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Einmal Star und zurück

Da, wo Sex und Drogen lauern: backstage

Wenn die eige­ne Kar­rie­re im Pop-Busi­ness so rich­tig brach liegt, blei­ben Frau­en nur noch Nackt­fo­tos und Män­nern Ent­hül­lungs­bü­cher. Auf letz­te­ren ste­hen dann grif­fi­ge Ankün­di­gun­gen wie „Die Wahr­heit über DSDS, Pop­stars & Co.“ oder „Zwei Gewin­ner packen aus!“

Mar­kus Grimm und Mar­tin Kesi­ci (dem Sie einen gro­ßen Gefal­len täten, wenn Sie sei­nen Nach­na­men auf der zwei­ten Sil­be beto­nen) wis­sen, wie es wir­ken muss, wenn sie jetzt Jah­re nach ihren Sie­gen bei „Pop­stars“ (Grimm war 2004 in der extrem kurz­le­bi­gen, nur mit­tel­er­folg­rei­chen Kir­mes­go­thic­k­a­pel­le Nu Paga­di) und „Star Search“ (Kesi­ci gewann 2003 in der Kate­go­rie „Adult Sin­ger“) mit einem Buch ankom­men, auf dem „Die Wahr­heit über DSDS, Pop­stars & Co.“ und „Zwei Gewin­ner packen aus!“ steht. Und tat­säch­lich fin­den die bei­den ja plötz­lich wie­der in Medi­en statt, die jah­re­lang kei­ne Notiz von ihnen genom­men haben.

Aber Grimm und Kesi­ci haben nichts mehr zu ver­lie­ren. Gemes­sen dar­an ist ihr Buch mit dem auf­merk­sam­keits­hei­schen­den Titel „Sex, Drugs & Cas­ting­shows“ ziem­lich mode­rat aus­ge­fal­len: Es gibt kaum Namens­nen­nun­gen (an eini­gen Stel­len wie etwa bei einem Schla­ger­sän­ger, der von sich selbst nur in der drit­ten Per­son redet, ver­wen­den die Autoren statt Namen Pik­to­gram­me, was sich jetzt aller­dings viel spek­ta­ku­lä­rer anhört, als es sich im Kon­text dann tat­säch­lich liest), kaum schmut­zi­ge Wäsche und die titel­ge­ben­den Sex- und Dro­gen­an­ek­do­ten kann man auch in jedem Inter­view zum Buch nach­le­sen.

„Das Pop­mu­sik­busi­ness ist schlecht und die Leu­te, die damit zu tun haben, sind noch mal einen Grad schlech­ter“, schreibt Grimm an einer Stel­le (nur um eine hal­be Sei­te spä­ter zu erklä­ren, dass Schla­ger und volks­tüm­li­che Musik aber noch mal viel, viel schlim­mer sei­en), aber das Buch wid­met sich dann doch eher dem Busi­ness als den Leu­ten. Dass die Wahr­heit bei Cas­ting­shows ein fle­xi­bles Gut ist, dürf­te noch kaum jeman­den über­ra­schen. Etwas irri­tie­ren­der ist da schon das beschrie­be­ne Geba­ren von Plat­ten­fir­men, gera­de eta­blier­te Acts ein­fach abzu­sä­gen, weil das Nach­fol­ge­pro­dukt schon in den Start­lö­chern steht. Der Laie wür­de ja womög­lich sagen, dass zwei Pfer­de im Ren­nen die Gewinn­chan­cen erhö­hen. Aber des­we­gen füh­ren wir ja alle kei­ne Plat­ten­fir­men.

Etwas läng­lich und umständ­lich zeich­nen die Autoren ihren Weg in die Final­shows ihrer jewei­li­gen Sen­de­rei­hen nach. Auch dem däm­lichs­ten Leser – und, sei­en wir ehr­lich: ein Buch über Cas­ting­shows läuft Gefahr, ein paar däm­li­che Leser zu fin­den – soll klar wer­den, dass er es hier mit zwei boden­stän­di­gen, ehr­li­chen Musi­kern zu tun hat, die eher zufäl­lig zu Medi­en­stars wur­den. Und deren Namen heu­te noch so ver­brannt sind, dass kaum jemand mit ihnen zusam­men­ar­bei­ten möch­te. Kesi­ci schnod­dert sich durch sei­ne Pas­sa­gen und ver­mit­telt den Ein­druck, als gehe er inzwi­schen ganz sou­ve­rän mit sei­ner Geschich­te um. Bei Grimm hin­ge­gen hat man mit­un­ter das Gefühl, dass ein paar klä­ren­de Gesprä­che mit einem The­ra­peu­ten viel­leicht die bes­se­re Idee gewe­sen wären, als sich den gan­zen Frust von der See­le zu schrei­ben und das dann anschlie­ßend zu ver­öf­fent­li­chen.

