sern und arbei­te­te als Aus­hil­fe in Geträn­ke­la­gern, Dru­cke­rei­en und in den Werk­stät­ten der Städ­ti­schen Büh­nen. Oft ver­lor er sei­ne Anstel­lun­gen schnell wie­der, weil er den Arbeits­platz wäh­rend der Dienst­zeit ver­las­sen hat­te. Was damit zusam­men­hing, dass Alex­an­der etwas ganz Beson­de­res war.

Die Göt­ter, seit jeher dar­auf bedacht, die Men­schen mit unter­schied­li­chen Fer­tig­kei­ten zu seg­nen, hat­ten Alex­an­der eine etwas spe­zi­el­le Bega­bung, ja: Auf­ga­be, mit­ge­ge­ben: Wann immer in einer öffent­li­chen Gast­stät­te im Umkreis von 20 Kilo­me­tern das Wort „Hoden“ fiel, klin­gel­te ein Glöck­chen in Alex­an­ders Kopf und er eil­te auf direk­tem Wege zu die­sem Ort.

Auch die Göt­ter waren sich nicht ganz sicher, war­um genau sie Alex­an­der mit die­ser Super­kraft ver­se­hen hat­ten, die bei Licht betrach­tet abso­lut nie­man­dem etwas nütz­te. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand mut­maß­ten sie manch­mal, die Geschich­te habe irgend­et­was mit Rache, einer ver­lo­re­nen Wet­te oder einem schreck­li­chen Miss­ver­ständ­nis zu tun. Aber bei den vie­len, vie­len Men­schen, die die Göt­ter in all den Zeit­al­tern erschaf­fen hat­ten, ging eben mit­un­ter etwas schief, und die meis­te Zeit waren die Göt­ter glück­lich und zufrie­den, wenn sie nicht schon wie­der einen Dik­ta­tor, Ter­ro­ris­ten oder Fern­seh­mo­de­ra­tor kre­iert hat­ten. Immer­hin hat­ten sie bei Alex­an­der wie auch bei vie­len Künst­lern dar­auf geach­tet, den Über­schuss an Talent durch eine Unter­ver­sor­gung mit Sozi­al­kom­pe­tenz aus­zu­glei­chen.

Und so lief Alex­an­der seit vie­len Jah­ren in einer abge­wetz­ten Leder­ja­cke durch die Gegend und tauch­te in Knei­pen auf, in denen kurz zuvor das Wort „Hoden“ gefal­len war – was wesent­lich öfter vor­kam, als man anneh­men wür­de. Wenigs­tens klin­gel­te das Glöck­chen nicht bei Syn­ony­men, dach­te Alex­an­der in sei­nen opti­mis­ti­sche­ren Momen­ten und stell­te sich vor, wie er sonst von Bor­dell zu Bor­dell, von Swin­ger-Club zu Swin­ger-Club ren­nen müss­te.

Für den Fall, dass jemand Alex­an­ders beson­de­re Bega­bung durch­schau­en wür­de, hat­ten die Göt­ter vor­ge­sorgt: Der­je­ni­ge wür­de dann eben­falls ein Glöck­chen hören, wenn ande­re, unver­fäng­li­che­re Wor­te gespro­chen wür­den. „Sekt“, zum Bei­spiel.

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Digital Musik

Ratinger Hofnarren

Lukas: „Was hal­ten wir eigent­lich von den Toten Hosen?“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „Uff! Hmmm, na ja …“
Lukas: „… damit auf­ge­wach­sen sind wa ja schon. Irgend­wie. Nich?“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „Das mag sein. Aber Cam­pi­no geht doch gar nicht.“
Lukas: „Wenn wir gleich alle deut­schen Bands schei­ße fin­den wür­den, deren Sän­ger ein zu gro­ßes Mit­tei­lungs­be­dürf­nis haben und jede Talk­show und jede Gazet­te voll­la­bern, dann könn­ten wa aber nur noch Kraft­werk hören. Sieh’s mal so!“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „War­um ver­tei­digst Du denn hier die Toten Hosen?“
Lukas: „Tu ich gar nicht. Ich woll­te nur wis­sen, was wir von denen hal­ten.“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „Uff …“

Nun, wie dem auch sei: Von den Toten Hosen gibt es inzwi­schen – wahn­sin­nig Punk­rock-like – eine eige­ne „SingStar“-Edition. Das ist … ach, das ist halt so und wäre mir sicher kei­ne Erwäh­nung wert, wenn man beim Uncle-Sally’s‑Magazin die­ses Com­pu­ter-Spiel nicht von drei fach­kun­di­gen Tes­tern auf Herz und Leber hät­te über­prü­fen las­sen: Nagel, Thees Uhl­mann und Mil­le von Krea­torCam­pi­no bewer­tet das Gan­ze. Das alles als Video hier.

Eigent­lich ist es ganz schreck­lich, aber irgend­wie auch sehr unter­halt­sam. Anders aus­ge­drückt: Näher am Punk waren die Toten Hosen in den letz­ten fünf­zehn, zwan­zig Jah­ren nicht.

[via Tom­te-Blog]