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Digital Leben

Hang On To Your IQ

Als ich bei CT das radio anfing, gab es eine feste Regel: Pro Nachrichtenblock wurde eine Weltnachricht, eine Deutschlandnachricht, eine aus NRW/Ruhrgebiet und eine aus dem Hochschulwesen benötigt. Hochschulnachrichten begannen meist mit der Formulierung “Forscher der Ruhr-Universität haben herausgefunden …” und endete nicht selten mit schlafenden Hörern. ((Mutmaßlich, für eine Media-Analyse fehlte das Geld.)) Manchmal auch mit schlafenden Nachrichtensprechern.

Irgendwann wurden die gelangweilt abgelesenen Mitteilungen der Uni-Pressestellen zum Hormonhaushalt von Karpfen und zur Anziehungskraft weit entfernter Planeten in ein eigenes Programmsegment verfrachtet, dessen Bumper ((Fachbegriff für “Eine gut gelaunte Stimme ruft den Namen der Rubrik, dann läuft jene Hintergrundmusik, die die verrückten Radiomenschen ‘Bett’ nennen …”)) den Hörern deutlich macht, dass sie jetzt gefahrlos zwei Minuten auf Klo gehen können, ohne ihren aktuellen Lieblingssong zu verpassen. Aber was will man tun? Hochschulnachrichten gehören halt zum Sendeauftrag von Campusradios …

Medien gehen kaum weniger lieblos mit den Entdeckungen und Erkenntnissen großer Forscher um: Wissenschaftliche Inhalte sind nur dann spannend, wenn “wir” ((Also Sie, ich und Kai Diekmann — das ganze deutsche Volk halt.)) mal wieder Nobelpreis “sind” oder sich zu knackigen Schlagzeilen im “Panorama”-Ressort bürsten lassen.

In den letzten Wochen also in etwa so:

Studie: Niedriger IQ schlecht fürs Herz

Herz-Kreislauf-Erkrankung durch niedrigen IQ - Gesundheitszustand vom IQ abhängig

Areale im Gehirn - Wo die Intelligenz sitzt

Und wenn man Ursache und Wirkung vertauscht, kommt schon mal so etwas heraus:

Die neuesten Erkenntnisse sind auch wieder beruhigend:

Intelligenz und Evolution - Konservative haben geringeren IQ

Satoshi Kanazawa von der London School of Economics and Political Science will eine ganze Menge herausgefunden haben:

In the current study, Kanazawa argues that humans are evolutionarily designed to be conservative, caring mostly about their family and friends, and being liberal, caring about an indefinite number of genetically unrelated strangers they never meet or interact with, is evolutionarily novel. So more intelligent children may be more likely to grow up to be liberals.

Mehr noch:

“Humans are evolutionarily designed to be paranoid, and they believe in God because they are paranoid,” says Kanazawa. […] “So, more intelligent children are more likely to grow up to go against their natural evolutionary tendency to believe in God, and they become atheists.”

Und schließlich:

And the theory predicts that more intelligent men are more likely to value sexual exclusivity than less intelligent men, but general intelligence makes no difference for women’s value on sexual exclusivity.

All diese Erkenntnisse ((Ein höherer IQ führt zu mehr Progressivität, weniger Religiosität und höherer Monogamie.)) gerinnen bei den Online-Medien des Axel-Springer-Verlags schließlich zu Schlagzeilen wie diesen:

Britischer Forscher behauptet: Fremdgeher haben einen niedrigeren IQ!

Sex-Studie: Fremdgeher haben niedrigen IQ

Hmmmm. Was könnte wohl passieren, wenn es die Meldung bis nach Österreich schafft?

Untreue Männer sind dümmer

Ob die im Volksmund weit verbreitete These, wonach Dumm besser ficke, auch für Männer gilt, steht leider nicht im Artikel.

Wäre aber doch ein schöner Ausgleich, denn:

Wer einen niedrigen IQ hat, stirbt früher

Mit Dank auch an Peter B., Lukas S. und noir

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Rundfunk

Die Models und die Schnüffler

Heute wäre ich wirklich gerne mal Mäuschen in den Räumen von ProSieben. Denn egal, wie gut die Quoten des großen Finales der dritten Staffel “Germany’s Next Topmodel” ausfallen werden: es wird diskutiert werden.

Seit Mitte April kursierte eine Liste, welche Kandidatin wann ausscheiden wird, im Internet zirkulierte. ((Zwar sind Wanda und Carolin nicht in einer Folge gemeinsam rausgeflogen, wie es die Liste prophezeit hatte, aber ich würde nicht ausschließen, dass der Sender die Zeit genutzt hat, um die letzten Episoden noch ein bisschen so umzuschneiden, dass die Liste wenigstens in diesem einen Punkt nicht ganz stimmte.)) Die Folgen, die in aller Welt und zuletzt in Los Angeles spielten, waren da wohl längst im Kasten.

Am 22. Mai schrieb die Berliner “B.Z.” dann (online nicht auffindbar):

Jetzt erfuhr B.Z.: Jennifer soll bereits für eine große TV-Zeitschrift fotografiert worden sein – als Siegerin!

Gegen diese Theorie spricht freilich, dass die drei verbliebenen Kandidatinnen meiner Meinung nach allesamt nicht über genug Schauspieltalent verfügen, um in der gestrigen Aufzeichnung so überrascht tun zu können.

Gestern um 18:17 Uhr stand dann aber bei dernewsticker.de, dass Jennifer das soeben aufgezeichnete Finale gewonnen hatte – dabei hatte man sich bei ProSieben offenbar noch die Mühe gemacht, eine automatisierte Verbreitung der Gewinnerin wie im letzten Jahr zu vermeiden.

Aber dann war da noch die offizielle ProSieben-Website zur Sendung, die nach dem gestrigen Finale für mindestens eine Stunde so aussah:

Lena Gercke ist Germany’s Next Topmodel

(Lena Gercke ist die Gewinnerin der ersten “Topmodel”-Staffel.)

Ansonsten bot der Abend mittelgute Unterhaltung in schwacher Qualität. Während die einzelnen Episoden von “GNTM” sonst nicht ganz lieblos produziert waren und mit dem einen oder anderen Augenzwinkern aufwarteten, wirkte das aufwändige Finale wie die dritte Stellprobe einer durchschnittlichen Samstagabendshow: die Bildregie war anscheinend nicht besetzt (Heidi Klum: “Jennifer, Du bist weiter!”, Schnitt auf – Janina), manche Schnitte waren so hart und offensichtlich, dass sie jedem Laien auffallen mussten. Dafür hatte man die schlimmsten Verhedderungen in Heidi Klums “Moderation” drin gelassen – nachdrehen wäre wohl auch schwierig geworden, denn so wie die Sendung klang und aussah, gab es kein Skript.

Kurzum: Das Finale, bei den meisten Castingshows ja eh das egalste, wirkte wie irgendein beliebiger offener Kanal, kostete aber vermutlich dessen Jahresetat. Dafür gab es ständig Werbung und – wenn gerade keine Werbung lief oder eingeblendet war – Hinweise auf die Volkswagen, die alle drei Finalistinnen mit nach hause nehmen durften.

Gerade im Bezug auf die ominöse Liste sollte sich ProSieben eine Lösung einfallen lassen, wie man ähnliches in der kommenden Staffel umgehen kann. Andererseits: Auch wenn ein Großteil der Zuschauer bereits vorher wusste, wer rausfliegen und wer gewinnen würde – es war trotzdem die erfolgreichste “Topmodel”-Staffel bisher.

[teilweise via Thomas Knüwer und jovelstefan]