Auch wenn die Geschich­ten über Mana­ger und Plat­ten­ver­trä­ge natür­lich alle Kli­schees bestä­ti­gen, die man als Außen­ste­hen­der so vom Musik­busi­ness hat­te (las­sen Sie mich alle guten Rat­schlä­ge auf zwei Wor­te her­un­ter­bre­chen: „NICHTS. UNTERSCHREIBEN.“), stellt man bei der Lek­tü­re fest: Cas­ting­shows haben sehr viel mehr mit Fern­se­hen zu tun als mit Musik. In sei­nem Nach­wort bemerkt Kesi­ci sehr klug, dass Musi­ker „auf die Büh­ne, on the road“ gehö­ren, aber nicht ins Fern­se­hen. Dort geht es näm­lich laut Autoren nur dar­um, Geschich­ten zu erzäh­len und das Publi­kum zu unter­hal­ten und nicht dar­um, Künst­ler auf­zu­bau­en – womög­lich noch lang­fris­tig.

Für das Erzäh­len von Geschich­ten gibt es gan­ze Ver­wer­tungs­ket­ten (RTL und Pro­Sie­ben bestrei­ten damit qua­si ihr gesam­tes Pro­gramm), zu denen natür­lich auch die Bou­le­vard­pres­se gehört. So berich­tet Kesi­ci bei­spiels­wei­se, wie sich ein „Bild“-Mitarbeiter (oder zumin­dest jemand, der sich als sol­cher aus­gab) bei ihm mel­de­te und mit der Ankün­di­gung, wenn Kesi­ci das Vier­tel­fi­na­le gewin­ne, wer­de man über sei­ne Vor­stra­fe wegen Dro­gen­be­sit­zes berich­ten, um ein Gespräch bat. Am Tag nach der Sen­dung mach­te „Bild“ dann mit „Darf so einer Deutsch­lands neu­er Super­star wer­den? Ver­ur­teilt wegen Dro­gen!“ auf.

Auch eine wei­te­re „Skandal“-Geschichte rund um „Star Search“ fand in „Bild“ ihren Anfang: Kesi­ci beschreibt, wie er und zwei wei­te­re Kan­di­da­ten weni­ge Tage vor dem gro­ßen Fina­le mit einer Limou­si­ne abge­holt wur­den, in der Repor­ter von „Bild“ und dem Sat.1‑Boulevardmagazin „Blitz“ war­te­ten. Gemein­sam fuhr man in eine Tab­le­dance-Bar, wo der „Bild“-Fotograf jene Fotos mach­te, die am dar­auf fol­gen­den Tag den Arti­kel „Dür­fen die­se Sex-Fer­kel neue Super­stars wer­den?“ bebil­dern soll­ten. Erstaun­lich ist dar­an viel weni­ger, dass „Bild“ invol­viert war, son­dern, dass Sen­der und Pro­duk­ti­ons­fir­ma der­ar­ti­ge Geschich­ten anschei­nend auch noch for­ciert haben.

Sex- und Dro­gen­par­ties in Pro­mik­rei­sen wer­den zwar erwähnt (Grimm schreibt sei­ten­lang über – Ach­tung! – „eine After-Show, denn sie hat­ten alle kei­ne Hosen an und zeig­ten ihren nack­ten Arsch und mehr“), aber zum gro­ßen Pro­mi­klatsch taugt das Buch nicht. Kesi­ci behaup­tet, „dass 70 Pro­zent der Leu­te aus die­ser Glit­zer- und Gla­mour­welt bei sol­chen Par­tys auf Dro­gen sind“, ent­täuscht aber zwei Sät­ze spä­ter die Erwar­tun­gen der ent­hül­lungs­gei­len Leser­schaft mit dem Hin­weis, dass er kei­ne Namen nen­nen wer­de. Es ehrt ihn als Men­schen, scha­det aber natür­lich der Ver­markt­bar­keit des Buchs.

