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My City Of Ruins

Die fol­gen­den bei­den Mel­dun­gen ste­hen in kei­ner­lei Kon­text zuein­an­der (neh­me ich an). Sie zei­gen nur die Band­brei­te der Ereig­nis­se, mit denen sich eine sym­pa­thi­sche Klein­stadt am rech­ten Nie­der­rhein zur Zeit so her­um­schla­gen muss:

Die Staats­an­walt­schaft ermit­telt gegen den Dins­la­ke­ner Sozi­al­de­zer­nen­ten

und

Mit­ten in Dins­la­ken: War­um läuft die­se Nack­te durch die City?

(Sie sor­gen aller­dings auch dafür, dass ich die Fra­ge, wo ich denn her­kom­me, vol­ler Stolz mit … äh: „Bochum“ beant­wor­ten kann.)

Nach­trag, 11. Juli, 01:50 Uhr:

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Nicht wütend genug

Auch bevor er sei­nen Kopf ver­lo­ren hat­te, war der Ber­li­ner Wachs-Hit­ler seit Tagen in der Pres­se. „Bild“ sah mal wie­der eine „Empö­rung in ganz Deutsch­land“ (bei der Abstim­mung auf Bild.de sind der­zeit 77% der Leser der Mei­nung, dass Hit­ler als Wachs­denk­mal „o.k.“ sei) und Michel Fried­man sprang mal wie­der über ein Stöck­chen, das „Bild“ ihm hin­ge­hal­ten hat­te.

Wir haben also in den letz­ten Tagen jede Men­ge über den fal­schen Füh­rer in Ber­lin gehört, gese­hen und gele­sen. Wie üblich durf­te sich jeder, des­sen Empö­rung nur glaub­wür­dig genug vor­ge­tra­gen war, zum The­ma äußern.

Aber ist Ihnen in den letz­ten Tagen und in die­sem Zusam­men­hang mal der Name Ste­phan Kra­mer begeg­net? Ste­phan Kra­mer ist Gene­ral­se­kre­tär des Zen­tral­ra­tes der Juden in Deutsch­land und hat­te sich bereits vor gut einem Monat im Gespräch mit der „Net­zei­tung“ zu dem The­ma geäu­ßert:

Kra­mer sag­te zwar, Hit­ler sol­le in Ber­lin kei­ne Tou­ris­ten­at­trak­ti­on wer­den. «Wenn eine sol­che Aus­stel­lung jedoch dabei hilft, unse­re Sicht auf Hit­ler zu nor­ma­li­sie­ren und ihn zu demys­ti­fi­zie­ren, dann soll­te man es ver­su­chen.»

Dazu gehört für den Zen­tral­rat auch die Beschäf­ti­gung mit der His­to­rie: «Zu ver­su­chen, Hit­ler aus der Geschich­te zu löschen, funk­tio­niert nicht und ist kon­tra­pro­duk­tiv», sag­te Kra­mer. Dies mache die Opfer des Holo­caust nicht leben­dig und besei­ti­ge nicht die ver­ur­sach­ten Schä­den und began­ge­nen Ver­bre­chen.

Klingt eini­ger­ma­ßen mode­rat, nicht? Und mög­li­cher­wei­se schlicht zu unspan­nend für die Pres­se, die ja immer auf den gro­ßen Skan­dal aus ist.

dpa und epd haben Kra­mers wich­tigs­te Aus­sa­gen noch am glei­chen Tag geti­ckert, in deut­lich ver­kürz­ter Form tauch­te die Mel­dung Anfang Juni auch in der Ber­li­ner „Bild“ auf. Als es jetzt kurz vor der Erin­ne­rung heiß her ging, erin­ner­te sich kaum noch jemand an Kra­mers libe­ra­le Posi­ti­on.

So stieß ich auf den Namen Ste­phan Kra­mer und sei­ne Mei­nung zum Wachs-Hit­ler in einem Bericht der BBC über die Köp­fung (aus Ste­phan wur­de dort aller­dings Ste­phen).

Dort blieb von der „Empö­rung in ganz Deutsch­land“ auch nur noch ein Neben­satz übrig:

Despi­te some cri­ti­cism in the media, Ste­phen Kra­mer, gene­ral secre­ta­ry of the Cen­tral Coun­cil of Jews in Ger­ma­ny, said he did not object to Hit­ler being shown, as long as it was done pro­per­ly.

Eine kur­ze Recher­che bei Goog­le News ergab, dass Kra­mer in die­sen Tagen genau zwei Mal von der deut­schen Pres­se zum The­ma zitiert wor­den war: heu­te Mor­gen in der „Mär­ki­schen All­ge­mei­nen“ und nach dem Über­griff in der „Erleb­nis-Com­mu­ni­ty“ „Kwick!“

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Skandale abblasen mit der „WAZ“

Wir müs­sen noch­mal auf die Ankün­di­gung des Ryan­air-Chefs Micha­el O’Lea­ry zurück­kom­men, sei­ne Air­line wer­de bald Trans­at­lan­tik­flü­ge mit „beds and blo­wjobs“ anbie­ten. Das hat­te ja zumin­dest die „WAZ“ am ver­gan­ge­nen Mitt­woch berich­tet.

Zum einen habe ich inzwi­schen den Hin­weis erhal­ten, der Aus­druck sei zumin­dest im Iri­schen eini­ger­ma­ßen umgangs­sprach­lich für „voll­ende­ten Ser­vice“, was bedeu­ten wür­de, dass es sich bei der Ankün­di­gung streng genom­men noch nicht mal um einen „Witz“, son­dern schlicht um ein kul­tu­rel­les Miss­ver­ständ­nis gehan­delt hät­te. Da man aber von deutsch­spra­chi­gen Jour­na­lis­ten kei­ne Tief­en­kennt­nis­se in spe­zi­el­le­rer iri­scher Umgangs­spra­che erwar­ten kann, soll uns die­ses Detail mal egal sein.