So erfährt man statt­des­sen, wie es abläuft, wenn eine Plat­ten­fir­ma ein Band­mit­glied raus­schmeißt oder einen Künst­ler droppt. Der Leser bekommt schnell den Ein­druck, dass man bes­ser einen Ban­den­krieg unter süd­ame­ri­ka­ni­schen Dro­gen­kar­tel­len anzet­teln soll­te, als bei einer Major-Plat­ten­fir­ma zu unter­schrei­ben. Dafür gibt es im Anhang auch 50 Sei­ten (teil­wei­se geschwärz­te) Ori­gi­nal­ver­trä­ge, die man ohne meh­re­re juris­ti­sche Staats­examen natür­lich kaum durch­schaut. Wenn aller­dings das, was ich nicht ver­ste­he, genau soviel Quatsch ent­hält wie das, was ich ver­ste­he, dann ist das ganz schön viel Quatsch.

„Sex, Drugs & Cas­ting­shows“ ist letzt­lich War­nung vor den gan­zen Ver­stri­ckun­gen, die die Teil­nah­me an so einem Cas­ting mit sich bringt. Auch als Schil­de­rung zwei­er Lebens­we­ge, die von „Durch­schnitts­typ“ zu „Super­star“ und zurück füh­ren, funk­tio­niert das Buch eini­ger­ma­ßen gut. Es hät­te aller­dings gehol­fen, wenn das Manu­skript zumin­dest mal kurz­fris­tig in der Nähe von jeman­dem gele­gen hät­te, der sich mit dem Schrei­ben von Büchern aus­kennt.

Dass Teil­neh­mer und Zuschau­er glei­cher­ma­ßen ver­arscht wer­den, hat­te man sich ja immer schon gedacht. Bei der Lek­tü­re sieht man also vie­les bestä­tigt, was man sowie­so über die feh­len­de Wahr­haf­tig­keit sol­cher Sen­dun­gen geahnt hat­te, gewürzt mir ein paar fas­sungs­los machen­den Anek­do­ten. Aber die ver­spro­che­ne Abrech­nung, „die Wahr­heit“, das alles fällt letzt­lich ein biss­chen mager aus. Ja: Cas­ting­shows sind doof und gefähr­lich und jetzt wis­sen wir alle, war­um. Das auf mehr als 350 Sei­ten aus­ge­brei­tet zu krie­gen, ist ver­mut­lich immer noch ange­neh­mer, als die Ver­wer­tungs­ma­schi­ne­rie des Show­ge­schäfts selbst zu durch­lau­fen.

Mar­kus Grimm/​Martin Kesi­ci – Sex, Drugs & Cas­ting­shows
Riva, 428 Sei­ten
17,90 Euro

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Die Models und die Schnüffler

Heu­te wäre ich wirk­lich ger­ne mal Mäus­chen in den Räu­men von Pro­Sie­ben. Denn egal, wie gut die Quo­ten des gro­ßen Fina­les der drit­ten Staf­fel „Germany’s Next Top­mo­del“ aus­fal­len wer­den: es wird dis­ku­tiert wer­den.

Seit Mit­te April kur­sier­te eine Lis­te, wel­che Kan­di­da­tin wann aus­schei­den wird, im Inter­net zir­ku­lier­te. ((Zwar sind Wan­da und Caro­lin nicht in einer Fol­ge gemein­sam raus­ge­flo­gen, wie es die Lis­te pro­phe­zeit hat­te, aber ich wür­de nicht aus­schlie­ßen, dass der Sen­der die Zeit genutzt hat, um die letz­ten Epi­so­den noch ein biss­chen so umzu­schnei­den, dass die Lis­te wenigs­tens in die­sem einen Punkt nicht ganz stimm­te.)) Die Fol­gen, die in aller Welt und zuletzt in Los Ange­les spiel­ten, waren da wohl längst im Kas­ten.

Am 22. Mai schrieb die Ber­li­ner „B.Z.“ dann (online nicht auf­find­bar):

Jetzt erfuhr B.Z.: Jen­ni­fer soll bereits für eine gro­ße TV-Zeit­schrift foto­gra­fiert wor­den sein – als Sie­ge­rin!

Gegen die­se Theo­rie spricht frei­lich, dass die drei ver­blie­be­nen Kan­di­da­tin­nen mei­ner Mei­nung nach alle­samt nicht über genug Schau­spiel­ta­lent ver­fü­gen, um in der gest­ri­gen Auf­zeich­nung so über­rascht tun zu kön­nen.

Ges­tern um 18:17 Uhr stand dann aber bei dernewsticker.de, dass Jen­ni­fer das soeben auf­ge­zeich­ne­te Fina­le gewon­nen hat­te – dabei hat­te man sich bei Pro­Sie­ben offen­bar noch die Mühe gemacht, eine auto­ma­ti­sier­te Ver­brei­tung der Gewin­ne­rin wie im letz­ten Jahr zu ver­mei­den.

Aber dann war da noch die offi­zi­el­le Pro­Sie­ben-Web­site zur Sen­dung, die nach dem gest­ri­gen Fina­le für min­des­tens eine Stun­de so aus­sah:

Lena Gercke ist Germany’s Next Topmodel

(Lena Gercke ist die Gewin­ne­rin der ers­ten „Topmodel“-Staffel.)

Ansons­ten bot der Abend mit­tel­gu­te Unter­hal­tung in schwa­cher Qua­li­tät. Wäh­rend die ein­zel­nen Epi­so­den von „GNTM“ sonst nicht ganz lieb­los pro­du­ziert waren und mit dem einen oder ande­ren Augen­zwin­kern auf­war­te­ten, wirk­te das auf­wän­di­ge Fina­le wie die drit­te Stell­pro­be einer durch­schnitt­li­chen Sams­tag­abend­show: die Bild­re­gie war anschei­nend nicht besetzt (Hei­di Klum: „Jen­ni­fer, Du bist wei­ter!“, Schnitt auf – Jani­na), man­che Schnit­te waren so hart und offen­sicht­lich, dass sie jedem Lai­en auf­fal­len muss­ten. Dafür hat­te man die schlimms­ten Ver­hed­de­run­gen in Hei­di Klums „Mode­ra­ti­on“ drin gelas­sen – nach­dre­hen wäre wohl auch schwie­rig gewor­den, denn so wie die Sen­dung klang und aus­sah, gab es kein Skript.

Kurz­um: Das Fina­le, bei den meis­ten Cas­ting­shows ja eh das egals­te, wirk­te wie irgend­ein belie­bi­ger offe­ner Kanal, kos­te­te aber ver­mut­lich des­sen Jah­res­etat. Dafür gab es stän­dig Wer­bung und – wenn gera­de kei­ne Wer­bung lief oder ein­ge­blen­det war – Hin­wei­se auf die Volks­wa­gen, die alle drei Fina­lis­tin­nen mit nach hau­se neh­men durf­ten.

Gera­de im Bezug auf die omi­nö­se Lis­te soll­te sich Pro­Sie­ben eine Lösung ein­fal­len las­sen, wie man ähn­li­ches in der kom­men­den Staf­fel umge­hen kann. Ande­rer­seits: Auch wenn ein Groß­teil der Zuschau­er bereits vor­her wuss­te, wer raus­flie­gen und wer gewin­nen wür­de – es war trotz­dem die erfolg­reichs­te „Topmodel“-Staffel bis­her.

[teil­wei­se via Tho­mas Knü­wer und jovels­te­fan]

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What’s the use in trying /​ All you get is pain

Ich leh­ne Cas­ting-Shows nicht grund­sätz­lich ab. „Germany’s Next Top­mo­del“ schaue ich aus mir selbst nicht ganz nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den regel­mä­ßig und „Bul­ly sucht die star­ken Män­ner“ fin­de ich sogar sehr gelun­gen und mit viel Lie­be gemacht, eben­so natür­lich Ste­fan Raabs „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“.

„Deutsch­land sucht den Super­star“ aber mei­de ich wie sonst nur Polit­talk­shows und das Tages­pro­gramm der pri­va­ten Fern­seh­sen­der. Die­ter Boh­len ist mir per­sön­lich nicht bekannt, aber ich sehe wenig Grund dar­an zu zwei­feln, dass ich ihn nicht mögen wür­de. Die Art und Wei­se, wie Schü­le­rin­nen und Schü­ler dazu gebracht wer­den sol­len, ihr kom­plet­tes Taschen­geld und die Ein­künf­te aus ihren Feri­en­jobs der nächs­ten drei Som­mer­fe­ri­en für Tele­vo­ting aus­zu­ge­ben, ist mir min­des­tens suspekt. Inso­fern kann ich auch nicht beur­tei­len, wie der Auf­tritt irgend­wel­cher „Superstar“-Kandidaten in ihrer Hei­mat­stadt zu bewer­ten ist.