Zum ande­ren aber bleibt die „WAZ“ auch in ihrem Inter­net­por­tal derwesten.de wei­ter­hin bei ihrer Dar­stel­lung. Katha­ri­na Bor­chert, Chef­re­dak­teu­rin bei derwesten.de, hat­te mir am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag auf Anfra­ge mit­ge­teilt, es wer­de nach Rück­spra­che mit dem Autor einen Bei­trag im Kor­rek­tur­blog und einen ent­spre­chen­den Hin­weis dar­auf unter dem eigent­li­chen Arti­kel geben, von bei­dem fehlt aber bis­her jeder Spur.

Wolf­gang Pott, der Autor des besag­ten Arti­kels, hat auf mei­ne E‑Mail vom Don­ners­tag bis­her gar nicht nicht reagiert. Das muss er natür­lich nicht, aber es wäre ja schon inter­es­sant gewe­sen zu erfah­ren, ob wäh­rend der Pres­se­kon­fe­renz davon aus­zu­ge­hen war, dass Micha­el O’Lea­ry sei­ne Ankün­di­gung ernst gemeint haben könn­te; ob die „WAZ“ sich noch ein­mal bei Micha­el O’Lea­ry oder ande­ren Ryan­air-Ver­ant­wort­li­chen nach der Ernst­haf­tig­keit der Ankün­di­gung erkun­digt hat­te, und ob die „WAZ“ den Scherz als sol­chen auf­klä­ren wer­de. (Letz­te­res lässt sich mit­hil­fe des Online­auf­tritts und der Zei­tun­gen der letz­ten Tage natür­lich auch ganz leicht sel­ber mit „ver­mut­lich nicht“ beant­wor­ten.)

Sogar bei Bild.de, wo die Geschich­te am Don­ners­tag auf­ge­grif­fen hat­te, hat man her­aus­fin­den kön­nen, dass O’Lea­rys Ankün­di­gung nicht ganz ernst gemeint war. Mehr noch: das Video, das Bild.de von der Pres­se­kon­fe­renz ver­öf­fent­licht, ver­weist einen wei­te­ren Satz des „WAZ“-Artikels ins Reich der künst­le­ri­schen Frei­heit.

Sogar die Pres­se­spre­che­rin zu sei­ner Lin­ken ver­schluckt sich bei­na­he, woll­te sie doch gera­de am Was­ser­glas nip­pen.

Von der lau­en Anspie­lung mal ab: die Pres­se­spre­che­rin neben Micha­el O’Lea­ry will im Video weder „gera­de am Was­ser­glas nip­pen“, noch „ver­schluckt“ sie sich „bei­na­he“ – sie lächelt viel­mehr höf­lich, wäh­rend ihr Chef sei­ne Sprü­che reißt.

Über­haupt, das Kor­rek­tur­blog des Wes­tens: Näh­me man es ernst, hät­te „Der Wes­ten“ seit sei­nem Start im ver­gan­ge­nen Okto­ber gan­ze sechs Feh­ler gemacht – davon drei, die aufs Kon­to der Tech­nik gehen.

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Sport Gesellschaft

Christoph Daums Bedenken

Am Mitt­woch, 28. Mai 2008, wird das Deut­sche Sport­fern­se­hen (DSF) eine Doku­men­ta­ti­on aus­strah­len, die sich mit dem immer noch größ­ten Tabu im Fuß­ball beschäf­tigt: der Homo­se­xua­li­tät.

Wenn es stimmt, was die Deut­sche Aka­de­mie für Fuß­ball­kul­tur vor­ab ver­mel­det, wird Chris­toph Daum, Trai­ner der Fahr­stuhl­mann­schaft 1. FC Köln, in die­sem Film fol­gen­de Wor­te sagen:

Da wird es sehr deut­lich, wie sehr wir dort auf­ge­for­dert sind, gegen jeg­li­che Bestre­bun­gen, die da gleich­ge­schlecht­lich aus­ge­prägt ist, vor­zu­ge­hen. Gera­de den uns anver­trau­ten Jugend­li­chen müs­sen wir mit einem so gro­ßen Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein ent­ge­gen tre­ten, dass gera­de die, die sich um die­se Kin­der küm­mern, dass wir denen einen beson­de­ren Schutz zukom­men las­sen. Und ich hät­te da wirk­lich mei­ne Beden­ken, wenn dort von Theo Zwan­zi­ger irgend­wel­che Libe­ra­li­sie­rungs­ge­dan­ken ein­flie­ßen soll­ten. Ich wür­de den Schutz der Kin­der über jeg­li­che Libe­ra­li­sie­rung stel­len.

Das klingt erst ein­mal ziem­lich kon­fus, was sicher auch der frei­en Rede geschul­det ist. Aber es bedarf kei­ner beson­ders bös­wil­li­gen Inter­pre­ta­ti­on, um zu erah­nen, dass da wohl mal jemand Homo­se­xua­li­tät und Pädo­phi­lie durch­ein­an­der gebracht hat. Oder brin­gen woll­te.

Nun hal­te ich nor­ma­ler­wei­se nicht viel davon, Men­schen mög­li­che Ver­feh­lun­gen aus ihrer eige­nen Ver­gan­gen­heit immer wie­der vor­zu­hal­ten, aber an die­ser Stel­le soll­te nicht uner­wähnt blei­ben, dass sich da ein Mann um Jugend­li­che und „Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein“ sorgt, der vor acht Jah­ren nicht Fuß­ball­bun­des­trai­ner wur­de, weil ihm schwe­rer Koka­in­kon­sum nach­ge­wie­sen wer­den konn­te. (Mei­net­we­gen kann jeder mit sei­ner Gesund­heit machen, was er will, aber hier geht es ja um die mora­li­sche Kom­po­nen­te der Geschich­te.) Dass Daum aus­ge­rech­net Trai­ner in der „schwuls­ten Stadt Deutsch­lands“ ist, ist da das Tüp­fel­chen auf dem i.