Noch weni­ger als „Deutsch­land sucht den Super­star“ schaue ich „Ame­ri­can Idol“, was haupt­säch­lich dar­an liegt, dass ich hier in Deutsch­land kein Fox emp­fan­ge. Aller­dings wür­de ich es wohl selbst dann nicht schau­en, wenn ich tech­nisch dazu in der Lage wäre.

Wer will schon der­art desas­trö­se Dar­bie­tun­gen von „I’m A Belie­ver“ hören?

[Direkt­link]

Die hoff­nungs­vol­le Sän­ge­rin heißt übri­gens Broo­ke White, aber Sie brau­chen sich die­sen Namen nicht zu mer­ken: sie ist in der letz­ten Sen­dung raus­ge­flo­gen.

[via All Songs Con­side­red blog]

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Raabenvater

01:42 Uhr in der Nacht von Don­ners­tag auf Frei­tag ist viel­leicht nicht unbe­dingt der gla­mou­rö­ses­te Zeit­punkt, um eine Pop-Kar­rie­re zu star­ten. So spät war es heu­te früh, als bei Ste­fan Raabs klei­nem Talent­wett­be­werb die Sie­ge­rin fest­stand: die acht­zehn­jäh­ri­ge Ste­fa­nie Heinz­mann aus Eyholz in der Schweiz. Die Sen­dung und vor allem die Kan­di­da­ten hät­ten einen weit bes­se­ren Sen­de­platz ver­dient gehabt als den im Anschluss an Sonya Kraus‘ Trash-Para­de „Sim­ply The Best“.

Doch wor­um ging es eigent­lich? Im April des letz­ten Jah­res stieg Max Bus­kohl frei­wil­lig bei „Deutsch­land sucht den Super­star“ aus, weil er lie­ber mit sei­ner Band Emp­ty Trash musi­zie­ren woll­te. Wegen bestehen­der Ver­trä­ge durf­te er aber zunächst nir­gend­wo mehr auf­tre­ten, auch nicht bei „TV Total“, wohin Ste­fan Raab ihn sofort ein­ge­la­den hat­te. Raab zet­tel­te erst einen „TV-Skan­dal“ („Bild“) an, indem er Bus­kohl als RTL-„Geisel“ insze­nier­te, dann kün­dig­te er ein­fach sei­ne eige­ne Cas­ting­show an: „Ste­fan sucht den Super­star, der sin­gen soll was er möch­te und ger­ne auch bei RTL auf­tre­ten darf“ („kurz“: SSDSDSSWEMUGABRTLAD).

Raab hat­te Erfah­rung mit Cas­ting­shows: Im Jahr 2004 hat­te er mit „Ste­fan sucht den Super-Grand-Prix-Star“ („SSDSGPS“) den letz­ten ernst zuneh­men­den Ver­such sabo­tiert, aus dem deut­schen Vor­ent­scheid zum Schla­ger-Grand-Prix doch noch eine zeit­ge­mä­ße Ver­an­stal­tung zu machen. Dafür ver­half er dem Sän­ger Max Mutz­ke über Nacht zum Num­mer-Eins-Hit, hol­te mit ihm in Istan­bul den bis heu­te letz­ten deut­schen Top-Ten-Platz beim Grand Prix und bekam für all das auch noch den Grim­me­preis. Dann hat­te Raab genug vom Grand Prix und rief den „Bun­des­vi­si­on Song Con­test“ ins Leben, der sich aus dem Stand her­aus zu einer der wich­tigs­ten Ver­an­stal­tun­gen der deut­schen Musik­sze­ne ent­wi­ckel­te. Raab selbst mut­maß­te in einem „Behind the scenes“-Special zum aktu­el­len Wett­be­werb, es hät­ten sich des­halb so vie­le inter­es­san­te Musi­ker bewor­ben, die nie in eine regu­lä­re Cas­ting­show gegan­gen wären, weil sie sich bei ihm und sei­nem Team sicher sein konn­ten, ernst genom­men zu wer­den und sie selbst blei­ben zu dür­fen.