Ich bin gespannt, wie die Doku­men­ta­ti­on letzt­lich aus­se­hen wird, und ob Daums homo­pho­ber Aus­fall von der Öffent­lich­keit über­haupt wahr­ge­nom­men wird. Der Pro­fi­fuß­ball wird immer wie­der mit der katho­li­schen Kir­che in einem Atem­zug genannt, wenn es um die letz­ten Bas­tio­nen offe­ner Schwu­len­feind­lich­keit gilt. Das Fuß­ball­ma­ga­zin „Rund“ hat die­sem The­ma schon meh­re­re gro­ße Arti­kel gewid­met, die man hier und hier bei „Spie­gel Online“ nach­le­sen kann.

DFB-Chef Theo Zwan­zi­ger will jetzt „ein Kli­ma schaf­fen“ in dem auch offen homo­se­xu­el­le Fuß­bal­ler ent­spannt im Sta­di­on auf­lau­fen kön­nen. Das ist ihm hoch anzu­rech­nen, aber es wird ein schwe­rer Weg in einem Umfeld, in dem Fans geg­ne­ri­sche Spie­ler oder den Schieds­rich­ter immer noch als „schwul“ bezeich­nen und das durch­aus als Belei­di­gung mei­nen. Wie bei sei­nem Enga­ge­ment gegen Ras­sis­mus wird der DFB einen lan­gen Atem brau­chen und auch sei­ne eige­nen Ent­schei­dun­gen anpas­sen. So wur­de der Dort­mun­der Tor­wart Roman Wei­den­fel­ler im ver­gan­ge­nen Jahr für drei Spie­le gesperrt und muss­te 10.000 Euro Stra­fe zah­len, weil er sei­nen Gegen­spie­ler Gerald Asa­mo­ah belei­digt hat­te: angeb­lich wur­de Wei­den­fel­ler für die Wor­te „Du schwu­le Sau“ ver­ur­teilt – wenn er den dun­kel­häu­ti­gen Asa­mo­ah (wie zunächst behaup­tet wur­de) als „schwar­zes Schwein“ beschimpft hät­te, wäre die Stra­fe noch erheb­lich schwe­rer aus­ge­fal­len.

Zum aktu­el­len Fall Daum hat sich Moritz von hel­lo­jed. im offi­zi­el­len Web­fo­rum des 1. FC Köln umge­se­hen und prä­sen­tiert die schlimms­ten Kom­men­ta­re.

[via queer.de]

Nach­trag, 18:40 Uhr: Wie Moritz in einem wei­te­ren Ein­trag schreibt, hat sich Daum inzwi­schen gegen­über dem Köl­ner „Express“ erklärt – und dabei ein­drucks­voll unter Beweis gestellt, dass er den Unter­schied zwi­schen Homo­se­xua­li­tät und Pädo­phi­lie wirk­lich nicht kennt:

Grund­sätz­lich bin ich ein tole­ran­ter und libe­ra­ler Mensch. Ich habe kei­ner­lei Berüh­rungs­ängs­te zu homo­se­xu­el­len Men­schen. Auch in mei­nem Bekann­ten­kreis gibt es Eini­ge, die gleich­ge­schlecht­li­che Bezie­hun­gen leben.
Kin­der­schutz geht mir aber über alles. Kin­der müs­sen vor Gewalt und sexu­el­len Über­grif­fen, ganz gleich ob homo- oder hete­ro­se­xu­el­len Men­schen, geschützt wer­den. Des­we­gen arbei­te ich auch aktiv bei der Orga­ni­sa­ti­on Power-Child.

Wer beim Wort „schwul“ gleich an ekli­ge Män­ner denkt, die klei­nen Jungs an die Sport­ho­se wol­len, soll­te zumin­dest kurz über­le­gen, ob er die­ses ver­que­re Welt­bild auch noch der Öffent­lich­keit mit­tei­len muss.

Und wäh­rend der „Express“ noch recht neu­tral „Wir­bel um Daum-Aus­sa­ge“ titelt, gehen bild.de („Daum belei­digt Schwu­le“) und stern.de („Daum macht gegen Schwu­le mobil“) gleich in die Vol­len. Das muss ja auch nicht sein …

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Kommen und gehen

“Eine Liebeserklärung an die Hauptstadt - BILD ist ein Berliner!”

“Tote Hose auf dem Straßenstrich”

Mit Dank an Chris­ti­an M.

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Kulturhauptstadt 2008

Ich freue mich sehr, nach­tra­gen zu kön­nen, dass Cle­mens Schön­born, den ich beim „Berg­fest“ des Adolf-Grim­me-Prei­ses in Marl ken­nen­ge­lernt hat­te, und der wie ich in Dins­la­ken auf­ge­wach­sen ist, für sei­nen Film „Der Letz­te macht das Licht aus“ das Mer­ce­des-Benz-För­der­sti­pen­di­um ver­lie­hen bekom­men hat. Im Gegen­satz zum eigent­li­chen Grim­me-Preis, für den er nomi­niert war, macht sich die­ses auch in barer Mün­ze (oder wie auch immer man die 10.000 Euro aus­ge­hän­digt bekommt) bemerk­bar. Ich habe den Film lei­der immer noch nicht gese­hen, aber Ste­fan Nig­ge­mei­er, dem ich in sol­chen Din­gen durch­aus ver­traue, fand ihn gut.

Natür­lich müs­sen der­lei gute Nach­rich­ten auch von der Lokal­pres­se sofort wei­ter­ver­brei­tet wer­den, und so brach­te die „Rhei­ni­sche Post“ ges­tern ein mit­tel­gro­ßes Por­trät.