Und in der Tat: Was da an Kan­di­da­ten in den ers­ten Ent­schei­dungs­shows auf­lief, hät­te jeden RTL-„Superstar“ in Grund und Boden sin­gen kön­nen. Dar­un­ter jede Men­ge ech­te Typen, die man nicht nur wegen ihres Exo­ten-Fak­tors mit rein­ge­nom­men hat­te. Die von Anfang an hohe Qua­li­tät mach­te die Jury-Urtei­le von Raab, Bus­kohl-Papa Carl Carl­ton und wech­seln­den Gäs­ten wie Ange Engel­ke, Sasha oder ges­tern Universal‑A&R Jochen Schus­ter dann natür­lich ein biss­chen lang­wei­lig, wie Chris­toph Caden­bach bei „Spie­gel Online“ bemerkt:

Da wünsch­te man sich, so trau­rig das scheint, eine Leder­haut wie Die­ter Boh­len her­bei, der die Kan­di­da­ten mal so rich­tig vor den Kame­ras scharf­rich­tet.

Wer sich dar­über wun­dert, dass aus­ge­rech­net dem immer noch als „Groß­maul“ ver­schrie­nen Ste­fan Raab eine kusch­li­ge Cas­ting­show und damit die ver­meint­li­che Qua­dra­tur des Krei­ses gelun­gen ist, hat die Ent­wick­lung der letz­ten Jah­re ver­passt: Raab hat aus Schnaps­ideen Groß­ereig­nis­se wie die „Wok-WM“ ent­wi­ckelt, er hat mit „Schlag den Raab“ die gro­ße (und ewig lan­ge) Sams­tag­abend­show wie­der zum Leben erweckt und dürf­te in der Retro­spek­ti­ve irgend­wann als einer der wich­tigs­ten Fern­seh­ma­cher der Nuller Jah­re gese­hen wer­den. Und wenn sei­ne Autoren ihm nicht jedes­mal, wenn das The­ma Frau­en­fuß­ball zur Spra­che kommt, gänz­lich unsäg­li­che Les­ben­wit­ze aus der unters­ten Schub­la­de kra­men wür­den, hät­te er viel­leicht auch einen all­ge­mein bes­se­ren Ruf.

Doch zurück zum gest­ri­gen Fina­le, bei dem vier mehr oder weni­ger unwahr­schein­li­che poten­ti­el­le Pop­stars zur Wahl stan­den: Mario, ein zwan­zig­jäh­ri­ger Cow­boy, der aus­schließ­lich Coun­try-Songs gesun­gen und es damit immer wie­der in die nächs­te Run­de geschafft hat­te; Stef­fi, eine sym­pa­thi­sche Frän­kin, die über­all sonst das Label „Rocker­braut“ ver­passt bekom­men hät­te, wenn sie mit 32 über­haupt noch hät­te teil­neh­men dür­fen; Gre­gor, der ab der zwei­ten Show mit selbst geschrie­be­nen, deutsch­spra­chi­gen Bal­la­den ange­tre­ten war, und Ste­fa­nie, eine acht­zehn­jäh­ri­ge Schwei­ze­rin, die anspruchs­vol­le und mit­un­ter abwe­gi­ge Soul- und Funk­songs schmet­ter­te, als habe sie nie etwas ande­res gemacht, und die sich selbst immer am meis­ten über ihr Wei­ter­kom­men zu wun­dern schien. Die­se Kan­di­da­ten hat­ten bis ges­tern alle kei­ne Nach­na­men, kei­ne Fami­lie, die in Ein­spiel­fil­men erzäh­len muss­te, dass die Kin­der ja noch „total auf dem Boden geblie­ben“ sei­en, und kein Pri­vat­le­ben, das in der „Bild am Sonn­tag“ aus­ge­brei­tet wur­de. Die Kan­di­da­ten und ihre Songs reich­ten völ­lig aus, was im Gegen­zug lei­der auch hieß, dass der Wett­be­werb fast unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit statt­fand – und ich hab ja auch bis­her nie dar­über geschrie­ben.

Dass Ste­fa­nie schließ­lich vor Gre­gor und Stef­fi das Fina­le gewin­nen wür­de (Mario war bereits nach dem ers­ten von zwei Songs aus­ge­schie­den), zeich­ne­te sich schon an den Zuschau­er­re­ak­tio­nen ab: das Stu­dio­pu­bli­kum hör­te kaum noch auf zu toben, nach­dem sie „Only So Much Oil In The Ground“ von Tower Of Power zum Bes­ten gege­ben hat­te. Lei­der ist „My Man Is A Mean Man“, das ihr die schwe­di­schen Autoren Mar­kus Sepehr­ma­nesh, Tom­my Tysper und Gus­tav Jons­son geschrie­ben haben, nicht so span­nend gera­ten – schon gar nicht in der Stu­dio­ver­si­on.