Er fühl­te sich geschmei­chelt, auch von der Begrün­dung der Jury: „Jens Schön­born setzt einen Mei­len­stein auf das sel­ten – viel zu sel­ten – beacker­te Ter­rain der deut­schen Arbei­ter­ko­mö­die.“

Das stimmt so natür­lich nicht, denn in der Begrün­dung der Jury heißt Cle­mens auch wei­ter­hin Cle­mens und nicht Jens.

Noch ein wei­te­rer Satz ließ mich sto­cken:

Er besuch­te das Theo­dor-Heuss-Gym­na­si­um, mach­te dort sein Abitur.

Ich habe Cle­mens Schön­born jetzt nicht noch mal zum Fact-Che­cking kon­tak­tiert, aber bei unse­rer leicht hys­te­ri­schen „Kenns­te das und das und den?“-Runde, die orts­frem­de Mit­glie­der unse­rer klei­nen Gesprächs­run­de zu besorg­tem Stirn­run­zeln ani­miert hat­te, hat­te er mir eigent­lich erzählt, sein Bru­der habe (wie ich) das „THG“ besucht, er selbst sei auf das damals noch exis­ten­te Ernst-Bar­lach-Gym­na­si­um gegan­gen. Aber ich mag mich irren, das Bier war an jenem Abend kos­ten­los.

Nicht irren tue ich mich aber, wenn ich aber­mals die Kul­tur­me­tro­po­le Dins­la­ken aus­ru­fe. Denn von dort kommt nicht nur Deutsch­lands ange­sag­tes­te Nach­wuchs­band, son­dern natür­lich auch Micha­el Wend­ler, der „König des Pop­schla­gers“, des­sen neu­es Album am Frei­tag erschei­nen wird, und in das Sie bereits jetzt „exklu­siv“ (was auch immer das dies­mal wie­der hei­ßen mag) bei bild.de rein­hö­ren kön­nen.

Das nächs­te Kapi­tel Dins­la­ke­ner Kino­ge­schich­te wird übri­gens auf­ge­schla­gen, wenn im April „Lauf um Dein Leben“ anläuft, ein Film, der vom in Dins­la­ken gebo­re­nen Regis­seur Adnan G. Köse zu wei­ten Tei­len in sei­ner Hei­mat­stadt gedreht wur­de.

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Digital

Kommunisten bei MySpace?

Schlimm, schlimm, schlimm: Erst vor­letz­te Woche soll­te sich ein „Bild“-Leserreporter mit „hit­ler“ bei der GEZ anmel­den, nun steht der nächs­te Skan­dal um die soge­nann­ten Cap­tures vor der Tür:

Cof­fee-And-TV-Leser­re­por­ter Wolf­diet­rich woll­te beim social net­work MySpace einen neu­en „Freund“ „hin­zu­fü­gen“. Zur Bestä­ti­gung soll­te er eine Buch­sta­ben­fol­ge ein­ge­ben, die auf „DKP“ ende­te:

DKP bei MySpace

Gibt es bei dem ame­ri­ka­ni­schen Inter­net­por­tal etwa heim­li­che Unter­stüt­zer deut­scher Kom­mu­nis­ten?

Der Leser-Repor­ter: „Ich habe das Fens­ter sofort weg­ge­klickt. So etwas darf doch nicht pas­sie­ren!“ Jetzt hat er einen Freund weni­ger.

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Rundfunk Gesellschaft

Hitl, hitler, am hitlsten

So, da hat­te also DJ Tomekk, der zunächst wahn­sin­nig unsym­pa­thi­sche, dann aber immer knuf­fi­ger wer­den­de Dschun­gel­camp-Bewoh­ner, vor zehn Tagen in einer aus­tra­li­schen Hotel­hal­le den rech­ten Arm geho­ben und die ers­te Stro­phe des Deutsch­land­lieds (die übri­gens nicht „ver­bo­ten“ ist, lie­be Viva-Mit­ar­bei­ter) ange­stimmt. Ges­tern tauch­te das Video dann urplötz­lich auf und wur­de von „Bild.de“ ver­öf­fent­licht. Dass man die Erst­ver­öf­fent­li­chung des Vide­os mit dem Off-Kom­men­tar „Die­ses Skan­dal­vi­deo scho­ckiert Deutsch­land!“ ver­se­hen hat­te, spricht ent­we­der für eine Lücke im Raum-Zeit-Kon­ti­nu­um oder für das Selbst­ver­ständ­nis von „Bild“.

Und „Bild“ soll­te recht behal­ten: Schon im eige­nen Arti­kel hat­te man die gut geöl­te Empö­rungs­ma­schi­ne­rie in Gang gebracht. Gut mög­lich, dass Die­ter Grau­mann, stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Zen­tral­ra­tes der Juden in Deutsch­land, weder wuss­te, wer DJ Tomekk war, noch das Video gese­hen hat­te, als „Bild“ ihn anrief und um einen Kom­men­tar bat. Aber „Wer Hit­ler fei­ert, muss geäch­tet wer­den“, kann man ja immer sagen.

Nun, es mag sicher eini­ger­ma­ßen geschmack­los sein, als Deut­scher im Aus­land den Hit­ler-Gruß zu zei­gen, aber … Moment, „Deut­scher“? Tomekk wur­de als Tomasz Kuklicz in Kra­kau gebo­ren, sein Mut­ter ist Polin, sein Vater Marok­ka­ner – für Roland Koch und erst recht für Neo­na­zis macht ihn das wohl zu einem „Aus­län­der“. Des­we­gen sind Über­schrif­ten wie „Nazi-Skan­dal im Dschun­gel-Camp“ gleich dop­pel­ter Unfug.

Der „Skan­dal“ fin­det näm­lich außer­halb des Camps statt, in laut­stark empör­ten Medi­en, deren Leser und Zuschau­er bis vor zwei Wochen nicht mal wuss­ten, dass es einen DJ namens Tomekk geben könn­te. Als wären die deut­schen Medi­en­kon­su­men­ten zu doof, Geschmack­lo­sig­kei­ten selbst zu erken­nen, wird ihnen von mög­lichst vie­len Fach­leu­ten für Ent­rüs­tung erklärt, war­um die­ses oder jenes „nicht geht“. Über kurz oder lang kann das aller­dings dazu füh­ren, dass die Leu­te irgend­wann eben nicht mehr selb­stän­dig wis­sen, was „schlimm“ ist.

Jan Fed­der­sen hat bei taz.de einen sehr inter­es­san­ten Arti­kel ver­öf­fent­licht, dem ich nicht in allen Punk­ten zustim­men wür­de, der aber die Lek­tü­re den­noch lohnt:

In Deutsch­land geht Nazi gar nicht. Nie­mals und auf ewig nicht. Ist schlimm. Poli­tisch, ästhe­tisch, kul­tu­rell, unter­schicht­stra­shig. Jeder muss wis­sen, dass jede semio­ti­sche Andeu­tung min­des­tens fünf Tank­las­ter Trä­nen der Empö­rung und der Wut und des Abscheus pro­vo­ziert. Soli­da­ri­täts­er­klä­run­gen von Zen­tral­rä­ten, Gewerk­schafts­krei­sen, Zir­keln der Opfer und Ver­ei­nen der Auch­be­trof­fen­heit in all­ge­mei­ner Hin­sicht.

Klar, dass das den Lesern sau­er auf­stößt:

Gera­de in der Taz ein Plä­doy­er für sol­che völ­lig unan­ge­brach­ten „Scher­ze“ zu fin­den, irri­tiert mich gera­de ziem­lich.

Oder:

Ich wuss­te gar nicht, dass die TAZ das Bil­dungs­fern­se­hen RTL und ihre tra­shi­ge-debi­le Dschun­gel­sen­ung anschaut!

Und damit wird viel­leicht auch die Marsch­rich­tung Inten­ti­on der gan­zen Kam­pa­gne ange­spro­chen: „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ ist ja eh „Unter­schich­ten­fern­se­hen“. Wenn ein dort mit­ma­chen­der Hip­Hop-Proll (Hip­Hop ist ja eh böse, s. Bushi­do) also zum Nazi taugt, kann sich das Bür­ger­tum ent­spannt zurück­leh­nen und gleich drei Sachen auf ein­mal schei­ße fin­den. Das ist ein­fa­cher, als sich mit den ech­ten Neo­na­zis vor der eige­nen Haus­tür zu beschäf­ti­gen.

Die wirk­lich span­nen­de Fra­ge, die Fed­der­sens Arti­kel auf­wirft, ist die, war­um man in Deutsch­land eigent­lich immer noch kei­ne Wit­ze über Nazis machen soll:

DJ Tomekk mag uns der Beweis sein: 75 Jah­re nach der Macht­über­nah­me der Natio­nal­so­zia­lis­ten in Deutsch­land darf über den Füh­rer, darf über Goeb­bels, Hit­ler, über all das Nazig’schwurbel gelacht und geläs­tert wer­den.

Ich bin mir nicht ganz sicher, wel­che „Wit­ze“ man über Nazis machen soll­te und wel­che nicht. Aber wer­den Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten etwa „weni­ger schlimm“, wenn man sich über die Anfüh­rer von damals lus­tig macht? Fast scheint es, als wür­den die­se Arsch­lö­cher heu­te erns­ter genom­men als je im „Drit­ten Reich“.

Wei­ter­füh­ren­de Links
DJ Tomekks Reak­ti­on und Ent­schul­di­gung im Wort­laut
Das Hit­ler-Blog der taz zum The­ma

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Digital

Klickbefehl (7)

In Sachen Nokia läuft gera­de ein Fass über. Und die Ver­ant­wort­li­chen in der Poli­tik – allen vor­an der Minis­ter­prä­si­dent Rütt­gers – täten gut dar­an, jetzt kein Öl mehr ins Feu­er zu gie­ßen.

Nach der Ankün­di­gung von Nokia, das Werk in Bochum dicht zu machen, über­bie­ten sich die Poli­ti­ker in Popu­lis­mus. Dju­re von „blog.50hz.de“ tritt einen Schritt zurück und nennt das Ver­hal­ten von Nokia „kon­se­quent“.

* * *

Wäh­rend hier­zu­lan­de Niko­tin­freun­de unter dem Knei­pen-Rauch­ver­bot äch­zen, grei­fen kali­for­ni­sche Behör­den rich­tig hart durch. Die Klein­stadt Cala­ba­sas sol­len in Zukunft qualm­frei sein – auch in den eige­nen vier Wän­den.

„Spie­gel Online“ berich­tet über das geplan­te Rauch­ver­bot in Miet­woh­nun­gen in Cala­ba­sas, CA („LA Dai­ly News“ zum sel­ben The­ma).

* * *

Heu­te ban­ge ich um das Leben jedes Opas, der in der Tram die Augen rollt, wenn eine Cli­que 15-Jäh­ri­ger die Belast­bar­keit der Schei­ben mit Schlag­rin­gen tes­tet. Das Ent­rüs­tungs­po­ten­ti­al älte­rer Men­schen wird ja immer mehr zum Sicher­heits­ri­si­ko im öffent­li­chen Raum. Ich grei­fe dann sofort ein und ver­wick­le den sich in Rage den­ken­den Mitt­sieb­zi­ger in ein Gespräch über Stauf­fen­berg, die Wehr­macht oder die Seg­nun­gen von Essen auf Rädern.

Dani­el Haas hat bei „Spie­gel Online“ eine wun­der­ba­re … ja, was eigent­lich: Pole­mik, Sati­re? Er hat jeden­falls einen wun­der­ba­ren Text über die aktu­ell her­auf­be­schwo­re­nen Gefah­ren in U‑Bahnen ver­fasst.