Denn bereits heu­te kann man eine Sin­gle kau­fen, auf der prak­ti­scher­wei­se alle vier Fina­lis­ten mit ihren neu­en Songs ver­tre­ten sind – bei iTu­nes zum Bei­spiel schon seit Ende der Sen­dung. Und da wol­len wir doch noch mal ganz kurz rein­hö­ren:

Ste­fa­nie Heinz­mann – My Man Is A Mean Man (Live­vi­deo aus der Sen­dung)
Eine gefäl­li­ge Soul­pop-Num­mer, die ein wenig an Joss Stone, die neue­ren Chris­ti­na-Agui­lera-Sachen oder die Supre­mes erin­nert. Nett, aber bei der Stim­me wäre viel mehr drin gewe­sen.

Gre­gor Meyle – Nie­mand (Live­vi­deo)
Gre­gor ist der Ein­zi­ge der Fina­lis­ten, der sei­nen Song selbst geschrie­ben hat. „Nie­mand“ hat­te er schon wäh­rend der Ent­schei­dungs­shows im Dezem­ber gespielt und es ist für­wahr ein erstaun­lich guter Song. Zwar ist das Gere­de von Carl­ton und Raab, man habe den bes­ten deutsch­spra­chi­gen Song­wri­ter seit Jah­ren ent­deckt, schon ziem­lich über­trie­ben, ander­seits stellt man sich natür­lich auch die Fra­ge, wel­che neu­en deutsch­spra­chi­gen Song­wri­ter es in den letz­ten Jah­ren denn wohl über­haupt so gab – zumin­dest kei­nen, der der­art lyrisch und den­noch unpein­lich über die ganz gro­ßen Gefüh­le gesun­gen hät­te. Mit der U2-Instru­men­tie­rung ist das dann schon recht gro­ßer Sport. Nach den ande­ren Eigen­kom­po­si­tio­nen, die der Mann in der Show gespielt hat, kann man da ein erstaun­li­ches Album erwar­ten.

Stef­fi List – Break The Silence (Live­vi­deo)
Das Lied, das in der Stu­dio­ver­si­on am sat­tes­ten gera­ten ist. Die klang­li­che Nähe zu K’s Choice liegt vor allem dar­an, dass Stef­fis Stim­me ordent­lich nach der von Sarah Bet­tens klingt. Der Song könn­te sonst aber auch von Hea­ther Nova, Sophie B. Haw­kins oder Sheryl Crow sein – was ich jetzt merk­wür­di­ger­wei­se als Kom­pli­ment mei­ne.

Mario Stroh­schänk – Don’t Feel Sor­ry For Me (Live­vi­deo)
Na, das höre ich ja schon bei WDR2 rauf und run­ter lau­fen. Klingt wie die Songs, die Gregg Alex­an­der für Ronan Kea­ting geschrie­ben hat, oder das Come­back-Album von Take That: Schon ein wenig arg glatt und main­strea­mig, aber doch grad noch so, dass man es eher als „ein­gän­gig“ denn als „chee­sy“ bezeich­nen wür­de. Raab hat schon recht, wenn er meint, dass man Mario den Süd­staa­ten-Ame­ri­ka­ner glatt abneh­men wür­de.

Kurz­um: Die Sin­gle ist Pop im bes­ten Sin­ne. Ob Ste­fan Raab bei sei­ner Suche nun wirk­lich einen „Super­star“ gefun­den hat, wird sich (wie bei jeder Cas­ting­show) noch zei­gen. Die Vor­aus­set­zun­gen (Talent und eine Ziel­grup­pe, die mög­li­cher­wei­se loya­ler ist als die Hor­den krei­schen­der Tee­nies, die jedes Jahr für ein ande­res One-Hit-Won­der jubeln) sind jeden­falls gut. Man soll­te RTL sehr dank­bar sein, dass sie Max Bus­kohl unter Ver­schluss gehal­ten haben.

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Die „exklusive“ Heimsuchung

Sa-gen-haft!