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„Rie­chen Sie die U‑Bahn?“, fra­ge ich. Wir stei­gen ein, fah­ren durch die Pro­blem­vier­tel Ber­lins. Drei Betrun­ke­ne stei­gen zu, sie haben Bier­fla­schen in den Hän­den. Ich habe kei­nen Augen­kon­takt mit den Bier­trin­kern. Frau Zypries auch nicht. Wir spre­chen über die Archi­tek­tur der Groß­städ­te, die auch Gewalt aus­löst, über Hoch­häu­ser.

Gon­zo-Jour­na­lis­mus bei „Bild.de“: Franz Josef Wag­ner und Bri­git­te Zypries fah­ren U‑Bahn. Mit Video!

Pas­send dazu: „In zehn ein­fa­chen Schrit­ten: Schrei­ben wie Franz Josef Wag­ner“ bei medienlese.com

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When histo­ry was writ­ten, the final page will say …

Auch deut­sche Poli­ti­ker sagen mit­un­ter merk­wür­di­ge Din­ge. Aber nie­mand ist so merk­wür­dig wie Geor­ge W. Bush – und nie­mand nimmt das bes­ser aus­ein­an­der als die eine „Dai­ly Show“.

* * *

„Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ wirkt eigent­lich ver­gleichs­wei­se unge­fähr­lich gegen­über „Big Brot­her“ oder vie­len Talk­shows und Doku-Soaps, weil die Teil­neh­mer kei­ne nai­ven Lai­en sind, son­dern Pro­fis, die wis­sen könn­ten, wor­auf sie sich ein­las­sen, und Bera­ter an ihrer Sei­te haben. Doch mit Blick auf Tei­le des Per­so­nals und ihr Ver­hal­ten im Dschun­gel muss man dar­an zwei­feln, ob die Teil­nah­me für alle rein sub­jek­tiv wirk­lich so frei­wil­lig ist.

Ste­fan Nig­ge­mei­er macht sich in der „FAZ“ Gedan­ken dar­über, was die Kan­di­da­ten zu ihrer Teil­nah­me bei „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ getrie­ben haben könn­te.

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The epi­so­de is the latest in which blog­gers and others have used the Inter­net to force Chi­ne­se aut­ho­ri­ties to inves­ti­ga­te bea­tings and other abu­ses by govern­ment offi­ci­als.

Die Online-Aus­ga­be der „New York Times“ berich­tet dar­über, wie Blog­ger in Chi­na die genaue­re Unter­su­chung eines mys­te­riö­sen Todes­falls ansto­ßen konn­ten.

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Die volkstümliche Schlägerparade

Bis vor drei Wochen gab es in Deutsch­land aus­schließ­lich net­te, klu­ge Jugend­li­che, die zwar viel­leicht ab und zu mal Amok­läu­fe an ihren Schu­len plan­ten, aber das waren ja die Kil­ler­spie­le schuld. Seit Ende Dezem­ber reicht es nicht, dass die Jugend­li­chen in der U‑Bahn nicht mehr für älte­re Mit­men­schen auf­ste­hen, sie tre­ten die­se jetzt auch noch zusam­men. Plötz­lich gibt es in Deutsch­land Jugend­ge­walt – so viel, dass die „Bild“-„Zeitung“ ihr eine eige­ne Serie (Teil 1, Teil 2, Teil 3, …) wid­met. Bei „Bild“ sind aller­dings immer die Aus­län­der schuld.

Mit dem The­ma Jugend­kri­mi­na­li­tät ist es wie mit jedem The­ma, das jah­re­lang tot­ge­schwie­gen wur­de: Plötz­lich ist es aus hei­te­rem Wahl­kampf-Him­mel in den Medi­en und alle haben ganz töf­te Erklä­run­gen dafür und Mit­tel dage­gen. In die­sem kon­kre­ten Fall füh­ren sich die Poli­ti­ker auf wie Eltern, die ihre Kin­der die gan­ze Zeit ver­nach­läs­sigt haben und dann plötz­lich, als sie die nicht mehr ganz so lie­ben Klei­nen auf der Poli­zei­wa­che abho­len muss­ten, „War­um tust Du uns das an?“ brül­len und dem Blag erst­mal eine lan­gen. Nur, dass „Ver­nach­läs­si­gung“ in der Poli­tik eben nicht „kei­ne gemein­sa­men Aus­flü­ge in den Zoo“ und „das Kind allei­ne vor dem RTL-II-Nacht­pro­gramm hocken las­sen“ heißt, son­dern „Zuschüs­se für die Jugend­ar­beit strei­chen“ und „desas­trö­ses­te Bil­dungs­po­li­tik betrei­ben“.

Ich hal­te wenig von Gene­ra­tio­nen-Eti­ket­tie­rung, ein gemein­sa­mer Geburts­jahr­gang sagt zunächst ein­mal gar nichts aus. Auch wenn Phil­ipp Lahm und ich im Abstand von sechs Wochen auf die Welt gekom­men und wir bei­de mit „Duck Tales“, Kin­der-Cola und „Kevin allein zuhaus“ auf­ge­wach­sen sind, wäre der sym­pa­thi­sche klei­ne Natio­nal­spie­ler doch nicht unbe­dingt unter den ers­ten ein­hun­dert Leu­ten, die mir ein­fie­len, wenn ich mir ähn­li­che Per­so­nen auf­sa­gen soll­te.1 Es gibt in jeder Alters­grup­pe (und bei jeder Pass­far­be, Eth­ni­zi­tät, sexu­el­len Ori­en­tie­rung, Kör­per­form, Haar­län­ge und Schuh­grö­ße) sym­pa­thi­sche Per­so­nen und Arsch­lö­cher. Mög­li­cher­wei­se war zum Bei­spiel die Chan­ce, in einer Stu­den­ten-WG an Mit­be­woh­ner zu gera­ten, die sich nicht an den Putz­plan hal­ten und ihre Bröt­chen­krü­mel nicht aus dem Spül­stein ent­fer­nen, vor vier­zig Jah­ren bedeu­tend höher als heu­te, und auch wenn Schlun­zig­keit kein Gewalt­ver­bre­chen ist, so ist doch bei­des sehr unschön für die Betrof­fe­nen.

Doch ich schwei­fe ab: Das Kri­mi­no­lo­gi­sches For­schungs­in­sti­tut Nie­der­sach­sen e.V. mit sei­nem viel­zi­tier­ten und fast zu Tode inter­view­ten Direk­tor Prof. Dr. Chris­ti­an Pfeif­fer hat im ver­gan­ge­nen Jahr eine Stu­die zum The­ma „Gewalt­tä­tig­keit bei deut­schen und nicht­deut­schen Jugend­li­chen“ ver­öf­fent­licht.

Auf Sei­te 4 gibt es einen recht schlüs­sig erschei­nen­den Erklä­rungs­ver­such, war­um gera­de bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen eher zu Gewalt nei­gen als ande­re:

Beson­de­re Rele­vanz für eine erhöh­te Gewalt­tä­tig­keit von Nicht­deut­schen scheint aktu­el­len Stu­di­en zufol­ge bestimm­ten, mit Gewalt asso­zi­ier­ten Männ­lich­keits­vor­stel­lun­gen zuzu­kom­men. Die­sen hän­gen in ers­ter Linie tür­ki­sche, aber auch rus­si­sche Jugend­li­che an (vgl. Enzmann/​Brettfeld/​Wetzels 2004, Strasser/​Zdun 2005). Die Männ­lich­keits­vor­stel­lun­gen resul­tie­ren aus einem Ehr­kon­zept, das sich unter spe­zi­fi­schen gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen her­aus­ge­bil­det hat. […] Der Mann als Fami­li­en­vor­stand muss Stär­ke demons­trie­ren, um even­tu­el­le Angrei­fer bereits im Vor­hin­ein abzu­schre­cken.

Lai­en­haft ver­stan­den und über­spitzt gesagt: Eva Her­mans Ruf nach der Rück­kehr ins Patri­ar­chat wür­de auf lan­ge Sicht dazu füh­ren, dass wir wie­der mehr prü­geln­de Jungs hät­ten, weil die archai­schen Männ­lich­keits­bil­dern anhän­gen und den dicken Lar­ry mar­kie­ren wür­den. Oder anders: In Ober­bay­ern wer­den nur des­halb kei­ne Leu­te in U‑Bahnen zusam­men­ge­schla­gen, weil es dort kei­ne U‑Bahnen gibt.

Noch span­nen­der ist aber wohl der auf Sei­te 5 aus­ge­führ­te Ansatz, wonach der ver­meint­lich hohe Anteil an kri­mi­nel­len Aus­län­dern auch ein Wahr­neh­mungs­pro­blem ist:

Die eti­ket­tie­rungs­theo­re­ti­sche Erklä­rung sieht den Grund für eine höhe­re Kri­mi­na­li­täts­be­las­tung dabei nicht allein auf Sei­ten der Migran­ten, son­dern sie bezieht das Ver­hal­ten der Ein­hei­mi­schen mit ein. So konn­te u.a. gezeigt wer­den, dass die Kri­mi­na­li­sie­rungs­wahr­schein­lich­keit (d.h. die Regis­trie­rung als Tat­ver­däch­ti­ger) bei Aus­län­dern im Ver­gleich zu den Deut­schen dop­pelt bis drei­mal so hoch ist (Albrecht 2001; Mansel/​Albrecht 2003). Zudem exis­tie­ren Befun­de, die bele­gen, dass straf­fäl­lig gewor­de­ne Aus­län­der einer zuneh­mend här­te­ren Sank­ti­ons­pra­xis aus­ge­setzt sind (vgl. Pfeif­fer et al. 2005, S. 77ff). Abwei­chung, so die dar­aus ableit­ba­re The­se, ist nicht nur des­halb unter den eth­ni­schen Min­der­hei­ten ver­brei­te­ter, weil die­se tat­säch­lich öfter ein ent­spre­chen­des Ver­hal­ten zei­gen, son­dern weil die auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung bzw. ihre Straf­ver­fol­gungs­or­ga­ne die Abwei­chung von Migran­ten anders wahr­nimmt und auf sie beson­ders sen­si­bel reagiert.

Und wer ein­mal im Gefäng­nis sitzt, lernt dort die fal­schen Leu­te ken­nen, fin­det kei­nen Job mehr und befin­det sich mit­ten­drin in einer Abwärts­spi­ra­le. Der „kri­mi­nel­le Aus­län­der“ ist also zum Teil eine selbst erfül­len­de Pro­phe­zei­hung: Wie oft liest man in der Pres­se von jun­gen Tür­ken, Grie­chen oder Alba­nern, die gewalt­tä­tig gewor­den sind, und wie sel­ten von jun­gen Deut­schen? Bei Deut­schen lässt man in Deutsch­land die Staats­bür­ger­schaft ein­fach weg und der Leser nimmt die Natio­na­li­tät nur wahr, wenn es sich Aus­län­der han­delt. Die Situa­ti­on ist ver­gleich­bar mit den schlecht gepark­ten Autos auf dem Sei­ten­strei­fen, die Sie auch nur wahr­neh­men, wenn eine Frau aus­steigt.