Kei­ne 24 Stun­den nach dem gro­ßen Fina­le bei „Pop­stars On Stage“ ist die ers­te Sin­gle abge­mischt und das Video zusam­men­ge­schnit­ten. „Haun­ted“ von Room 2012 gibt es jetzt „exklu­siv auf BILD.de“ zu sehen – oder eben bei MyVi­deo oder You­Tube:

Den Song gibt’s übri­gens schon was län­ger, nur hieß er damals noch „My Love“ und war von Jus­tin Tim­ber­la­ke.

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Recycling

Erin­nern Sie sich an Max Bus­kohl?

Okay, das ist eine gemei­ne Fra­ge. In der schnell­le­bi­gen Zeit von TV-Cas­ting­shows weiß ja schon nie­mand mehr, wer vor einem hal­ben Jahr bei „Deutsch­land sucht den Super­star“ gewon­nen hat – geschwei­ge denn, wer drei Wochen zuvor aus der Sen­dung aus­ge­stie­gen war.

Ande­rer­seits war die Max-Bus­kohl-Geschich­te so unin­ter­es­sant ja nicht: Immer­hin schmiss der jun­ge Mann im April angeb­lich hin, weil er einen Plat­ten­ver­trag für sei­ne gesam­te Band haben woll­te, wor­auf­hin ihn Ste­fan Raab zu „TV Total“ ein­lud, was aber aus ver­trag­li­chen Grün­den nicht ging, wes­we­gen Raab erst umstrit­te­ne Gra­fi­ken ein­blen­de­te und dann einen eige­nen Talent­wett­be­werb ins Leben rief, der zur Zeit läuft und musi­ka­lisch inter­es­san­ter ist als alle bis­he­ri­gen „DSDS“-Staffeln zusam­men.

Doch zurück zu Max Bus­kohl: Des­sen Band Emp­ty Trash, für die er damals angeb­lich einen Plat­ten­ver­trag haben woll­te, hat natür­lich sofort einen gekriegt – bei Capi­tol Racords, einer Toch­ter von EMI, dem schärfs­ten Kon­kur­ren­ten der „DSDS“-Plattenfirma SonyBMG.

Ver­gan­ge­ne Woche erschien die ers­te Sin­gle „Limi­t­ed“ und da wol­len wir doch erst ein­mal kurz rein­hö­ren:

Lachen Sie jetzt mal nicht über das Video: Ver­gli­chen mit den doch sehr Schü­ler­band-mäßi­gen Songs, die Emp­ty Trash vor ihrem Sig­ning auf ihrer Web­site hat­ten, ist das musi­ka­lisch eine ziem­li­che Wei­ter­ent­wick­lung. Der Schwe­de Patrick Ber­ger, der das Album mit Bus­kohls Vater Carl Carl­ton pro­du­ziert hat, mag viel­leicht ein biss­chen viel Pla­ce­bo und The Kil­lers gehört haben, bevor er am Misch­pult Platz nahm (die Plat­ten­fir­ma möch­te beson­ders dar­auf hin­wei­sen, dass die Sin­gle von Pel­le Gun­n­ar­feldt abge­mischt wur­de, der sonst für The Hives, The (Inter­na­tio­nal) Noi­se Con­spi­ra­cy und Last Days Of April arbei­tet – doof nur, dass der Mann Gunnerfeldt heißt), aber die Stro­phen haben schon einen durch­aus net­ten Zug nach vor­ne. Scha­de, dass sie in einen der­art H‑Blockx-mäßi­gen Brüll-Refrain mün­den.

Lan­ge Rede, kur­zer Sinn: Von allen Ex-Cas­ting­show-Kan­di­da­ten Deutsch­lands ist Max Bus­kohl mit sei­ner Band Emp­ty Trash mit Sicher­heit der viel­ver­spre­chends­te. Solch ein Lob erin­nert natür­lich erst mal an den Ein­äu­gi­gen, der unter den Blin­den König ist, aber viel­leicht geht da ja wirk­lich noch was mit dem Album, das nächs­te Woche erscheint. Auch wenn Sound und Art­work wie­der mal völ­lig kon­ser­va­tiv alter­na­ti­ve sind: Mir ist es in jedem Fall lie­ber, wenn die Kin­der und Jugend­li­chen sich sowas anhö­ren als eine wei­te­re von Die­ter Boh­len geschrie­be­ne Power­schnul­ze.

P.S.: Machen Sie doch mit beim lus­ti­gen „Limited“-Puzzle. Ich hab schon bei­na­he alle Pla­ce­bo-Songs und Tei­le von „Lea­ving New York“ von R.E.M. wie­der­ent­deckt.