Als ich vor andert­halb Jah­ren für drei Mona­te in San Fran­cis­co weil­te (wo ich mich übri­gens stets sehr sicher fühl­te – auch, weil ich kei­ne loka­len Zei­tun­gen las), wur­de ich eines Tages auf dem Fuß­weg in die Innen­stadt von einem jun­gen Mann ange­rem­pelt. Es war nicht son­der­lich bru­tal, der Mann woll­te nur offen­bar genau dort lang gehen, wo ich stand. So etwas pas­siert einem in deut­schen Fuß­gän­ger­zo­nen nahe­zu täg­lich. Der jun­ge Mann aber war von schwar­zer Haut­far­be und aus dem Fern­se­hen glau­ben wir zu wis­sen: Schwar­ze bege­hen viel mehr Ver­bre­chen als Wei­ße. Ich als auf­ge­schlos­se­ner, ratio­na­ler Mensch muss­te mein Hirn zwin­gen, die­sen Vor­fall nicht als sym­pto­ma­tisch abzu­tun: Nach gröbs­ten sta­tis­ti­schen Schät­zun­gen wur­de ich im Jahr 2006 etwa 42 Mal ange­rem­pelt. In 95% der Fäl­le waren es unfreund­li­che Rent­ner in grau­en Stoff­ja­cken, her­ri­sche Frau­en mit mür­ri­schem Gesichts­aus­druck und dicke unge­zo­ge­ne Kin­der in Deutsch­land. Aber das war All­tag – und in die­sem einen Fall pass­te der Remp­ler auf­grund sei­ner Haut­far­be in ein dif­fu­ses Täter­pro­fil, dass ich im Hin­ter­kopf hat­te. Ich war von mir selbst scho­ckiert.

In San Fran­cis­co wur­de ich noch ein wei­te­res Mal ange­rem­pelt: Als ich an Hal­lo­ween auf der Stra­ße stand, lief eine Grup­pe Jugend­li­cher an mir vor­bei. Jeder ein­zel­ne ver­pass­te mir einen Schul­ter­check, bis ich schließ­lich auf den Geh­weg flog.2 Ihre genaue Eth­ni­zi­tät konn­te ich nicht erken­nen, aber schwarz waren sie nicht. Mei­ne ame­ri­ka­ni­schen Freun­de waren ent­setzt und ver­si­cher­ten mir teils am Ran­de der Trä­nen, dass so etwas in die­ser Gegend sonst nie vor­kä­me. Ich sag­te, ich sei in Dins­la­ken auf­ge­wach­sen, da sei man schlim­me­res gewohnt.

  1. Mei­ne Fuß­bal­ler­kar­rie­re ende­te zum Bei­spiel nach einem ein­ma­li­gen Pro­be­trai­ning in der D‑Jugend. []
  2. Ich beein­druck­te die Fest­ge­mein­de, indem ich bei dem Sturz kei­nen ein­zi­gen Trop­fen Bier aus mei­ner Dose ver­schüt­te­te. Es war das ers­te und ein­zi­ge Mal in mei­nem Leben, dass ich mich als Deut­scher fühl­te. []
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Die „exklusive“ Heimsuchung

Sa-gen-haft!

Kei­ne 24 Stun­den nach dem gro­ßen Fina­le bei „Pop­stars On Stage“ ist die ers­te Sin­gle abge­mischt und das Video zusam­men­ge­schnit­ten. „Haun­ted“ von Room 2012 gibt es jetzt „exklu­siv auf BILD.de“ zu sehen – oder eben bei MyVi­deo oder You­Tube:

Den Song gibt’s übri­gens schon was län­ger, nur hieß er damals noch „My Love“ und war von Jus­tin Tim­ber­la­ke.

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„Spiegel oder Bild“ – Die Auflösung

Kom­men wir nun (etwas ver­spä­tet) zur Auf­lö­sung unse­res klei­nen Spiels. Es haben 13 Per­so­nen teil­ge­nom­men. Die Tipps „Alles SpOn“ waren natür­lich ein biss­chen so, wie beim Rou­lette auf eine Far­be zu set­zen. Genützt hat es trotz­dem nichts, denn bei sechs Rich­ti­gen sind das auch auto­ma­tisch fünf Fal­sche.

Aber der Rei­he nach:

  • 1. „Pisa-Stu­die: War­um gewin­nen immer die Fin­nen?“: „Bild.de“ (10 rich­ti­ge Tipps)
  • 2. „Bäcker rast mit erdros­sel­ter Freun­din in den Tod“: „Spie­gel Online“ (7)
  • 3. „Lot­to-Tou­ris­mus: Polen, Hol­län­der und Dänen grei­fen nach dem Jack­pot“: „Spie­gel Online“ (10)
  • 4. „Nach Erkennt­nis­sen der US-Geheim­diens­te: Iran hat Atom­waf­fen-Pro­gramm gestoppt“: „Bild.de“ (1, STU Jörg Fried­rich)
  • 5. „J‑Los Baby­bauch: Schwan­ge­re Göt­tin in Weiß“: „Spie­gel Online“ (7)
  • 6. „Kate Moss: Busen-Schmu­sen in der Son­ne“: „Bild.de“ (10)
  • 7. „Jop­ie Heesters wird heu­te 104: 10 Din­ge, die ich noch erle­ben möch­te“: „Bild.de“ (8)
  • 8. „Zufalls­fund: Römi­scher Super­kle­ber ent­deckt“: „Spie­gel Online“ (9)
  • 9. „Glücks­spie­ler mit Pech: Ein­mal Lot­to-Mil­lio­när und zurück“: „Spie­gel Online“ (10)
  • 10. „Min­dest­lohn gilt nicht für ihn: 4,73 Mil­lio­nen für Post-Chef Zum­win­kel“: „Bild.de“ (10)
  • 11. „Mas­sen­ent­las­sung bei Pin: Sprin­gers Not­aus­stieg aus dem Brief­ge­schäft“: „Spie­gel Online“ (12)

Jeweils 9 Punk­te geholt und damit kein signier­tes Buch gewon­nen haben Mar­cus, Bedenk­lich und bir­git. Herz­li­chen Glück­wunsch und vie­len Dank fürs Mit­ma­chen!
Beim nächs­ten Mal gibt’s auch wirk­lich was zu gewin­nen, sogar ganz tol­le Sachen!